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Primeval: New World Season II

von

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[Folge 02] Neue Welt

Laut dem Anomalien-Messgerät bestand die Anomalie noch nicht lange, erst wenige Minuten. Es war ein Glücksfall, dass das Alpha-Team so schnell angerückt war. In dieser Zeit war es unwahrscheinlich, dass ein Tier durch das temporale Portal gekommen war. Donovan und Dylan hatten ihre Waffen sicherheitshalber dennoch erhoben und richteten sie auf die Anomalie. Laut dem Messgerät, das Evan gerade trug, blieben noch 15 Minuten, bis sich die Anomalie von alleine schließen würde. Solange würden sie die Stellung halten und abwarten was geschah.

„Ich sehe etwas!“, rief Donovan, was Evans Aufmerksamkeit unverzüglich auf die Anomalie lenkte.

Der Ex-Soldat hatte recht, etwas schien just in diesem Moment durch zu kommen. Erst wirkte es nur wie ein langer metallener Gegenstand, doch nach und nach wirkte er immer mehr wie ein Bein. Ein zweites, metallenes Bein schob sich durch und bald darauf auch Hände. Ungläubig musste das Team mit ansehen wie ein Körper, silbern glänzend und völlig aus Stahl vor ihnen stand und sie mit roten Augen anfunkelte.

„Messe Zeit. Jahr: 2013. Bevölkerung: Menschlich. Auftrag lautet: Alle Menschen eliminieren.“, gab der Roboter in einer monotonen Stimme wieder.

Dann hob er seinen Arm und dieser transformierte sich in eine Laserpistole.

Donovan schoss mit seiner Clock, doch die Kugel prallte einfach nur ab. Der Roboter erwiderte das Feuer und tötete den Ex-Soldaten mit einem einzigen Laserstrahl.

Dylan konnte mit ihrem Betäubungspfeil ebenfalls nichts ausrichten und war als nächstes dran. Evan musste panisch mit ansehen wie seine Freunde getroffen zu Boden fiel.

„Evan Cross wird nun eliminiert.“, sagte die Computerstimme und der Roboter zielte auf den Teamleiter.
 

Cross Photonics – 17 Uhr
 

Evan Cross versenkte sein Gesicht in seiner rechten Handfläche und gab einen stöhnenden Laut von sich. Er wollte etwas sagen, brach aber ab. Dann startete er einen neuen Versuch.

„Ein… Terminator?“ In seiner Stimme schwang Unglauben und starke Gereiztheit mit.

Harold Kanans Lächeln verschwand aber keineswegs, er wiegte nur etwas mit dem Kopf.

„Naja, nicht direkt Terminator, dafür hätten wir ja gar nicht die Namensrechte. Ich habe mal einen Badeprodukte-Unternehmer verklagt, der den Produktnamen Harolds-Qualitätsseifen verwendete. Was er nicht wusste war, dass Wörter welche die Namen Harold und Qualität gleichzeitig beinhalten von mir rechtlich gesichert waren. OK, ich gebe zu, da der Kerl mit Vornamen auch Harold hieß, war es dieses eine Mal sicher ein Zufall.“

Inzwischen hatte Evan sein Gesicht unter beiden Händen vergraben, während Dylan ihm auf die Schulter klopfte.

„Mister Kanan, was genau ist jetzt Ihr Punkt?“, fragte Angelika nun.

„Es gibt keinen Punkt! Dieses angebliche Dienstbesprechung dient nur wieder zu Harold Kanans Selbstinszenierung.“, blaffte Evan und stand auf.

Kanan beeilte sich zu ihm zu hasten und ihn daran zu hindern den Konferenzraum einfach so zu verlassen.

„Jetzt warte doch mal! Ich habe vielleicht etwas weit ausgeholt, aber es gibt durchaus einen Punkt an meiner Geschichte.“, rechtfertigte er sich.

Nur mit Mühe konnte er Evan dazu verleiten sich noch einmal zu setzen.

„Also! Es geht darum, dass uns bis jetzt eigentlich nur Anomalien begegnet sind, welche in die Vergangenheit geführt haben, richtig? Es ist aber auch logisch anzunehmen, dass auch welche existieren, die mit der Zukunft verbunden sind.“, klang sein letzter Satz mehr wie eine Frage an Evan.

Dieser nickte nur schwach, der Theorie nach war es sehr gut möglich.

„Vielleicht bekommen wir es dadurch nicht mit Dinosauriern zu tun, aber stellt euch mal den Technologischen Vorteil vor! Medizinische Heilmittel, Gerätschaften die unser Leben erleichtern könnten!“

Angelika Finch räusperte sich.

„Schlagen Sie etwa allen ernstes vor, wir sollten versuchen Technologie aus unserer eigenen Zukunft zu entwenden? Das würde den Verlauf der Zeit extrem ändern.“, warf sie ein.

Evan stand erneut auf und funkelte Harold Kanan an.

„Das ist ihm egal! Er denkt lediglich daran auf diese Weise noch reicher zu werden.“, sagte er abschätzig.

Kanan wirkte empört, konnte aber nichts darauf erwidern.

„Welche Rolle spielt es denn, würden wir an Technologie kommen die erst erfunden wird? Im Gegenteil, die Menschheit wäre auf diese Weise in der Zukunft sogar noch gestärkter.“, versuchte er sich zu retten, jedoch mit mäßigem Erfolg.

„Das ‚Meeting’ ist vorbei.“, entschied Evan nun.

„Und wir werden nicht noch einmal auf irgendeine Weise in die Zeitlinie eingreifen, weder in der Vergangenheit, noch in der Zukunft.“, sagte er klar heraus und verließ den Raum.

Dylan lächelte Kanan noch einmal verzeihend zu und folgte ihrem Partner dann.

Harold setzte sich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

„Wissen Sie… ich versuche einfach meine Ideen einzubringen.“, sagte er an Angelika gewand.

Diese blickte ihn zweifelnd an.

„Sie betrachten diese Geschichte einfach zu sehr als Firma. Das mag zwar für Cross-Photonics zutreffen, aber nicht für das was wir hier tun. Wir sehen Dinge, wovon andere nur Träumen und Sie denken daran aus diesen Naturphänomenen Profit zu schlagen.“

Kanan wich ihrem Blick aus, fühlte sich aber schuldig.

„Naja, ich wurde nicht Multimillionär, indem ich mir Chancen habe entgehen lassen. Ich gebe zu, es würde uns eine Menge Geld einbringen, aber Evan Cross betrachtet einfach nicht das große Ganze. Was wenn es in der Zukunft Technologien gibt, mit deren Hilfe wir unser Anomalien-Problem beheben könnten?“, warf er ein.

Angelika fuhr sich durchs Haar und erinnerte Kanan was Evan und Dylan zuletzt durchgemacht hatten.

„Evan wird nicht noch einmal zulassen, dass sich die Realität durch irgendeine falsche Interaktion verändert. Er geht keine Umwege, sondern versucht allein mittels seiner Forschung voranzukommen. Und auch wenn Sie ein Mitspracherecht an unserer Unternehmung haben, braucht Evan vor allem einen Verbündeten. Wir sollten ihm alle so gut helfen wie möglich, damit nicht noch mehr Schlimmes geschieht.“, erklärte sie ihm.

Kanan nickte und betrachtete eine Tasse Kaffee, deren Inhalt inzwischen kalt sein dürfte.

„Ich will ihm ja helfen, deshalb habe ich mein Geld in diese Unternehmung gesteckt, weil ich ihm vertraue.“, antwortete er.

Angelika setzte eines ihrer gekonnten Lächeln auf.

„Geld ist nicht alles. Vielleicht sollten Sie nach einem Weg suchen, Evan auch anders zu helfen. Ich weiß, er und Sie sind nicht immer einer Meinung. Aber Evan hat vor kurzem einen Freund verloren und ich denke, er könnte einen neuen brauchen. Und jetzt entschuldigen Sie mich.“, meinte die Geschäftsführerin und verabschiedete sich von dem Millionär.

Kanan nickte und begann damit über ihre Worte nachzudenken. Wie konnte er Evan Cross und ihrem Projekt am besten dienen?
 

Evan Cross war sehr froh darüber, dass sich heute nicht wirklich eine Anomalie geöffnet hatte, andernfalls wäre er mit dem Stress sicher nicht fertig geworden. Auch das Personal war bis auf die Leute die Bereitschaft hatten bereits ausgeflogen. Toby Nance war eine derjenigen, die Nachtschicht hatten, denn leider hielten sich Anomalien nicht an Tageszeiten. Er war so frei gewesen ihr noch einen Kaffee zu spendieren und hatte sie dabei eine Zeit lang angesehen. Die Frau war wie immer gewesen, nichts hatte sich verändert. Es war ein Zeichen, dass auch Evan endlich mit der Vergangenheit abschließen musste, sofern sie sich nicht wieder einmal in Form eines Dinosauriers meldete. Er hatte sich auch von Dylan verabschiedet und wollte es Angelika ebenfalls gleich tun, doch diese schien das Gebäude kurz vor ihm verlassen zu haben.

