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Family Ties

Where will you go...
von
Koautor:  Crazychicken

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Entscheidungen

 

Seit der Auseinandersetzung mit Antonio hatte Juan schon geahnt, dass es schlimmer werden würde. Jetzt war er auf dem Weg zu seinem Vater, um sich mit ihm zu streiten, wie zuvor mit Antonio. Er war ein guter Freund, aber im Gegensatz zu einem Streit in einer Freundschaft, wog eine mit dem Vater viel mehr. Er war es mittlerweile einfach leid, immer nur zuzusehen. Das Fass war nun einmal übergeschwappt bei ihm, als er erfahren hatte, wie unmenschlich sein Vater sogar jemanden aus der Familie behandelte. Es durfte ihn beinahe nicht wundern, aber selbst ihn hatte er nicht halb tot geprügelt. Jetzt musste er aktiv werden und seinem Vater die Stirn bieten. Gerade in dem Moment war er so rasend, dass er sich zum ersten Mal nicht vor der Gewalt seines Vaters fürchtete. Er fühlte sich wie beflügelt, als wenn ihn die schwarzen Schwingen des Zorns gerade wie von selbst zum Zimmer seines Vaters schweben ließen. Kaum Kraft war von Nöten, um die wenigen Schritte zu ihm zu gehen, und die Tür mit einem Aufschrei aufzureißen.

Zwar hatte Juan genau das vorgehabt, zu schreien das mache ich nicht mehr mit! Trotzdem hielt er in seiner Bewegung inne und schwieg, als er die Stimme seines Vaters hörte, die sich mit einer zweiten Person unterhielt.

„Die halbe Stadt hat dieses Miststück zusammen geschrien, als man sie in die Kutsche zerrte. In der Umgebung öffneten sich die Fenster und jeder gaffte. Dumm nur, dass keiner den Mumm hat, sich mir entgegen zustellen. Sogar ihre Mutter hat tatenlos dabei zugesehen, wie man ihre Tochter abführte. So ist es mir zugetragen worden. Diego ist auch außer Gefecht, er kann uns bei unseren Plänen nicht mehr stören.“

„Was hast du mit ihm gemacht?“

Juan lauschte an der Tür, obwohl er sehr genau die Worte durch die verschlossene Tür verstand, seine Augen weiteten sich dabei ein wenig, denn es handelte sich bei der zweiten Person eindeutig um Don Esteban, dessen Stimme ehrfürchtig klang und sogar ein wenig zu zittern schien. Hatte sein Onkel Angst, was sein Vater mit Diego machen könnte, jetzt wo er ihn inhaftiert hatte?

„Dem habe ich die Tracht Prügel gegeben, die Don Alejandro ihm bisher nicht gegeben hat?“

Juans Leib zitterte in alles vernichtender Wut, als er die Worte von Don Luis hörte, denn durch die Tür sah er vielleicht nicht das gemeine Grinsen, aber es lag so zweifellos in seiner Stimme, dass er ihn am liebsten auf der Stelle das Grinsen aus dem Gesicht geprügelt hätte. Aber das Gespräch war zu interessant und er hoffte doch ein bisschen, dass sie mehr über ihre Pläne sprachen und er dann vielleicht ohne einen Konflikt auszulösen, gegen seinen Vater agieren konnte. Offen zu zeigen, dass er nicht auf seiner Seite war, gab seinem Vater den Vorteil, dass er wusste, woran er war. Ein überraschender Moment würde ihm viel mehr Steine in den Weg legen.

„Alejandro ist sehr angesehen in dieser Stadt. Ein Wort von ihm und wir haben die ganze Stadt gegen uns!“ Warnte Don Esteban seinen Bruder. „Seinen Sohn so zu demütigen, das lässt sein Vater nie auf sich sitzen.“

„Ich lasse ihn ja jetzt in Ruhe, aber er soll noch ein bisschen im Gefängnis schmoren. Du fährst auf schnellstem Wege voran nach Fortaleza del Diablo. Señorita Lolita Pulido habe ich dorthin bringen lassen, damit sie endlich redet. Ich möchte jedoch noch die Nacht abwarten, nur für den Fall, dass dieser Zorro dem Sohn von de la Vega wirklich zur Hilfe eilen sollte. Wobei ich eher glaube, dass er wie ein Teufel nach Lolita suchen wird. Nennen wir es innere Eingebung. Diego war nicht im Geringsten entsetzt darüber, dass ich ihn verhaften lasse. Mehr darüber, dass sein Vater Zorro geholfen haben soll. Weißt du, was ich denke?“

Juan blieb weiterhin mucksmäuschenstill vor der Tür stehen, obwohl er wusste, was er wissen musste, um etwas zu unternehmen. Die Gedanken seines Vaters über diese Sache waren aber viel zu Interesse weckend, als dass er nun gegangen wäre. Obwohl für ihn feststand, dass er Diego jetzt aus dem Gefängnis helfen würde, damit sein Cousin seiner Braut zur Hilfe eilen konnte, denn wenn ein Vater eine Frau verschleppen ließ, musste man sie schleunigst vor dem Schlimmsten bewahren.

