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I would control the moon for you!

von

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"The god of death"

Yongguk wurde beinah schwindelig und übel, davon wie stark seine Gedanken in seinem schmerzenden Schädel kreisten. Er saß auf der Bettkante, dieses viel zu pompösen, kreisförmigen Bettes mit rotem Deckenbezug und starrte aus dem Fenster. Auf der Fensterbank standen drei silberne Kerzen, sie hätten, wie alles andere, den Raum heimlich gemacht, wenn Yongguk das nicht nur als reine Provokation empfinden würde. Er fühlte sich eingesperrt, in einer Zelle voller schöner Möbel und teurem Dekorationen.

Hinter ihm öffnete sich wie erwartet die Tür, Yongguk schaute erneut auf seine schwarze Robe herunter, den Mantel mit der Brosche wieder über die schweren Schultern gelegt. Er fühlte sich flau und schwach, hatte noch immer nicht verkraftet, was vor ein paar Stunden passiert war - das Luzifers Name gefallen war.

Doch Rotus verlangte seine Präsenz, immer und am besten überall.

Es wurde zu allem Überfluß ein Ball organisiert, als Abschluss dieser ganzen, grässlichen Zeremonie.

Yongguk fühlte sich falsch, zu feiern und Sekt zu trinken, aus den Gläsern, in denen andere Blut tranken, sich dabei amüsierten und tanzten, als wäre die Verdammnis dieser Welt und seines Lebens ein Grund dafür.

Er richtete sich auf, war bereit seinem Vater unter die Augen zu treten, doch mit einem Mal spürte er die grässliche Präsenz seine Knöchel hinauf krabbeln, langsam und frostig seine Beine hinauf wandern. Er krallte sich in den schwarzen Stoff seines Mantels, hatte das Gefühl sich nicht bewegen zu können. Seine Glieder waren aus Stein, seine Lunge zog sich schmerzhaft zusammen und ließen ihn angestrengt nach Luft schnappen. Die Scheiben in den Fenstern knackten aufgeregt, Yongguk konnte die dünne frostige Schicht darauf erkennen. Yongguk zitterte als er seine dunklen Augen auf die befürchtete Gestalt hinter ihm legte, die ihn ruhig und gelassen anlächelte.

Er war seinem Vater ähnlicher, als Yongguk selbst zugeben wollte.

“Luzifer…”, flüsterte er mehr brüchig, als selbstsicher und stark, wie er es gehofft hatte. Luzifer trug ein dunkelblaues Kostüm, graue Weste und schwarze Bundfaltenhose. Seine rabenschwarzen Haare waren mit einem weißen Band im Nacken zu einem kurzen Zopf zusammen gebunden. Yongguk starrte in dieses bleiche Gesicht, welches sich über so viele Jahre in sein Gedächtnis gebrannt hatte. Er erinnerte sich an die dunklen, dichten Brauen, die spitzen, katzenartigen Augen mit goldener, leuchtender Iris, die dünnen, schmalen Lippen und seine schlanke Nase.

Alles.

Er erinnerte sich an die Kälte um seine Knöchel und das Gefühl in seiner Nähe nicht atmen zu können. Luzifers Aura war nicht zu sehen, wie Rotus, versteckte er sie. Yongguk wollte sich das Ausmaß nicht vorstellen, diese Aura einmal zu Gesicht zu bekommen.

Er war der Ursprung von Allem.

Er war Schuld, dass sein Leben eine Qual geworden war.

“Du starrst wie beim ersten Mal, gewöhn dir das endlich ab, Junge”, lachte Luzifer herzlich und amüsiert, sorgte dafür dass seine spitzen Augen sich in kleine Schlitze verwandelten und seine runden silbernen Ohrringe wild hin und her schwangen.

“Was willst du hier?”, zischte Yongguk kühl, schaffte es jedoch noch immer nicht, seinen Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen. Er hatte vielleicht vor seinem Vater keine Angst, bei Luzifer spannte sich jeder Muskel in seinem Körper an, vor Angst und grässlichen, ungewollten Respekt.

Luzifer schloss die Tür hinter sich, lehnte sich nur wenige Zentimeter daneben gegen die Wand, seine Hand griff nach einem leeren Wiskeyglas, welches neben ihm auf einem kleinen silbernen Tisch stand, um sich daraufhin etwas aus den bereitgestellten Glasgefäßen einzuschenken, die Yongguk gewollt nicht angerührt hatte.

