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Reno

von

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Selbes Prinzip

Ich hab mich noch nicht wieder auf meinen Platz gesetzt, als das Telefon klingelt. Ich stelle meine zweite Tasse Kaffee auf den Tisch und hebe ab „Ja?“ „Reno, ich würde dich gern unverzüglich in meinem Büro sprechen.“ Tseng wartet meine Antwort gar nicht erst ab und legt auf. Wun-der-bar. Noch einen Schluck Kaffee, dann mach ich mich los. Was will er denn jetzt schon wieder? Wir haben uns doch eben erst gesehen. Warum hat er’s mir da nicht gleich gesagt? Warum immer so umständlich? Wie kann man nur so ein riesen Bürokratiefan sein? Ich warte noch auf den Tag, an dem ich jedes Mal ein Formular ausfüllen muss, wenn ich aufs Klo gehe. Raum 32L02. Tsengs Büro. Ich klopfe an, warte das „Ja?“ ab und gehe hinein. Ich laufe auf seinen Schreibtisch zu und bleibe neben dem „Besucherstuhl“ stehen. „Reno, wie ich heute Morgen erneut feststellen musste, kamst du mit einiger Verspätung zur Arbeit. Muss ich dich tatsächlich täglich darauf aufmerksam machen, dass…“ Oh, Gaia, bitte nicht. Der tägliche, siebenminütige Vortrag, in dem ich dazu verdammt bin, zuzuhören und bei jedem „Das verstehst du doch, Reno?“ und „Oder siehst du das anders, Reno?“ mit „Ja, Tseng.“ und „Nein, Tseng.“ zu antworten. Gedanklich schreie ich ihn an: „Papa, es ist gut! Ich hab‘s verstanden! Ich mag‘s halt unordentlich! Komm halt nicht rein!“ Äußerlich lasse ich mich resigniert auf den Stuhl fallen. Jeden Morgen dasselbe Theater. Meine Güte! Er müsste es doch nun so langsam geschnallt haben, dass ich mich in diesem Punkt nicht ändern werde. Gaia! Ich wünschte er würde mir einfach eine Knallen, anstatt, wie ein scheiß Prediger, immer wieder auf mich einzureden. „Ich würde es begrüßen, wenn ich dieses Gespräch nicht erneut mit dir führen müsste.“ „Ich auch, Tseng. Ich auch.“ Ich stehe auf und gehe. Gedanklich macht Tseng die Tür von außen zu.
 

Wieder im Büro angekommen, klingelt das Telefon schon wieder. Ich werde wahnsinnig! „Ja?“ „Reno, ich bin es nochmal. Bei unserem Gespräch hatte ich noch vergessen, etwas zu erwähnen.“ Bitte, Gaia! Sag mir nicht, dass ich nochmal in sein Büro soll, nur um mir den Passierschein A38 abzuholen. „Dein Bericht über den Orlick-Fall steht noch aus. Ich würde es begrüßen, ihn spätestens morgen früh auf meinem Schreibtisch zu finden.“ Aufgelegt. „Ich würde es begrüßen“, äffe ich ihn in Gedanken nach. Ich würde es begrüßen, wenn er mal jemand anderen grüßen würde und nicht mir ständig, mit seiner scheiß Grüßerei, auf den Sack gehen würde.
 

Es klopft an meiner Tür und Rude kommt rein. Muss Eins sein – Mittagspause. Die kann ich wirklich gebrauchen. Seit gut anderthalb Stunden starre ich auf meinen Monitor, um den begrüßenswerten Orlick-Bericht zu schreiben. Aber irgendwie will sich da nichts in meinem Kopf zusammen finden. Rude und ich gehen immer auswärts essen. Nicht weil das Essen in der Kantine schlecht wäre, nein, aber dort sind halt überall ShinRa Mitarbeiter. Wir Turks bleiben halt lieber unter uns. Maximal noch der Präsident, das war‘s. Wenn man nämlich zur Mittagszeit Pech hat, ist kein Tisch mehr frei und man muss sich zu Mary und Sue, aus der Buchhaltung, setzen. Und das Gequatsche kann kein normaler Mensch ertragen. Nicht mal ein Turk. Grundsätzlich ist es immer ein Vorteil, Turk zu sein. Die meisten verachten uns zwar, aber viel wichtiger ist: Sie haben Angst. Angst etwas Falsches zu tun oder zu sagen, womit sie den Zorn eines Turks auf sich ziehen könnten. Die meisten Leute suchen also schnell das Weite. Aber wie es immer so ist, gibt’s halt jede Menge Schleimer, die einem das Ohr abkauen. Um nun alldem aus dem Weg zu gehen, essen Rude und ich auswärts.
 