„Spann mich nicht auf die Folter! Was denkst du?“

„Nicht Don Alejandro hat Zorro Unterschlupf gewährt, sondern Diego.“

„Wie kommst du denn nur auf die Idee? Jeder hier sagt, dass er Gefahr scheut. Zorro gilt aber als vom Militär am meisten gefürchteter und gesuchter Verbrecher. Jeder, der ihm hilft, kommt an den Strick! Zumindest hat der Kommandant das damals so angedroht. Wieso sollte Diego, der Sohn des Reichsten hierzulande, solch eine Gefahr eingehen? Er würde den Besitz seines Vaters und seinen eigenen an die Krone verlieren, wenn er sich gegen den König wendet. Und noch dazu mit dem Tode bestraft werden, wenn es ganz dicke kommt.“

„Oh, ich bin nicht einfältig, Esteban. Señorita Lolita ist der Schlüssel zu allem. Findest du es nicht auch seltsam, dass sie wie Pech und Schwefel zusammen hängen? Diese Frau liebt Zorro wie sonst keinen, das sagen jedenfalls die Leute. Trotzdem hat sie eingewilligt den verwöhnten Sohn von Alejandro zu ehelichen. Die Sache stinkt so gewaltig, dass ich schwören könnte, dass beide Zorro geholfen haben. Sonst wäre sie ihm nie so treu ergeben. Diego muss etwas für Zorro gemacht haben. Und wenn es nur ein warmes Bett für eine Mütze Schlaf war. Ich bin davon überzeugt.“

Das Wissen seines Vaters war gefährlich, er könnte Diego großen Ärger machen. Zum Glück hatte er ihn noch nicht ganz durchschaut, das hätte der Braunhaarige schrecklich gefunden, aber er machte sich auch so seine Gedanken.

Lolita ist auch nicht auf den Kopf gefallen. Sie weiß ganz genau, was sie tun muss, damit ihr Diego jeden Wunsch erfüllt. Sie müsste ihn nicht großartig bitten. Ein bittender Blick würde genügen. Aber jedermann hier scheint Diego auch zu unterschätzen. Er weiß sehrwohl, wie er eine Regel umgehen kann, ohne sie brechen zu müssen. Außerdem ist er nicht feige, sondern vorsichtig. Er ist schlauer als ihr Anderen, deswegen hast du ihn eingesperrt, Vater. Er könnte dir in die Quere kommen. Aber dir wird dein Lachen noch vergehen ...

Esteban war nicht so davon überzeugt und glaubte, dass Don Luis sich das alles zusammensponn, weil er es gerne so haben wollte. Dann könnte er Alejandros Sohn vielleicht sogar ernsthafte Schwierigkeiten machen. Er verstand es nicht, immerhin war er doch der Sohn ihrer Schwester. Don Luis schien alles egal zu sein, nur wichtig war ihm Don Alejandro. Zwar liebte er Alejandro auch nicht gerade, aber auf solche Ideen wäre er alleine nie gekommen. Er hatte vorgehabt, ihn zu besuchen und ihn zu überreden, dass ihnen ein Teil seines Vermögens zustand. So etwas vielleicht, aber ihm den Sohn wegnehmen und eine Freude dabei empfinden? Nein, das tat nur Don Luis. Sein Bruder war zum Fürchten. Trotzdem war er sein Bruder und er wollte ihn nicht fallen lassen. Ungeachtet der Tatsache, dass es vielleicht am besten gewesen wäre. Ihm gegenüber hatte sich Diego nie schlecht bekommen. Er war sogar kurz davor gewesen, ihm zu sagen, dass er zur Familie gehörte. Dagegen hatte sein Bruder aber etwas. Aufgrund dessen hatte er sich nicht getraut.

„Und was passiert nun genau mit Diegos Verlobter? Ich meine, was hast du mit ihr vor? Du willst sie doch nicht wirklich den Männern in der Festung zum Fraß vorwerfen? Du weißt doch, dass diese Soldaten kaum das Tageslicht sehen und dementsprechend auch kein Liebesleben besitzen. Es ist, als würde man sie den Löwen zum Fraß vorwerfen!“

„Blödsinn! So weit wird es nicht kommen, denn dieses Weib wird uns schon vorher liebend gerne Zorros Namen verraten.“

„Was wenn sie ihn überhaupt nicht kennt? Dann zerstören wir das Leben einer Nichtsahnenden.“

„Sie weiß, wer Zorro ist. Da bin ich mir genauso sicher, wie damit, dass Diego ihn weiß. Er hatte nur leider das Glück, keine Frau geworden zu sein. Ihn könnten wir wahrscheinlich zu Tode foltern – er erscheint mir nicht viel anders als sein Vater – und er würde nicht reden. Außerdem macht das bei einer Frau viel mehr Spaß. Ich fand es schon immer amüsanter, wenn eine Frau vor Angst wimmert.“

Juan konnte sich kaum beherrschen, als er seinen Vater so reden hörte. Dieses Schwein! Mehr konnte und wollte er nicht hören. Denn er hatte Wichtigeres zu tun, als vor der Tür stehen und den kranken Fantasien seines Vaters zu lauschen. Er musste zu Diego. Ihm sagen, wo er Lolita finden konnte. Nur das zählte gerade. Sein Vater würde ihn umbringen, wenn er davon erfuhr. Aber das war es dem jungen Mann dann auch wert. 

 

Immer wieder tauchte die tyrannische Visage des eigenen Vaters vor ihren Augen auf. Viel zu genau wusste sie, wie er aussah, wenn er jemanden verprügelte. In ihren Vorstellungen sah sie ihren Bruder, ebenso wie Diego, als beide von ihrem Vater bis zur Besinnungslosigkeit geprügelt wurden. Sie hielt sich die Wangen und versuchte, sich zu beruhigen. Die Erinnerungen an vergangene Tage, in denen sie ihren Vater so sehen musste, die Schreie, das Aufheulen der Jungenstimme, sie hatte es nicht vergessen. Juan war gerade mal 6 Jahre alt gewesen, als sein Vater angefangen hatte, ihn immer wieder zu schlagen, auch vor den Augen seiner kleinen Schwester und deren Mutter, die immer wieder „Hör doch endlich auf!“ ins Zimmer geschrien hatte und einmal sogar hingestürmt war, um ihr Kind zu beschützen. Dabei hatte er sie links und rechts so kräftig geohrfeigt, dass sie hingefallen war.