Er nahm einen Schluck der dunkelroten Flüssigkeit, um dann angewidert das Gesicht zu verziehen.

“Scheußlich…”, meinte er nur, Yongguk konnte seinen schwarzen Mantel nur noch fester umklammern, bohrte sich seine eigenen Fingernägel in die Handfläche. Luzifer stellte das Glas wieder ab, rieb sich zufrieden die Hände und schenkte Yongguk einen Blick.

“Also, kommen wir zu dem, warum ich hier bin”, meinte er gelassen. Wenige, langsame Schritte kam er auf ihn zu, dabei musterten ihn seine goldenen Augen. Eine kalte, blasse Hand legte sich unter Yongguks Kinn, Luzifer hob seinen Kopf an, musterte ihn beinah mit zufriedener Miene. Einer seiner Daumen strich langsam und sanft über seinen Kiefer, Yongguk hatte beinah das Gefühl, vor Übelkeit in die Knie zu sacken.

“Wie groß du geworden bist, kleiner Yongguk”, er lächelte süffisant, noch immer fühlten sich Yongguks Stimmbänder festgefroren, er brachte kein Wort heraus.

Luzifers Hand senkte sich wieder, mit anmutigen Schritten ging er an ihm vorbei zum Fenster, blickte für wenige Momente hinaus, als würde er nach den richtigen Worten suchen. Yongguk wusste, jemand wie Luzifer musste nicht nach den richtigen Worten suchen, es war eher, als wollte er seinen Puls mit jeder Sekunde weiter in die Höhe treiben.

“Schade, das du immer noch Groll gegen mich hegst”, meinte er plötzlich, seine Finger griffen nach einer der Kerzen, ohne Grund hob er sie in die Luft und drehte sie beobachtend hin und her. Musterte sie genauer, als es angebracht wäre, bis er sie schließlich wieder an ihren Platz sinken ließ und sich zu Yongguk umdrehte. Der immer noch erstarrt in mitten des Raumes stand, versuchte angestrengt ruhig ein und aus zu atmen.

“Jetzt sag schon… warum bist du hier? Ich glaube nicht dass du Smalltalk halten willst”, kam es endlich laut genug aus seinem Mund, sodass er sich selbst nicht mehr komplett unter einer dicken Schicht von Luzifers Energie ersticken sah.

Der erneut lachte, amüsiert und viel zu gelassen.

“Ich werde euren Ball beiwohnen, als Feier des Tages. Doch vorher wollte ich einen Blick auf meine schönste Schöpfung werfen…”, er war wieder näher zu ihm heran gekommen, Yongguk spürte die Kälte an seinem Rücken und seinen feuchten Atem an seinem Ohr.

Fest spannte er jeden Muskel seines Körpers an, konnte sich gerade noch zurückhalten, nicht wie ein kleines Kind die Augen zusammen zu kneifen und zu warten bis es vorbei war. Luzifers Hand legte sich auf seine Schulter, wanderten seinen Hals hinauf, als wollte er überprüfen, ob seine sogenannte Schöpfung, auch makellos geblieben war.

“Ich habe gesehen, wie du deinem Vater sehr viel Ärger bereitest… haben wir uns nicht darauf geeinigt, dass wir uns gegen unser Schicksaal nicht wehren, mein kleiner Yongguk?”, seine Hand war erneut an seinem Kiefer angekommen, mit einem festen Griff packte er zu, Yongguk keuchte vor Schmerz auf, versuchte sich vergebens aus seinem Griff zu befreien. Er musste nicht viel Kraft aufwenden, das eisige Gefühl seiner Aura auf seiner Haut schmerzte schon so unheimlich.

“Euer Plan… w-wird nicht in Erfüllung gehen”, schaffte es Yongguk zwischen zusammen gebissenen Zähnen zu sagen, es war ein schmerzerfülltes Zischen, doch Luzifer hatte verstanden. Für einen kurzen Moment wurde der Schmerz in Yongguks Aders beinah unerträglich, doch fast ruckartig löste sich Luzifers Berührung.

“Du hast dich verändert”, meinte er dann, seine Miene in keinster Weise beeindruckt, von Yongguks offener Kriegserklärung. Als müsste er sich so oder so keine Sorgen darum machen. Angestrengt rieb Yongguk die schmerzende Stelle, ehe er ihm einen Blick schenkte, versuchte sich von den leuchtenden, irrealen Augen nicht einschüchtern zu lassen, die auch so jeden Gedanken mit einem Blick lesen konnten.