Rude drückt auf den Fahrstuhlknopf. Nachdem wir eintreten, sehe ich die bekannten Knöpfe vor mir. Einer fürs Erdgeschoss, einer für den 100. Stock – das Büro des Präsidenten – und das Ziffernfeld, in dem man das gewünschte Stockwerk eingeben kann, zu dem man – nach Autorisierung der eigenen Person mittels ID-Karte – dann prompt befördert wird.
 

Im Erdgeschoss angekommen, sehe ich dutzende Typen in Arbeitsanzügen. „Was ist denn hier schon wieder los?“ frage ich an Rude gewandt. Ich bekomme ein Schulterzucken als Antwort. Oh, Rude. Als wir an den Menschen vorbei laufen, sehe ich, dass sie irgendwelche komischen Teile in ihren Händen halten. Ich bleibe abrupt stehen und greife nach Rudes Arm, damit auch er stehen bleibt. „Rude! Sind das nicht die Teile des Midgarmodells aus dem alten Tower?“ Rude inspiziert die einzelnen Teile. „Ja. Aus dem 65. Stock.“ „Was machen die hier?“ Wieder ein Schulterzucken meines Partners, der sich nun wieder in Bewegung setzt. Ich folge ihm durch die gläserne Schiebetür und bin verwirrt.
 

„Jetzt mal ehrlich, Rude, was machen die mit dem alten Midgarmodell?“ Ein genervtes Atmen von meinem Gegenüber. Keine Antwort. „Ru~hude?“ Noch ein genervtes Atmen. Bei Gaia, Rude, du kriegst kein Kind, mach deine Atemübungen zu Hause! „Ich weiß es nicht, Reno. Warum interessiert es dich so?“ Schöne Frage. „Weils keinen Sinn ergibt. Warum, bei Ifrits Höllenfeuer, lässt sich irgendjemand eine Modellstadt von Midgar, in den neuen ShinRa Tower in Edge liefern? Wieso? Und wenn‘s da ist, was macht man dann damit? Gaia, das ist, wie wenn einem der Name eines Schauspielers oder der Titel eines Films nicht einfällt. Es nervt dich einfach den ganzen, verfickten Tag. Selbes Prinzip!“ Ich sehe den Anflug eines Lächelns auf Rudes Gesicht. „Vielleicht will der Präsidenten den Weapon-Angriff nachspielen.“ Gaia, es muss Montag sein. Rude hat einen Witz gemacht. Ich habe nämlich die Theorie aufgestellt, dass Rude sich pro Woche nur einen davon erlaubt. Irgendwie gehen sie nur alle immer auf meine Kosten. „Schenkelklopfer für Beinlose. Ernsthaft, Rude. Hast du echt keine Ahnung? Nichts irgendwo darüber gehört?“ „Nein. Ernsthaft, Reno.“ Rude beginnt mit seiner Vorsuppe. Ich lehne mich zurück, atme noch zweimal frustriert aus – wie ich es bei Rudes Wochenendseminar gelernt habe – und fange dann auch an zu essen.
 

