Zum Inhalt der Seite

offsuit

Legend X Online
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Daily Quest - Albtagstraum

„Hey, hey, Taki-chan¹!“

Kihara Taki versuchte nicht hinzuhören.

„Baby, ignorierst du mich?“

Er hasste es. Zur Arbeit zu gehen war jeden Tag eine Qual.

„Leute, seht ihr das? Mein Taki-chan ignoriert mich! In den letzten Tagen ist er ein wenig aufmüpfig geworden, der Kleine.“

Moritaka war am schlimmsten. Taki biss fest die Zähne zusammen und versuchte einfach weiterzugehen und das spöttische Gelächter um ihn herum zu ignorieren. Der Weg in sein Büro war nicht lang, aber lang genug. Zu lang.

„Taki-chan.“

Gerade als er die Hand an die Türklinke gelegt hatte, nahm Moritaka sie am Gelenk und hielt sie fest, um Taki am Öffnen zu hindern. Er stand genau hinter ihm, so nah, dass er seine Körperwärme spüren konnte. Moritaka war mehr als einen Kopf größer als Taki und allein das schüchterte ihn ein, so sehr, dass er sich ein wenig zusammenkauerte. Automatisch spannte er sich an, brach in Angstschweiß aus.

„Ich finde es nicht nett von dir, dass du mich ignorierst, das habe ich dir doch gestern schon gesagt…“

Moritakas Stimme war ganz leise und flüsterte in Takis Ohr.

„Muss ich dir etwa noch eine Lehre erteilen?“

Taki konnte seinen feuchten Atem auf seiner Haut spüren und es war ekelhaft. Und dann, ganz plötzlich, spürte er Moritakas schwitzige Hand, wie sie ihm das Haar aus dem Nacken schob.

„Was denn, du bist ja verschwitzt im Nacken! Macht dich meine Nähe etwa so heiß?“

Taki spürte, wie sich dicke Tränen in seinen Augen bildeten. Er nahm seinen letzten Mut zusammen, schlug Moritakas Hand aus seinem Nacken und riss seine eigene aus seinem festen Griff. Es tat zwar weh, aber das war nichts im Vergleich dazu, was passieren würde, wenn er sich nicht wehrte. Ein fast gehetztes, verschüchtertes „Lass mich…!“ brachte er hervor, verschwand hastig in seinem Büro und schloss mit zittrigen Händen gleich die Tür hinter sich ab.

Taki vergrub sein Gesicht in den Händen und ließ sich mit dem Rücken an der Tür zu Boden sinken. Er hörte, wie Moritaka an der Klinke rüttelte. Ein Keuchen entfuhr Taki, als Moritaka plötzlich von außen gegen die Tür trat. Da er an ihr lehnte, wäre er beinahe vor Schock vornüber gekippt. Erschrocken und als wollte er verhindern, dass Moritaka ihn atmen hörte, drückte Taki beide Hände vor den Mund und hielt die Luft an.

„Kleine Schlampe!“

Und dann war alles still.
 

Taki blieb noch für einige Sekunden erstarrt, bis er sich erlaubte wieder zu atmen. Er schlang die Arme um sich selbst, blieb noch für mehrere Minuten so sitzen. Alles war gut… Alles war gut. Er wartete, bis er sich selbst genug zusammengeflickt hatte, um an die Arbeit zu gehen.

Das Unternehmen, für das er arbeitete, war im Bereich der mind-capturing Gaming-Industrie tätig und auch hochangesehen. Taki arbeitete als Leveldesigner und hatte für seinen Job mehr als fünf Jahre studiert. Es war ein Traumjob für ihn, sicherlich, doch seine Kollegen machten ihn ihm eher zum Albtraum. Denn so ähnlich ging das jeden Tag, bevor Taki in sein Büro gehen konnte oder sobald er es verließ. Und das musste er gezwungenermaßen, da kam er nicht drum herum.

Kihara Taki wurde auf der Arbeit gemobbt. Weil er homosexuell war. Und seine Arbeitskollegen hatten das über einen mehr als bloß unglücklichen Weg mitbekommen. Seitdem war Taki das Opfer schlechthin, wurde schikaniert, beschimpft, seelisch fertig gemacht und teilweise auch angefasst, wie Moritaka es heute wieder getan hatte. Manchmal, wenn es ganz besonders schlimm gewesen war, verbrachte er sogar die Nacht im Büro, weil er Angst hatte, seinen Kollegen zu begegnen. Darum hatte er inzwischen auch eine Decke für die kleine Bürocouch, auf der er dann schlief, einen Wasserkocher und Fertiggerichte vor Ort, wenn er mal wieder über Nacht blieb, sodass er Abendessen und Frühstück essen konnte, ohne rausgehen zu müssen.

Als Taki mit etwas zittrigen Beinen wieder aufstand, schob er sich sein Haar zurück in den Nacken, wie um Moritakas Spuren von seinem Körper fortzuwischen. Schwarzes Haar hatte er, fast glattes, doch die eine oder andere Strähne fiel in einer Welle, Augen der gleichen dunklen Farbe. Und Taki war klein. Er konnte sich weder vernünftig wehren noch verteidigen, was ihn zu einem einfachen Opfer machte. Die ganzen Sticheleien seiner Kollegen hatten sich mittlerweile in sein Unterbewusstsein gebrannt, waren fest verwurzelt und gingen ihm nur aus dem Kopf, wenn er zocken konnte.