Luzifer hatte zwar die Erscheinung eines Vampirs, doch er war immer noch ein Gott.

“Ich bin kein Kind mehr…”, sagte Yongguk, versucht seinem Blick standzuhalten.

“Das bist du nicht… doch immer noch genauso naiv”, Luzifer lächelte ruhig, ging sich durch die schwarzen Haare, strich die Haare hinters Ohr, die sich aus dem weißen Band gelöst hatten.

“Und jetzt lass uns gehen”, meinte er dann.

“Du bist nicht hier um mich davon zu überzeugen, dass diese Welt die einzig Wahre ist?”, Yongguk biss sich auf die Lippe, konnte die Worte von Rotus noch immer in seinem Ohr hören. Fast kroch ein komisches Gefühl in seiner Brust hoch, etwas von Verständnis gegenüber seinem Vater - der dafür auserwählt wurde, Luzifers Plan in die Tat umzusetzen. Doch es hielt nicht lange an, war eine unbedeutende Sekunde der Schwäche in ihm, bis er sich wieder daran erinnerte, dass Rotus gierig darauf war, sich Luzifer zu unterwerfen.

Er war schon viel zu lange verloren gewesen.

Wieder ein kleines Lachen, beinah hätte Yongguk den Verstand verloren, Luzifer dabei zuzusehen, wie jedes Wort amüsant zu finden schien.

“Ich brauche es dir nicht erklären, du wirst es früh genug verstehen”, meinte er, sagte das selbe, wie er immer hörte, sorgte dafür dass Yongguk schwach den Kopf schüttelte.

Sie waren alle davon überzeugt, alle glaubten sie zu wissen, was richtig war.

Wie eine Welt auszusehen hatte. Was das Leben und den Tod ausmachen.

Doch Luzifer hatte keine Ahnung vom Leben, er war der Gott der Hölle und des Todes, wie sollte er wissen, wie es ist, zu leben?

Er war eine leere Hülle ohne Herz und glaubte zu verstehen, wie Yongguk sich füllte.

Der jeden Schritt den er tat, nur wegen Jemanden einzig und alleine tat.

Ja, er hatte sich verändert. Hatte herausgefunden, dass die Welt nicht nur voller Hass und Verzweiflung war, dass es Wesen gibt, die ihn lieben konnten.

Dass er im Stande ist, zu lieben.

“Du solltest deine Augen sehen”, meinte Luzifer zufrieden, lächelte sanft und bestätigend in sich hinein, als hätte er jeden Gedanken verfolgt, der Yongguk durch den Kopf geschossen war.

“Du wirst das niemals verstehen”, zischte Yongguk bissig, dabei war Luzifer längst auf dem Weg nach draußen, hatte die Tür geöffnet, ohne sie auch nur mit einer Hand berührt zu haben. Seine Hände ruhten tief in seinen Taschen, es bildete sich etwas schwarzes an seinem Rücken, wie Tinte, die sich langsam zu dem selben Mantel formte, den auch Yongguk um die Schultern trug.

“Nun komm”, meinte er streng, schenkte Yongguk keinen weiteren Blick mehr.
 

Es war das Gefühl, gelandet zu sein, in einer Welt, die man nicht kennen wollte.

Eine Luft zu atmen, die einem das Gefühl gab, daran zu ersticken.

Die Augen fühlten sich wie glasige Spiegel, versuchten verzweifelt das Gesehene wieder zurück zu werfen, anstatt es in das Bewusstsein eindringen zu lassen.

Daehyun atmete langsam und bedacht. Worauf bedacht, wusste er nicht.

Es war wie, wenn er zu viel von dem säuerlichen, gleichzeitig süßlichen Geruch einatmen, er regelrecht das Ausmaß auf seiner Zunge schmecken würde.

Er hatte Angst, als er auf die aschfarbene Stadt herunter blickte, die ihn anlachte, als würde sie darauf warten, ihn zu verschlingen.

Er stand neben dem Haus seiner Großmutter und blickte darauf herunter, machte sich innerlich darauf gefasst, was kommen würde.

Er hatte keine Ahnung, was in diesem Moment in ihm vorging. Es war wie, als würde jede einzelne Entscheidung vor seinem inneren Auge vorbei huschen - ihn nur noch einmal daran erinnern, wie sein Leben zu Ende gegangen war.