Auf dem Parkplatz stand ein blauer Porsche, Evan konnte sich nicht erinnern dieses Auto gekauft zu haben. Toby hatte ihm erzählt, dass sein alter Wagen schwer von einem Pachycephalosaurus in Mitleidenschaft gezogen worden war. Jener Pachycephalosaurus, den Leeds und seine Leute gefangenehmen konnten. Nur um ihn und andere Tiere später zu töten und zu sezieren. So gesehen war ein geschrotetes Auto in dieser Zeitlinie ein akzeptabler Verlust. Aber was hatte sich noch geändert? Evan war froh gewesen zu erfahren, dass er immer noch unter derselben Anschrift wohnte. Bereits in seiner Zeitlinie hatte er einen Großteil seiner Zeit im Büro verbracht – oder gegebenenfalls auf Dino-Jagd – und war selten zu Hause gewesen. Diesmal freute er sich jedoch in seine Wohnung zu fahren, dort eine heiße Dusche nehmen zu können und nochmal gründlich über alles nachdenken zu können. Es war bereits sehr spät als er seinen Porsche parkte und Richtung Haustür schritt. Harold Kanans Vortrag hatte nicht wirklich zu seiner Stimmung beigetragen und Evan wollte schnellst möglich ins Bett.

Er schloss auf und betätigte den Lichtschalter. Es roch nicht so stickig wie sonst, der Evan der anderen Realität schien öfter daran denken seine Wohnung durchzulüften. Außerdem schien er ordentlicher zu sein, denn es lagen keine verstreuten Kleidungsstücke auf dem Boden. War er hier wirklich in seiner Wohnung? Doch die Einrichtung räumte jeglichen Zweifel vom Tisch. Die bunte Vase, die er von seiner Mutter zum Einzug geschenkt bekommen hatte, die lederne Couch und die zahlreichen wissenschaftlichen Zertifikate im Glasschrank dahinter. Das hier war zweifelsfrei sein Heim und es tat gut hier zu sein. Es mochte eine völlig andere Welt sein in die er zurückgekehrt war, nicht aber seine Wohnung. Er genoss das vertraue Gefühl und entledigte sich erst seiner Schuhe, dann seinem Hemd. Er wollte sich erst eine Dusche genehmigen, dann eventuelle Veränderung inspizieren und schließlich endlich etwas ausruhen. Es war das Geräusch vom plätscherndem Wasser, das ihn kurz inne halten ließ. Kam es aus seinem Bad? Hatte der andere Evan vergessen den Wasserhahn abzustellen? Schwer vorstellbar, wenn dieser wirklich ein größerer Ordnungsfanatiker war als der Jetzige. Das Geräusch war urplötzlich verstummt und Evan fragte ob er sich das alles nur einbildete. Er war müde und vielleicht kam das Geräusch auch vom Nachbarn. Wenn man lange wach blieb, schärften sich die Sinne, vermutlich hatte er nur entfernte Geräusch stärker wahrgenommen. Er war sich sicher nur Gespenster zu sehen und setzte seinen Weg ins Badezimmer vor. Er griff nach dem Knauf und zog die Tür mit einem Ruck auf. Kurz darauf wünschte er sich es nicht getan zu haben.

Es war wie mit einer Anomalie. Sie zog einen magisch an, da man neugierig darauf war was sie dahinter verbarg. Doch die Gefahr begleitete einen stets, denn ein wildes Tier konnte ohne Vorwarnung herausspringen.

Doch vor Evan stand dieses Mal kein wildes Tier, sondern eine Person die er sehr gut kannte. Angelika Finch reagierte erst etwas überrascht über das Auftauchen des Mannes, beruhigte sich aber schnell wieder. Was Evan aber irritierte war, dass Angelika lediglich mit einem langen Handtuch bekleidet war, eine Situation, die ihm sichtlich Unbehagen bereitete. Hatte er in dieser Zeitlinie seine Wohnung an seine Freundin vermietet, da er ohnehin kaum zu Hause war? Oder lag in Angelikas Wohnung schlichtweg so etwas wie ein Rohrbruch vor? Seine Freundin lächelte ihn nur an.

„Evan, ich habe dich gar nicht kommen gehört. Ich nahm an, dass du wie üblich länger im Büro bleibst.“, sprach sie und Evan kratzte sich verlegen am Kopf.

„Tut mir leid, ich wusste nicht dass du hier bist. Ich hätte anklopfen sollen, aber da es in letzter Zeit wirklich viel war, dachte ich nicht daran.“, versuchte er sich zu entschuldigen, obwohl er eigentlich unschuldig war. Oder hätte er sich einfach besser über die Veränderungen informieren müssen.

Angelika wirkte jedoch alles andere als erschrocken, oder genierte sich sogar.

„Ach, das macht nichts. Ehrlich gesagt passt es mir sehr gut, dass du schon so früh zu Hause bist. Dann können wir da weitermachen, wo wir vor deiner heiklen Mission aufgehört haben.“, flüsterte sie ihm verführerisch zu und lockerte mit einem schnellen Griff den Knoten, der ihr Handtuch trug.

Als es herabfiel und Angelikas Körper preisgab, fühlte sich Evan als wenn er vor einem Tyrannosaurus Rex stehen würde und dieser gerade auf ihn herabsabbern würde.

Als sich Angelika begann sich an ihn heranzuschmiegen, wich er zurück.

„Mir ist gerade eingefallen, dass ich noch etwas enorm Wichtiges zu tun habe!“, versuchte er sich aus der Affäre zu ziehen und hastete aus dem Bad. Die verwirrte Angelika blieb zurück und begann sich anzuziehen.

Evan war mittlerweile in die Küche geschritten, nur um ein Glas seines geliebten Scotches die Kehle hinunter zu schütten. Er erinnerte sich an seinen Flirt mit Angelika, kurz vor dem Pachycephalosaurus-Zwischenfall. Die Ereignisse mit dem eingebildeten Albertosaurus und dem Mac seiner Zeitlinie hatten dazu geführt, dass sich seine Freundin von ihm distanzierte. In dieser Zeitlinie schien allerdings alles anders verlaufen zu sein. Gravierend anders, wie sonst sollte er sich die nackte Angelika in seiner Dusche erklären? Nein, das hier war wirklich nicht mehr seine Realität.

Seine Freundin stand nun in der Tür zur Küche. Sie war alles andere als dumm und konnte sich ihren Teil vermutlich schon denken.

„Evan… in deiner Zeitlinie waren wir doch auch ein Paar, oder?“, wagte sie es zu fragen.

Als ihr Freund nichts darauf erwiderte, griff sie sich an die Stirn und seufzte.

„Oh mein Gott.“

Evan versuchte der Situation Herr zu werden.

„Also das ist etwas kompliziert. Absolut nichts gegen dich, ich verstehe warum ich… bzw. der andere Evan keinen Moment bei dir zögern konnte.“, stammelte er, doch Angelika vollzog nur eine abfällige Handbewegung.

„Nein, vergiss es. Es ist meine Schuld, wir hätten mehr darüber reden müssen. Ich verstehe jetzt wie viel sich für dich wirklich verändert hat.“, sagte sie und schritt dann Richtung Tür. Evan wollte sie aufhalten, doch Angelika ließ es nicht zu.

Kaum war sie aus der Wohnung verschwunden, schon stieß er einen Fluch aus.

Das hatte er wieder mal so richtig in den Sand gesetzt.
 

Hart House - Studentenzentrum der Universität Toronto
 

Luke Hingle eilte für die Flure des Wohnheims, während er aufgeregt keuchte. Er war sich nicht mehr sicher in welchem Stockwerk das schwarze Brett aufgehängt war. Da er es im zweiten nicht vorfand, konnte es sich nur am das erste handeln. Schließlich stolperte er und die Zettel die er hielt verteilten sich über den gesamten Fußboden. Luke fluchte und versuchte alles wieder einzusammeln.

„Hey Luke, hast du schon Nessi gefunden?“, flötete eine Stimme auf ihn herab.

Der Student hob den Nacken, nur um wenig später in das Gesicht von Brenden Coyne zu starren, eine der unangenehmsten Personen die er je kennen gelernt hatte. Neben ihm stand dessen bester Freund, Luke hatte sich seinen Namen nicht merken können, auch wenn es ohnehin nicht wichtig war.

„Wenn es soweit ist, wirst du es erfahren.“, gab Luke plump zurück und Brenden schnaubte verächtlich.

„Hey, ist das nicht der Typ mit den Dinos?“, hakte dessen bester Freund nach.

Brenden nickte nur.

„Ja, unser Freund hier studiert Kryptozoologie, verrückt was?“, machte er sich weiterhin über Luke lustig.

Dieser war endlich damit fertig seine Papiere einzusammeln und stand wieder auf.

„ Damit auch du es dir endlich merkst, Kryptozoologie studiere ich lediglich als Nebenfach. Ich stehe kurz davor meinen Doktortitel in Zoologie zu erlangen.“, erwiderte er in dem Wissen dabei nicht ganz ehrlich zu antworten.

