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Family Ties

Where will you go...
von
Koautor:  Crazychicken

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Die Komplizin

Die abgelegenen Orte, an denen sie sich trafen, waren jene dunkle Ecken, die in Richtung Hafen führten. Das heruntergekommene Gesindel traf sich dort. Räuber, Banditen, Aufständische. Don Juan und Don Antonio passten per se schon wegen ihres Aussehens nicht an diese Orte. Trotzdem befanden sie sich gerade an so einem.

Bisher hatte Juan geschwiegen, war seines Weges gelaufen und Antonio folgte ihm. Es war mittlerweile tiefste Nacht.

Bald hatte der um 2 Jahre ältere Genosse keine Lust mehr diesen düsteren Pfad entlang zu wandern. Deswegen blieb er stehen und warf einen grimmigen Blick auf Juan, der weiter seines Weges schritt.

„Und wie weit gedenkst du zu gehen? Willst du mir nicht endlich verraten, was du mit mir zu bereden hast?“

Beide hatten sich in Spanien kennen gelernt. Aber seit geraumer Zeit schien es Antonio, dass Juan sich verändert hatte. Um genau zu sein, in etwa seit der Zeit, dass sie wieder in Kalifornien an Land gingen. Ihre beiden Väter hatten ihre Söhne natürlich mitgebracht, um sich von ihnen unterstützen zu lassen. Beide waren schließlich um die 60 Jahre alt. Das war schon ein stattliches Alter.

Juan blieb jetzt stehen, drehte sich jedoch nicht gleich herum. Man musste sich sein Verhalten auf der Zunge zergehen lassen, denn er war kein Mann, der gerne vorausging. In der Regel wollte er lieber hinter Leuten gehen, dann konnten sie ihm weniger in den Rücken fallen. Es gab sehr wenige Menschen auf dieser Welt, denen dieser junge Mann Vertrauen entgegenbringen konnte. Schon so oft war er enttäuscht worden. Das durfte aber keinen wundern, denn er entstammte einer spanischen Adelsfamilie und war in der Großstadt aufgewachsen. Freunde hatte er nie welche gehabt, da es ihm nicht gewährt war, allzu oft die Gemächer ihrer großen Hazienda zu verlassen. Als Kind hatte er seine Zeit mit lernen gefristet, so wie sein restliches Leben. Kaum, dass er alt genug war – um genau zu sein 13 Jahre alt – hatte man ihn zur Militärakademie geschickt, ohne ihn vorher überhaupt gefragt zu haben, ob er es wollte. Man hatte das für ihn entschieden. Unter richtigen Männern war es als Heranwachsender keineswegs schön. Immerzu wurde man boshaft geärgert.

„Willst du mich anschweigen?“ Fragte Antonio jetzt zornig, erst dann drehte sich Juan herum und erschreckte ihn zutiefst mit seinem mürrischen Gesichtsausdruck und den anschließenden Worten.

„Du wirst mir jetzt auf der Stelle sagen, was du gegen Diego Vega hast! Was soll der Aufstand gegen ihn? Es würde dich wenig kümmern, wenn ihm etwas zustoßen würde! Was hat er dir getan? Lass ihn gefälligst in Ruhe!“ Mit einem einzigen Satz vermochte Juan seine Emotionen zu offenbaren, was für einen Mann niemals von Vorteil war. Er sollte seine Gefühle nicht so herausschreien. Das würde er irgendwann bereuen. Doch Juan konnte sie gerade nicht zurückhalten. Die Sorge, dass einer seiner Freunde dem Satan verfallen war, ließ ihn vorschnell und unklug handeln.

