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Reno

von

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Schweigsam aber nicht unhöflich

Endlich Feierabend. Den ganzen Tag hab ich damit verbracht, diesen scheiß Orlick-Bericht fertig zu schreiben. Gaia, ich glaube, ich hab noch nie so lange für einen scheiß Bericht gebraucht. Gefühlte hundert Jahre hab ich an dem Ding gehangen. Aber jetzt ist er fertig. Ich hab ihn unter Tsengs Tür durchgeschoben. Der ist heute Nachmittag, Gaia weiß wohin, gegangen. Und da ich ja den Bericht, wie gewünscht – Entschuldigung, wie begrüßt – heute Abend fertig haben sollte, damit er am Morgen auf dem Schreibtisch liegt, hab ich also diese Variante gewählt. Liegt zwar nicht auf dem Schreibtisch, ist aber immerhin im Büro.
 

Rude und ich haben heute zur gleichen Zeit Feierabend. Das ist nicht immer der Fall. Meistens arbeite ich länger, was daran liegt, dass ich auch später anfange. Aber heute will ich nicht länger als nötig, in diesem verfluchten Tower sein. Der Kater, wie der Kopfschmerz, ist zwar weg, aber es bleibt dieses energielose Gefühl. So dieses „unfähig-für-irgendwas-außer- gammeln“-Gefühl. Rude wohnt weiter weg als ich. Trotzdem gehen wir in dieselbe Richtung. Seine U-Bahn Station liegt in der Nähe meiner Wohnung. Als ich den Tag gedanklich Revue passieren lasse, kommt mir ein Gedanke. „Rude? Ich finde eigentlich gar nicht, dass du unhöflich bist.“ Ein kurzes, verwirrtes Nicken, als mein Partner antwortet: „Wie kommst du jetzt darauf?“ „Na „Rude“ bedeutet doch „unhöflich“ und so. Und ich finde dich gar nicht so unhöflich. Ich meine, klar, du bist echt schweigsam, was man oft als unhöflich interpretieren könnte. Aber eigentlich passt das irgendwie nicht zu dir.“ „Aha.“ „Die Frage ist also: Warum hast du dich so genannt?“ Keine Reaktion. „Ru~hude?“ „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Ich rolle genervt die Augen. „Was ich meine ist, dass vor langer Zeit irgendeine ShinRa-Frau vor dir stand und gesagt hat: „Mr. So-und-so, Sie sind nun ein Mitarbeiter des ShinRa Konzerns. Genauer, Teil der Eliteeinheit der Turks. Als Solcher, müssen Sie Ihr vorheriges Leben vergessen. Es existiert nicht und hat auch nie existiert. Alle Daten über Sie, außerhalb des ShinRa Konzerns, werden gelöscht. So, als hätte es Sie nie gegeben. Sie dürfen sich einen neuen Namen auswählen. Ein Turk, ohne Vorgeschichte. Kein Nachname. Keine Vergangenheit.“ Und die Masterfrage die ich mir stelle ist, warum hast du dich für „Rude“ entschieden? Hast du ein Wörterbuch aufgeschlagen und blind mit dem Zeigefinger auf ein Wort getippt und das war‘s dann?“ Rude läuft weiter. Völlig unbeirrt von meinen Fragen. Gleichmäßige Atmung. Gleichmäßiger Gang. „Warum hast du dich für „Reno“ entschieden?“ Ich bin ein wenig überrascht, tatsächlich noch eine Antwort zu erhalten. „Weil‘s cool klingt.“ antworte ich. „Genauso wie Rude.“ antwortet er.
 

