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Der Ring des Nibelungen - Thors Tattúr

Kamiaso- Vorgeschichte
von

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Sigurd

Schnauben und prustend erklomm der junge Recke den Berghang, dabei spürte er wie die Hitze immer größer wurde.

Dann aber hatte er den Wall aus Feuer vor sich, der inzwischen von den Menschen als Waberlohe bezeichnet wurde. Er blickte sich um. Offenbar gibt es keinen anderen Weg als durch die Flammen.

„Na toll… Okay…“

Er stieg vom Pferd, nahm dann Anlauf und sprang durch die Flammen. Er spürte die Hitze an seinen Körper und einen brennenden Schmerz auf seinem Rücken, bevor er wieder auf dem Boden landete. In sowohl seinem Hemd als auch seinem Umhang war ein Brandloch und die Haut darunter war leicht angebrannt, was ihm verwunderte. Er raufte sich aber auf und erblickte die Höhle, die sich in einiger Entfernung vor ihm befand. Als er eintrat und sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, entdeckte er auf einem flachen Stein eine Gestalt. Diese trug einen Helm und ein Schild lag auf ihr.

„Ein Krieger? Ist das eine Grabstätte?“

Neugierig näherte er sich. Er merkte wie merkwürdig zierlich der Krieger gebaut war, wenn man von Armen und Beinen ausging. Er hob den Schild und erschrak als er die Gestaltung der Kleidung und des Oberkörpers erkannte.

„Eine Frau?!! Im Kriegsgewand? Moment, dann ist sie vielleicht…“

Er zog vorsichtig ihr den Helm ab. Brynhild lag da vor ihm und rührte sich nicht. Der Anblick ihres Gesichtes ging dem jungen Mann direkt ins Herz.

„Wie schön sie ist… Sie atmet ja! Sie ist nicht tot? Sie schläft?!“

Sachte berührte er ihr Gesicht.

„He… Du… Hörst du mich? Wach auf…“

Er schüttelte sie sanft an der Schulter, doch nichts geschah, außer dass ein metallenes Klimpern zu vernehmen war. Da bemerkte er die Ketten, die um sie geschlungen waren. Der Recke zog sein Schwert, steckte es zwischen die Glieder und stoß zu, so dass durch die Wucht das Eisen zersprang. An allen Ketten verfuhr er so. Als er bei der letzten Kette die Glieder durchtrennte, zerfielen alle zu Roststaub und die Waberlohe draußen sank auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Höhe. Er hörte ein gehauchtes Ausatmen und drehte den Kopf wieder zu Brynhilds Gesicht.

„Hey!“ Besorgt beugte er sich über sie. Brynhild schlug die Augen auf. Sie schrie laut auf und beide stoben vor Schreck auseinander. Zitternd und mit angewinkelten Beinen wurde Brynhild erst jetzt gewahr, wen sie da vor sich hat und auf dem Boden saß. Das Schwert hielt er immer noch in der Hand.

„Wer bist du? Und wie hast du mich gefunden?“, waren ihre ersten Worte.

„Wie schön du bist…“, murmelte er nur vor sich hin.

„Beantworte gefälligst meine Frage! Wer bist du?!“

„Ähm… natürlich!“ Er schob sein Schwert wieder in die Scheide und kniete ritterlich vor ihr nieder.

„Nenne mich Sigurd Fafnisbani Sigmundson, meine Holde. Und darf ich auch deinen Namen erfahren?“

„Brynhild Mengingjard … Odinsdottir…“

Der Recke, der sich Sigurd nannte, lachte erfreut auf.

„Also stimmen die Legenden doch, die man sich von dir erzählt!!! Du bist die sagenumwobene Walküre, die hier im Schlaf liegt! Einige meinten du wärst die Tochter des Allvaters, andere meinen dagegen du bist die Tochter eines Menschen.“

„GAR NICHT WAHR!!! Ich bin die Tochter des Odin und Schwester von Thor und Balder!!! Augenblick, hast du grade gesagt, >Legenden<?“

„Ja…“

Brynhild erhob sich von ihrem Lager und wollte raus rennen, doch die Beine versagten ihren Dienst, worauf sie unsanft hinfiel.