Was hatte seinen Freund nur geritten? Antonio verstand den Jüngeren sowieso nur bedingt. Der Fakt, dass er in der Tat Diego nicht ausstehen konnte, war kaum zu leugnen. Dennoch wurmte es ihn unglaublich, dass man ihn damit konfrontierte. Männer seines Schlages sprachen nicht über ihre Gefühle. Seine Abneigung gegenüber Diego war aber leider rein emotionell. Sie waren sich nie auf der Freundesebene begegnet, sondern gleich auf Kriegspfaden. Für ihn war Diego der aalglatte Sohn eines reichen Papis, der es ihm ermöglichte, zu tun, wonach ihm beliebte. Kurzum, Antonio fand gleich mehrere Gründe, ihn zu verabscheuen. Hochwohlgeboren glaubte mit Geld alles zu bekommen – auch das Herz einer Frau. Das machte ihn schier wahnsinnig. Nachdem Lolita ihn mit fadenscheinigen Gründen abgewiesen hatte, wie ihr Herz stimme dem nicht zu, sich gleich im Anschluss mit diesem Fatzke zu verloben, stieß ihm ziemlich bitter auf. Dieser faule, nichts taugende Feigling!

Einen kleinen Moment starrte Antonio zu Boden, ihn zierten boshafte Gesichtszüge, während er an diesen reichen Bengel dachte. Es stimmte – er wünschte Diego bestimmt kein schönes Leben und würde sich daran erfreuen, wenn die Armee ihn aus Versehen abknallte. Aber das hieß nicht, dass er aktiv gegen ihn vorging. Alles, was er tat, war glückliche Umstände erhoffen, über die er sich gewiss freute. Trotzdem überspannte Juan den Bogen. So weit waren sie noch lange nicht, dass er sich gegenüber einem jüngeren Mann rechtfertigen musste.

Antonio verstand Juan sowieso nicht, aber dass man ihm unterstellte, er wollte sich mit Vega anlegen, fand er ziemlich anmaßend.

„Ich komme nicht so ganz mit!“ Verriet Antonio Juan in leicht ärgerlichem Ton. „Nichts habe ich gegen den“, spie er unbeherrscht aus, trotzdem leugnete er und versuchte, seine Gefühlswelt wieder unter Kontrolle zu bringen, weshalb er sich auf die Lippe biss. „Was interessiert dich dieser reiche Schnösel eigentlich?“ Konterte der Schwarzhaarige nach einem Moment sachlich und frei von Emotion, was einen verblüffen konnte, weil er zunächst sehr barsch auf die Frage reagiert hatte. Dafür, dass dieser Kerl ihn gehörig auf die Nerven ging mit seinem elenden Schotter, blieb er einfach zu ruhig. Was hatte er auch zu befürchten? Weshalb sich allzu sehr aufregen? Mit seinen Worten drehte Antonio geschickt den Spieß herum und warf die Frage zurück an den Anderen. Denn was ihn ritt, konnte er den anderen genauso gut fragen. Anscheinend kannte Juan seine Gefühle gegenüber Diego ja, wieso also ergriff er Partei für ihn? Gleiches Recht für sie beide.

Das nannte man wohl Auseinandersetzung. Wenigstens haute man ihm nicht gleich aufs Maul. Trotzdem konnte Juan nicht zulassen, dass Antonio einen Fehler beging. Wenn der Adelige dachte, im Recht zu sein, dann konnte er äußerst beharrlich in seiner Meinung sein. Nicht selten versuchte er sie, den Anderen dann aufzudrücken. In diesem Fall, seine Meinung über Diego.

Ein Blinder merkte, dass Antonio viel verärgerter war, als er zugab.

„Stell dich nicht dumm! Das glaube ich dir nicht! Meinst du, ich sei blind? Du hegst einen Groll gegen Diego! Ich will wissen wieso! Mich interessiert einfach, wieso du meinen Vater mit Informationen über Diegos Braut versorgt hast, simpel oder nicht? Die Beiden wollten bald heiraten.“

„Anscheinend bist du ja doch blind!“ Antwortete Antonio auf Juans plötzliche Kaltschnäuzigkeit. Bisher hatte er ihn als sehr gefühlvollen Menschen kennen gelernt. Weitaus gefühlvoller als ihn selbst. Sogar Don Luis hatte es bestätigt, dass sein Sohn ungeheuer weich war. „Ist es nicht offensichtlich, was mich bewegt hat? Ich muss dir doch nicht jedes Detail auf die Nase binden! Ist es nicht schlimm genug, dass dein Vater mich deswegen aufzieht? Weil ich mich von einer Frau verspotten ließ?“