Sie alle hassten ihn, auch ihre Mutter hasste ihn. Schon so oft hatte sie entschlossen, mit ihren Kindern das Haus zu verlassen. Aber was konnte eine Frau ihres Alters schon alleine erreichen? Nur einmal hatte sie gewagt, vor ihrem Mann mit den Kindern eine Flucht zu versuchen, danach hatte er sie so verprügelt und ihr klargemacht, wo ihr Platz war, dass sie es nie mehr gewagt hatte. Diese Welt hatte einer alleinstehenden Frau wenig zu bieten, ohne dazugehörigen Mann. Schon in ihrer Kindheit war sie eher schwächlich gewesen, war angewiesen auf die Mithilfe eines Mannes, weil sie schwere Arbeit nicht verrichten konnte. Zum Kränklichsein kam dann auch noch die Tatsache, dass sie eben kein Mann war. Außerdem war es die Schande schlechthin den Mann zu verlassen. Nur einmal hatte sie es bis zum Schiff geschafft, danach hatte er sie tagsüber regelrecht eingesperrt und hatte immer eins der Kinder als Druckmittel bei sich, damit sie ja nicht aufmuckte.

Es dauerte eine ganze Weile, dass Luisa so gefasst war, dass sie aus dem Zimmer stürmte, welches Gonzales schon seit einer Weile verlassen hatte. Sie hielt ihr Kleid hoch, um besser die Treppe passieren zu können, ohne an ihrem langen Rock hängen zu bleiben. Ihr Vater hatte verboten, dass sie die Gemächer ohne Begleitschutz verließ, aber gerade scherte sie sich nicht um die Regeln ihres Vaters. Lolita hörte ja auch nur dann auf ihre Eltern, wenn sie gerade der Meinung war, sie hätten Recht. Ihr Vater hatte nie Recht! Stur wie sie gerade war, wollte auch sie sich nicht mehr länger alles gefallen und verbieten lassen. Kaum auf dem Hof steuerte sie auf die Garrison zu. Sie öffnete die Tür und sah die offene Zelle, deren Sicht durch Gonzales‘ Korpulenz jedoch weiträumig versperrt war.

„Ihr solltet schleunigst verschwinden. Wenn Don Luis erfährt, wer mir geholfen hat, wird er diejenigen bestrafen. Ich will euch aber keinen Ärger machen.“

Luisa hörte Diegos Stimme, obwohl sie ihn nicht sah, zerriss es ihr buchstäblich das Herz. So schwach hatte seine Stimme noch nie geklungen und schuld war nur ihr Vater.

„Das wird wohl kaum lange ein Geheimnis bleiben, Diego.“

Damit hatte die Dunkelhaarige natürlich Recht, denn Gonzales hatte den Wachmann ja gezwungen, die Zelle zu öffnen.

„Guten Morgen, Señores.“

Erschrocken drehte sich Gonzales zu der Stimme herum, ebenso wie der etwas ältere Gefängniswächter.

„Oh guten Morgen, Señorita Luisa!“ Schien der Mann mit den Schlüsseln sofort nur Augen für die 18-jährige Schönheit zu haben. Diese lächelte ihn strahlend wie die Sonne an, denn dass ihr Lächeln eine besondere Wirkung auf Männer hatte, das hatte sie bereits bemerkt.

„Mein Vater lässt sie hart schuften, kaum gönnt er Ihnen eine Pause. Sie tun mir Leid“, sagte sie, aber das war nur geheuchelt. „Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen eine Flasche Wein bringe? Würden Sie dann gemeinsam mit mir ein Schlückchen trinken?“

Für den Mann war es geradezu wie die Verlockung einer Schlange, der man kaum etwas entgegensetzen konnte. Den Rest gab sie ihm, als sie ihm mit ihren Händen über das Gesicht strich und ihm einen Kuss auf die Wange gab. So etwas Abscheuliches hatte sie noch nie getan, auch Diego sah es.

„Um Gottes Willen, was machst du denn, Luisa?“

„Ach, ich habe keine Lust mehr die brave Tochter zu sein.“ Sie lächelte ihn bezirzend an. „Das dürfen Sie meinem Vater aber auf keinen Fall sagen, in Ordnung? Genauso wenig wie sie diese Leute verraten dürfen. Wenn Sie nichts sagen, können Sie alles von mir haben.“

„LUISA!“ Kaum, dass Diego das ausgespieen hatte, verspürte er durch eine ruckartige Bewegung so starke Schmerzen, dass er aufkeuchte. Obwohl er aufspringen, hinrennen und Luisa von diesem ausgehungerten Kerl wegholen wollte, der natürlich gleich seine Hände um ihre Taille schlingen musste.

„Der Gouverneur bringt Sie um, wenn Sie seine Tochter falsch anfassen!“

„Beruhig dich! Du solltest dich nicht allzu viel bewegen“, sagte die Bedienung aus der Taverne und versuchte Diego zu beruhigen. Dieses Mädchen war ja ganz schön abgebrüht, musste sie zugeben. 

Immer noch lächelte sie liebenswürdig. Gegensätzlich zum dreckigen Grinsen des Wärters. Er nahm sie am Kinn und zog sie leicht an sich. „Ich nehm dich beim Wort! Solltest du mich reinlegen wollen, wirst du das bitter bereuen!“ Natürlich ließ er sich überreden, den Mund zu halten, wenn ihm die Kleine ein bisschen die Zeit versüßte. „Ich werde deinem Vater nichts sagen, aber dafür verlange ich auch ein bisschen etwas.“ Seine Hand landete schneller auf ihrem Gesäß, als sie schauen konnte.