„Deine Beine sind noch schwach, strenge dich nicht so sehr an.“

„FASS MICH NICHT AN!!!“, zischte sie wütend, als Sigurd ihr aufhelfen wollte. Sie stand gleich wieder auf und strauchelte wieder auf den Eingang zu. Draußen aber brannte das Licht der Sonne in ihren Augen, so dass sie schützend ihre Arme vors Gesicht hält. Mit schwacher Hoffnung, dass ihre Brüder draußen stehen und mit offenen Armen auf sie warteten, murmelte sie leise: „Jungs?“

Doch als sie die Arme vorsichtig senkte, stand niemand vor ihr. Nur die Waberlohe war zu sehen und über ihr der strahlend blaue, sonnige Himmel. Sie seufzte traurig und hätte am liebsten geweint.

„Alles in Ordnung?“, fragte Sigurd und kam von hinten auf sie zu. Er wollte ihre Schulter fassen, doch sie schlug seine Hand weg.

„Nichts…“

Sigurd betrachtete sie mit glänzenden Augen. Dieses schöne, stolze Wesen was er vor sich hatte und nur aus Legenden kannte, war echt, lebte, atmete und sprach.

„O Heil der Mutter, die mich gebar;

Heil der Erde, die mich genährt.

Dass ich das Aug’ erschaut,

das jetzt mir Seligem lacht.“

„Was faselst du da?!!!“

„Ähhh… nichts…“ Hätte er nur mal den Mund gehalten.

Brynhild blickte sich um, ob es vielleicht eine Lücke in der Feuerwand gab.

„Loki hat ganze Arbeit geleistet.“, meinte sie kopfschüttelnd.

„Du kennst den Gott Loki?“

„Natürlich!!! Er ist der beste Freund meiner Brüder! Viel wichtiger: Wie bist du da durch gekommen?“

„Bin durch gesprungen…“

„Wirklich?“ Sie hob die Augenbrauen und blickte ihn prüfend an. „Wenn du ein Gott wärst oder irgendwo in deiner Familie einer dabei war, will ich dir das vielleicht glauben. Du wärst zwar nicht der erste, bei dem das vorkommt, aber ich zweifle, dass du einen Tropfen göttlichen Blutes in dir hast.“

„Ich bin aber genauso unverwundbar wie Balder.“, meinte Sigurd und strahlte dabei, bis über beide Ohren. Brynhild fing aber an heftig zu lachen.

„…Ne, das… wie Balder!! Ha haha!! Das glaube ich dir nicht!!“

„Das ist aber wahr!“

„Ach ne, bestimmt kannst du auch ohne nass zu werden, im Regen spazieren gehen und bestimmt auch vergifteten Met trinken, ohne irgendeine Wirkung auf dich. Oder vom Baum runterfallen, ohne dir das Genick zu brechen?!“

„Na gut, das nicht, aber mich können weder Schwert, Spieß noch Feuer verletzten. Obwohl…“

Er drehte sich rücklings zu ihr und nahm den Umhang ab. Brynhild sah das Brandloch auf seinem Rücken.

„Du hast dich da verbrannt?“

„Ja, ich weiß auch nicht wieso…“ Brynhild betrachtete das Brandloch etwas genauer.

„Das sieht ja haargenau aus wie ein Blatt… sogar Blattadern kann ich auf deiner Haut erkennen.“

„Wirklich? Hm… Da muss mir wohl beim Bad im Blut ein Blatt auf den Rücken gefallen sein.“

„Was für ein Bad?“

„Ich… habe einen Lindwurm erschlagen… und ich habe halt in seinem Blut gebadet. Das hat mich unverwundbar gemacht.“

Fast wollte Brynhild ihm das nicht glauben, aber die Tatsache, dass er so gut wie unversehens durch die Flammenwand gekommen ist und dann auch noch diese blattförmige Brandwunde existiert, sprachen dafür dass Sigurd nicht flunkerte um vor Brynhild anzugeben.