„Und deswegen wünschst du Diego natürlich nichts Gutes, weil ihm zufällig der Vorzug gegeben wurde? Bist du denn von Sinnen?“ Jetzt gingen die Pferde mit Juan durch und er versenkte seine Rechte in Antonios Gesicht, um ihn zur Vernunft zu bringen. Dann griff er sich dessen Hemdkragen und schüttelte ihn, was Antonio wider Erwartens mit sich machen ließ und dabei den Kopf zur Seite drehte, weil er ihm nicht in die Augen sehen wollte. Der Don wusste selbst, dass dies nicht richtig war.

„Bist du denn kein Ehrenmann? Wenn du einen Konflikt austragen willst, geh zu ihm und forderte ihn zu einem Duell heraus! Und hör auf hinterhältige Spielchen zu treiben! Du weißt, ich hasse das! Damit unterstützt du meinen Vater in seinen Intrigen!“ Juan war außer sich und donnerte seinen so genannten Freund gegen den nächstgelegenen Baum. Gerade wollte er ihm Schmerzen zufügen. „Hast du denn eine Ahnung, was mein Vater mit dieser armen Frau tun wird? Wenn sie dir wichtig wäre, würdest du sie davor bewahren und sie nicht ans Messer liefern!“

Juan war so voller Feuer, so hatte Antonio ihn bisher nie erlebt. Nur wegen einer Frau? Oder nicht eher wegen Diego? Es verwirrte ihn.

„Ein bisschen Schläge schadet dieser Frau nicht“, sagte er kühl, griff dann aber nach den Händen, die sein Hemd zerwühlten. „Warum bist du bei dem Thema so gefühlsduselig?“ Die Worte schmetterten Juan ins Gesicht, peitschten ihn wie ein eiskalter Wind. Sofort weiteten sich seine Augen, als ihm bewusst wurde, wie emotional er gerade gestrickt war. Er wusste nicht, inwiefern er Antonio vertrauen konnte, um ihm die Wahrheit zu sagen.

Bisher hatte er das Ganze vor seinem Vater verheimlicht. Hatte sich hinter seinem Rücken mit Diego getroffen und sich mit ihm unterhalten. Gefühlsgeleitet wie er war, hatte er sich versucht mit ihm anzufreunden, mit dem Wissen, dass sein eigener Vater nicht wollte, dass sie aufeinandertrafen – oder am schlimmsten, sie sich auch noch verstehen könnten. Im Ansatz konnte sich Juan denken, was sein Vater dagegen haben könnte. Die Art und Weise wie Diego sich verhielt, wie er von bestimmten Dingen zu reden pflegte ... Obwohl sie sich noch nicht lange kannten, fühlte er sich dem jungen Mann verbunden. Mehr als seinem Vater.

Juan ließ Antonio los, wandte sich mit einem resignierenden Seufzen von ihm ab.

„Keine Frau verdient es, geschlagen zu werden. Wenn dein Vater deine Mutter schlägt, was fühlst du dann?“ Der Körper des 21-jährigen zitterte wie Espenlaub, als er das sagte. „Hat sie es dann in deinen Augen auch verdient?“ Mehrere Gründe hatten dazu geführt, dass er sich abwandte, am meisten jedoch die Tränen in seinen Augen, als er von Müttern sprach. Welcher Sohn sah es denn bitteschön gerne, wenn man seine Mutter schlug? War er wirklich so kaltherzig? Das hätte Juan nie für möglich gehalten.