Oneandéns Gesicht war das Erste, welches er sehen und seine Stimme beinah hören konnte. Wie er in angesehen und angefleht hatte, es nicht zu tun.

Es war schwer, zu begreifen, wie es sich anfühlte, mit allen diesen Lebewesen verbunden zu sein - ihre Angst zu spüren, den Kummer, gar die Verzweiflung. Doch in dieser Welt gab es nur ihn, er spürte nichts unter seinen Füßen, keine zuckende Energie in seinen Adern - alles war tot und kalt um ihn herum. Er hatte längst vergessen, wie es sich all die Jahre ohne sie angefühlt hatte.

Er zwang sich weiterhin, an Oneandén zu denken, auch wenn Yongguk das Zweite war, was sich in seinen Verstand drängte. Wie eine Drohung, eine Aufforderung.

Und aus irgendeinem Grund hatte er plötzlich Angst davor.

Diese kleine Welt, die er hinter sich gelassen hatte, diese Wärme, die Möglichkeit ihn zu berühren, das Gefühl keinen Kummer mehr spüren zu müssen.

Es tat weh.

Die Realität war genau hier, dort unten in dieser nach Blut riechenden Stadt. In einer Welt von der er keine Ahnung hatte. Dinge, die immer eine Lüge gewesen waren.

“Wenn die Mondfinsternis die Welten in ewige Dunkelheit stürzt… wird die Vernunft verwelken...”, flüsterte er leise, konnte hören wie seine Worte von der Asche durch die Luft getragen wurden. Er wollte wissen was diese Worte zu bedeuten hatten - die sich so vertraut und richtig in ihm anfühlten.

Tief atmete er durch den Mund, verhinderte so erneut, den stechenden, ungewohnten Geruch in der Nase liegen zu haben.

Er riss sich schlussendlich von dem kleinen Haus los, was wie der letzte Anhaltspunkt für ihn gewesen war, dieser komischen Welt nicht zu erliegen.

Doch er war nicht ohne Grund hier.

Er hatte keine Zeit, sich in sich selbst zu verlieren, dieser Welt den Gefallen zu tun, vor ihr in die Knie zu gehen, ohne erst in den Kampf gezogen zu sein. Er setzte sich in Bewegung, der Boden unter ihm schien viel härter und kühler zu sein, als auf der anderen Seite. Alles hier war dunkel und trostlos, Daehyun vermisste schon jetzt den Geruch des Grases und der Bäume - spürte für wenige Sekunden einen traurigen Schmerz durch seine Brust zucken.

Seine Füße fanden festen Grund, er stand auf einer kaum belebten Straße, hatte beinah das Gefühl, sich wie ein bunter Hund auf dem Präsentierteller zu stellen. Die Häuser, warfen tiefe Schatten auf die Straße, Daehyun schaffte es, gerade, bevor zwei murmelnde Vampire an ihm vorbei zogen, seine dünne, graue Kapuze über den Kopf zu ziehen. Er spürte ihre Aura, obwohl sie auf der anderen Straßenseite gestanden hatte und Daeh nicht einmal einen Blick darauf geworfen hatte.

Sie fühlte sich an wie Yongguks, nur kälter, wie Oneandén es gesagt hatte, fühlten sie sich tot an. Jedoch tot und sehr viel mächtiger, als er es erwartet hatte.

Die Angst wollte erneut seine Glieder hinauf wandern, sich um sein kaltes, erstarrtes Herz legen, doch er schaffte es, sich auf das Laufen zu konzentrieren - darauf, nicht aufzufallen. Er hatte nicht viel Zeit, auch wenn er keinen einzigen Anhaltspunkt hatte, an dem er sich festhalten konnte.

Er lief stur gerade aus, folgte der Straße, die er zwar kannte, aber kaum noch wiedererkannte. Die Häuser waren nicht alle aus Stein, manche wirkten alt und brüchig, Holzhütten mit kaputten Dächern. Keine funkelnden Hochhäuser, die das warme Licht reflektierten. Stinkende, schmutzige Straßen und komische Gestalten in jeder Ecke.

Daehyun wollte weitergehen, doch sein Blick fiel zur Seite, er hatte ein komisches Geräusch ausgemacht und seine Augen hatten wie von alleine gehandelt.

Es wusste, das es passierte, doch er war nicht darauf vorbereitet gewesen, es mit eigenen Augen zu sehen. Zwei Gestalten standen fest umschlungen an einer Wand, zwischen zwei Häusern, gehüllt in Schatten - doch Daehyun konnte viel zu genau erkennen, wie die Zähne des Blondhaarigen in den Hals einer Frau verschwanden, rote Striemen Blut hinunter liefen.