„Hm… Okay, du hast einen Drachen erschlagen und dann nach mir gesucht?“

„Irgendwie schon… Eigentlich sollte ich das Herz des Drachen für meinen Ziehvater braten, habe aber dabei heißes Blut an die Finger bekommen und diese abgeleckt. Kaum hatte ich das gemacht, konnte ich auf einmal die Sprache der Vögel verstehen und hörte ich wie zwei Adler redeten, dass das Blut einen unverwundbar machen würde, wenn man darin baden würde und genau das tat ich, dabei ist wohl dieses Blatt mir auf den Rücken gefallen sein und das Blut hatte meine Haut nicht benetzt. Und dann hörte ich aber auch von den Adlern, dass mein Ziehvater mich umbringen wollte, dementsprechend habe ich ihn auch bestraft. Später sang ein Kleiber, dass du in der Nähe liegen würdest und bin ihm gefolgt.“

„Dein Ziehvater wollte dich umbringen? Wieso denn das?“

„Der Drache war sein verfluchter Bruder Fafnir … Er hatte einen riesigen Schatz bei sich und ich sollte diesen Lindwurm für ihn erlegen, damit er den Schatz bekommt ohne seine Hände mit dem Blut seines Bruders zu beschmutzen.“

„Stimmt, er wäre sonst ein Brudermörder.“

„Ich hätte nie gedacht, dass Regin zu sowas fähig gewesen wäre…“ Inzwischen waren sie wieder in der Höhle. Brynhild setzte sich auf den Boden, Sigurd wollte sich zu ihr setzten, doch Brynhild schob ihn bockig weg. Schulterzuckend setzte er sich in eine andere Ecke als sie. Ganz offensichtlich wollte sie ihn nicht in der Nähe haben, geschweige denn dass er sie berührt. Eine Weile schwiegen sie beharrlich.

„Brynhild?“, fragte Sigurd „Warum bist du eigentlich hier? Warum hat Odin dich hierher geschickt?“

„Ich wurde verbannt…“, nuschelte sie fast unverständlich und sah ihn dabei nicht an.

„Warum?“

„Ich…ich möchte nicht darüber reden…“

„War es so schlimm?“

„Für ihn schon… Wie lange bin ich jetzt hier?“

„Ich weiß nicht, vielleicht 100 Jahre oder noch länger…“

„100 Jahre… allein das ist für Menschen eine Ewigkeit.“

„Deine Brüder und Loki vermissen dich bestimmt.“

„Loki bestimmt nicht, wir haben uns dauernd gekloppt. Dauernd hat er mich geärgert.“ Brynhild starrte auf den Boden.

„Meine Mutter vermisst mich bestimmt auch… Ich war sehr lange weg…“Sigurd war jetzt betrübt als er darüber sprach.

„Sag mal Brynhild, bist doch Walküre, oder?“

„Bis zu meiner Verbannung, ja. Wieso fragst du?“

„Mein Vater wurde in einer Schlacht schwer verletzt und starb darauf, bevor ich geboren war. Ich dachte du kanntest ihn, vielleicht.“

„Nein, ich kenne keinen Sigmund und außerdem war ich bestimmt schon längst verbannt, bevor er starb.“

„Ach, ja stimmt…Ich hatte gehofft du kanntest ihn, aber wenn du solange hier bist, ist es unmöglich dass du…“

Gedankenverloren zog Sigurd sein Schwert und wog es in der Hand. Der Stahl war hell und blitzte im Schein.

„Hübsches Schwert…“

„Danke, einst hatte es meinem Vater gehört. Es war zertrümmert und ich habe es neu geschmiedet. Es trägt den Namen Gram.“

„Du bist ein Schmied?“

„Ne, aber mein Ziehvater Regin. Er lebte am Hof, von Mutters zweiten Ehemann Hjalprek und arbeitet als Schmied… und er hat anstatt Mutters Mann mich erzogen. Nur das Schwert und meinen Namen habe ich von meinem Vater. Mit seinem letzten Atem sagte er zu Mutter: „Hjördis, Liebste, wenn unser Sohn geboren wird, nenne ihn Sigurd, auf das Frieden und Sieg sein Schicksal würde.““