Fakt war, dass er seit einiger Zeit massive Probleme mit seinem Studium hatte. Er vergeigte Tests und hielt Abgabetermine nicht ein. Das lag nicht daran, dass er zu wenig lernte, im Gegenteil. Es existierte ein anderer Grund, doch dieser war schwer zu erklären.

„Oh entschuldige, ich vergaß! Damit stehen dir sicher alle Türen offen.“, erwiderte Brenden zynisch, der selbst Sportwissenschaften studierte.

Luke ignorierte beide Männer und schob sich an ihnen vorbei.

„Hey, viel Spaß dann wenn du Frösche und Schnecken sezierst!“, rief ihm Brenden hinterher und lachte anschließend.

Luke versuchte die unangenehme Begegnung schnell wieder zu vergessen und war froh, endlich das schwarze Brett erreicht zu haben. Aber nur im ersten Moment. Er musste schockiert feststellen, dass er lediglich 43 Punkte erreicht und somit nur auf Platz 41 der Werte-Skala war. Damit war sein Abschluss in höchster Gefahr. Er fluchte und machte sich auf in sein Zimmer zurückzukehren.

Dort angekommen schlug er laut die Tür zu und warf seine Zetteln, die er erst kurz zuvor aus Recherche-Zwecken ausgedruckt hatte auf sein Bett. Dies schien seinen Mitbewohner Luke aufzuschrecken, der gerade in seinem eigenen Bett lag und Musik hörte. Als er mitbekam wie aufgewühlt sein Freund war, unterbrach er sein Tun und legte den iPod zur Seite.

„Hey, alles in Ordnung?“, hakte er vorsichtig nach. Luke verneinte jedoch und erzählte von seinem schlechten Leistungsschnitt.

Jett schritt zu seinem Bett und warf einen Blick auf die Papiere.

Ein Seufzen verriet Luke was sein Freund gerade dachte.

„Schon klar, dass deine Leistung nachlässt, wenn du dich nur mit diesem Zeug hier befasst.“, sagte er scharf und begann sich die Texte durchzulesen.

„Regierung dementiert Sichtung er als ausgestorbenen geltenden Titanoboa. Das Ereignis wurde als Trick entlarvt, welche Demonstranten benutzten um sich gegen eine Firma zur Wehr zu setzen.“, las er vor.

Er wechselte die Seite und fuhr fort.

„Angeblicher Triceratops stellt sich als Schwindel heraus. Jugendliche erlauben sich mittels Statue einen Scherz.“

Jetts Blick wirkte anklagend doch Luke bat ihn sich die hinteren Seiten anzusehen.

Dieser seufzte, erfüllte seinem Freund aber den Wunsch.

„Britische Regierung berichtet von einem Chemieunfall bei dem schwere Substanzen freigesetzt wurden, die starke Halluzinationen oder gar den Tod hervorrufen könnten. Einige Betroffene berichten von der Sichtung eines Tyrannosaurus Rex, anderer wiederum von Flugsauriern und der gleichen.“

Luke brummte unzufrieden.

„Es sind auch Fotos dabei, sieh sie dir an!“, beharrte er, doch auch dies schien Jett nicht zu überzeugen.

„Photoshop.“, lautete seine Anamnese, was Jetzt geradezu zum Verzweifeln brachte.

„Jett, das sind doch keine Zufälle! Das sind gezielte Vertuschungsaktionen der Regierungen! Es ist doch offensichtlich, dass in unserer Zeit immer noch urzeitliche Wesen gibt. Vermutlich irgendwo in Südamerika oder den Tiefen Asiens. Die Regierungen lassen sie aufgrund von Untersuchungen und Forschung einfliegen, doch diese Tiere sind nicht zu kontrollieren. Ich habe jede Menge Berichte davon, dass es ihnen gelang auszubrechen, doch das Militär fing sie jedes Mal wieder ein, oder setzte ihnen den Gnadenschuss. Du glaubst gar nicht wie viele Berichte ich dazu im Internet gefunden habe!“, klang Luke nun noch euphorischer.

Jett strich sich übers Kinn, scheinbar hatte er keine Ahnung wie er seinen Freund zur Vernunft bringen sollte.

„Alter! Egal was du rauchst, bitte lasse es! Als dein Freund will ich nur das Beste für dich und wenn dein Studium…“, begann er, doch Luke schubste ihn nur zur Seite.

„Weißt du was? Vergiss es! Es gibt Fotos und Augenzeugen. Die meisten davon sind sogar glaubwürdig! Und ich werde beweisen, dass die Regierung das alles vertuscht!“, sagte er scharf.

Jett bedachte ihn eines Blickes, der Bände sprach. Viele hatten ihn so angesehen, einschließlich seiner Mutter. Kryptozoologie war eine Sache, aber an Dinosaurier und dergleichen zu glauben eine andere. Es existieren genug B-Movies, die von überlebenden Urzeitmonstern und Riesenschlangen handelten. Und natürlich hatte Luke sie sich angesehen, doch sie hatten ihn nicht seinen Realitätssinn verlieren lassen.

Es war vor 5 Jahren gewesen, damals lebte er noch mit seinen Eltern in London. Er hatte gerade erfolgreich die Highschool absolviert als er auf dem Times Quare auf dem Nachhauseweg war. Niemals mehr würde er das Schauspiel vergessen, dass sich ihm geboten hatte. Ein riesiges Krokodilartiges Wesen kämpfte sich seinen Weg durch den Kanal an die Oberfläche. Luke selbst hatte sich hinter einigen Bäumen versteckt und beobachtet wie einige Leute, darunter auch schwer bewaffnete Soldaten ihm nachjagten. Zu diesem Zeitpunkt wurde ihm bewusst was die Regierung dem Volk wirklich vorenthielt. Diese Tiere, welche die Zeit irgendwie überdauert hatten waren gefährlich. Die Bevölkerung nicht vor ihnen zu warnen konnte katastrophale Ausmaße annehmen. Und dann war da dieser tapfere Mann mit dem Dreitagebart und dem Betäubungsgewähr, scheinbar der Anführer der Männer. Es war ihm nicht möglich sie zu verfolgen und zu beobachten was schlussendlich mit dem Krokodil passiert war. Doch denn Mann hatte er erkannt, auch wenn sich nicht mehr erinnerte wo. Erst nach einigen Recherchen forschte er dessen wahre Identität heraus. Professor Nick Cutter, sein Spezialgebiet war Zoologie. Eine Koryphäe, kein Wunder, dass die Regierung ihn bei der Jagt auf diese Kreaturen einsetzte. Wenig später versuchte Luke diesen Professor aufzusuchen um Antworten zu verlangen, doch zu diesem Zeitpunkt schien dieser bereits verstorben zu sein. War eines dieser Tiere daran Schuld gewesen? Nachdem sich seine Eltern scheiden ließen und er mit seiner Mutter zurück in ihr Heimatland Kanada ging, beschloss er die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Er begann damit Zoologie zu studieren, auch wenn er sich stets nur für eines interessierte.

Er wollte diese seltenen Tiere mit eigenen Augen sehen und den Menschen die Augen öffnen. Dass die Fauna der Erde noch weitaus unglaublicher war als sie es sich vorstellten. Dass es Gebiete auf dieser Welt gab, an denen Tiere leben mussten, die lange als ausgestorben galten.

Jett weckte Luke schließlich aus seinen Träumereien.

„Und wie willst du deine angeblichen Saurier beweisen?“, fragte er zynisch.

Nun huschte zum ersten Mal ein Grinsen über Lukes Gesicht.

Er stolzierte zu seinem Nachtisch und beförderte ein Radio ans Tageslicht.

„Hier.“, präsentierte er stolz.

Jett sah zur Seite, für ihn wurde die Situation wohl immer absurder.

„Nein, ich war nicht auf eine Meldung im Radio!“, verteidigte sich Luke.

„Immer wenn eines dieser Tiere auftaucht, meldeten die Zeugen seltsame Funkstörungen in Handys oder Radios. Ich spekuliere, dass die Regierung irgendwelche Geräte benutzt um sie in Schach zu halten. Und mittels der Frequenz dieser Geräte wird es mir gelingen einen dieser Transporte oder auch eines ihrer Labore aufzustöbern.“, präsentierte er stolz seinen modifizierten Radio.

Es hätte ihn nicht gewundert, wenn Jett auf der Stelle sein Handy gezückt und bei der nächsten Psychiatrie angerufen hätte. Doch Luke wusste was er gesehen hatte und es war real. Kein Austritt von chemischen Gas, keine bearbeiteten Bilder, diese Tiere existierten! Und er würde derjenige sein, der es beweisen würde. Heute Nacht würde er sich auf die Lauer legen, mit Fotoapparat bewaffnet und einem Laptop mit dem er die Bilder sofort ins Netz hochladen konnte, falls er erwischt werden würde. Er würde derjenige sein, der alles aufdeckte.
 