„Was? Um Gottes willen! Mein Vater schlägt meine Mutter nicht. Dazu hat er keinen Grund, weil sie weiß, wie man sich zu benehmen hat. Lolita hingegen – sie muss das noch lernen. Wenn sie mich heiraten würde, würde sie dieses Verhalten schnell ablegen. Glaub mir. So jemandem wie Don Diego Vega wird das höchstens Kopfschmerzen bereiten. Eigentlich sollte ich darüber lachen, aber es ist einfach nicht lustig.“

Kaum ein Mensch auf dieser Welt konnte wissen, wie es dem Aristokraten in diesem Moment ging. „Ich kann nicht glauben, dass das dein Ernst ist.“

„Das Kompliment gebe ich gern zurück, Juan. Woran liegt deine Sympathie für Diego, wie du ihn so schön beim Vornamen nennst, wie einen engen Freund? Du kannst es mir sagen. Du kannst dich beruhigen. Ich will ihn nicht fertig machen, dafür sind andere da.“ Ein bitteres Lächeln war in Antonios Gesicht getreten, weil es nun einmal die Wahrheit war. Es gab viele Menschen um sie herum, die Diego abgrundtief hassten. Vor allem die Leute seines Vaters würden es gerne sehen, die Familie Vega in ihrem Einfluss zu stürzen.

„Ich werde jeden umbringen, der ihn anfasst.“

„Dann solltest du mit deinem eigenen Vater anfangen.“

Bei ihren Eltern wusste er, was sie antrieb, bei Antonio war er noch bei weitem nicht so weit. Er konnte nur mutmaßen, das gefiel ihm nicht. Er wollte alles genau wissen. Wissbegierig wie er war, trotzdem war es erleichternd, zu wissen, dass sein Freund sich nicht auf Diego stürzen wollte, um ihn bei der ersten sich bietenden Gelegenheit niederzumetzeln.

Sein Vater war für ihn hoffnungslos verloren. Die Klaue des Teufels hatte ihn bereits erreicht, seit vielen Jahren, dessen Herz mit eisiger Kälte erfüllt. Das Flammenmeer der Unterwelt hatte ihn erreicht und sein schwarzes Herz brannte lichterloh.

„Seine Mutter war eine de la Cruz“, flüsterte Juan jetzt, er wagte kaum es laut auszusprechen. In ihm wuchs die Hoffnung, dass man ihn nun besser verstand.

In dem Moment spürte er einen kalten Windstoß in seinem Rücken, der passender kaum sein konnte, denn ihm war sowieso kalt.

 

Nichts ahnend öffnete Lolita ihrer Mutter die Tür.

„Kind, ein Offizier wünscht dich zu sprechen. Was hast du ausgefressen, Mädchen?“ Ihre Mutter war sichtlich besorgt und Lolita konnte sich gar nicht vorstellen, was sie verbrochen haben sollte. „Bestimmt handelt es sich nur um einen Höflichkeitsbesuch.“

„Ich weiß nicht! Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Sei nicht voreilig mit dem Mundwerk.“ Doña Catarina kannte ihre vorwitzige Tochter, doch diese lächelte jetzt ganz souverän. „Keine Sorge, ich bin vorsichtig.“

Als Señorita Lolita die Tür zum Salon passierte, war sie dicht gefolgt von ihrer Mutter, die fast nicht widerstehen konnte, die Hand ihrer Tochter in ihre zu nehmen, weil sie sie beschützen wollte. Aber ihre Tochter war flink darin, sich dem Offizier zu nähern, der so ungebührlich die Füße auf ihrem Wohnzimmertisch hatte.

„Sie wünschen?“ Ihre Stimme klang ziemlich aufgewühlt, aber sie versuchte doch noch die Höflichkeitsform zu wahren. Ihre Mutter hatte wohl nicht gewagt, dem Flegel von Offizier höflich um Respekt zu bitten. „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie unseren Tisch nicht ruinieren würden, Señor.“

Sofort schnellten die Augen zu der blonden, hübschen Dame, die viel energischer in ihrem Auftreten schien, als ihre Mutter.

