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Rubina

Piraten unter sich.
von

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II
 

Drei Monate bin ich jetzt hier; und eigentlich habe mich gut erholt. Doch manchmal fängt die Vergangenheit mich wieder ein...

„Dreizehn Mann sitzen auf der Kist von nem toten Mann...“ ich hab mich in die seitliche Takelage „geflochten“ in meiner Linken eine halbleere Flasche Rum, „... Omeio in der Hand ne Flasche Rum. Den Rest der Mannschaft holt der Teufel doch das schert sie nicht! Omeio in der Hand ne Flasche Rum!“

Ich bin mir sehrwohl der Blicke bewusst die die Mannschaft zu mir nach oben schickt, aber, zum Teufel, es schert mich nicht.

Ich schütte den Rest des Rums in mich hinein und werfe die leere Flasche in hohem Bogen in die blauen Fluten unter mir, lasse den Kopf hängen.

„Rrrum! Rrrum!“ und krächzend landet Flint auf meiner Schulter.

„Na Flint, alter Junge,“ ich kraule ihn sachte unterm Schnabel, „was verschlägt dich denn hier herauf, solltest du nicht lieber Vize-Kapitän Silver Gesellschaft leisten?“

Der Papagei legt den Kopf schief und krächzt: „Siiilverr, Gesellschaft! Siiilverr, Gesellschaft!“

Ich seufze und blicke nicht einmal nach unten wo ich befinde: „Wenn du schon hochkommst, Vize, Bring auch gleich ne Flasche mit!“ hätt ich mir ja denken können, dass der gute Kerl mich nicht einfach hier oben rumhängen und Trübsal blasen lassen kann, ohne sich Sorgen zu machen!

Und tatsächlich: Keine Minute später „flechtet“ er sich neben mir in die Takelage und Flint flattert hinüber auf seine ausladende Schulter.

„Na Käp'n,“ ein sehr besorgter Blick streift mich, „schlecht geschlafen, oder gar nich?“

„Du hast auch nich geschlafen...“ ich schenke ihm ein verschmitztes Lächeln, „ich hab dich gehört. Oben an Deck...“ und ich male mit dem Finger einige Kreise in die Luft, die seine endlos Rundgänge von letzter Nacht darstellen sollen.

„Du hast also gar nich geschlafen, Kitten.“

Ich beschliesse die Besorgnis in Johns Stimme und seinen ozeanblauen Augen zu ignorieren und stattdessen nach meinem Rum zu fragen.

„Du bekommst,“ er grinst mich rotzfrech an, „erst wieder welchen wenn du was gegessen hast. Hier,“ und er hält mir einen Apfel entgegen, „Frühstück!“

„Aye, aye, Vize-Kapitän!“ ich schnappe nach der Frucht und nuschle ein kleines Danke.

„Einer muss doch auf dich aufpassen...“

„Mhm, schon klar...“ ich halte ihm den Apfel vor die Nase und fordere: „Abbeissen, ich weiss nämlich ganz genau, dass ich nich die Einzige ohne Frühstück, bin hier!“

Silver verdreht die Augen und Flint auf seiner Schulter flattert, aufgeregt krächzend: „Frrühstück, Frrühstück, abbeissen, abbeissen!“

Ich kichere: „Na, nu' da hörst du's. Abbeissen!“

Fasziniert sehe ich ihm dabei zu.

Weisse, erstaunlich makellose, kräftige Zähne versenken sich in dem Apfel, Silver schliesst schon während des Zubeissen seine Augen mit diesen verboten dichten Wimpern und legt beim kauen genüsslich den Kopf ein wenig nach hinten.

Beim Klabautermann, er ist der einzige Mann den ich kenne der es zustande bringt, aus der schlichten Tätigkeit einen Apfel zu essen, einen absolut sündigen Vorfall zu machen.

War ich nicht eben noch zu Tode deprimiert?

Das ich den Apfel in meiner Hand unbewusst so gedreht habe, dass ich an genau derselben Stelle zubeisse wie er, bemerke ich erst als ich selbst wieder auf einem kleinen Stück rumkaue und ihm unser Frühstück schon wieder hinhalte.

„Silver,“ ich starre ganz bewusst nirgends anders hin als hinunter in die See, „wie sieht's aus, hat's noch genuch Äpfel?“ Durch die Blume gefragt: Wann müssen wir wieder Proviant nachladen...

„Escondida wäre ratsam... Tortuga unausweichlich...“ ebenfalls durch die Blume: Spätestens in vier Wochen.

Ich entscheide mich: „Wir laufen Tortuga an und bleiben da ne Weile... Rum und Spass für alle. Ich übernehme die Bordwache...“ und noch einen Mundvoll Apfel.

„Wir teilen die Wache...“ ein kräftiger Biss, „... genau wie diesen Apfel, Käp'n.“

Was soll ich dazu noch gross sagen, ausser: „Aye, Vize!“

Ich bin nicht allein...

Ich bin wieder einigermassen glücklich. Danke.