 

Aber leider auch im falschen Moment ...

Gerade passierte Juan die Tür, um zu Diego zu gehen, als der Wärter seine dreckigen Finger nicht bei sich behalten konnte. So schnell hatten sich Juans Beine noch nie fortbewegt, ebenso wenig wie seine Faust noch nie so schnell ausgeholt hatte, um einem anderen Mann die Visage zu vermöbeln. „FINGER WEG VON MEINER SCHWESTER!“ Brüllte er, versenkte die Faust im Gesicht des Mannes und war so außer sich, dass er ihn gegen die nächste Wand beförderte.

„Aber Señor, sie hat sich mir regelrecht angeboten.“

„Wie bitte?“ Juan war entsetzt, blickte zu seiner Schwester, die beschämt den Blick zur Seite wendete, so dass er sofort wusste, dass an den Worten etwas dran sein musste.

„Du bist wohl verrückt geworden?“ Maulte er sie an, aber sie schwieg. Selbstverständlich verstand er nicht, was in sie gefahren war. „Hier unten hast du nichts verloren! Geh sofort wieder auf dein Zimmer!“ In dem Moment hatte Juan unbewusst den Tonfall, den sonst sein Vater an den Tag legte, wenn er wütend war, deswegen wich sie zurück.

„Aber Juan...“

„Ich will dich an solch einem Ort nicht sehen! Mach, dass du auf dein Zimmer verschwindest, Schwesterherz!“

„Das werde ich nicht!“ Lehnte sie sich gegen ihn auf und lief an ihm vorbei, nahm den direkten Weg zu Gonzales und schaute über seine Schulter. „Wie geht’s ihm?“

Die junge Dame, die Diego behandelt hatte, lächelte ihr entgegen. „Ihm wird es bald besser gehen, ganz bestimmt. Aber er soll sich ausruhen.“

Gonzales zog die junge Dame hoch. „Wir sollten jetzt schnell verschwinden, sonst erwischt man uns noch. Das wäre alles andere als gut.“

„Sie haben Recht.“ Die Dunkelhaarige erhob den Zeigefinger und sah Diego ernst an. „Komm nicht auf komische Ideen. Du musst dich schonen. Wenigstens für ein paar Tage. Ich weiß, wie wenig dir das gefällt.“

Man bemerkte an Diegos aufmüpfigem Gesicht und dem darauf folgenden Seufzen, dass er davon wenig hören wollte, aber dann zog Gonzales die Frau weg von ihm und so hatte er wenigstens seine Ruhe.

„Wie geht es dir wirklich?“ Fragte Luisa Diego und der bemühte sich um ein Lächeln.

„Wieso soll es mir schlecht gehen?“

„Weil mein Vater -“ Sie hatte das schlechte Gewissen, was ihr Vater haben sollte, so etwas zu tun. „Gonzales hat es uns gesagt.“

„Dass er nie den Mund halten kann!“ Auch Diego war wenig begeistert davon, Luisa hier unten zu sehen. „Wie du siehst, geht es mir gut. Du kannst hier nicht bleiben.“

„Genau, hör auf ihn! Und ich muss wieder abschließen, ansonsten massakriert mich dein Vater“, sagte der Wärter, zog die junge Frau zurück und schloss ab.

„Diego gehört nicht ins Gefängnis! Mein Vater hat den Verstand verloren.“

„Bitte, Señorita Luisa! Ich bekomme Ärger, wenn ich ihn rauslasse.“

Juan beobachtete Diego und seine Bewegungen, die ganz spärlichen, die ihm sofort wehtaten. Er war nicht so blind wie die anderen. Eigentlich hatte er vor, ihm zu sagen, wo Lolita war und ihn dann freizulassen, wofür sein Vater ihn bestimmt würd umbringen wollen, aber genau so hatte er es geplant. Leider musste er feststellen, dass in Diegos Zustand gerade an eine Flucht besser nicht zu denken war. Er würde nicht weit kommen, bis sie ihn wieder einfingen. Unter diesen Umständen konnte er aber auch wohl kaum sagen, wo Lolita sich aufhielt. Diego würde durchdrehen und das wäre im Augenblick gar nicht gut. Er wusste nicht, was er machen sollte und bekam deswegen einen Schweißausbruch.

„Komm, Luisa, bitte.“ Er nahm sie am Arm, merkte aber die Widerwehr. „Bitte komm jetzt! Ich kümmere mich darum. Ich will aber nicht, dass Vater auch noch wütend auf dich ist, weil du hier unten bist. Du weißt ja, er darf davon nichts wissen.“

Der junge Mann wollte, so wie immer, seine Schwester nur beschützen, das war doch schön mit anzusehen.

„Ich soll also dabei zusehen, wie mein Vater einen nach dem anderen zu Tode prügelt, ja?“ fuhr die junge Dame den Wärter an. „Und ihr Männer, was ist mit euch? Findet ihr das etwa gut, was er tut? Juan, sag doch was! Du wirst mir jawohl Recht geben, oder? Warst du nicht auf dem Weg zu ihm?“

Damit brachte sie ihren Bruder ziemlich in die Bredouille. Er wich ihrem Blick aus und zog damit mehr als nur ein Augenpaar auf sich.

„Jetzt schweig‘ mich nicht an! Du warst total wütend, als Gonzales uns davon erzählt hat.“

„Juan? Was hattest du vor?“

Diegos Frage ließ ihn kurz zucken, denn sie klang irgendwie ein bisschen ehrfürchtig. Diego traute ihm wohl einiges zu, leider.