„Verstehe… Ich hatte es auch nicht immer leicht. Ich und Thor sind eigentlich Vaters uneheliche Kinder, deshalb duldete seine Frau uns nicht in seiner Nähe. Ich bin so froh das Balder, Thor und mich wie gleichgestellte behandelte, dafür bin ich ihm dankbar… und das obwohl er unser Halbbruder ist…“

„Balder ist auch bei den Menschen für seine Güte bekannt und Thor für seine Ergebenheit.“

„Da hatten wir beide es schwer mit unseren Vätern.“

„Ja…“ Sigurd hatte das Gefühl, dass Brynhild langsam auftaute, und wollte sich wieder zu ihr setzten, doch sie schob ihn wieder von sich weg. Etwas geknickt blickte er sie an. Er wollte sich doch nur zu ihr setzten, mehr nicht. Er blickte zu dem Stein auf dem Brynhild gelegen hatte. Kaum wollte er sie fragen, was für seltsame Zeichen darauf seien, erklang ein lautes Grollen auf Brynhilds Bauchgegend.

„Oh Mist…“

„Hast du Hunger?“

„Etwas…“, meinte Brynhild peinlich berührt. Sie hatte sich bis zu dem Augenblick nicht bewusst gemacht, dass sie jetzt ein Mensch war und jetzt jeden Tag Nahrung zu sich nehmen musste um am Leben zu bleiben.

„Warte, ich hole was.“

„He, Sigurd. Bleib hier!!“

Doch der Recke war bereits aufgestanden und zur Waberlohe geeilt. Mit einem Sprung war er durch. Brynhild starrte nur irritiert ihm nach. Dann hörte sie das Wiehern eines Pferdes und einen Moment später, sprang Sigurd wieder durch die Feuerwand zu ihr zurück. Unter seinem Arm hatte er ein Bündel bei sich um es vor dem Feuer zu schützen. Darin war ein Laib Brot und etwas trockener Käse. Einen Brocken je vom Brot und vom Käse brach er ab und gab dies Brynhild.

„Es ist nicht viel und nicht so üppig wie bestimmt bei Walhallas Festmahlen, aber ich hoffe es schmeckt dir.“

Brynhild betrachtete zuerst ihr Essen, dann Sigurd, der sie freundlich anlächelte. Wenn sie nicht so hungrig gewesen wäre, hätte ihr Stolz es verboten es an zunehmen. Sie schwieg einfach, während sie ins Brot beißt. Auch bot er, mit Wein versetztes, Wasser ihr zum Trinken aus seinem Trinkschlauch an, der auch im Bündel war. Trotzdem schwieg sie weiter und hielt Sigurd auf Abstand, trotz seiner Freundlichkeit. Brynhild war mit den Gedanken zuhause in Asgard. Was sie jetzt machen, ohne sie? Denkt man grad an sie? Was jetzt Thor ohne sie macht? Sie kniff die Augen dabei fast zu, als sie wieder an ihre Familie dachte. Sigurd bemerkte ihre traurige Miene, am liebsten hätte er sie umarmt um sie zu trösten, sie würde ihn aber bestimmt wieder wegschubsen. Er konnte also eigentlich nichts machen. Dann aber fiel ihm was ein. Er holte aus dem Bündel eine hölzerne Flöte raus und begann eine leichte und fröhliche Melodie zu spielen. Brynhild horchte auf, zu ihrem Erstaunen gefiel ihr die Melodie sehr, so, dass sie ihre Trauer kurzzeitig vergaß. Allmählich, erst leise, dann immer lauter begann sie zur Flötenmusik zu singen. Ein Lied, das sie und ihre Brüder immer draußen am Lagerfeuer in der Nacht gesungen haben als sie klein waren, eine der wenigen Augenblicke wo es sogar zwischen ihr und Loki Frieden gab. Es war ein Lied über den Frühling. Mit Begeisterung spielte Sigurd weiter und Brynhild sang weiter. Als Sigurd geendet hatte, lächelte jetzt auch Brynhild.