Wohnung von Evan Cross
 

Vielleicht hätte es ein einzelnes Glas Scotchs doch getan, dachte Evan als er am nächsten Morgen verdattert aus dem Bett stieg. Er versuchte erneut Angelika anzurufen, doch vergebens. Bei Cross-Photonics würde er ihr zwar begegnen, doch ihr Umgang würde nur beruflich ausfallen. Er hatte sie verletzt, obwohl er das nie vorhatte. Sie war mit dem Evan aus ihrer Zeitlinie zusammen gewesen, sie hatten sich geküsst und anscheinend auch miteinander geschlafen. Hatte… Evan ihr gesagt, dass er sie liebte? Hatte Angelika seinem anderen Ich geholfen über Brooke hinweg zu kommen? Sich diese Fragen zu stellen brachte nichts. Er war nicht der andere Evan Cross, sondern er selbst. Er hatte diese Dinge nicht erlebt, sie hatten ihn weder berührt, noch verändert.

Als er sich fertig angezogen hatte, schnappte er sich alles was er brauchte um zeitlich zu seiner Firma aufzubrechen. Es war ein Klingeln an der Tür, das ihn daran hinderte.

Eilig trat Evan in den Flur und öffnete die Haustür.

Draußen blickte ihm ein freundlicher, junger Mann in einer Uniform entgegen.

„Guten Morgen Sir, ein Paket für sie.“, trällerte er heiter und reichte Evan ein kleines, aber nicht gerade leichtes Paket.

„Danke, wissen Sie was da drin ist? Ich vergesse in letzter Zeit recht viel, auch was ich so bestelle.“, versuchte Evan amüsiert zu klingen.

Er hatte keine Ahnung was sein anderes Ich bestellt hatte. Ich betete nur, dass es sich um keinen Verlobungsring für Angelika handelte.

„Nun Sir, laut dem Lieferschein, handelt es sich um die Uhr, die Sie bei Makers&Bakers gewonnen haben. Glückwunsch übrigens, wenn ich irgendwo mitmache gewinne ich nie etwas.“, erwiderte der Bote.

Evan nickte und betrachtete das kleine Paket. Es besaß genau die richtige Größe für eine Armbanduhr.

„Ich erinnere mich an kein Preisausschreiben…“, begann er zu murmeln, bis er sich entsann, dass er persönlich auch sicher an keinem teilgenommen hatte.

Der Bote winkte nur ab.

„Geht mir oft auch so. Ich vergessen es danach gleich wieder, weil ich ohnehin nicht daran glaube etwas zu gewinnen.“, gestand er.

Evan nickte und unterschrieb schließlich den Lieferschein. Der Bote wünschte ihm noch einen schönen Tag und kehrte zu seinem Wagen zurück.

Evan schloss die Tür wieder um die Uhr auszupacken. Es handelte sich um eine Esprit, es war keine Rolex, aber trotzdem beachtlich. Sie gefiel ihm außerordentlich gut, weshalb er sie sich umlegte und beschloss sie einzutragen. Der andere Evan schien unglaublich viel Glück in seinem Leben zu haben, ein seltsames Gefühl sich selbst zu beneiden. Nachdem er einen Bissen gefrühstückt hatte, begab er sich zu seinem Porsche und trat den langen, beschwerlichen Weg zu Cross-Photonics an.
 

Toronto – Markham Schnellstraße
 

Luke Hingle stapfte nun bereits mehrere Stunden durch das hohe Gras. Er hatte widersprüchliche Signale von seinem umgebauten Radio empfangen, vermutlich war es doch komplizierte die richtige Frequenz des Militärs zu bekommen. Es war auszuschließen, dass er heute Nacht noch etwas finden würde, hasste aber den Gedanken aufzugeben.

Hätte er doch lieber lernen und einige Referate schreiben sollen? Sollte er seine Zukunft für seine Obsession wirklich aufs Spiel setzen?

Diese Frage beantwortete sich wenige Minuten von selbst. Das Radio schien etwas zu empfangen, ein langes, monotones Geräusch. Die Frequenz lag nun auf derselben Skala, wie einige Zeugen es berichtet hatten. Ohne jeden Zweifel kam er seinem Ziel näher. Er verließ den Rand der Schnellstraße, als das Pfeifen lauter wurde, je näher er dem Waldstück kam das vor ihm lag. Er hatte angenommen seine beste Chance wäre es der Straße zu folgen und eventuell einen LKW der Reagierung abzupassen, der ein seltenes Tier transportierte, doch scheinbar lag er falsch. Das Ding, was auch immer diese hohe Skala verursachte lag vor ihm. Er hatte keine Ahnung was ihn erwarten würde, weshalb er beschloss äußerst vorsichtig zu sein. Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass es nur noch eine Stunde dauerte bis es dunkel wurde. Sollte er solange warten? Bei Nacht würde ihn niemand entdecken oder gar verhaften. Allerdings würde es sich auf schwieriger gestalten Fotos zu schießen und etwaiges Militär könnte dann schon lange weg sein.

Luke nahm all seinen Mut zusammen und folgte dem Signal. Er achtete auf jeden seiner Schritte bis er mehrere hundert Meter in den Wald vorgedrungen war. Das Pfeilen des Signals wurde immer schriller und die Ziffern auf der Anzeige begannen sich zu verändern. Wie wild begannen sie von allein zu springen und ein paar Mal meldete sich sogar ein Sender.

Luke überwand einen Strauch, bis eine Art Magnetismus ihm das Radio beinahe aus der Hand zog.

Ungläubig starte er auf das Licht vor ihm, das hell und wunderschön funkelte. Wie zerbrochenes Glas flog es in der Luft umher und bot ein fantastisches Phänomen.

Luke hatte erwartet ein unentdecktes Tier oder gar einen Dinosaurier zu Gesicht zu bekommen, doch mit sowas hatte er nicht gerechnet.

„Was zum Teufel ist das?!“

Diese Worte hätte auch Luke in diesem Moment aussprechen können, doch er war es nicht.

Perplex drehte er sich um und blickte in die verstörten Fratzen von Brenden und dessen Kumpel.

„Was habt ihr hier zu suchen?“, fragte er sie anklagend.

Brendens Kumpel schluckte, ließ das Licht aber nicht aus den Augen.

„Brenden hat vorgeschlagen, dass wir dich verfolgen und dir eine Lektion erteilen. Aber das hier…“, murmelte er, kassierte aber einen Seitenhieb von seinem Freund.

„Schnauze! Und du sag mir, wie du dieses Ding da kreiert hast!“, forderte er Luke auf.

Dieser zuckte jedoch nur mit den Schultern. Glaubte dieser dumme Brenden wirklich, er habe etwas mit diesem Licht zu tun? Niemals hätte Luke so etwas Schönes erschaffen können.

„Das ist sicher nur ein Projektor oder sowas.“, war sich Brendens Kumpel sicher.

Dieser begann nur breit zu grinsen und trat näher zu Luke.

„Tja, das werden wir am besten gleich mal testen.“, sagte er und begann Luke wild nach vorne zu schubsen. Im Gegensatz zu dem physisch kräftigeren Brenden hatte Luke natürlich kaum eine Chance sich zu wehren. Immer weiter wurde er auf das Licht zu getrieben und das erste Mal verspürte er Angst, egal wie schön er es fand. Brenden verpasste ihm nun einen weiteren Schubser und Luke stürzte in das Licht.

Brenden und sein Kumpel wollten bereits lachen, bis sie der Schlag traf.

Luke begann sich vor ihren Augen aufzulösen. Je näher er in das Licht geriet, umso mehr verschwand sein Körper. Es handelte sich nicht nur um eine Projektion, es war etwas vollkommen anderes.

„Scheisse, haben wir ihn gerade umgebracht?“, stammelte Brendens Kumpel.

Dieser selbst konnte nur schlucken, er verstand die Situation einfach nicht.

„Vielleicht ist das ja ein schwarzes Loch oder so…“, versuchte er sich das Ereignis irgendwie logisch zu erklären.

Es war der Regen, der ihn aus seinen wirren Gedanken aufschreckte. Ohne Vorwarnung schien sich ein Platzregen über Brenden ergossen zu haben und er wischte sich fluchend die Nässe von Haaren und Gesicht.

„Scheisse, wieso brennt das so?“, fluchte er und sah zu seinem Freund.

Dieser sah ihn nur verstört an und zeigte auf Brendens Hände.

Dieser betrachtete sie prüfend und erkannte, dass es sich nicht um Wasser handelte. Es erinnerte an Schleim, er war weiß und brannte auf der Haut.

Dann ging alles sehr schnell. Irgendwas schien sich in den Baumkronen über den beiden Männern zu befinden und sprang jetzt mit ungeheurer Geschwindigkeit zu Boden.

Brendens Freund musste mit ansehen wie dieser von zwei scherenartigen Greifarmen gebackt und zu Boden gerissen wurde. Etwas sehr Großes krabbelte auf Brenden und begann seine scharfen Zähne in dessen Nacken und Kopf zu bohren. Brenden schrie panisch, bis sein Körper es ihm nicht länger erlaubte. Sein Freund glaubte seinen eigenen Augen nicht und ergriff panisch die Flicht. Nur weg hier, dachte er sich. Weg von diesem Ungeheuer!
 