„Ich will ihn anschreien ...“

„Und du meinst, dass das bei deinem Vater so viel bringt?“ Sein Cousin wollte Juan eigentlich nur klar machen, dass sein Vater das kaum beeindrucken konnte. „Ich weiß nicht, in welcher Traumwelt du da lebst, aber es ist gefährlich. Wenn du nicht bereit bist, weiter zu gehen, als ihn anzuschreien, wird er dich höchstens auslachen und danach seine Faust sonst wohin bei dir rammen. Oder er nimmt gleich die Peitsche.“

Es klang lächerlich, das wusste Juan selbst. Zwar neigte Diego dazu, vor ihm den Starken zu spielen, aber auch aus einiger Entfernung sah er, dass es ihm nicht sonderlich gut ging. Juan holte tief Luft und dann ging er zur Zelle, hielt sich an dieser Fest und streckte seinen Kopf so weit rein, wie er reinpasste. „Hör zu, Diego. Ich werde dafür sorgen, dass sie dich freilassen“, flüsterte er. „Ich hole dich da raus. Aber erst, wenn du auch in der Lage bist, zu fliehen.“ Es war kaum zu verhindern, dass Juan leicht bedrückt zu Boden schaute. „Es tut mir leid, dass du unseretwegen so viel Ärger am Hals hast. Ich will dir um jeden Preis helfen und ich muss mich dafür entschuldigen, dass es überhaupt erst so weit gekommen ist. Schon vorher hätte ich meinen Vater stoppen müssen.“

„Ach, und du glaubst, dass das ja so einfach ist?“ Ein bisschen klang Diego als wollte er Juan davon abbringen, sich in diese Sache einzumischen.

„Ich weiß nicht genau, warum er meinen Vater hasst, aber er tut es. Wenn du dich in diesen Streit einmischst, ich garantiere für nichts. So sehr wie er ihn hasst, würde er dir nie vergeben. Bist du dir auch sicher, dass du das erträgst? Und denk‘ an deine Schwester. Was ist mit ihr?“

„Die ist das Verhalten von Vater schon lange leid. So leid, dass sie ihm den Tod wünschst. Ihren Segen habe ich also. Mehr brauche ich nicht.“

„Ich warne dich, Juan! Dein Vater schreckt vor nichts zurück, das solltest du wissen! Noch nicht einmal davor, seinen Sohn zu töten. Ich will dich nicht sterben sehen.“ Wenn sich Diego einer Sache im klaren war, dann der Tatsache, dass Juan nicht fähig dazu war, seinen Vater umzubringen. Er müsste es aber, ansonsten würde sein Vater das nämlich mit ihm tun.

„Oh Gott, hör auf! Bitte sag‘ doch nicht so was!“ Luisa drehte sich herum und hielt die Hände vors Gesicht, aber sie wusste, dass Diego im Grunde Recht hatte.

„Du denkst, ich weiß das nicht? Ich weiß es! Meinem Vater bin ich egal.“ Ein zynisches Lächeln war auf Juans Gesicht erschienen. „Sogar dein Vater mag mich augenscheinlich mehr als mein eigener. Ihm bin ich nur wichtig, solange ich mache, was er mir befiehlt. Damit ist nun Schluss. Ich mache da nicht mehr mit. Da kannst du mich noch so sehr warnen. Er soll es nur wagen, noch mal Hand an dich zu legen, dann lernt er seinen Sohn ganz neu kennen, das schwöre ich.“ Es war wahrer Zorn in Juan, aber er zeigte nicht die andere Seite der Medaille. Diejenige, die sich von ihrem Vater verletzt fühlte – geliebt gefühlt hatte er sich ja noch nie.

Mit diesen Worten marschierte Juan hinaus, beim Vorbeigehen griff er Luisas Handgelenk und zog sie mit, auch wenn ihre Augen auf Diego blieben, bis sie durch die Tür verschwunden waren. Sie war zutiefst beunruhigt, das sah jeder.

 

„Heiliges Kanonenrohr!“ Seufzte Diego. „Eigentlich sollte ich mich darüber freuen, aber ich kann nicht.“ Er sah zu Jekyll und setzte sich auf das Bett, denn zu lange stehen löste in ihm gerade einen immensen Schwindel aus. „Wenn ich mich nur nicht so bescheiden fühlen würde . . .“

„Würdest du fliehen?“

„Würde ich.“

„Er ist ja ganz schön erpicht darauf, dir zu helfen. Da steckt doch mehr dahinter, oder?“ Es war eine Frage, die gerechtfertigt war, aber Diego schwieg und ließ nur seufzend den Kopf hängen, was sofort wieder ihn die Hand zu seinem Schulterblatt führen würde.

„Der hitzköpfige Idiot ist mein Cousin. Und im Wahn ist er nicht bei Verstand. Man soll ja im Zorn nicht kämpfen. Er könnte sich wahrscheinlich nicht zurückhalten. Aber kopflos handeln, ist nicht gut für ihn. Don Luis würde explodieren. Das will keiner. Damit will ich nicht sagen, dass Juan ein Schwächling ist, aber Mord ist immer schlecht. Und dann noch ein Mord am eigenen Vater. Total unnötig.“ Ein seichtes Grinsen erschien auf Diegos Gesicht. „So was ist eher was für einen Bandit wie Zorro. Der würde bestimmt mit Freuden dem Gouverneur ans Leder.“

„Und die ganze Stadt würde freudestrahlend dabei zusehen ...“

So etwas auch Jekylls Mund zu hören, ließ ihn doch überrascht dreinschauen und ihn beobachten.

„Irgendwie wird er es schon erfahren, oder weiß er es schon?“

„Tja, wer weiß?“

„Ich hoffe dieses Mädchen, das mit Gonzales gekommen ist, bekommt wirklich keinen Ärger.“

Beide schauten zum Gefängniswärter und hofften, dass er tatsächlich nicht plaudern würde. Er hatte sich wieder auf seinen Stuhl gesetzt und drehte Däumchen. Es musste wirklich die langweiligste Arbeit sein, die man sich vorstellen konnte. Wacheschieben.