„Das war toll.“

„Du bist aber auch nicht schlecht, mit der Flöte.“

„Dein Lied… stammt es aus Asgard?“

„Natürlich. Ich habe das oft gesungen als ich klein war… Lange bevor ich zu den Walküren geschickt wurde…“

„Man lobt mich auch für mein Flötenspiel. Ich kann also jetzt, ohne Reue behaupten, den Göttern gefällt’s auch.“

Sie lachte etwas. „Gehe damit zuerst zu Bragi, unserem Hofmusiker und Dichter, dann reden wir weiter.“

Auch Sigurd lachte. Bis in den Abend spielte er Flöte und Brynhild hörte zu. Als sich aber beide schlafen legen wollten, schob Brynhild aber Sigurd wieder harsch von sich weg. Beide verbrachten dann, in verschiedenen Ecken der Höhle und eingewickelt in ihren Umhängen, die Nacht.

Am nächsten Morgen erwachte Brynhild wehmütig aus einem Traum von daheim.

„Mama… Papa… Thor…“ Es nur ein Flüstern von ihr, das Sigurd aber nicht hörte, sondern weiterschlief. Sie wimmerte leise, während sie sich noch doller in ihren Umhang einwickelte.

„Ich will nach Hause…“ Das Heimweh war über Nacht größer geworden, dass es schon schmerzte. Es fühlte sich an als ob sie sich von innen heraus auflöste.

„Mama… Papa… Thor… ich will nach Hause…“ Jetzt weinte leise vor sich hin.

„Ich will wieder in mein Bett… Ich will wieder mit Thor raufen… Ich will wieder mit Balder Braten essen… Verdammt, ich will mich auch wieder mit Loki streiten…“

Jetzt war ihr Weinen laut genug, dass Sigurd davon aufwachte.

„Hey, Brynhild…“, sprach er sanft, als er ihren Kummer erkannte. Er kam zu ihrem Lager und legte tröstend die Hand auf die Schulter.

„Fass mich nicht an!“, schniefte sie nur und drehte sich weg. „Ich will wieder nach Hause…“

„Du kannst aber nicht wieder nach Hause.“, versuchte Sigurd ihr klar zu machen, konnte aber nichts damit erreichen. Der Anblick der weinenden Walküre brach ihm das Herz, aber berühren durfte er sie nicht.

„Ich weiß dass es weh tut, aber du bist jetzt nun hier und kannst nicht mehr zurück. Du bist aber nicht allein. Ich möchte für dich da sein… dir sowas wie ein Freund sein. Ich kann dir nicht deine Familie ersetzten, aber Trost möchte ich dir geben… Bitte lass mich dich trösten…“

„Ich will meine Ruhe…“, kam es gedämpft von Brynhild. Sigurd war durch ihre Worte gekränkt, beschloss aber ihre Bitte zu respektieren.

„Na gut… Ich gehe zu Grani, meinem Ross… vielleicht kann ich dir etwas im Wald erjagen…“ Sie schwieg. Sigurd ging.

Schweigend verharrte Brynhild eine Ewigkeit, allein, aber glücklich war sie nicht. So ganz allein fühlte sie sich noch elender.

„Lass mich nicht hier allein… Sigurd, komm zurück…“

Sie bekam es immer mehr und mehr mit der Angst zu tun, er würde sie alleine lassen. Auf einmal setzte sie sich, mit Angstschweiß im Gesicht, auf und rannte zur Feuerwand, um durch zu springen und Sigurd zu suchen. Doch kaum erreichte sie das Inferno, prallte der grade zurückkehrende Sigurd gegen sie, wodurch beide zu Boden purzeln, er auf ihr.

„AUTSCH!!“

„Aua!!!“

Jetzt erst starrten beide sich puterrot an, peinlich berührt und sie rollten schnell voneinander weg.

„‘Tschuldige…“, brabbelte Sigurd hastig. „Das tut mir echt leid!! War irgendwas?!“

„Eh…eh…nichts!!!“, meinte Brynhild wieder bockig, stand auf und strich einige ihrer braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ihre Wangen glühten aber immer noch. Er hat auf ihr gelegen, unfassbar!!!