Und mit einem Jauchzer lasse mich, sehr zu Silvers Schrecken, nach hinten in die Tiefe kippen nur um dann kopfüber in den Wanten zu baumeln.

Aufgeschreckt durch meinen Schrei, blickt die halbe Mannschaft zu uns hoch, nur um dann ziemlich entgeisterte Gesichter zu ziehen, als Silver es mir gleich tut und Flint erschrocken auf die nächste Rah flattert, derweil John ziemlich gelassen seinem Hut hinterher blickt der sich mit dem Wind aufs Meer hinaus begibt: „Den hat ich vergessen... Ich fürchte, ich brauch 'nen neuen Hut, Käp'n...“

Ich bin die erste von uns beiden die in lautes Gelächter ausbricht.
 

Es sieht aus als würde die Abendsonne in ein Meer von Blut eintauchen und ich kann mir gerade nichts schöneres vorstellen, als hier auf der Brücke der Rubina zu stehen, das Ruder fest in den Händen und diesen Anblick vor Augen.

Diese Anblick, der augenblicklich noch an Kostbarkeit gewinnt, wo Silver sich auf die Reling schwingt und so noch sein Schattenriss hinzukommt. Diese klare, dunkle Silhouette, wehendes Haar, breite Schultern, Flint mit flatternden Federn obenauf.

Silver gehört zu diesem Schiff wie die roten Segel. Er gehört mehr zu diesem Schiff als ich.

Und genau deshalb gehört ihm die Hälfte dieses Schiffes.

Seit einer gefühlten Ewigkeit.

Ich hab sie ihm damals überschrieben weil der Kaperbrief auf den Schiffseigner ausgestellt ist, nichts weiter war der Grund. Aber, es war eine der besten Entscheidungen die ich je getroffen habe.

Und wie ich hier so stehe, unser Schiff durch die ruhigen Wellen führe und darüber nachdenke, was die Rubina und ich ohne Silver wären, wird mir einmal mehr eines klar:

Heimat ist da, wo dein Herz zu Hause ist.

Und ich glaube, ich bin eben nach Hause zurückgekehrt.

Hier, mitten auf dem Meer, zwei Nächte und einen Tag vor Tortuga, beim Anblick eines karibischen Sonnenuntergangs.

Und so übergebe ich wortlos das Ruder an Irina und setze mich neben Silver auf die Reling, lehne mich an sein Bein.
 

Ich gähne, blinzle verschlafen in die Dunkelheit hinaus und stütze mein Kinn auf den Kolben meines Gewehres.

Kann mir einer sagen, weshalb ich hier oben – ich sitze am Brückenaufgang – in dieser feuchten Tropennacht Wache schiebe, wenn wir doch vor Tortuga liegen und wahrscheinlich sowieso schon die ganze Insel weiss, dass der gefürchtete Long John Silver und der berüchtigte Kapitän Red noch an Bord sind?

Samt dem einen kleinen Teil meiner Mannschaft, der den Ruf weg hat, nie auch nur einen Fuss an Land zu setzen, ausser es sei unumgänglich.

Ich hab trotzdem freiwillig die Mitternachtswache übernommen... Tsk.

Ein leises Geräusch sorgt dafür das ich kurz hochschrecke, doch schon eine Sekunde später ruht mein Kinn wieder am selben Platz wie zuvor und meine Augen richten sich auf den Aufgang der Kombüse.

Mit einem feinen Lächeln auf den Lippen seh ich Silver dabei zu wie er langsam übers Deck zu dem obligaten Fass mit Äpfeln geht.

Wenn einer wissen will, ob Silver an Bord ist, muss er nur gucken ob da ein Fass mit Äpfeln an Deck steht... kicher.

Nu, dieses hier ist fast leer und so muss er sich ziemlich weit hinunterbeugen um noch an einen zu gelangen, ich war vorhin zu faul dazu...

Er taucht wieder aus dem Fass auf, hat sich einen Apfel zwischen die Zähne geklemmt und einen weiteren in der Hand und ich kann mir nicht verkneifen ihn zu fragen ob er noch nicht genug gegessen habe.

Der Apfel kommt schneller geflogen als mir lieb ist und ich kippe beim Fangen nach hinten auf die Planken und das Gewehr schlittert scheppernd an den Fuss der Treppe. Na danke, so ein Krach.

Das typische Geräusch von Silvers Schritten hält kurz inne, zweifellos da wo er stehen bleibt um das flüchtige Gewehr aufzusammeln und kommt dann weiter auf mich zu.

Ich rutsche ein Stückchen zur Seite, mache mir aber nicht die Mühe mich aufzusetzen; und tatsächlich lässt sich mein Vize und Hobby-Smutje gleich darauf neben mich fallen.

Und wiedereinmal sind die einzigen Geräusche die an mein Ohr dringen der ferne Lärm vom Hafen, das seichte Plätschern der Wellen, unser ruhiger Atem und das leise, saftige Geräusch wenn wir unsere Äpfel kauen.

Ich liebe diese stillen, karibischen Nächte an Bord der Rubina und an Silvers Seite.
 

„Guten Morgen!!“

„Guten Morrrgen, guten Morrrgen!“ wiederholt Flint.