„Ich hoffe, sie hält Wort, die Kleine.“

„Ekelhaft!“ Diego drehte sich herum und schaute aus dem Gefängnisfenster. Es gab wirklich abartige Männer auf dieser Welt. Wenn er sich den Mann so vorstellte und das, was Don Luis zu ihm gesagt hatte, wurde ihm ganz anders. Die Männer, von denen er gesprochen hatte, waren bestimmt genauso wie der Wärter.

„Haben Sie eine Ahnung, ob es irgendjemanden gibt, dem Don Luis vertraut, dem aber nicht zu trauen ist? Von Juan abgesehen ...“ Den wollte Diego nur sehr ungern für seine Ideen einspannen, zumal er ihn gerade mehr oder minder weggejagt hatte.

„Warum willst du das wissen?“

„Weil es mich wahnsinnig macht, nicht zu wissen, wo sie Lolita hingebracht haben ... Wir es aber nie erfahren, wenn wir nicht jemanden finden, der ihn aushorchen kann.“

„Er hat bestimmt seine Leute, die er eingeweiht hat. Aber ich kann dir auch nichts genaues sagen. Mir hat er jedenfalls nichts gesagt. Ich musste ja den Befehl verweigern. Wahrscheinlich wüsste ich mehr, wenn ich gespurt hätte.“

„Ich mache Ihnen keinen Vorwurf.“

„Zorro wird es bestimmt rausfinden, oder nicht?“

„Oh man ...“ Diego griff sich an die Stirn und seufzte resigniert. Jetzt konnte er ja wirklich nichts anderes tun, als hoffen, dass Bernardo kam und ihm auch gleich berichten konnte, was er herausgefunden hatte. Wenn er nicht auftauchte, dann war er vielleicht schon hinter den Übeltätern her, wieder einmal ganz im Alleingang. „Das darf alles nicht wahr sein ...“ Er müsste doch wissen, dass die Sache eine Nummer zu groß für ihn war. Er sollte herkommen, ihn befreien und alles weitere ihm überlassen. Aber dieses Kind ...

Jekyll hatte Diego die ganze Zeit beobachtet und je mehr er darüber nachdachte, umso mehr bestärkte sich sein Verdacht.

Was kann ich nur machen? Ich kann schlecht von Gonzales verlangen, dass er uns tatsächlich rauslässt. Das wird er nicht machen. Diego kann nicht fliehen, dazu ist er nicht im Stande, aber ich könnte ... Ich könnte verschwinden und mir Verbündete suchen ... Aber ist das auch wirklich eine gute Idee?

Natürlich wusste der Ältere, dass es keine gute Idee wäre, sich jetzt auch noch den Zorn dieses Mannes aufzuhalsen.

„Vielleicht wäre Beten mal wieder angebracht.“

„Was denn, beten?“ Diego sah Jekyll ein wenig stutzig an, lächelte dann aber. „So schlecht ist die Idee nicht einmal. Immerhin ist ja Sonntag.“

„Hmm?“ Verwirrt besah Jekyll den jungen Mann.

„Sagen Sie, Wärter! Würden Sie dafür sorgen, dass ein Mann Gottes uns besucht?  Wir würden gerne mit einem sprechen. Es ist Sonntag und ich bin nicht gewohnt, nicht zur Kirche zu können.“

„Ach Gottchen, ernsthaft? Du sitzt im Gefängnis, da kann dir auch Gott nicht helfen.“

„Es ist aber wichtig.“

„Also, weißt du was, Diego? Mir ist wichtig, dass du mich jetzt in Ruhe lässt.“

„HEY!“ Schrie Jekyll kurz darauf den Wärter an, der durch seine laute Stimme fast vom Stuhl gefallen wäre. „Tun Sie gefälligst, was er sagt! Ich würd nämlich auch gern beichten! Wer weiß, was uns noch bevorsteht!“

„Wo bin ich hier nur hingeraten? Jetzt fängt der Captain auch noch an, fromm zu werden. Das halte ich nicht aus“, jammerte er und beide begannen ihm richtig in den Ohren zu liegen, bis er tatsächlich nach dem Padre schicken ließ, nur um endlich zufrieden gelassen zu werden.

 

Früh am Morgen war es noch nicht so heiß.

Nachdem Bernardo Viento versteckt hatte, war er zurück in die Stadt geritten und hatte dort zusammen getrommelt, was er finden konnte. Nicht die Jungs, in seinem Alter, denn auch er war reifer und schlaue geworden. Er wusste, dass er Diego nicht helfen würde, wenn er im Alleingang handelte.

Er musste keine große Überredungskunst anwenden, um den Jungs klarzumachen, dass sie etwas unternehmen mussten.

Sie befanden sich auf dem Feld, auf einem, das besonders viele Heuballen rund herum hatte, so dass sie von neugierigen Blicken geschützt waren. Bald würde die Sonne so richtig brennen, bis dahin mussten sie dringend mit ihrer Unterredung fertig sein.