Es geschah alles so, wie Evan es erwartet hatte. Angelika hatte ihn den ganzen Tag über gemieden und er konnte es ihr nicht einmal verdenken.

„Was ist denn heute mit dir los?“, fragte Dylan, die natürlich mitbekommen hatte, wie gedankenverloren ihr Partner war.

Wieder erinnerte sich Evan, dass Dylan die einzige Person war, mit der er über die neue Realität reden konnte. Also erzählte er seiner Kollegin, nein seiner Freundin von den veränderten Verhältnissen zwischen ihm und Angelika. Dylan holte tief Luft und ein vielsagender Blick folgte.

„Aber wäre die Sache mit Mac und Hall nicht gewesen, dann wäre es auch sicher in unserer Zeitlinie zu einer Aussprache zwischen euch beiden gekommen, oder?“

Evan schüttelte leicht den Kopf.

„In unserer Realität habe ich sie verraten. Zumindest hat es sich für sie so angefühlt. Und jetzt scheine ich damit fortzufahren. Also was soll ich tun? Mit Ange zusammen sein, nur weil es in dieser Realität eben so ist?“, hakte er nach.

Dylan sah ihn ungläubig an.

„Die wichtigste Frage ist doch was du willst. Wenn du etwas für sie empfindest spielt es keine Rolle ob ihr lediglich in ihrer Realität zusammen wart oder nicht. Du bist derselbe Evan wie immer und ich bin sicher, Angelika weiß das.“, redete ihm Dylan gut zu.

Dieser schüttelte nur den Kopf.

„In diesem Fall hat sie der andere Evan genauso belogen wie ich. Wenn ich nicht ehrlich zu ihr sein konnte, dass ich immer noch an Brooke hänge, dann war ‚er’ es auch nicht. Ich habe kein Recht eine Beziehung mit Ange anzufangen und mein anderes Ich hätte das theoretisch auch nicht gedurft. Ich denke er fühlte sich einfach zu selbstsicher. Keine Vorwürfe was Sams Tod angingen, oder die Bürde die er sich durch Mac auferlegt hat. Kein fehlendes Vertrauen gegenüber Leeds und wegen Donovans Leuten sicher weniger Opfer dessen Geister ihn nachts heimsuchten.“, begann er zu erzählen.

Dylan sah einige Zeit bedächtig zu Boden.

„Drake ist in dieser Zeitlinie immer noch tot. Und ich habe dieselben Probleme, die auch die andere Dylan hatte. In meiner Wohnung stapelt sich die Arbeit und ich habe meine Eltern schon lange nicht besucht. Für mich fühlt es sich nicht an, als ob ich jemand weg gewesen oder gar mit jemandem getauscht hätte.“, entgegnete sie.

Evan wusste nicht, wer von ihnen beiden schlimmer dran war. Fest stand nur, dass sich Angelika und alle anderen an den neuen Evan gewöhnen mussten, da es unmöglich war alles umzukehren.

„Wenn ich bloß wüsste wenn ich wegen der vergangenen 6 Monate fragen könnte. Ich würde ja mit Ange darüber sprechen, aber im Moment geht sie mir einfach aus dem Weg. Toby arbeitet ständig nur und Sam stehe ich nicht wirklich nahe.“, murmelte er nun.

Dylan sah die Treppe nach oben zu einem Büro auf dessen Tür ein Name aus goldenen Buchstaben stand. Evan folgte ihrem Blick und schüttelte ungläubig den Kopf.

„Was ist nicht dein Ernst.“, klang er sehr grob.

„Er ist vermutlich der Einzige, der dich nicht verurteilen würde.“, gab Dylan ihre Meinung wider.

Evan nickte und stand auf. Er wollte es hinter sich bringen, bevor er die Gelegenheit bekam seine Entscheidung zu revidieren.

Er schlich die Treppe nach oben und öffnete die Tür zu Harold Kanans Büro. Kurz darauf stand er in einem Vorzimmer und sah sich immer. Sein Eintreten blieb nicht unbemerkt und ein kleinere, karger Mann mit Brille schritt auf ihn zu.

„Mister Cross! Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte der Mann und richtete sich seinen Anzug.

„Ich möchte zu Harold… ähm…“, erwiderte er und überlegte ob er den Mann bereits einmal getroffen hatte.

Dieser räusperte sich, scheinbar ein weitrer Kandidat den Evan mit seinen fehlenden Erinnerungen auf den Schlips trat.

„Fargo, ich bin Mister Kanans Sekretär.“, stellte er sich vor.

Evan nickte ihm zu und erblickte dann die Tür, die zu Kanans tatsächlichen Büro führte.

„Ich möchte nur ein paar Worte mit Harold wechseln.“, gab er an und versuchte sich an Fargo vorbei zu schieben, was ihm jedoch misslang.

„Verzeihung, aber haben Sie einen Termin?“, fragte der karge Assistent.

Evan sah ihn unwirsch an.

„Nein, aber er sitzt doch wie ich sehe an seinem Schreibtisch. Er wird mich auch so empfangen.“, stand für ihn fest, doch Fargo schien das nicht zu reichen.

„Mister Kanan ist sehr beschäftigt, bitte machen Sie doch erst einen Termin aus, ja?“, gab er nicht auf.

Damit hatte er Evans Ungeduld eindeutig strapaziert. Er befand sich bereits im Vorzimmer zu Kanans Büro, jetzt umzukehren wäre unsinnig. Noch dazu ließ er sich keinesfalls aus seiner eigenen Firma vertreiben, egal ob Kanan nun als Miteigentümer eingestiegen war oder nicht.

Doch eine Konfrontation blieb aus. Harold Kanan war aus seinem Büro getreten und beruhigte seinen Assistenten.

„Schon gut, Evan Cross ist natürlich immer Willkommen, auch ohne Termin.“, stellte er klar.

Der Assistent nickte etwas verdrießlich und nahm wieder seinen Platz ein. Mit schnellen Schritten folgte Evan Kanan in dessen Büro. Der Millionär bot dem Erfinder einen Stuhl an, doch dieser lehnte ab. Er war zu aufgewühlt um nun zu sitzen.

Zwar wusste Evan nicht, ob er und Angelika beschlossen hatten ihre Beziehung vor der Belegschaft offen zu legen, aber diesen Teil konnte er ruhig weg lassen.

„Ich habe Probleme mich dem Alltag anzupassen.“, gestand der Gründer von Cross-Photonics schließlich.

Dies schien Kanan zu überraschen, doch diesmal ließ er ihn überraschenderweise ausreden.

„Ich bin nicht der Evan, den du noch vor ein paar Tagen gekannt hast. Das heißt nicht wirklich. Einige Dinge haben sich weniger verändert, manche schlimmer.“, fuhr er fort.

Kanan klopfte ihm auf die Schultern und schenkte ihm ein mitleidiges Lächeln.

„Du meinst sicher die Sache mit Miss Finch. Das muss echt peinlich gewesen sein.“

Evan schluckte und starrte den Millionär perplex an.

„Sie hat dir davon erzählt?“, konnte er es kaum glauben.

Kanan hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf.

„Nein, das habe ich von Fargo gehört.“, erwiderte er, was zu Evans Verwirrung aber nur beitrug.

„Naja, unser Personal redet gern. Das hat deine anderer Version auch nie unter Kontrolle gebracht, also mach dir keine Sorgen. Um ehrlich zu sein habe ich mir Gedanken gemacht als ich von dir Geschichte hörte, aber ich erkenne einfach keine Veränderung an dir. Es mag sein, dass ja einige Dinge anders sind als zuvor, aber ich bin sicher mit der Zeit wirst du dich daran gewöhnen.“, führte ihm Kanan vor Augen.

Evan nickte und setzte sich schließlich doch noch.

„Nur um es zu erleichtern, wäre es möglich dass du mir ein kurzes Briefing gibst?“, bat er seinen Geschäftspartner.

Kanan war gerne einverstanden das zu tun, doch die Pläne der beiden sollten sich schlagartig ändern.

Urplötzlich erklang wieder der schrille Alarm in den Lautsprechern und die beiden Männer sprangen auf.

„Vielleicht verschieben wir das Gespräch am besten.“, schlug Kanan vor und Evan nickte ihm zu.

Er stürmte aus Kanans Büro, wurde dort aber von Fargo aufgehalten.

„Mister Cross! Miss Nance meldet gerade eine Anomalie westlich der Markham-Road, in einem Waldstück. Mister Donovan und sein Team warten bereits in der Tiefgarage auf Sie.“, informierte er Evan ausführlich.

Dieser nickte dem Sekretär dankbar zu und beeilte sich dann seinen Zielort zu erreichen.

Er war wenig überrascht, als er Dylan bereits bei Donovan und seinen Leuten antraf.

„Bereit für unseren neuen Einsatz?“, fragte sie und reichte Evan seine Waffe.