„Oh, welch Wohltat für meine Augen.“ Der Mann nahm seine Stiefel vom Tisch und richtete sich die Kleidung, sowie seine Haare. Lolita blieb unbeeindruckt und schenkte ihm ihren durchdringenden, verachtenden Blick. Sie konnte nicht verbergen, dass sie Offiziere seiner Art nicht gerade mochte. „Señorita, Sie sind ja noch schöner, als man Sie mir vorgestellt hat. Ich bin Leutnant Verdugo. Es freut mich Eure Bekanntschaft zu machen, auch wenn der Grund hierfür kein schöner ist.“ Man griff Lolitas Hand, und zwar nicht sonderlich zaghaft. Sie unterband den Versuch des schmierigen Mannes, ihre Hand küssen zu können.

„Welcher unsägliche Grund führt Euch zu uns?“

„Der Gouverneur trug mir auf, Eure Wenigkeit zu bitten, mitzukommen.“

Doña Catarina mischte sich jetzt in das Gespräch ihrer Tochter und dem widerlichen Kerl ein. „Meiner Tochter ist nicht erlaubt, mit Männern nach Einbruch der Dunkelheit ohne Begleitschutz zu verkehren! Auch nicht, wenn es sich hierbei um einen Offizier handelt, Señor!“

Leutnant Verdugo erhob die Hand, daraufhin richtete sich ein Gewehr auf Lolitas Mutter und ein zweites auf Lolita selbst.

„Ihr bedroht zwei Frauen, deren männlicher Schutz außer Haus ist?“ Entrüstung klang aus der Stimme von Lolita.

„Wir führen nur Befehle aus. Die besagen, dass Ihr mit uns kommen werdet, Señorita, egal was Eure Mutter auch dagegen einzuwenden hat. Ihr seid bereits alt genug, um vom Militär zur Rechenschaft gezogen zu werden.“

„Haben Sie keinen Anstand? Sie ist eine unverheiratete Dame!“ Wandte Catarina weiterhin tapfer ein, doch einer der Soldaten lächelte jetzt und ergriff ihr Kinn. „Wer wird denn gleich so biestig sein? Ich schätze, Ihre Tochter kann sich sehr gut alleine verteidigen, ein großes Mundwerk hat sie ja schon des Öfteren bewiesen.“

„Nehmen Sie Ihre Hände von mir, oder ich schreie!“

„Oh, schreien Sie, das ist wie Musik in meinen Ohren!“ Der Soldat schien Frauen wie die Doña ganz gern zu haben, jedenfalls sahen seine Augen sie gierig an.

„Wofür soll ich zur Rechenschaft gezogen werden?“ Fragte Lolita den Offizier und versuchte damit, ihre Mutter davon abzuhalten, sich mit den Soldaten anzulegen. Es waren zu viele und sie hatten nur eine einzige Waffe, die sie einsetzen könnten. Die war aber auch nicht in nächster Nähe.

„Ach, das weißt du nicht? Wir verhaften heute alle Leute, die es je gewagt haben, Zorro Unterschlupf zu gewähren.“

Damit hatte er Lolita wohl eiskalt erwischt, denn er sah für einen Moment die Furcht in ihren hellblauen Augen aufleuchten.

„Das ist doch lächerlich“, sagte sie, aber der Mann lächelte unverschämt und ergriff jetzt auch ihr Kinn und zog es zu sich heran.

„Ist es das? Wollt Ihr sagen, der Captain hat Lügenmärchen in seine Berichte geschrieben? Eure Liaison mit diesem Banditen ist wohl auch erstunken und erlogen, was? Und?“ Etwas Anrüchiges leuchtete in den Augen des Mannes auf, als er seine Frage stellte. „Wie weit seid ihr gegangen?“

Die Frage stand ihm nicht zu, egal ob sie angemessen gewesen sein sollte oder nicht. Eine Frau von Ehre sollte eine solche Frage niemals beantworten, doch Lolita war gewillt, noch weiter zu gehen. Ihre schallende Ohrfeige hallte im Raum wider, gleich darauf stockte Catarina der Atem. Das war jedoch das einzige Geräusch, was daraufhin ertönt war, dann beängstigende Stille. Lolitas Augen funkelten temperamentvoll und sie warf ihm einen verachtenden Blick zu.

