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Dunkler Honig

Eine Gangrel. Eine Stadt. Eine Menge Probleme.
von

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Insatiable - Süchtige unter sich

Sie rückte noch näher an Mel heran. Strich ihr mit den Fingerspitzen der freien Hand sanft über die Wange, nur ganz sacht, berührte sie fast nicht. Weiter über die Falten des Schals, zu dem kleinen, gegen das Schwarz der Weste fast weiß schimmernden Dreieck, das der ein wenig heruntergezogene Reißverschluss preisgab.

Mel schloss die Augen, lauschte dem Geräusch des unregelmäßigen Atems, das den Raum füllte. Hob und senkte ihre Brust leicht, immer wieder, um Encarna nicht zu irritieren. Nicht zu gleichmäßig.

Der Druck der Finger wurde kaum merklich stärker, sie streichelten die freiliegende Haut, fast heiß gegen Mels kühlen Körper. Die Intensität der Wärme schwankte leicht. Nur ein winziges bisschen, im Takt des Herzschlags unter der Goldhaut.

Encarna zog den Reißverschluss ein Stückchen weiter nach unten. Langsam, sehr langsam, die Zähnchen knirschten einer nach dem anderen. Die Fingerspitzen begannen wieder zu wandern, begrüßten die neu freigelegte Haut, schlichen sich unter den Stoff.

Noch ein Stückchen, die Zähnchen knirschten das Brustbein entlang.

Mel schnappte unwillkürlich nach Luft, als die warmen Berührungen einer plötzlichen, weichen, pochenden Hitze wichen, die verschwand und wieder auftauchte, dem Reißverschluss folgte. Unter der dünnen Haut dieser Lippen raste lebendes Blut, so nah ...

Die Vampirin verkrallte sich hinter ihrem Rücken mit beiden Händen in der Bettdecke.

Noch nicht. Noch nicht. Noch nicht!, pulsierte es in ihrem Kopf, im Gleichtakt mit Encarnas Herzschlag.

Die Weste öffnete sich weiter, noch weiter, der Reißverschluss hatte fast die Magengrube erreicht -

Mel riss die Augen auf, ihre Hand schnellte vor, umklammerte das Handgelenk der Lebenden.

"Stopp."

Encarna, halb aus ihrer Versenkung gerissen, sah sie irritiert und wütend an. "Was darf ich denn diesmal nicht sehen? Hast du schon wieder ein paar kassiert auf einem Turnier und schämst dich für die Spuren? Ehrlich, MMA-Frau, vor dir hab ich nicht gewusst, dass Fight Club eine Doku ist. Lass los!"

Mel kratzte den Rest ihrer Konzentration zusammen, den sie nicht dafür verwendete, sich im Zaum zu halten.

"Wenn du versprichst, dieses Top nicht weiter aufzumachen. Falls doch - da hinten ist die Tür, die schließt du dann von außen. Erste und letzte Warnung."

"Ist ja gut", murrte Encarna. "Und ich bin angeblich schweigsam, was meine Gründe angeht. Irgendwann verrätst du mir, was für Kampfsportarten ihr da eigentlich kombiniert. Und zeigst mir alles. Jeden blauen Fleck. Jede Schramme. Jedes Gott-weiß-ich-was."

Mel ließ ihre Hand los, strich ihr geistesabwesend über den Kopf. "Irgendwann, ja. Bestimmt. Aber nicht jetzt, bitte. Such dir einfach eine Stelle aus."

Encarnas Stolz und ihre Begierde fochten einen kurzen Kampf aus. Sie zögerte einige Augenblicke, dann war das Duell klar entschieden.

Sie streifte Mel mit lüsternem Blick und einem breiten Grinsen die Weste von den Schultern, das halb offene Kleidungsstück hing nun knapp über ihren Ellbogen und entblößte beinahe ihren kompletten Oberkörper.

"Glaub mir. Das hab ich schon ... Lehn dich zurück."

Mel rutschte ein Stück nach hinten und stützte sich gehorsam - gehorsam, dachte sie mit einem leichten Schnauben, aber nicht mehr lange - auf ihre hinter dem Rücken angewinkelten Arme. Encarna schwang ein Bein über sie, saß jetzt praktisch auf ihr.

"Ich hab so lange gewartet", flüsterte sie. "Viel zu lange. Wo warst du?"

Mel drückte die Oberarme gegen die Rippen. Das Letzte, das sie jetzt brauchen konnte, war, dass Encarna die Narben seitlich an ihrem Brustkorb entdeckte. Nicht, nachdem sie so weit gekommen waren. Die Zeit war knapp, in mehr als einer Hinsicht.

"Ich bin hier", murmelte sie. Encarna schien sie nicht gehört zu haben. Sie strich mit der flachen Seite des Skalpells über die Haut der Vampirin, streichelte ihre Brüste. In ihren Augen glühte ein Funke, den Mel wiederzuerkennen meinte - ein verwässerter Abklatsch, ein winziger Verwandter des gleichen Feuers, das hinter ihren eigenen Schläfen raste, sie von innen her zu übermannen drohte.

Jetzt tu es endlich!

Die Latina nickte leicht, als hätte sie sie gehört, beugte sich zu ihr herunter.

Wieder diese pochende Hitze, diesmal knapp über ihrer rechten Brustwarze. Mel seufzte, nicht aus Lust, sondern, weil der Puls der Lebenden so heftig gegen deren dünne Haut und ihre eigene hämmerte, dass sie der festen Überzeugung war, er würde beide Schichten zerfetzen, auf sie überspringen und ihr eigenes totes Herz wieder schlagen machen. Der bloße Gedanke daran trieb ihr fast das Rot vor die Augen. Sie ballte die Fäuste, biss sich auf die Unterlippe. Wartete. Wartete! Unendliche Sekunden lang.

Das Pulsieren wich einem beißenden kleinen Schmerz, sie spürte die Skalpellklinge durch ihr Fleisch gleiten und stöhnte erlöst auf.

Encarna sog an der Wunde, spreizte die Ränder des Schnittes mit der Zunge wie eine hungrige Katze. Die Hitze ihres Mundes an Mels offenem Fleisch erinnerte sie daran, wie es gewesen war, sich als Lebende zu verletzen, wie es sich anfühlte, einen Körper zu haben, der von selbst auf Reize reagierte, atmete und ein eigenes Leben hatte. Sie verlor sich in der ungewohnten Empfindung, nicht selbst zu trinken, sondern sich zu verströmen.

Ein Teil ihrer selbst schlug Alarm; sie kam schlagartig zurück, packte Encarna im Nacken und zog sie von sich weg. Die zischte wütend, wehrte sich aber nicht. Sie wussten beide, dass das mehr als genug gewesen war.

Mel verschwendete keinen Gedanken daran, die Wunde zu heilen. Sie war sofort auf den Beinen, Encarna immer noch im Nacken gepackt; sie riss sie hoch und warf sie rückwärts auf die Matratze. Kniete über ihr, bevor die Jüngere überhaupt verstanden hatte, was passiert war. Vergessen jeder Gedanke an Tarnung und Überredung, jetzt würde sie gegen nichts mehr etwas einzuwenden haben.

Mel lächelte grimmig.

"Jetzt bin ich dran."

Statt einer Antwort nickte Encarna nur, immer noch mit dem gleichen glücklichen Gesichtsausdruck wie während des Trinkens, richtete sich leicht auf und zog ihr T-Shirt über den Kopf.

"Ich gehöre dir."

Wenn du nur wüsstest, wie recht du hast.



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