„Eigentlich sollte man Diego für seine Ammenmärchen ordentlich verprügeln. Trotzdem muss ich sagen, dass mich die Sache kein Stück wundert. Ich fand dieses Verhalten sowieso schon immer merkwürdig.“ Rico sagte es mit einem Lächeln in Bernardos Gesicht. „Und jetzt Kopf hoch! Ich bin sicher, dass die goldenen Tiger der gleichen Meinung sind, wie ich. Zorro hat uns ja auch schon so manches Mal geholfen. Wir müssen natürlich erst herausfinden, wie viele ihn bewachen. Allzu viele können es nicht sein, wenn dieser Kerl noch nicht dahinter gekommen ist, wer Zorro wirklich ist.“

„Ich werde mich umschauen und euch dann Bericht erstatten. Wenn ich etwas beherrsche, dann zu spionieren.“

„Rico! Aber eines ist mir suspekt! Wenn sie Diego für harmlos halten, warum sperren sie ihn zu diesen Verbrechern? Fürchten die sich vor der Liebe oder ist das grundsätzlich ein Feigling?“

„Wenn man Diegos Worten Glauben schenkt, lässt Don Luis immer andere für sich schuften“,erklärte Bernardo. „Er war auch immer hinter Barrikaden, wenn Zorro zuschlug. Fanden wir eigentlich eher amüsant.“

„Zorro kann aber gerade dem edlen Genossen keinen Besuch abstatten, um ihn mit seiner Klinge zu verzieren und ihm das Fürchten zu lehren, das müssen wir machen.“

„Dass man sich vor Diego so fürchten muss, hahaha!“ lachte einer der Jungs von Rico, was dieser aber ganz anders sah.

„Was gibt es da zu lachen? Witzig findest du es nur, weil du dich mit dem richtigen Schwertkampf nicht auskennst. Ich kenne nur sehr wenige, die auch nur im Geringsten so etwas wie eine klitzekleine Chance gegen ihn hätten. Wer ihm auch in Spanien das Fechten beigebracht hat, hat seine Sache gut gemacht.“ Rico verschränkte die Arme und schloss die Augen, wirkte einen Moment dadurch aber auch nachdenklich. „Den würde ich gern kennenlernen, bestimmt könnte er auch mir einiges beibringen. Aber erst einmal müssen wir einsetzen, was wir können. Nicht, Leute?“

„Auf uns kannst du immer zahlen!“ Der Braunhaarige war froh, solch gute Freunde zu haben, auf die Verlass war, auch wenn er sie nicht in unnötige Gefahr bringen wollte.

„Alejandro war immer fair und hat uns geholfen. Wir können seinen Sohn schlecht im Gefängnis schmoren lassen. Es ist einfach ungeheuerlich, was dieser Kerl sich erlaubt. Ihm gehört die gleiche Behandlung, wie Ramón. Aber wenn er sich verschanzt, wird an wohl nicht so leicht an ihn rankommen. Zu gerne würde ich mit diesem Ekel mal unter vier Augen unterhalten. Bestimmt würde er sich vor Angst gleich in die Hose machen, nicht, Bernardo?“

„Ich bin nicht sicher. Aber eine Horde Verbrecher können ihn bestimmt erschrecken. Und ein kleiner Zorro auch.“ Bernardo grinste, neigte allerdings auch dazu, sich wichtig zu machen und zu glauben, dass man ihn schon genauso fürchtete wie seinen Bruder.

„Was hat Diego sich bloß dabei gedacht, ausgerechnet dich mit ins Boot zu holen? Er hätte lieber zu mir kommen sollen.“

„Hey, willst du sagen, dass ich nicht ernstzunehmen bin, Rico? Ich bin doch kein kleines Kind mehr.“

„Na ja ... Auslegungssache.“

Ein bisschen wütend war Rico schon, dass Diego ihn so angelogen hatte. Obwohl alles dafür gesprochen hatte und sie sich wegen so einem Scheiß fast zerstritten hatten, hatte er ihn nie um Hilfe gebeten. Dieser Kerl und sein Stolz. Es war zum Mäusemelken.

 

Am späten Abend machten sich die goldenen Tiger und Bernardo auf in die Stadt und starteten ihren Lauschangriff. Es war dunkel und so entdeckte man sie nicht so einfach. Don Esteban war gerade dabei seine sieben Sachen zu packen, um sich auf die Reise zu machen, wie sein Bruder ihm aufgetragen hatte.

„Eine Kutsche. Was das wohl zu bedeuten hat?“ fragte ein blonder, stämmigerer Mann als Rico, mit einer tiefen Stimme, dessen Namen weiterhin unbekannt bleiben muss.

„Wohin der gute Don Esteban wohl will? Er schimpft sich selbst ein Caballero! Ich sehe aber nur einen riesengroßen Feigling, der die Macht seines Bruders fürchtet.“

„Wo ist Bernardo hingegangen?“

„Ich denke, er knöpft sich mal den Sohn von Luis vor.“

„Was denn? Don Juan? Der soll ja noch reicher als Diego sein.“

„Psst. Da ist auch Don Antonio! Den sollten wir uns vielleicht mal greifen. Was denkt ihr, Leute? Es würde mit dem Teufel zugehen, wenn er nichts wüsste.“

Die Stimmen flüsterten und blieben ungehört. Dann schlich Padre Filipe in seiner Kutte über die Plaza.

„Was will er denn hier?“ Sein sich immer wieder umschauen, war verdächtig genug. Als er dann auch noch seines Weges zur Garrison ging, umso mehr. Dort traf er sich mit Sargento Gonzales und jener brachte ihn in Windeseile in die Gefängnisgemächer.

„Muss man das verstehen? Ist unser Dickerchen denn jetzt korrupt geworden? Das ist äußerst gefährlich. Wenn Don Luis das spitz kriegt, wird er ihn hart bestrafen.“

„Einer unserer Informanten hat mir mitgeteilt, dass Don Luis sogar Captain Jekyll ins Gefängnis geworfen hat, weil er sich gegen einen dummen Auftrag aufgelehnt haben soll.“

„Der Captain ist so ziemlich der gehorsamste Offizier, den wir kennen. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Der Auftrag muss ja wirklich übel gewesen sein, dass der schon so weit geht“, sagte Rico und sie schlichen sich näher ran.