„Du, Rude? Als du damals bei ShinRa eingestellt wurdest, hast du da hier und da gelogen oder etwas verschwiegen? Oder hast du auf alle Fragen ehrlich geantwortet?“ „Sowohl als auch.“ Wir laufen weiterhin nebeneinander her. Manchmal bin ich Rude für seine kurze Angebundenheit, auf dem sprachlichen Sektor, sehr dankbar. Aber manchmal wünsche ich mir, er wäre mehr wie ich. Er bemerkt, dass mich diese Antwort nicht zufrieden stellt und ergänzt: „An manchen Stellen wusste ich, dass ShinRa nur über meinen Namen, bestimmte Information nicht erhalten würde. Diese habe ich verschwiegen. Bei manchen Sachen habe ich gelogen. Habe allerdings versucht, soweit wie möglich, die Wahrheit zu sagen. Bei dir?“ „So ähnlich.“ lüge ich. Eigentlich gibt es keinen Grund ihn anzulügen. Er würde mich nirgendwo anscheißen. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass er weiß, dass ich ihn anlüge. Aber Rude ist halt einer der Menschen, die wissen wann es sich lohnt nochmal nachzufragen und wann eben nicht. Er würde eh keine ehrliche Antwort von mir bekommen. Und er weiß, wenn ich ihm jemals was erzählen will, werde ich den Zeitpunkt und das Ausmaß bestimmen und nicht er. „Glaubst du Tseng hat irgendwelche Lügenmärchen erzählt?“ „Kann ich mir nicht vorstellen.“ ist die knappe Antwort meines Partners. So sehe ich es auch. Nicht weil ich Tseng für einen schlechten Lügner halte oder für einen aufrichtigen, gläubigen Menschen. Es ist halt einfach, irgendwie nicht sein Stil. Manipulativ – Ja. Hinterhältig – wenn gewünscht. Aber er ist halt einfach kein Lügner. Zumindest nicht, wenn es nur um die Wahrnehmung seiner Person geht. Dafür ist es ihm einfach zu egal. Dafür ist er halt einfach zu viel Turk. „Und Elena?“ frage ich. „Ich denke, sie hat die Wahrheit gesagt. Ich glaube auch das „Elena“, ihr richtiger Name ist.“ „Hast du sie jemals danach gefragt?“ „Du?“ „Nah. Aber ich sehe es wie du. Wir müssen uns ja nur erinnern, wie oft sie sich Strife und seiner Gang gegenüber verplappert hat. Ich glaube, sie is gar nicht im Stande zu lügen. Nah. Das ist eben Elena.“ Ein Anflug eines Lächelns, auf den Lippen meines Partners. „Was?“ frage ich. „Es ist nur amüsant.“ „Was?“ frage ich genervt. Worauf will er hinaus? „Ich dachte nur im Zusammenhang mit deinem Namen, fallen solche Worte.“ „Was für Worte?“ „Das ist eben…“ Ach, Rude. Wir kommen an der Kreuzung an, an der wir uns immer trennen. „Bis morgen, Partner.“ Ein Nicken.
 

Ich komme wieder in meiner Wohnung an. Gaia, ich liebe sie. Ich setze mich auf meine Couch und genieße die Ruhe. Nicht die Stille. Die Ruhe. Das Gefühl, angekommen zu sein. Ich schaue mich im Zimmer um. Vieles schreit einfach nur „Reno!“ und dann schaue ich zu meinem Bücherregal. Ich hab mir das Lesen und Schreiben selbst beigebracht. Wer hätte auch sonst ein Interesse daran gehabt? Ja, das ist eben der Autodidakt in mir. Als ich damals bei ShinRa angefangen habe, habe ich alles gelesen, was ich in die Hände bekommen habe. Hab mich damals ständig im 62. Stock rumgedrückt. ShinRa Inc. Wissenschaftliche Forschungsbibliothek, Stadtentwicklung Forschungsbibliothek, ShinRa Inc. Friedensbewahrungs-/Waffenentwicklungsbibliothek, ShinRa Inc. Raumentwicklungs-Forschungsbibliothek. Habe ich mir alles durchgelesen. „Problem mit Plattenkonstruktion in Midgar“, „Stadtkarte von Midgar“, „Daten über Versuchstiere in der Nähe von Midgar“, „Midgar-Kriminalitätsweißbuch“, „Plan für neue Landwaffen“, „Substanzproduktion und ihre militärischen Verwendungen“, „Aufschlüsselung der SOLDAT-Mitglieder nach Klassen“, „Heideggers ShinRa-Friedenserhaltungsgesetz“, „Wirtschaftsbericht: Aktivitäten gegen ShinRa Inc.“, „Moderne Geschichte des Midgar-Raumprogramms“, „Ergebnisse gescheiterter Raummissionen „YA-79““. Alles.
 