Dieser setzte ein Lächeln auf und zwinkerte ihr zu.

„Als wäre ich nie weg gewesen.“, konnte er sich nicht erwehren auf etwas Ironie zu verzichten.
 

Es war lange her seit Luke Hingle seinen letzten Kuss bekam. Er hatte beinahe schon das Gefühl vergessen. Die Wärme, die Feuchtigkeit und die Nähe.

Was ihn störte was nur, dass er diesmal nur zur Hälfte bei Bewusstsein war. Er konnte nicht einmal sehen wer ihm da einen Kuss gab, aber etwas lag auf seinem Kopf.

Eine zärtliche Hand? Eine Wange? Er erinnerte sich nur noch durch das Licht gestolpert zu sein. Auf der anderen Seite hatte er einen Schritt zurück gemacht und war gefallen. Er wusste nicht wie tief, aber etwas Weiches hatte seinen Fall gebremst. Doch der Aufprall reichte um ihm kurz sein Bewusstsein zu rauben. Doch er wusste, dass er sich orientieren und sich einen Überblick über die Situation verschaffen musste? Er zwang sein Gehirn mitzuspielen und versuchte die verschwommene Sicht vor seinen Augen aufzuklären.

Langsam nahm die Umgebung Gestalt an. Er lag tatsächlich auf einem weichen Untergrund und etwas küsste seine Lippen. Nein, Moment das war kein Kuss. Es war eher ein Lecken, das nun auch seine Wange und seinen Hals einschloss.

Starr beobachtete Luke das Insekt das es sich auf seinem Oberkörper gemütlich gemacht hatte.

Es war nur einen halben Meter groß, was jedoch nichts daran änderte wie furchterregend es aussah. Luke hatte Insekten noch nie gemocht, und dieses hier bildete keine Ausnahme.

Er versuchte sich zu erinnern wie der Name dieses Käfers war, wozu hatte er sonst Zoologie studiert? Er hatte noch einen Freund, der sich auf Entomologie spezialisiert hatte, doch Luke war zu erschrocken um daran zu denken ihn anzurufen. Als er die kleinen, aber dennoch scharfen Zähne des Insekts erblickte, wurde es ihm zu viel. Er schnellte auf und das Insekt rutschte zu Boden. Luke wollte es bereits wegtreten, doch das Tiere hatte freilich mehr Angst vor ihm als umgekehrt und krabbelte davon.

Luke reagierte erleichtert und erkundete seine Umgebung. Er stand auf einer Vielzahl von Blättern und Laub, das erklärte warum er so leicht gefallen war. Doch es war seltsam.

Er erinnerte sich an keinen Abhang hinter dem Licht, also wie kam es dazu, dass er hier gelandet war? Er unternahm einen Versuch aufzustehen, doch der Laubboden war extrem weich und er drohte beinahe zu versinken. Die Sonne stand weit am Horizont, aber vorhin hatte es gerade angefangen zu dämmern. War er nach dem Sturz immer noch bewusstlos und träumte er das alles?

Er sah zu wie ihn weitere kleine Insekten umkreisten, aber Abstand hielten. Sie wagten sich nicht an ihn heran, aber Luke auch nicht an sie. Egal wie sehr er sein Gedächtnis durchforstete, er konnte sich nicht erinnern je von dieser Gattung gehört zu haben. Erst hätte er sie als Grashüpfer beschrieben, doch die Scherenartigen Hände sprachen dagegen.

„Gottesanbeterinnen.“, kam es Luke über die Lippen, auch wenn er sich das nur einbilden musste.

Gottesanbeterinnen wurden nicht so groß, selbst unter optimalen Bedingungen.

Dann ein lautes Huschen weit über seinem Kopf. Luke erinnerte sich an eine Dokumentation und ordnete das Geräusch als den Flügelschlag eines Insekts zu. Er richtete seinen Kopf nach oben und versucht durch die dicke Baumkrone zu blicken. Etwas hockte da oben und bewegte sich. Etwas Großes. Dann raschelte es und ein melonengroßer Gegenstand suchte sich seinen Weg auf den Laubboden. Luke nahm erst an, es handle sich irgendeine große Frucht, doch das kam der Wahrheit nicht einmal annähernd nahe. Vor ihm lag niemand anderer als Brenden Coyle.

Nein, das stimmte so nicht ganz, denn es war lediglich ein kleiner Teil von ihm. Es war einzig und allein die Verwirrung, die Luke nicht dazu verleitete in Anbetracht des abgetrennten Kopfes panisches aufzuschreien oder gar zu weinen zu beginnen.

Dann gaben die kleineren Insekten schrille Geräusche von sich und das große Tier das Luke so undeutlich hatte sehen können preschte durch die Äste. Graziös landete es auf dem Laubboden und die kleinen Käfer umringen das Muttertier. Schmatzenden machten sie sich über Brendens Kopf her, Luke spürte den Ekel und die Gräuel in sich aufkommen und begann sich zu übergeben. Doch das Muttertier hatte ihn bemerkt und blickte ihn mit ihren analytischen Augen an.

Vor Luke hockte eine Gottesanbeterin, bestimmt drei Meter groß. Doch sie schien ihn nicht anzugreifen, vielleicht weil sie gerade gespeist hatte, oder Brendens Kopf allein ihrem Nachwuchs dienen sollte.

Das was sich Luke immer gewünscht hatte war eingetreten. Der Traum eines jeden Kryptozoologen. Aber warum fühlte er sich so schlecht? Er hatte sich vorgenommen seine Entdeckung zu dokumentieren, doch stattdessen wollte er einfach nur weg. Weg von diesem Ungeheuer.

Dann öffnete die Gottesanbeterin ihr Maul. Spitze Zähne, noch schärfer als die des Nachwuchses kamen zum Vorschein. Scheinbar hatte sich Luke geirrt und das Muttertier hatte Brenden doch nicht gereicht. Oder der Sportler hatte ihr schlichtweg nicht geschmeckt. Letzteres hätte Luke sogar nachvollziehen können. Das Rieseninsekt lief nun auf Luke zu und dieser suchte einen Ort zum Verstecken.

Es gab keinen.

Dann geschah etwas Unerwartetes. Eine Melodie erklang, es war das Lied Your Eyes von Arashi. Luke erinnerte sich perplex daran, dass er dieses Lied in sein Handy eingespeichert hatte, damit es ihn an Abgabetermine erinnerte. Im Moment interessierte ihn aber reichlich wenig ob er es wieder einmal nicht schaffte eine Aufgabe abzugeben, sondern nur das Monster vor ihm. Doch etwas stimmte nicht. Kaum hatte das Lied begonnen, hatten sich die Augen der Kreatur stark verengt und sie war zum Stillstand gekommen.

Musternd betrachtete sie ihre anvisierte Beute.
 

Es war praktisch gewesen, dass sich die Anomalie in der Nähe der Markham-Road befand.

Die beiden Vans von Cross-Photonics hatten jegliche Geschwindigkeitsgrenze überschritte die es nur gab. Ihr Plan war recht einfach. Sollten sie von einer Polizeistreife aufgehalten werden, würde Dylan ihren Freund Detective Harlow anrufen, der dies für sie regeln sollte. Zwar wollte dieser, egal welche Zeitlinie es nun war, nichts mit den Anomalien zu tun haben, doch wenn es um Menschenleben ging, würde er bestimmt eine Ausnahme machen.

Evan und sein Team hofften nur, dass sich etwaige Tiere noch nicht zur Straße vorgekämpft hatten. An einem Rastplatz machten die beiden Vans halt und Evan ließ sich von Toby die genauen Koordination durchgeben.

Die Anomalie sollte sich irgendwo im Wald befinden, das Suchen dürfte also etwas dauern.

Zumindest hatte das Team das zuerst angenommen.

„Hilfe!“, drang ein lauter, flehender Schrei durch das Feld vor ihnen.

Ein Hilfe war selten ein gutes Zeichen und Donovan blickte durch ein Fernglas um die Quelle ausfindig zu machen.

„Edward, Crowe!“, rief er zwei seiner Leute zu sich, welche sich bewaffnet der Person näherten.

Es handelte sich um einen jungen Mann, dem Tempo nach sehr sportlich. Auch Evan und Dylan versuchten den Soldaten zu folgen um den Hilfesuchenden mit eigenen Augen begutachten zu können.

„Hilfe! Sie müssen mir helfen!“, flehte er und schien erschrocken darüber zu sein, dass Donovan und seine Leute bewaffnet waren.

„Schon gut, wir sind von der Wildtierkontrolle. Was ist Ihnen zugestoßen?“, versuchte Dylan ihn zu beruhigen.

Der Mann brauchte etwas um zu Atem zu kommen und zeigte dann zu dem Waldstück hinter sich.

„Sie… Sie müssen es einfangen! Mein Freund… dieses Monster hat meinen Freund umgebracht!“, stotterte er panisch.

Evan sah zu Donovan und dieser klopfte auf seine rechte Schenkeltasche. Wenn es sich um ein stark aggressives Tier handelte, würde er nicht zögern seine Clock zu ziehen.