Sie stöhnte auf, beinah dachte Daeh es wäre Schmerz, welcher aus ihrer Kehle sprach, doch nur Sekunden später erkannte er, dass es Erregung war.

Er wollte seine Augen losreißen, viel zu übel und schwindelig wurde es ihm bei dem Anblick und der Stimme in seinem Ohr, die immer lauter zu werden schien.

Er atmete heftig, schaffte es endlich, sich wieder in Bewegung zu setzten, die komischen Geräusche und das dunkle Rot ihres Blutes hinter sich zu lassen - doch es brannte sich rasend schnell in seinem Bewusstsein ein.

Er wollte vorbereitet sein, doch er hatte nicht erwartet, dass es so sehr an seinem Verstand zerren würde. Den Anblick würde er nicht das letzte Mal ertragen müssen und das war das Schlimmste daran.

Das hier war Yongguks zu Hause.

Fest biss er sich auf die Lippe, schaffte es, seinen Schritten mehr Kraft zu verleihen, wanderte weiter stumm und vorsichtig die Straße hinauf. Er hatte erwartet das Tor zu entdecken, wenigstens klein in der Ferne, doch er konnte schon von hier ausmachen, das es nicht dort stand, wo es hingehörte.

“Das Kleid ist für den Ball, falls du das schon vergessen hast”, ertönte eine fremde Stimme leise neben ihm, automatisch duckte Daeh sich noch tiefer in seine Kapuze, suchte vorsichtig hinter einem schwarzen Karren Schutz. Es fuhren keine Autos, im Gegenteil, Daehyun konnte alte Kutschen auf der anderen Straßenseite sehen, jedoch wurde sie von keinen Pferden geführt. Er stand neben dem Karren, schielte vorsichtig zur Seite, langsam versenkte er die Hände in den Taschen, um so wenig nervös wie möglich zu wirken.

Sein Blick legte sich auf die Gestalt, von der die Stimme ausgegangen war. Es war eine Frau, mit braunen, langem Haar und einem auffälligen Muttermal im Gesicht, über einem ihrer grünen Augen.

Sie hielt einen, ebenfalls grünen, Stoff in ihren Händen, musterte ihn mehr als genau, hielt es gegen die dunkle Sonne, die nicht einmal genug schien, als dass es einen Unterschied gemacht hätte.

Sie legte ihn jedoch im nächsten Moment wieder ab, hatte sich damit scheinbar nur die Zeit vertrieben, den ein alter Mann kam an ihre Seite, mit einer schwarzen Hülle aus weiterem Stoff. Sie standen unter einer kleinen Überdachung aus Stroh, es wirkte wie ein alter Mark aus dem Mittelalter. Trotz das es so ein kleiner Stand war, schien er mit edlen Stoffen ausgerüstet. Daehyun wusste nicht, warum er stehen blieb, sie interessiert beobachtete.

“Perfekt für eine Dame wie sie, der Prinz wird hin und weg sein”, lächelte der alte Mann, scheinbar mehr als genau darauf achtend, die richtigen Worte zu finden, um die hochgewachsene, schlanke Frau nicht zu verärgern. Daeh hatte sich wieder in Bewegung setzen wollen, als er das Gefühl hatte, ohne aufzufallen weiter zu gehen, doch als er hörte, dass er von einem Prinzen redete, hielt er schlagartig inne.

“Halten sie den Mund”, zischte sie dennoch, hielt den schwarzen Stoff fest umschlossen, in dem scheinbar das besagte Kleid verstaut war, von dem sie gerade noch gesprochen hatte. Sie legte ihm ein goldenes Säckchen auf die Theke, für ihn nicht mal mehr einen Blick übrig und lief viel zu nah an Daehyun vorbei. Er senkte angestrengt den Blick, versuchte erneut einfach nur unauffällig am Straßenrand zu stehen. Ihr Blick legte sich für wenige Sekunden auf ihn, er begegnete ihren Augen nur für den Bruchteil einer Sekunde.

Daehyun konnte sehen, wie sie die Straße entlang verschwunden war, ehe er seine graue Kapuze vom Kopf striff und wenige Schritte auf den alten Mann zumachte.