Noch heute ist meine Bürotür – wenn ich nicht einen mordsmäßigen Kater habe – immer offen. Es kann nie schaden den Klatsch und Tratsch der Putzfrauen mitzuhören. Außerdem lernt man so, nicht nur Menschen an der Stimme, sondern auch am Gang zu erkennen. Elena höre ich aufgrund ihrer Absätze leicht heraus. Rude hat einen sehr… bestimmten Gang. Zielgerichtet, würd ich es beschreiben. Tseng ist wie eine Katze. Leichtfüßig, aber auch zielgerichtet. Ein Mensch der keinen Umweg geht. Die Putzfrauen sind ziemlich plump. Und das Sicherheitspersonal ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ziemlich platt.
 

Und ich schaue immer noch mein Bücherregal an. „Die Materialien dürfen nicht weitergegeben werden! Es ist verboten, Materialien von diesem Stock mitzunehmen.“ stand auf dem Monitor innerhalb der Stadtentwicklungs-Bibliothek. Hab ich mich nicht so ganz dran gehalten. Viele Bücher aus den Bibliotheken, stehen jetzt bei mir im Regal. Es gibt einfach bestimmte Sachen von denen es besser ist, wenn nicht jeder Zugriff darauf hat. Natürlich ist mir klar, dass das nicht die einzigen Bücher auf der Welt sind, aber so kann man zumindest nicht zufällig drüber stolpern, nur weil man sich in der Bibliothek rumdrückt. „Diebstahl an der Firma“ nennt man das wohl. Damit kann ich leben.
 

Ich lasse meinen Blick schweifen. Blumen. Das sollte ich noch erledigen. Ich schnappe mir also den Blumenstrauß und mache mich auf den Weg zu Elenas Wohnung. Ich nehme dieselbe U-Bahn Station wie Rude. Ne junge Frau sitzt mir gegenüber und lächelt. Auf diese Art, wie es nur Frauen können. Diese „Er bringt seiner Freundin Blumen mit“-Art. Schon seltsam, dass es bestimmte Formen der Gestik und Mimik gibt, die nur speziellen Arten von Menschen vorbehalten sind. Was ich richtig hasse, ist das entschuldigende Grinsen von Müttern. Wenn ihre Bälger nicht gucken, wo sie hinlaufen und dann in dich rein rennen. In solchen Momenten denke ich mir immer „Wenn ich so klein wäre wie du, würde ich hinschauen, wo ich hinlaufe!“ Gaia, ich hasse Kinder. Und dann kommt immer dieses mütterliche Grinsen in meine Richtung. So ein „So sind Kinder eben.“ Erzieh dein Balg ordentlich! Furchtbar.
 

Aber ich bin mittlerweile gut drauf und schenk dem Mädel ein Lächeln. „Die hab ich für meine Freundin gekauft. Sie hatte nen harten Tag und ich dachte, sie würde sich drüber freuen.“ lüge ich ihr ins Gesicht. „Ooh, das ist wirklich unglaublich lieb von ihnen. Sie wird sich bestimmt riesig freuen. Wie lange sind sie denn schon zusammen?“ fragt sie mich und schaut mich dabei an, wie einen Welpen. „Zweieinhalb Jahre. Aber ich bin immer noch vernarrt in sie, wie am ersten Tag.“ Wenn schon, denn schon. Dann wollen wir ihr doch wenigstens, die volle Dosis geben. „Sie ist meine absolute Traumfrau.“ „Ooh.“ Auftrag erfüllt.
 

Ich komme bei Elena an. Ich klingle zweimal. Mein Markenzeichen. Ich lehne meine Arm und meinen Kopf gegen den Türrahmen. Sie öffnet die Tür und ich halte ihr den Blumenstrauß entgegen „Happy Birthday, Kleines.“ „Und du glaubst, damit ist alles wieder gut?“ sagt sie und meint „Dankeschön. Alles wieder gut.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  tobiiieee
2012-08-06T08:08:17+00:00 06.08.2012 10:08
Oh Gott, dieses Gefühl kenn ich. Aber ich brauch dafür weder Alkohol noch 'nen schweren Tag, ist bei mir Standard.

Nein, also, ich hatte ja eine Frage, weil ich nämlich FF7 nicht gespielt hab und bei Google keine Antwort finde. Wird im Spiel gesagt, dass die Namen der Turks nur so 'ne Art Decknamen sind? Oder ist das deine eigene Idee? Immerhin haben sie ja nur Vornamen, sogar auf ihren Ausweisen.

Also, öhm, weiter so :D


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