„Konnten Sie es sehen?“, ergriff Dylan die Schultern des Mannes und dieser nickte kräftig.

„Es war ein Insekt! Sicher drei Meter groß! Es hat sich sofort auf meinen Freund gestürzt und… und seinen Nacken durchbissen, oh mein Gott!“, vergrub er as Gesicht in seinen Händen.

„Hören Sie! Waren außer Ihnen und Ihrem Freund noch mehr Leute in der Nähe?“, fragte nun Edward und der Mann nickte schnell.

„Ja, ein Kerl der mit uns dieselbe Universität besucht, er heißt Luke. Aber… da war so ein Licht! Mein Freund wollte ihn ärgern, dabei ist er arme Kerl in das Licht gefallen und hat sich… irgendwie aufgelöst!“, stammelte er apathisch.

Evan und Dylan sahen einander an. Zu ihrem Unglück schien sich dieser Einsatz nun auch noch zu einer Rettungs-Mission auszuweiten.

„Chambers! Überprüfen Sie ob der Junge verletzt ist und befragen Sie ihn dann noch mal!“, rief Donovan seinem Mann zu, der am Van wartete und schickte den Studenten zu ihm.

Das war diesem nur recht, denn er wollte schnell aus der Gefahrenzone verschwinden.

Einen Luxus den sich Evans Team freilich nicht leisten konnte.

„Mit welchem Tier könnten wir es zu tun bekommen?“, wollte Donovan wissen, doch weder Evan, noch die so erfahrene Dylan konnten es ihm sagen.

Ein großes Insekt half nicht einmal dabei die Epoche einzugrenzen, weshalb sie beschlossen äußerste Vorsicht walten zu lassen.

Immer weiter pirschten sie sich in den Wald und wagten es dabei nicht sich zu trennen.

Edward und Crowe behielten die Baumkronen im Auge, da sie keine schlimmen Überraschungen erleben wollten.

Nach wenigen Minuten hatten sie die Anomalie erreicht und Donovan gab seinen Leuten Handzeichen.

„Wir postieren uns an sicheren Plätzen und warten bis sich die Anomalie geschlossen hat. Falls vorher etwas rauskommen sollten, können wir aus freier Bahn schießen.“, gab er an.

Evan war aber anzusehen, dass er mit diesem Plan nicht einverstanden war.

„Haben Sie vergessen was der Typ vorhin sagte? Einer seiner Kommilitonen ist durch die Anomalie gegangen, er wird unsere Hilfe benötigen.“

Donovan verengte seine Augen und musterte Evan zweifelnd.

„Denken Sie etwa er ist noch am Leben?“, schien er selbst seinem Ton nach zumindest nicht daran zu glauben.

Evan zuckte nur mit den Schultern und überprüfte seine Waffe.

„Das werden wir gleich herausfinden.“, gab er an und sah Dylan.

Auch ohne den Befehl war für sie klar, dass sie mittels des Timers herausfinden sollte, wie lange die Anomalie noch offen blieb.

„Wir haben 9 Minuten.“, sagte sie angespannt.

„Das wird knapp.“, meinte Evan und sah danach zu Donovan.

Dieser machte keine Anstalten sich zu bewegen.

„Bei allem Respekt Sir, aber das ist Wahnsinn. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich nie freiwillig durch so ein Ding da gehen würde.“, stellte er klar.

Evan entkam ein Lacher.

„Was? Bezahlt Ihnen Harold dafür zu wenig? Schon in Ordnung, Dylan und ich werden allein nachsehen ob der Verirrte noch zu retten ist.“, entschied er.

Donovan wollte erneut einen Einwand einbringen, beließ es dann aber dabei.

„Sir, wenn Sie es in 9 Minuten nicht zurückschaffen…“, wagte er es zu sagen, wurde von Evan jedoch unterbrochen.

„Schon gut, das gehört zum Risiko.“, entgegnete er und nickte Dylan zu.

„Viel Glück.“, glaubte Donovan sagen zu müssen und Evan wünschte sich, es hätte nicht ganz so sehr nach einem Abschied geklungen.

Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, sprangen die beiden durch die Anomalie und fanden sich kurz darauf in einer völlig neuen Welt wieder.

„Pass auf!“, rief Dylan plötzlich, doch Evan bemerkte es nicht mehr.

Nur einen Schritt hinter der Anomalie ging es steil nach unten. Dylan ergriff Evans Hand, doch scheinbar war gerade das der Fehler. Es gelang ihr zwar ihren Freund vom Abrutschen zu hindern, doch sie selbst verlor aufgrund ihres geringen Gewichts das Gleichgewicht und stürzte.

„Dylan!“, rief ihr Evan hinterher und beobachtete beruhigt, wie seine Freundin nur vier Meter unter ihm hart, aber unverletzt auf dem Po landete.

„Schon gut! Hier sind jede Menge Blätter und Laub, die haben meinen Fall gut gebremst.“, entwarnte die Frau.

Evan nickte und überlegte sich wie seine Partnerin wieder herauf bekommen sollte. Er erkannte auch keinen Abgang, der Hügel auf dem er sich befand war steil und schwer passierbar.

„Ich gehe noch mal zurück! Die Ex-Soldaten haben bestimmt ein Seil in ihrer Ausrüstung.“, teilte er ihr mit und Dylan war einverstanden. Kurz nachdem Evan wieder durch die Anomalie war, schwank ihre Einstellung jedoch zu Unsicherheit.

Nun war sie allein in dieser fremden Welt und noch dazu mit fleishfressenden Insekten.

Wenn sie ehrlich war, mochte sie die Krabbeltiere nicht sehr besonders und wenn sich die Gelegenheit bot auf eines zu schießen, würde sie nicht zögern.

„Ahhh!“, schreckte sie zurück und starrte auf ihr linkes Bein. Ein Insekt hatte begonnen daran zu schnüffeln, weshalb Dylan es mit einem geschickten Tritt hinfort beförderte. Aber es war nicht das einzige Jungtier das Dylan erblickte. Im Nischen sowie im Unterholz erkannte sie Dutzende dieser Kreaturen, ein wahrlich schauriger Anblick. Sie wollte hier unbedingt verschwinden, doch sie konnte es nicht.

Ein Nest! Sie betrachtete noch einmal das Laub unter sich. Es war verschiedenfarbig, ein Zeichen dafür, dass es zusammengetragen wurde.

Traumhaft! Sie trat durch eine Anomalie und fiel gleich darauf in ein Nest.

Ein lang gezogener Schrei setzte ihren Nerven noch stärker zu. Sie nahm an er würde von einem Tier stammen, da er so hoch war, doch Fehlanzeige.

Sie hob ihre Waffe, war aber froh darüber nicht gleich abgedrückt zu haben. Ein junger Mann, etwa in ihrem Alter rannte aus dem Wald auf sie zu und kollidierte mit ihr.

Beide fielen zu Boden und landeten im Laub.

So viel Angst Luke in den letzten Minuten auch verspürt hatte, sie war mit einem Male verflogen. Er spürte die Wärme der Frau unter sich und diese fühlte sich irgendwie vertraut an. Er wusste dass die Situation absurd war, aber dennoch wollte er irgendwie nicht, dass dieses Gefühl erlosch.

„Ahmm… könntest du bitte von mir runter gehen?“, bat Dylan einfühlsam aber bestimmt.

Luke schluckte und kämpfte sich auf.

„Verzeihung… ich bin Luke Hingle.“, schien er es für den rechten Zeitpunkt zu finden sich vorzustellen.

„Dylan. Bist du unverletzt?“, fragte sie, doch Luke riss nur die Augen auf.

„Wir… wir müssen hier weg!“, drängte er und sah nach oben zur Anomalie.

„Ganz ruhig! Mein Kollege ist gerade dabei ein Seil zu holen.“, informierte sie ihn, was Luke aber nicht beruhigte.

„Ihr Handy! Geben Sie es mir!“, bettelte er, doch Dylan zögerte.

Doch Luke flehte weiter, weshalb sie es ihm kurzerhand ohne nachzufragen überließ.

Der Student tippte darauf herum, bis er schließlich den passenden Ordner gefunden hatte.

Das Flattern von Flügeln erklang und Dylan blickte in die Richtung aus der Luke gekommen war.

„Verflucht!“, schrie sie, als sie die riesige Gottesanbeterin näher kommen sah.

„Ich hab’s gleich!“, murmelte Luke, doch sie verstand kein Wort. Sie richtete ihre Waffe auf das heranpreschende Tier und machte sich bereit abzudrücken.

Es war nicht nötig.

Unerwartet erklang ein Song aus ihrem Handy.

I'm all out of love

I'm so lost without you

I know you were right

Believing for so long

I'm all out of love

What am I without you?

„ Ähh… netter Musikgeschmack.”, meinte Luke und räusperte sich.

Dylan war noch verwirrter als zuvor, aber die Reaktion des Insekts entging ihr nicht.