„Was seid Ihr für ein Unhold, mir eine derart dreiste Frage zu stellen?“ Noch nicht einmal Leutnant Gabriel hatte sie je ins Gesicht geschlagen.

„Ihr adeligen Weiber denkt wohl, ihr könnt euch alles erlauben“, sagte er nach einem Moment des dämlichen Grinsens. „Nun, ich hoffe für Euch, meine Teuerste, dass Ihr euren Spaß mit dem Banditen hattet, damit es sich wenigstens lohnt, wegen ihm im Gefängnis zu landen. Ihr wisst, Frauen ergeht es an solchen Orten niemals sonderlich gut. Führt sie ab!“

Sein Arm schwang einmal zur Seite, worauf seine Soldaten sich an Doña Catarina vorbei drückten und dann einer jeweils links und rechts einen Arm ihrer Tochter griffen. Ihre Griffe schmerzten, aber sie verzog nicht die Miene. „Und selbst wenn es so wäre, geht es Euch überhaupt nichts an!“ Sie wusste, in ihrer Situation hätte sie lieber ihren vorlauten Mund gehalten, aber ihr Temperament ging mit ihr durch. „Mein Verlobter ist Don Diego Vega“, hauchte sie, „er wird Euch für diese Unverfrorenheit bestrafen.“

„Dass Zorro auftaucht, um dich zu retten, halte ich für wahrscheinlicher“, lachte er ihr dreckig ins Gesicht. „Immerhin war er ja blöd genug, dir zur Hilfe zu eilen. Aber bei einer Schönheit wie dir, wundert es mich nicht.“ Es widerstrebte ihr, mit diesen Männern zu gehen, aber wenn sie ihr jetzt schon wehtaten, nur indem sie sie ergriffen.

„Oh Gott, Kind.“ Es war ein Albtraum schlechthin für Doña Catarina. Ihr Mann Carlos war wer weiß wie lange weg und der Indianer doch bestimmt noch lange nicht bei den Vegas eingetroffen. Aber es war vorerst das Beste, wenn sie sich fügten. Egal wie haltlos diese Anschuldigungen waren. Diego würde schon dafür sorgen, dass ihre Tochter nicht mehr als nötig in einem dreckigen Gefängnis sein musste. Hoffentlich würde er diesmal so richtig männlich auf den Plan schlagen. Damit man ihn endlich ernst nahm. Sie tat das jedenfalls.

 

Der Nachrichtenüberbringer war in nicht allzu ferner Nähe zu hören.

Leute lasst euch sagen, die Uhr hat eben 1 Uhr geschlagen.

Es war bereits so spät und doch hatte der Captain bisher kein Auge zugetan. Er lauschte jedem noch so kleinen Geräusch und kam nicht zur Ruhe. Obwohl er nachdachte, hörte er alles. Auch die Gefängnistür und die Stimmen der Soldaten. „Beweg dich endlich! Oder willst du noch mehr Blessuren?“ Ungehobelter konnte man kaum mit der Person sprechen. Was zu allem Überfluss auch noch schockierend war, als sie ihn förmlich in die Zelle warfen, direkt neben dem Captain.

Anscheinend war ihr Gouverneur größenwahnsinnig. Er würde niemals damit durchkommen, Vegas Sohn ins Gefängnis zu sperren, wofür es noch nicht einmal einen ordentlichen Grund gab, oder? Genauso wenig wie bei ihm. Auch im Dunklen sah er sofort, welche Blessuren die Soldaten gemeint hatten. Kurz schenkte er Diego einen Seitenblick, einen mitleidigen. „Angenehmen Schlaf wünschen wir.“ Sie lachten und Diego verzog keine Miene, obwohl eine kalte, nasse Zelle bestimmt nicht das war, was er gewohnt war. Aber verärgert sah er dennoch aus, das sah der Captain. So böse dreinschauend kannte er ihn gar nicht.