“Von welchem Ball hat sie gesprochen?”, kam es ihm viel hektischer über die Lippen, als er sich vorgenommen hatte. Der alte Mann sah zwar ungefährlich aus, doch trotzdem hatten seine Augen plötzlich etwas Scharfes an sich, musterten ihn ganz genau. Fest spannte Daehyun die Muskeln an.

“Sie wissen nichts von dem Ball? In welcher Ecke haben sie sich verkrochen, das sie nicht wissen das der König einen Ball gibt?”, zischte er spöttisch, so abweisend, als würde er all die Wut über die unfreundliche Frau an Daehyun auslassen.

“Machen sie sich nicht lächerlich…”, schaffte es Daeh zu sagen, sehr wenig überzeugend, weshalb sein Herz heftig zu schlagen begann.

“Sie sah nur nicht wirklich aus, als könnte sie auf diesen Ball gehen, so wie sie sich aufspielt”, Daehyun nickte in Richtung der Frau, die längst verschwunden war und viel zu lange war es still zwischen ihm und dem fremden Mann.

Er konnte erst wieder aufatmen, als er endlich lachte, als hätte er Daehyuns gelogenen Witz verstanden und zu seiner Erleichterung sogar anfing ihn zu genießen.

Trotzdem fühlte sich jedes Zucken und jeder Blick an, als hätte man ihn entlarvt.

“Diese Weiber, denken immer sie wären etwas Besseres”, kicherte er dunkel, schüttelte dabei den Kopf und war dabei den grünen Stoff wieder zusammen zu legen, der zerknittert auf der Theke gelegen hatte.

“Wollen alle dem Prinzen gefallen, dabei sind sie verdorben bis aufs Blut”, murmelte er weiter vor sich hin, seine braune unauffällige Aura, schien plötzlich fast schon traurig hin und her zu schwanken. Daehyun erinnerte sich wieder daran, was Oneandén gesagt hatte, das Rotus all diese Vampire geschaffen hatte - wofür sollte er einen alten Mann brauchen?

Er schüttelte den Gedanken ab, keine Zeit sich länger damit zu beschäftigen.

“Sie gehen nicht auf den Ball?”, wollte er wissen, noch immer nicht hundert Prozent sicher, auf der richtigen Fährte zu sein. Doch der alte Mann schenkte ihm einen Blick, ruhig und gleichzeitig verärgert - sagte den Namen, den Daehyun hören wollte.

“Ich bin nicht in der Verfassung König Rotus und seinem Sohn unter die Augen zu treten, dummer Junge”, meinte er, scheuchte ihm im nächsten Moment mit einer Handbewegung fort, wollte an die Stoffe, vor denen Daehyun wie erstarrt gestanden hatte.

Also war es wahr.

Ohne sich zu verabschieden, machte er sich wieder blind auf den Weg, der Mann hinter ihm schien nicht noch einmal ein Wort an ihn zu verlieren, nicht bemerkt zu haben, das Daehyun vollkommen fremd war. Vorsichtig striff er sich erneut die graue Kapuze über. Er wusste, er könnte sich auch so nicht vor diesen Gestalten verstecken, doch es gab ihm ein komisches Gefühl von Sicherheit, die Dinge in seinem Augenwinkel wenigstens ein bisschen auszublenden.

Doch in der nächsten Sekunde raste plötzlich sein Herz viel mehr, als vorher, seine Sicht wurde für wenige Sekunden schwach vor seinen Augen und für einen Wimpernschlag lang, sah er erneut das Licht am Ende des Tunnels, schüttelte heftig den Kopf um die Bilder wieder los zu werden. Es war wie ein Film, der sich vor seinem inneren Auge abspielte und machte ihm klar, wie wenige Zeit er wirklich hatte.

Er biss sich auf die Lippe, schaffte es, das komische Gefühl wieder abzuschütteln, doch seine Schritte waren automatisch langsamer geworden - fest drückte er eine Hand gegen seine schmerzende Schläfe.

“Ich bin noch nicht fertig…”, flüsterte er sich selbst zu, zwang sich, dem brennenden Verlangen standzuhalten, welches ihm sagte, das er aus dieser Welt verschwinden sollte. Er musste auf diesen Ball.

Dort würde er Yongguk finden.

Seine Füße hatten sich zwar in Bewegung gesetzt, doch noch immer wusste er nicht wirklich, wo lang er gehen musste. Seine braunen Augen zuckten immer wieder hin und her, konnte weitere Vampire sehen, mit pompösen Kleidern, wie sie sich in die nicht gezügelten Kutschen setzen. Ihre Auren verschmolzen, formten sich zu seelenlosen, augenlosen Pferden aus dichtem Nebel und trugen sie somit durch die Straßen.