Denn Taki zockte viel und probierte auch gern neue Spiele aus. Er spielte wirklich für sein Leben gern, am liebsten mind-capturing. Es war ein Gefühl der Freiheit, in einen anderen Körper schlüpfen zu können, in einen, der nicht schwach war, sondern stark. Einen Körper, den er trainieren konnte und der unabhängig von Größe und Statur der stärkste Krieger aller werden konnte, wenn Taki wollte und sich reinhängte. Trotzdem designte er manche seiner Charaktere so, dass sie ihm ähnlich sahen. Dann konnte er sich besser mit ihnen identifizieren. Manchmal ließ er aber auch seiner Kreativität freien Lauf und entwickelte jemanden, der ganz anders aussah, um sich weit weg von der Realität zu fühlen.

Das war Takis Fluchtweg aus seinem Albtagstraum.

Vorerst war es allerdings an der Zeit, sich der Arbeit zu widmen. Taki fuhr seinen PC hoch, schloss sein Mind-Capturing-Headset an und ließ sich in die Gamewelt versetzen. Um ihn herum bildete sich eine weite, hügelige Wiese mit einigen Felsen ab. Das Gras war grün, einige Blumen waren zu sehen. In der Ferne erkannte Taki ein Gebirge.

Gern hätte er das Gefühl des programmierten sanften Windes gespürt, der über die Ebene wehte und das Gras streichelte. Aber da er nicht gemind-captured war, war er eben in seinem eigenen Körper, dessen Haare sich nicht bewegten, weil es doch bloß ein virtueller Wind war, der da wehte. Er war kein Teil der virtuellen Welt. Trotzdem schloss Taki die Augen und atmete tief ein. Es duftete nach Freiheit.

Taki konnte Moritaka sofort wieder vergessen und sich auf die Arbeit konzentrieren. Nachdem er sich mit seinem Headset als Programmierer eingeloggt hatte war es, als hätte sich sein komplettes Büro in die Wiese verwandelt. Vor ihm war noch immer sein Schreibtisch und der PC darauf, und er saß auf seinem Bürostuhl. Mit den Pfeiltasten seiner Tastatur navigierte er sich durch die leere Landschaft. Es war als würden Tisch und Stuhl einfach in die Richtung schweben, die er angab.

Mit einigen speziellen Gesten wählte er einen verpixelten Felsen an, der noch nicht fertig war. Als 3D-Modell erschien dieser auf Takis Bildschirm. Mit verbalen Befehlen, Touchfunktion und Tastatur modellierte er an dem Felsen herum, beobachtete gleichzeitig wie er sich neben ihm in der virtuellen Welt veränderte und anpasste.

Es gab noch viel zu tun, bis dieses Gebiet fertig war…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Fußnoten:
¹-chan (jap.): unter anderem Verniedlichende Anrede; Anrede für Mädchen (und Frauen); Anrede für weibliche Angestellte; kann an Spitznamen angehängt werden Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2014-02-26T16:00:31+00:00 26.02.2014 17:00
~ Kommentarfieber ~

Hello again.
Ich bin gerade so gut dabei, dann kann ich auch gleich mit dem zweiten Kapitel weitermachen, nicht wahr?

Also auf so einen Kollegen kann jeder gut verzichten. Bewundernswert, dass Taki überhaupt noch zur Arbeit geht. Wobei Taki beinahe zuviel Klischee erfüllt: Schwach, homosexuell.
Allerdings finde ich dies hier noch im Rahmen, da muss nicht allzuviel daran verändert werden. Zudem versteht man nur allzugut, warum er in die virtuelle Welt flüchtet.
Mich erwartet hier eine sehr technisch fortgeschrittene Geschichte. Ich mag sowas sehr, sieht man dies schon so oft in Filmen und Serien.
Ein solides Kapitel und schreibtechnisch sicher verfasst.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet
Antwort von:  Kuria
26.02.2014 17:53
Vielen vielen Dank für die lieben Kommentare, ich freu mich so sehr darüber! :3 Mit so viel Lob hätte ich gar nicht gerechnet, aber natürlich könnte ich mir nichts Besseres vorstellen! Ich denke, ich beantworte deine beiden Kommentare mal auf einmal! :)

Dass du das Spiel nicht kennst, ist auch gar kein Wunder… schließlich habe ich es mir ja auch selbst ausgedacht, aber das dürfte ja recht klar sein :D Und dass du keine "komischen Fragen" gestellt hast, zeigt mir dann ja nur, dass alles soweit verständlich ist! ;)
LXO existiert in keiner Form, deswegen ist das Thema "Sonstige Videospiele" auch ein wenig irreführend. Das Unterthema, das ich eigentlich ausgewählt habe, nennt sich "Videospiele (Sachthema)", so steht es auch bei den FF-Einstellungen, aber irgendwie hat Animexx sich überlegt, die FanFiction mit "Sonstige Videospiele" zu betiteln - Hm. Ändern lässt es sich leider nicht mehr... :)

Ja, Taki ist schon sehr nah am Klischee, das stimmt… Aber Klischees kommen ja auch irgendwoher - Vielleicht daher, dass viele Homosexuelle sich oft mit Problemen konfrontiert sehen, wenn die sexuelle Orientierung herauskommt, und dass sie dann sehr darunter leiden, als anders angesehen zu werden. Und darunter leidet wiederum das Selbstbewusstsein… Wie du dir sicherlich schon denken kannst, wird die Flucht in die virtuelle Welt ein Hauptthema werden, so ist es jedenfalls geplant.

Danke noch einmal für die aufbauenden Worte! (Sogar gleich zwei Kommentare auf einmal!)

Diese Kommentaraktion finde ich auch richtig klasse! Es ist schon sehr ernüchternd, wenn man viel Arbeit in etwas steckt, aber keine Rückmeldung dafür bekommt. Aber jetzt habe ich wieder richtig Lust, an "offsuit" weiter zu schreiben! :) Dankeschön!


Zurück