Zurück im Tower verstecke ich mich im Kaffeeraum unserer Etage. Das Zimmer liegt nämlich in der Nähe von Tsengs Büro und sobald er raus kommt, ist das die Chance, ihm zufällig über den Weg zu laufen und meine Midgarmodell-Neugier zu befriedigen. Gaia! Ich liege schon seit ner dreiviertel Stunde auf der Lauer. Was macht der Mann da drin? Zehn Minuten später öffnet sich endlich seine Tür. Die Show kann beginnen. „Oh, hey Tseng.“ „Reno.“ „Sag mal, wo ich dich schon treffe. Ich hab unten in der Eingangshalle gesehen, dass wir irgendwelche seltsamen Menschen im Tower haben, die Teile des alten Midgarmodells mit sich rumschleppen. Weißt du da zufällig was drüber?“ Tseng schaut mich verwirrt an, fängt sich allerdings schnell wieder und antwortet: „Ja. Das Modell wird für die Jubiläumsfeier angeliefert.“ „Aha. Und was macht es da? Schön aussehen und nett winken?“ „Nun ja, es soll wieder zusammengesetzt und während der Feierlichkeiten ausgestellt werden. Als eine Art Mahnmal mit symbolischem Charakter.“ „Was denn für ein Mahnmal? Und was für ein symbolischer Charakter?“ „Reno, oberste Priorität dieser Feier ist es, alle davon zu überzeugen, dass sich ShinRa gewandelt hat. Das Midgarmodell steht auch für den alten Konzern, verstehst du? Es ist nicht nur notwendig den Leuten zu zeigen, dass sich der Konzern einem Wandel unterzogen hat, sondern auch, wie wichtig dem Konzern dieser Wandel ist. Aus diesem Grund hat der neue Tower auch einhundert Stockwerke, diese stehen symbolisch, für einen einhundert prozentigen Wandel. Das Midgarmodell erfüllt denselben Zweck.“ Ich schaue ihn verblüfft an. „Du verarscht mich!? Was sonst noch? Der ShinRa Tower ist nach Osten ausgerichtet, da ShinRa, der Sonne entgegen geht? Oder ist er so ausgerichtet, dass er niemals einen Schatten auf Edge wirft?“ „Eine ausgezeichnete Idee, Reno. Ich werde das prüfen lassen, vielleicht können wir es aufnehmen. Der Präsident hat außerdem einigen Historikern aufgetragen, die ursprünglichen Namen der einzelnen Sektoren herauszufinden.“ „Was?“ „Ja. Die einzelnen Sektoren hatten früher einmal Namen, die allerdings in Vergessenheit geraten sind. Daraufhin wurden sie – wie du dich erinnern wirst – einfach durchnummeriert.“ „Und welchen symbolischen Charakter soll das haben?“ „Es soll zeigen, dass wir uns diese Zeit wieder herbei wünschen, in der alle friedlich mit dem Planeten in Einklang lebten. Als es noch Normen und Werte gab und der alte ShinRa Konzern noch nicht den Planeten ausnutzte.“ „Wir wollen also rückwärts?“ „Und der Sonne entgegen.“ Der Anflug eines Lächelns. Heute muss Montag sein. „Mal ganz ehrlich, Tseng. Wer denkt sich das aus? Hat ShinRa Kontakt mit Valentine aufgenommen, oder was?“ Wieder ein verwirrter Blick. „Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht.“ „Na du kennst ihn doch. Jeder Mensch sagt Geostigma, Valentine sagt „das Sephiroth-Chromosom“ oder „die Seele-Jenovas“. Jeder sagt Jenova und bei ihm wird’s „des Himmels Unheil“ oder „die Heimsuchung“. Ich wette, der sitzt fleißig zu Hause und tüftelt grad an neuen Bezeichnungen. „Die Feindin der Freundschaft“, „eine unentrinnbare Strafe“, „ein notwendiges Übel“, „ein wünschenswerter Verlust“, „ein ergötzlicher Schaden“. So was halt.“ Tseng zieht eine Augenbraue hoch und geht dann seiner Wege. Symbolischen Charakter. Alte Sektorennamen. Gut zu wissen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  tobiiieee
2012-08-06T07:54:55+00:00 06.08.2012 09:54
Ist es Absicht, dass mich das an Buffy erinnert - "Dawn steckt in Schwierigkeitren, heute muss Dienstag sein!"??

Jedenfalls gefällt es mir bisher sehr gut, es ist lustig und hat Handlung, nur die Kommasetzung stört, aber so was kann man eben nicht lernen.
Ich les dann mal weiter.

*liebe Grüße dalass*


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