Seine Hände ergriffen die kalten Gitterstäbe und hielten sich an ihnen fest. Als die Soldaten gegangen waren, rutschten sie entlang der Stäbe, als wollte er sie massieren. Er wies sich allerdings nur selbst an, ruhig zu bleiben. Tief Luft holend ließ er schließlich die Stäbe los und setzte sich auf das mickrige Bett, was auch noch entsetzlich stank. Mehr als er es in Erinnerung hatte, als er das letzte Mal in einem dieser Gefängnisse war. Wahrscheinlich hatten sie ihn in das Dreckigste geworfen.

„Was für ein Jammer.“

Der Captain beobachtete Diego, hatte bisher allerdings nichts gesagt.

„Und was ist bei Ihnen der Grund, Don Diego?“

Erst jetzt hatte er den Captain wirklich wahrgenommen, was wohl auch daran lag, dass er an der Augenbraue blutete und ihm das Blut bis über das Auge gerannt war.

„Guten Abend, Captain. Schlimmer kann diese Nacht wohl kaum werden. Was machen Sie hier?“ Natürlich hatte sich Diego zu ihm gewendet und konnte auch von der anderen Seite direkt in die Gefängniszelle schauen.

„Ich habe einen Befehl verweigert. Das war für unseren gerechten Gouverneur genug Grund, um mich einzusperren. Es bestürzt mich, Sie hier zu sehen. Das gefällt mir nicht.“ Er sah Diego traurig an. „Jetzt können wir nur hoffen, dass Zorro in Erscheinung tritt und diesem Wahnsinnigen eine gehörige Abreibung verpasst!“ Noch nie hatte er sich so sehr gewünscht, er würde kommen. Bisher hätte Jekyll auch nie geglaubt, dass es einmal wirklich notwendig sein würde, sich das zu wünschen. Geschweige denn, dass er tatsächlich diesen Wunsch hegen würde.

„Dazu müsste Zorro erst einmal davon erfahren.“ Eine sehr dumme Ausrede von jemandem, der gerade eingesperrt wurde und somit die Hände gebunden waren. Sein Blick ging nach unten.

„Das wird er gewiss. Deswegen sitzen wir ja hier.“

Verwirrt blickte Diego den Captain an. „Okay. Das verstehe ich nicht. Was hat das zu bedeuten? Man will Zorro in eine Falle locken?“

„Dieser Mann schreckt vor nichts zurück. Er will sich sogar Señorita Lolita vornehmen.“

Damit hatte er dem jungen Mann einen gehörigen Schrecken eingejagt. Erneut ergriffen die Hände die Gitterstäbe und rüttelten daran. Ein sehr sinnloses Unterfangen. Aber an irgendetwas musste er sich abreagieren, ehe er wieder bei Verstand sein konnte, um sich einen Plan zu überlegen. Die Gefängniswärter waren nie sonderlich helle, gewiss konnte man sie irgendwie überlisten.

„Ich verspüre nicht gerade große Lust, hier zu bleiben und Däumchen zu drehen, Captain.“

Auch das würde niemanden wundern, immerhin hatte er dem Mann gerade verraten, dass sie an seine Verlobte ranwollten.

Wenn nicht, blieb ihm noch Bernardo, der ganz bestimmt versuchen würde, ihn hier wieder rauszuboxen.

„Ich bin bereit, mit Ihnen zu kämpfen, falls Sie das vorhaben sollten. Augenblicklich gehöre ich nicht mehr zur Armee. Ich bin also ein freier Mensch.“

Diego ignorierte dieses Angebot erst einmal, auch wenn er es durchaus zu schätzen wusste. „Sie wissen nicht zufällig, was genau die mit Lolita vorhaben?“ Je mehr er wusste, umso besser. Das war stets seine Devise gewesen.