Daehyun versuchte ihnen zu folgen, doch egal wie schnell er lief, verlor er sie wieder. Schwer atmete er, als erneut eine schwarze Kutsche verfolgt und gleichzeitig wieder verloren hatte. Sie war in einer heftigen Geschwindigkeit hinter dem Nebel aus Asche verschwunden, der sich, je später es wurde, dichter vor ihm aufbaute.

Er wusste in welche Richtung er laufen musste, doch alle Häuser waren fremd, die Straßen veränderten sich immer mehr, je weiter er in die Stadt hinein lief und die Sonne ging langsam unter.

Hüllte ihn in schreckliche Dunkelheit. Er hatte keine Zeit, sich irgendwo niederzulassen, auch wenn seine Glieder brannten, er das Gefühl hatte, dass die Bilder des Paradies ihn immer öfter einholten. Doch er durfte nicht ins Licht gehen, er hatte nicht vor, wirklich zu sterben.

Nicht bevor er Yongguk nicht wieder zurückgeholt hatte.

“Komm schon…”, zischte er sich selbst an, schleppte sich weiter voran und konnte eine weitere Kutsche neben sich vorbei brettern hören, hatte Glück sich merken zu können, dass sie um die Ecke gebogen war. Es wurden mit der Zeit immer mehr und mehr, die Straße war plötzlich laut und dröhnten in den Ohren, das Holz krachte auf die harte Straße und die Geräusche halten durch die stillen Häuser, in denen fast gar kein Licht mehr brannte. Es war wie, als würden alle auf diesen Ball gehen, Daehyun hatte somit noch mehr eine Chance, den Weg zu finden und sich schlussendlich unbemerkt hinein zu schleichen.

Wobei er sich das wahrscheinlich viel zu einfach vorstellte. Er trug keine aufwendige Robe, geschweige denn war seine Aura stark genug, um mit den Anderen mitzuhalten.

Er würde auffallen.

Trotzdem folgte er weiter den Kutschen, konnte erkennen, dass eine kleine Gruppe vor ihm zwischen dem Nebel sichtbar wurde, scheinbar zu Fuß unterwegs. Auch sie trugen schwarze Kostüme und lange Kleider, sich laut über etwas unterhaltend. Ebenso lautes Gelächter erfüllte sie Straßen.

Daehyun folgte ihnen unauffällig, versuchte den immer stärker werdenden Kopfschmerz aufzuhalten und die dunkle Stimme zu verdrängen, die durch seinen Schädel halte. Er durfte nicht schwach werden, nicht daran denken, das er einfach hätte Yongguks Hand nehmen müssen - oder immer noch musste, um einfach von hier zu verschwinden.

Doch all die Gedanken, die ihm plötzlich durch den Kopf gewandert waren, verstummten, als er bemerkte, wo er gerade war. Seine Füße hatten ihn weiter getragen, seine Augen auf die kleine Gruppe vor ihn gerichtet, auch wenn sie schnell von etwas anderen abgelenkt wurden.

Als er sehen konnte, wie sich das riesige graue Gebäude vor ihm aufbaute, wie eine Versuchung, wieder an sein altes Leben zu denken, spürte er, wie seine Lunge erneut kleiner wurde, als das er richtig atmen könnte.

Es war die Schule. Seine Schule sollte hier stehen.

Doch stattdessen war es ein altertümliches Schloss, Fackeln brannten aufgeregt an dem hohen massiven Stahltüren und schafften so einen Blick durch den dunklen Nacht-Nebel. Warum war ihm der Weg nicht schon vorher bekannt vorgekommen?

Es war genau der selbe gewesen, es hatte keinen Unterschied gegeben. Fest ballte Daeh die Hände zu Fäusten, spürte die massive, einengende Energie, die an diesem Ort zusammen lief. Hunderte mächtige Auren, verschmolzen zu einem heftigen, dichten Schwall, der Daehyuns Handgelenke hinaufwanderte und ihm die Luft zum atmen nahm.

Doch zwischen all dieser Angst, die aufflammte, bevor er es aufhalten konnte, schien er sich einzubilden, auch seine Aura zu spüren.

Yongguks Aura zwischen all diesen toten zu erkennen, obwohl er Meterweit von dem Schloss entfernt, in dem Schatten eines kleinen Hauses stand, darauf bedacht, dass ihn keiner der edlen Leute bemerkte.