„Ich… ich habe mir nur etwas Sorgen gemacht. Mehr nicht!!“

„Du hast dir Sorgen um mich gemacht?“ In Sigurds Stimme war nicht nur Verwunderung zu hören, sondern auch ein Hauch von gerührt sein.

„Ähm…Ja, natürlich!! Du bist ein Mensch! Du hättest dir was tun können!!“ Jetzt stand Sigurd wieder auf und hob den erlegten Rehbock auf, den er bis zu seinem Sturz über den Schultern getragen hatte.

„Erstens bin ich nicht seit gestern ein Mensch, zweitens mein Bad im Drachenblut… Schon vergessen?“

„Nein, natürlich nicht…“ Die Röte in Brynhilds Gesicht wollte nicht weichen. Warum war sie nur so aufgeregt gewesen?

„Hilfst du mir den Bock hier zuzubereiten?“, fragte Sigurd, als er zur Höhle ging.

„Ja…“, antwortete Brynhild wobei sie sich fühlte wie ein getretener Hund. Sie kam sich sehr dumm und kindisch vor. Sie nahm sich vor, sich nie wieder um diesen Menschen Sorgen zu machen, während sie ihren Speer in den Boden rammte, Sigurd dann den Rehbock mit den Vorderbeinen dran festband und mit einem mitgebrachten Jagdmesser, begann die Haut von den Vorderbeinen ausgehen abzuschneiden. Später verzehrten die beiden den Rehbock, den sie bei der Waberlohe gebraten hatten, ohne ein Wort zu sagen. Danach saß Brynhild draußen beim Eingang, während Sigurd drinnen mit einem Stein sein Schwert schärfte. Ab und zu warf er einen Blick nach draußen zu ihr und schüttelte den Kopf. Warum gab sie nicht zu dass sie nicht allein sein wollte?

„Weiber…“, dachte sich Sigurd. Sein Blick wanderte zu dem Stein mit den Runen, worauf er Brynhild da gefunden hatte. Die eingeritzten Zeichen waren ihm ein Rätsel, weil er sie nicht kannte.

„Was sind das für Zeichen da auf dem Stein?“

„Runen. Das sieht doch jeder…“

„Ich nicht. Ich kenne diese Zeichen nicht.“

„Was?!“ Brynhild glaubte nicht was sie da hörte und trat in die Höhle. „Du kennst keine Runen? Selbst Menschen verwenden sie, zum Schreiben aber auch zu magischen Zwecken!“

„Früher, aber heute nicht mehr…“, antwortete Sigurd unbeeindruckt. „Heutzutage schreiben die Menschen hier so…“ In den Dreck am Boden schrieb er mit den Fingern die ersten drei Buchstaben des lateinischen Alphabets.

„Wie? Wie kann das sein?“

„Vor langer Zeit haben Römer fast das ganze Land erobert und diese Schrift mitgebracht. Auch unsere Sprache ändert sich. In manchen Dörfern wo ich durchgekommen war, nannten mich einige junge Leute Siegfried anstatt Sigurd.“

Brynhild war irritiert über diese Neuigkeit.

„Unglaublich… was sich alles verändert hat…“

„Kannst du mir zeigen wie man mit diesen Runen schreibt?“, fragte Sigurd aufgeregt, fast wie ein kleiner Junge. Brynhild sah ihn erst verwirrt an.

„Ich zeige dir auch wie man mit lateinischen Zeichen schreibt.“ Brynhild zögerte.

„…Na gut, aber ich zeige dir auch ein paar Runenzauber, die mein Vater mir gezeigt hat. Zum Beispiel um Krankheiten zu heilen oder um Waffen im Kampf besser zu führen.“ Sigurd nickte begeistert.

So saßen die beiden, die nächste Zeit oft stundenlang bei einander und brachten sich gegen seitig ihre jeweiligen Schriften bei. Dabei verlor Brynhild ihre Furcht vor Sigurd. Sie merkte sogar bald, dass sie ihn begann zu mögen und dass es ihr nichts ausmachte ihn in ihrer Nähe zu haben.