„Ursprünglich sollte es meine Aufgabe sein, sie zu verhaften.“

„Was soll sie denn verbrochen haben?“ Die Augen des Blondschopfes verzogen sich zu Schlitzen, als er ohne ihn mit einem Blick zu besehen, diese Frage stellte.

„Sie halten Lolita nicht nur für seine Geliebte, viel schlimmer noch, für seine Komplizin. Der Gouverneur vermutet, dass sie das Geheimnis von Zorro kennen könnte.“

„Unglaublich“, fiel Diego da nur ein und er schüttelte anschließend der Kopf. „Als wenn er so dumm wäre, es irgendwem zu verraten. Auch keiner hübschen Frau.“

„Sie wollten sie verhören, mehr weiß ich nicht. Vielleicht war ich ein wenig voreilig darin, diesen Befehl zu verweigern. Aber es erschien mir nicht richtig.“

Jekyll war auf ihn angesetzt worden, das wusste er. Obwohl dem so war, hatte Diego immer das Gefühl, er wäre fair gewesen. Dieser Mann war der Einzige, der niemals hinter ihm hergeritten war. Auf ihn geschossen hatte er auch nicht.

„Vielleicht hätten Sie Zorro mal etwas intensiver jagen sollen...“

„Dafür hätte ich meine Prinzipien über Bord werfen müssen.“

Bisher hatten sie nie die Zeit gehabt, sich auf irgendeine Art und Weise zu unterhalten. Nicht im Dienst, aber auch nicht in Zivil. Er hatte Jekyll gemieden wie die Stechmücken. Bei ihm hatte er immer das Gefühl gehabt, ein falsches Wort könne ihn verraten, anders als bei Gonzales, den könnte man fein hinters Licht führen.

 

Als der Indianer von der Hazienda der Vega Familie zurückkam, lagen Catarinas Nerven bereits blank. Dann teilte er ihr noch mit Bedauern mit, dass es ihm unmöglich gewesen sei, an Don Diego heranzukommen, da die Armee auch ihm einen Besuch abgestattet hatte, um ihn zu verhaften. Die Frau des Gutsherrn brach daraufhin in bitterlichen Tränen aus und sackte zu Boden. Im ersten Moment konnte sie einfach nicht begreifen, wie etwas so schnell sich in diesem Maße ändern konnte. Aus dem heiteren Himmel waren sie hergekommen und beschuldigten ihre Tochter, die Komplizin dieses Banditen zu sein, aber was sie noch viel mehr schockierte, war, Diego auch. Als wenn er irgendetwas riskiert hatte. Oder hatte er das vielleicht sogar? Das gesamte Verhalten der Kinder war ihr sowieso spanisch vorgekommen, aber Komplizen eines Banditen? Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass sie dazu fähig wären, die gesamte Familie so hinters Licht zu führen. Nichtsdestotrotz, ein labiler Mensch wie Diego wäre gewiss eifersüchtig, wenn seine Wunschkandidatin sich in einen Banditen verliebte. Aber nicht ein einziges Mal hatte er so etwas wie Eifersucht an den Tag gelegt, dabei wusste Catarina, dass Diego eigentlich unsterblich in Lolita verliebt war. Immerhin hatte sie all seine Briefe immer abgefangen und zuerst gelesen, ehe sie sie ihrer Tochter überreichte. So manches Mal hatte sie einen Anfall des Schmachtens gehabt, wenn er ihr seine liebevollen Worte mitgeteilt hatte. Wahrscheinlich war ihm das auch zu anstrengend. Aber was wenn ... 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Crazychicken
2017-06-11T21:55:48+00:00 11.06.2017 23:55
ich werde den Satz hier nie verstehen:
„Vielleicht hätten Sie Zorro mal etwas intensiver jagen sollen...“

Was meinte er damit? xD dass sie nicht im Gefängnis wären und Lolita nicht verschleppt, wenn er ihn geschnappt hätte?

das Kapitel geht aber gepfeffert vorwärts...

Antwort von:  MayAngel
12.06.2017 11:57
du hast es ganz genau richtig verstanden XD


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