Hinter ihm war es still, Mülltonnen und eine kleine Feuertreppe zwischen dem Spalt zweier Häuser. Doch plötzlich spürte er etwas Kaltes, Frostiges und rapide drehte er sich um. Starrte in den Schatten hinter sich und riss seinen Blick von den Fackeln und den grauen Steinen los, die sich zum Schloss des Königs auftürmten. Er blinzelte in die Dunkelheit hinein, nicht fähig, etwas auszumachen, was die Kälte um seine Arme und Beine erklärt hätte.

“Wer ist da?”, stammelte er, seine Stimme zitterte stark, auch wenn er versuchte, es zu unterdrücken.

“Jung Daehyun”, ertönte es ruhig, Daehyun spürte, wie seine Kehle sich zuschnürte und sein Herz heftig gegen seine Brust hämmerte. Zwei goldene Augen blitzen im Schatten auf, eine schwarze Gestalt kam langsam und gelassen auf ihn zu. Automatisch wollte Daehyun nach hinten weichen, die Flucht ergreifen, doch diese Kälte von vorhin, hatte sich um seine Knöchel geschlungen und erlaubten ihm nicht, sich zu bewegen.

Er hielt die Luft an, als ein blasses Gesicht sichtbar wurde, tiefe Schatten unter den Augen, die Hände ruhig hinter dem Rücken, als er noch immer auf ihn zu kam.

Daehyun wollte es nicht wahrhaben - doch er kannte dieses Gesicht.

Himchan hatte es erzählt, er hatte Bilder gesehen, Geschichten gehört - Geschichten die er alle für Mythen gehalten hatte, egal wie naiv es gewesen war.

“Hades…”, flüsterte Daeh mit zitternder Stimme.

“Nenn mich Luzifer, Hades ist ein so alter Name, meinst du nicht?”, ein kleines, kaltes Lächeln stohl sich auf seine schmalen, toten Lippen und eine blasse Hand streckte sich nach Daehyun aus. Es war wie zuvor, es war wie, als würde sein Herz langsamer werden, die Stöße schwächer und der Schwindel setzte rapide schnell in seinem Kopf ein. Nur wurde er nicht ohnmächtig oder konnte sich in die unendliche Dunkelheit stürzen - er war gezwungen ihm in die goldenen Augen zu sehen.

Seine Hand legte sich unter sein Kinn, schob es zur Seite, musterte es von allen Winkeln.

“Ich habe dich erwartet… nur hab ich mir dich etwas”, er machte eine überhebliche Pause, starrte Daehyun beinah amüsiert in die braunen Augen, “eindrucksvoller vorgestellt”, meinte er dann.

“Ich bin bereits tot… was willst du mir also antun?”, zischte Daeh verzweifelt, der Meinung sich so von der Angst abzubringen, die ihm den Verstand vernebelte. Es war keine Angst mehr, es war pure Panik.

Luzifer lachte laut auf.

“Aber aber… Ich bin nicht hier, um dich zu foltern, du wirst mir noch nützlich sein”, meinte er ruhig, seine grässlich kalten Hände wanderten seinen Oberarm hinab, rissen mit einer schmerzenden Bewegung den Ärmel seines grauen Pullovers auf, nur um seine rote Narbe zu begutachten. Sie lächelnd zu beäugen.

“Also stimmt es”, flüsterte er zufrieden, Daehyun spürte wie ihm heiße Tränen in die Augen stiegen, die Kälte und die Angst raubten ihm den Verstand. Er zwang sich, aufzuhören, doch es war Luzifer, der vor ihm stand. Die Tränen brannten auf seinen kalten Wangen, war das einzige bisschen Wärme, was in diesem Moment dort war.

Rotus war mächtig. Er hatte keine Chance gegen ihn gehabt.

Doch Luzifer war Unsterblich, ein Gott, was sollte Daehyun gegen ihn anrichten?

“Die Mondfinsternis wird beginnen… solange wirst du mit mir kommen, Jung Daehyun”, sagte er mit frostiger Stimme und kaum hatte Daeh in seine leuchtenden goldenen Augen geblickt, spürte er das selbe komische Gefühl in seinen Gliedern, das Gefühl für Raum und Zeit zu verlieren, alles um ihn herum wurde schwarz und unscharf.

Und erneut fiel er in ein dunkles Loch.



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