 

Don Antonio schleppte ziemlich viel Zeug nach unten. Proviant für die Reise. Als er auch seine Kleider zusammen packte, drehte er sich mit dem Rücken zum Fenster, wo gerade eine schwarz gekleidete Gestalt durch das Fenster sich herein hangelte, so leise wie eine Maus.

Diego hatte ihm mal gesagt, sich schwarz zu kleiden war eine Sache. Dann aber auch noch die absolute Finsternis zu wählen, um zuzuschlagen, gab einem nicht nur den Vorteil, dass die Leute sich furchtbar erschreckten, man wirkte auch im Wesentlichen bedrohlicher. Am liebsten schlug er nachts zu, denn die Dunkelheit erschreckte Menschen schon immer, nicht nur kleine Kinder. Sogar der stärkste Mann bekam es mit der Angst zu tun, wenn man ihm in den Rücken fiel. Genau so tat er es.

Antonio griff nach seinen Kleidern, als er etwas Spitzes direkt im Rücken fühlte. „Keine Bewegung, oder du bist ein toter Mann!“ hörte er eine Stimme hinter sich sprechen. Sofort zuckte der Schwarzhaarige und wagte gerade einmal einen leichten Blick nach hinten zu werfen.

„Was wollen Sie von mir? Unten sind jede Menge Soldaten! Wenn ich schreie, ergreifen diese Sie sofort, Zorro.“

„Ich bezweifle, dass Sie den Mut haben, auch nur den geringsten Laut von sich zu geben, Señor. Sie hatten ja noch nicht einmal den Mut dazu, einen harmlosen Mann wie Diego zu einem Duell zu fordern. Sie wollen nicht sterben.“ Der Schwarzgekleidete war sich damit absolut sicher, dass er sich Opfer richtig einschätzte. Durch das leichte Mondlicht durchs Fenster sah er die Schweißtropfen, die ihm über die Schläfen rannen.

„Ich will ihnen auch nur sehr ungern wehtun. Aber ich habe ein paar Fragen, die sie mir natürlich hoffentlich beantworten.“

Antonio hörte sehr ungern, wie feige er war, denn auch Juan hatte ihm gesagt, wie feige er seine Handlungen gefunden hatte.

Bernardo war versucht, seine Stimme so tief wie möglich klingen zu lassen, was dank seines jungen Alters nicht so einfach war. Auch ohne, dass man es ihm direkt sagte, wusste er, dass er jung klang. Allerdings bezweifelte er bei Antonio, dass er besonders schlau war.

„Und Sie glauben, dass ein maskierter Clown mich zum Reden bringen kann?“

Die Spitze des Degens drückte sich etwas mehr in den Rücken des 23-jährigen und dessen türkis farbenen Augen leuchteten einmal verärgert auf.

„Ich denke schon.“ Der Maskierte lächelte. „Also, wohin geht die Reise?“

„Nach Fortaleza del Diablo“, antwortete Antonio, der mittlerweile sich wie im Schweiß gebadet fühlte.

„Interessant. Das ist ganz schön weit weg.“

„Aber das ist doch nicht alles, was du von mir willst, oder?“

„Wo ist Don Diego Vega?“

Als wenn Antonio es geahnt hätte, wegen ihm war er eigentlich gekommen. Es kam dem jungen Mann jedoch schon spanisch vor, dass Zorro das noch nicht herausgefunden haben sollte.

„Dahin, wo man Verräter zunächst bringt. In eine Zelle natürlich. Ich dachte, so schlau bist du, Zorro?“

Bernardo bemerkte, dass er jetzt weniger ernst genommen wurde und bedrohte den Herrn weiter mit dem Schwert.

Antonio fragte sich wie jung er wirklich war und ob er wirklich bereit war einen Menschen zu töten. Aber die Angst schwand dahin, genauso wie der Schreck aus der Dunkelheit heraus angefallen zu werden.

„An deiner Stelle würde ich ganz schnell verschwinden, Kleiner! Denn dein Freund Diego wird gut bewacht. Es wird dir kaum möglich sein, ihn einfach so zu befreien. Außerdem ...“ Sein Gegenüber lachte tief und in einem sehr hämischen Ton. „Don Luis ist sehr feinfühlig mit seinen Feinden. Er würde dich in der Luft zerreißen. Aber du kannst gerne mit nach Fortaleza del Diablo kommen.  Das ist der Ort, wo Zorro eigentlich hingehört. Es ist ein Hochsicherheitstrakt für Volksverräter. Das wusstest du doch, oder Junge?“

Fortaleza del Diablo, die Teufelsfestung in Baja California. Sie befand sich viele Tagesritte nach Süden. Es war ein riesengroßes Gefängnis, das zur Verteidigung des spanischen Königreichs gegen Ende des 18. Jahrhunderts erbaut worden war. Ein verhasster Ort, barbarisch und grausam. Ein Ort für Rebellen, die gegen die spanische Krone agierten.

Das war alles, was Bernardo noch im Gedächtnis hatte.

Aber war Zorro wirklich ein Volksverräter. Darum hatte sich der Kleine nie genauere Gedanken gemacht. Wahrscheinlich schon, immerhin gehörte die spanische Armee ja zum spanischen Königreich. Das alles war für ihn ungeheuer schwer zu verstehen. Für ihn war Zorro immer der Held schlechthin gewesen.

Sollte die Armee jemals die wahre Identität von Zorro heraus finden, würde man ihn dort für viele Jahrzehnte einsperren. Man erzählte sich die schrecklichsten Geschichten über diesen Ort. Und Diego – er saß gerade im Gefängnis.

Ich darf mich von diesem Kerl auf keinen Fall unterkriegen lassen. Aber was wenn ich mich absichtlich schnappen lasse?



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