Es hatte seinen Angriff gestoppt und hockte sich nun wie ein Hündchen auf den Boden. Es streckte seine Fühler auf und gab grummelnde Geräusche von sich.

„Ähhmmm… Musik wirkt besänftigend auf sie.“, klärte sie Luke endlich auf.

Dylan wollte nachhaken, wen er mit ‚sie’ meinte, beobachtete dann aber die Jungtiere, die es ihre Mutter gleichtaten.

Im selben Moment schnellte Evan durch die Anomalie und rief nach unten. Die große Gottesanbeterin regte sich kurz, doch die Musik führte dazu, dass schnell wieder ruhig wurde.

Langsam legte Luke das Handy zu Boden als er ansah, wie der Mann oben langsam ein Seil herunterließ.

„Müssen wir mein Handy hier lassen?“, fragte Dylan kritisch, doch Luke zeigte nur zu den Wurzeln eines Baumes.

„Das Handy oder etwas anderes.“, flüsterte Luke zurück und Dylan musste aufpassen Angesichts des abgetrennten und inzwischen auch abgenagten Kopfes nicht zu schreien.

Doch dann besann sie sich wieder und half Luke damit das Seil hinaufzuklettern. Als nächstes war sie an der Reihe und bald standen die beiden wieder auf der Anhöhe.

„Hey, danke für Rettung.“, sagte Luke und stellte sich auch gleich vor.

Evan nickte und deutete dann hastig zur Anomalie.

„Wir haben nicht mehr lange, also beeilen wir uns!“, erklärte er und weder Luke noch Dylan wagten es ihm zu widersprechen.

Sofort stürmten sie durch die Anomalie und keine Sekunde zu früh. Kurz nach den dreien schloss sie sich und ließ die Gottesanbeterin samt Nachwuchs und Dylans Lovesong zurück.

Donovan wirkte sehr erleichtert seinen Arbeitgeber gesund zurück zu sehen.

„Scheinbar war die Rettungs-Mission ein Erfolg.“, konnte er sich nicht erwehren zu sagen.

„Ahmm… was du gerade gesehen hast…“, begann Dylan zu reden, doch Luke lachte sie nur aus voller Kehle an.

„Das war eine verdammte Zeitreise! Ich dachte die ganze Zeit die Regierung fängt diese Kreaturen in abgelegenen Regionen oder züchtet sie, aber nein! Ohman, ich bin tatsächlich durch die Zeit gereist.“, klang er unnatürlich euphorisch.

Evan und Dylan sahen einander an. Das zu vertuschen dürfte sich als schwierig erweisen.

„Hör zu!“, versuchte Dylan ihn zur Vernunft zu bringen.

„Diese Portale, wir nennen sie Anomalien, sie führen zurück in die Vergangenheit. Und wir dürfen an ihr weder etwas ändern, noch davon berichten, weil sonst Menschen in Gefahr sein könnten.“

Luke schüttelte aber immer wieder den Kopf.

„Ich sage euch, das war nicht die Vergangenheit! Derart große Gottesanbeterinnen haben nie existiert, wenn schon dann befanden wir uns in der Zukunft. Der Triceratops und die Titanoboa mögen ja aus der Vergangenheit stammen, aber diese Kreatur, da bin ich mir sicher, wird erst in der Zukunft entstehen.“, gab Luke seine Meinung wieder.

Das Team tauschte vielsagende Blicke aus, niemand hatte damit erwartet einen Stalker zu retten. Donovan wies Edward an, Luke zu Chambers zu bringen. Dieser war zusätzlich Sanitäter und würde sich die Prellungen des Studenten ansehen.

„Ich denke nicht, dass wir ihn dazu bewegen können Stillschweigen zu bewahren.“, erlaubte sich Evan zu sagen, während er auf die Position starrte, wo sich die Anomalie befunden hatte.

Dylan räusperte sich und musste ihm rechtgeben.

„Etwas anderes. Cross-Photonics ersetzt mir doch mein Handy, oder?“, wollte sie wissen.

Evan sah sie überrascht an.

„Öhm… klar, mal sehen.“
 

Scarborough – Westlicher Stadtteil
 

Es war ein guter Tag für Paul gewesen. Er hatte an nur einem Tag so viel Geld verdient wie schon lange nicht mehr. Und es war alles andere als gefährlich gewesen. Normalerweise war sein Metier Taschendiebstahl. Und er war gut darin, auch wenn er bereits einige Male geschnappt wurde.

Er hasste es als Kleinkrimineller bezeichnet zu werden, da er stolz auf seine Fähigkeiten war. Er konnte perfekt in andere Rollen schlüpfen. Sein Cousin hatte ihn dann an diesen Kerl vermittelt, der ihm 1000 Dollar spendieren wollte. Und der Auftrag um sich diese zu verdienen war überraschend leicht gewesen. Alles was er zu tun hatte, war sich beim nächsten Kostümverleih eine Postboten-Uniform zu besorgen und die Wohnung dieses Evan sowieso aufzusuchen. Zuvor hatte er von seinem Auftraggeber ein kleines Paket erhalten, das er zustellen sollte. Es interessierte Paul nicht was sich darin befand, da er sich als professionell einstufte.

Natürlich war er nicht dumm und hatte zuvor mit einem speziellen Gerät überprüft, dass sich darin keine Bombe befand. In einen Mord würde er sich nicht verwickeln lassen.

Auf einem gefälschten Lieferschein las er dann, dass es sich um eine Uhr handelte, auch wenn unklar war, ob sich wirklich eine in dem Paket befand. Aber er spielte seine Rolle brachte das Paket an den Mann. Er hatte keine Ahnung wer dieser Evan war, oder was sein Auftraggeber mit ihm zu schaffen hatte. Genau genommen hatte Paul ihn noch nicht einmal gesehen, alles war über Telefon gelaufen.

Doch der Gauner plante nicht diese Geldquelle versiegen zu lassen. Er wollte sich für den Kerl weiterhin als nützlich erweisen. Also überquerte er die Straße zum Parkplatz, wo er sich mit seinem Auftraggeber treffen und auch sein Geld erhalten sollte.

Bald hatte er den silbernen Ford ausgemacht. Er wirkte alt und die Scheiben waren getönt.

Paul stand nun vor der Fahrerseite, konnte das Gesicht des Insassen aber nicht sehen.

Die Scheibe fuhr einen Spalt breit nach unten und ein Umschlag wurde durchgesteckt.

Paul nahm ihn entgegen und zählte das Geld.

„Ok, es ist alles da. Der Auftrag war recht leicht, damit sind Sie mein Lieblings-Klient. Wenn Sie wieder etwas auf dem Herzen haben können Sie mich jederzeit anrufen.“, sprach er, doch den Mann im Ford schien das nicht zu beeindrucken.

„Schon klar, jetzt verschwinde.“, sagte er mit rauer Stimme.

Er klang unfreundlich, doch Paul gab nicht auf.

„Ich meine es ernst, auf der Straße finden Sie niemand der so gut ist wie ich. Ich kann Ihnen auch jede Menge Zeit beschaffen, wenn Sie es wollen. Und ich bin billig, das garantiere ich…“, fuhr Paul fort, schien den Mann aber nur zu reizen.

Wütend kurbelte dieser die Scheibe herunter und funkelte den Dieb wütend an.

Paul wich zurück, mit diesem Anblick hatte er nicht gerechnet.

Die tiefe Narbe auf der linken Gesichtshälfte des Kerls sah wirklich schrecklich aus. Paul hätte am liebsten nicht mit ihm getauscht. Doch das war noch nicht alles.

Der Fahrer hatte seine rechte Hand zum Kurbeln benutzen müssen, da ihm der linke Arm fehlte. Unterhalb der Schulter hing lose der Ärmel.

Was war dem armen Kerl bloß zugestoßen? Ein Unfall?

Paul erblickte eine Uniform des kanadischen Militärs auf dem Beifahrersitz.

Scheinbar handelte es sich um einen Soldat, er seinen Arm wohl im Krieg verloren hatte.

„Du hast mich nie gesehen, ist das klar?“, drohte ihm der vermeintliche Soldat und Paul schluckte.

„Alles klar, Mann! Ich schweige wie ein Grab.“, versicherte er.

Nun regte sich das erste Mal ein Lächeln auf den Lippen des Mannes.

Er wirkte beinahe eher wie ein angriffslustiges Tier als ein Patriot.

„Sehr gut. Denn wenn nicht, werde ich dich eigenhändig in eines befördern.“, warnte ihn der Auftraggeber.

Dann kurbelte er die Scheibe wieder nach unten und startete den Ford. Er war so schnell fort, dass Paul nicht mehr reagieren konnte.

Der Soldat fuchtelte im Handschuhfach seines Autos herum und holte ein Gerät heraus. Dies sollte dazu dienen die Wanze anzupeilen, welche sich in Evan Cross’ Armbanduhr befand.

So würde er immer wissen wo sich sein spezieller Feind gerade aufhielt. Und wo er ihn jederzeit finden konnte. Denn das war der erste Schritt seines Plans, dachte Ken Leeds.



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