Doch eines Tages war es sehr stürmisch. Der Himmel war mit dunkelgrauen Wolken verhangen und es blitzte und donnerte, während der Regen heftig zur Erde klatschte. Sigurd hatte sich vor Furcht in den hintersten Winkel der Höhle verkrochen und er wollte, dass sich Brynhild auch in Sicherheit brachte, doch diese stürmte raus in den Regen.

„THOR!!!“, rief sie und wedelte mit den Armen gen Himmel.

„Ich bin es, Brynhild!! Hörst du mich, Bruder?!!“ Ganz aufgeregt fuchtelte sie mit den Armen rum und sprang immer wieder in die Höhe. Ihr Bruder war am Himmel und donnerte rum, da war sie sich ganz sicher und sie wollte ihn so gerne wieder sehen.

„Thor!!! Hier bin ich!!! Bitte!!! Komm doch mal her!“

„Komm wieder rein, Brynhild!!“, meinte Sigurd, ganz erbleicht, denn er fürchtet die göttlichen Kräfte des Thor und die Blitze. „Es ist zu gefährlich!“

„ICH BIN HIER!!! Bitte Thor!! Ich will dich sehen!!“ Brynhild ignorierte dabei Sigurd, noch dazu, dass sie ganz nass war vom Regen. Der Donner grollte ungerührt, bevor ein Blitz diesem nachjagte.

„Bruder, bitte!!! Höre mir doch zu!!! Ich vermisse dich und Asgard!! Ach, bitte Thor!!! THOOOOOOOR!!!“

Ihr Schreien wurde schriller und verzweifelter, niemand hörte sie. Wieder blitzte es.

„Komm rein, Brynhild!!“ Doch sie rührte sich nicht von der Stelle sondern sackte nur auf die Knie, mit dem Gesicht immer noch zum Himmel.

„Thor, bitte!! Ich will doch nur wieder nach Hause, zu dir und Balder!!! BITTTE!! BRUDER!!!! Lass mich nicht allein!!“ Sie weinte, immer noch die Augen auf die Wolken gerichtet.

„Lass mich nicht allein… bitte… Bruderherz…“

Sigurd hatte sich, trotz seiner Angst vor dem Gewitter, aus der Höhle rausgetraut, kniend, hinter ihr nahm er sie in den Arm. Brynhild erstarrte und stockte.

Mit seinen braunen Augen sah er sie tröstend an, während das Wasser von seinen wilden, mittelblonden Haaren und vom Kinnbart tropfte.

„Du bist nicht allein…“, flüsterte er ihr zu. Brynhild zitterte und ihr Herz raste, wie nach einer Hetzjagd. Langsam, unsicher griff sie nach seiner Hand und hielt sie fest.

„Ich bleibe bei dir… ich lass dich nicht allein…“ Brynhild schmiegte sich an Sigurd, ihr Schluchzen beruhigte sich während sie die Augen schloss. Keiner der beiden merkte wie der Regen aufhörte und sich eine Lücke in der Wolkendecke öffnete. Ein gleisend weißer Strahl aus Licht brach durch, schwach hätte ein aufmerksamer Beobachter eine Silhouette mit langen weißen Haaren ausmachen können, wenn jemand dies gesehen. Neugierig sah die Gestalt zu Brynhild runter die von Sigurd tröstend umarmt wurde. Die Gestalt lächelte glücklich.

„Brynhild… Das müssen Thor und Vater erfahren…“

Die Wolkendecke schloss sich wieder, das Licht verschwand aber der Regen war vorüber…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Zitat (Richard Wagner):

„O Heil der Mutter, die mich gebar;
Heil der Erde, die mich genährt.
Dass ich das Aug’ erschaut,
das jetzt mir Seligem lacht.“

aus der Oper >Siegfried< Akt 3, Szene 3, Siegfried

http://www.richard-wagner-werkstatt.com/texte/?W=Ring/ [Achtung!!! Enthält Spoiler!!!!] Komplett anzeigen

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