Ich schrecke hoch und klammere mich an mein Gewehr, wische mir kurz mit der Manschette über die Augen und starre dann nach mittschiffs von wo der Ruf herkam.

Und ich muss gestehen, für den Anblick lohnt sich allemal aus dem schönen Traum von fetter Beute gerissen zu werden:

John Silver in Hemd, Weste und Küchenschürze, wobei das Hemd zur Hälfte offensteht, von oben bis unten mit Mehl eingestäubt – selbst in seinem Haar scheint das Zeug zu hängen – und mit einem grossen Korb voller frischer Brötchen unterm Arm.

Ich kann mir nicht helfen, aber mir läuft augenblicklich das Wasser im Mund zusammen. Lecker!

Und dann brüllt er auch schon: „Frühstück ist fertig! Los ihr Schnarchmützen bewegt eure faulen Knochen an Deck!“

Ich nehme trotzdem erst einmal die Zeit und Musse mich genüsslich zu strecken und mein Haar kurz mit den Fingern durchzukämmen, ehe ich mich, dem Beispiel aller anderen an Bord-gebliebenen folgend, ebenfalls nach mittschiffs trolle um mir da von Silver ein, zwei Brötchen geben und Kaffee einschenken zu lassen.

Als jeder seine Portion hat, setzt er sich mit einem Aufseufzen neben mich und grinst: „Die reinste Raubtierfütterung hier, Kitten...“

Ich stimme dieser Feststellung mit einem kleinen Lachen zu und seufze dann zufrieden: „Deine Brötchen, sind einfach die besten, John.“
 

Es ist mittlerweile später Morgen und ich habe mich entschieden und tue das auch meinem Vize kund: „Silver, ich will ein Bad.“

Fast Augenblicklich stemmt Silver sich hoch, wir hatten beide an eine Seilrolle gelehnt vor uns hin gedöst, und macht sich auf in Richtung unserer Quartiere: „Aye Käp'n, ich geh und schmeiss die Nutten raus!“

Irgendwer aus der Mannschaft begehrt auf: „Ich dachte Nutten an Bord seien verboten!“

Ich will schon was passendes entgegnen, da ertönt Irinas amüsierte Stimme: „Er meint die drüben im Badehaus am Hafen, du Esel!“
 

Hmmm, Silver hat Wort gehalten und ist mit rübergerudert, wobei ich ihm konsequent ein Ruder abgenommen habe. Ich meine, er ist mein Vize, nicht mein Kabinenjunge...

Jetzt ist er gerade dabei mir ein „Bad klar zu machen“ wie er es immer so schön ausdrückt. Das schliesst auch mit ein, dass er zwei käuflichen Damen den Betrag bezahlt den sie eigentlich fürs „Baden“ mit einem „Gentleman“ bekommen würden.

Und ich kassiere zwei sehr abschätzige Blicke, als den Beiden klar wird, dass sie tatsächlich nicht mit diesem Goldstück – mehlbestäubten Goldstück, immer noch – von einem Mann baden dürfen und er meine Gesellschaft der ihren vorzuziehen scheint.

Eine geht sogar so weit eine Bemerkung von wegen Sodomie zu murmeln als sie an mir vorbei schleicht.

Ich bin von Natur aus nicht eben geduldig, also ist es ratsam mich nicht zu reizen...

Ich packe zu, erwische ein Mieder, zerre die „Dame“ zu mir runter auf Augenhöhe und knurre ihr ein kräftige Ohrfeige versetzend: „Keine dahergelaufene, billige Hafenschlampe beleidigt meinen Vize! Falls es dir entgangen sein sollte:“ meine Augen bohren sich kurz in ihre, bevor ich sie grob am Kinn packe und ihren Blick auf meinen Begleiter richte, „Das da, Drecksstück, ist Kapitän Silver und ich,“ ich drehe ihr Kinn wieder zu mir, „ich bin Kapitän Red. Mira Red the hellkitten!“

Der Kleinen scheint allmählich zu dämmern wer hier vor ihr steht und sie macht sich so auch ohne Widerworte, nur mit einer hastig gestammelten Entschuldigung, davon, als ich sie wieder aus meinem Griff entlasse.

Wo ich mich wieder zu Silver umwende, werde ich mir seines Blickes gewahr, irgendwas zwischen amüsiert und schockiert und noch ehe ich was zu meinem Verhalten sagen kann, meint er nur: „Danke, für die Errettung meiner Ehre Kitten!“

Ich hebe verlegen die Schultern: „Bitte, sehr gern geschehen, John. Ich glaube,“ meine Hand reckt sich nach einer seiner Haarsträhnen, wischt sachte etwas Mehl weg, „du könntest auch ein Bad gebrauchen...“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  MariLuna
2011-01-18T09:33:18+00:00 18.01.2011 10:33
bisher eine süße, kleine Geschichte. Bei diesen Piraten will man am liebsten dazugehören, vor allem, so wie John und Mira miteinander umgehen :-)
bin gespannt, wie es weitergeht
*knuddel* ML


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