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Enemy mine - geliebter Feind II

von

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Kapitel 3

Sie gaben Jean-Claude Recht. Mittlerweile auf sechs Helfer aufgestockt, war es kaum ein Problem die restlichen Möbel in ihren Einzelteilen aus dem Laster in die Wohnung zu transportieren. Wenigsten konnte so einer der Fahrer heute pünktlich Feierabend machen und nach Hause fahren. Der andere wurde für den nächsten Tag noch einmal bestellt.

Viel hatte der nicht mehr zu entladen und da das Bett Jean-Claudes bereits aufgebaut war, hatte der eine Schlafstatt und kein Problem.

Mit wenigen Worten, eher schweigsam aber friedlich, bauten sie in Beth‘ Zimmer ihren Schrank und ihr Bett auf. Dann machten sich Jean-Claude und Snow daran ein Bücherregal in der Wohnküche aufzubauen. Saber und Colt montierten die Schreibtische in den Zimmern der Schwestern. Als sie damit in Beth Raum fertig waren, setzten sie diese Arbeit im Zimmer Snows fort.

Inzwischen bat die jüngste der Geschwister die Navigatorin ihr beim Einräumen ihres Schrankes behilflich zu sein. Die Blondine kam ihr noch immer nachdenklich und aufgewühlt vor, weshalb sie hoffte, eine leichte Aufgabe und ein Gespräch könnten sie auf andere Gedanken bringen. Während sie also ihre Unterwäsche von ihr annahm und in einer Schublade im Schrank verstaute, kramte sie gedanklich nach einem guten Thema.

„Sind alle Männer eifersüchtig?“, fragte sie schließlich, nach einer Weile des Schweigens.

„Nein, nicht alle. Manche sind gar nicht eifersüchtig, andere dagegen“ April reichte ihr nun einige Hosen aus dem Koffer, in dem Beth ihre Kleidung hergebracht hatte. „fahren bereits aus der Haut, wenn ein anderer Mann die Frau auch nur ansieht.“

Ihre Gedanken glitten ab. Bisher hatte sie gedacht, Fireball gehöre zu ersterer Kategorie. Seit heute war sie da allerdings nicht mehr sicher.

„Ist es wie mit Neid?“, erkundigte sich Beth in diese grüblerischen Fragen hinein.

„So ähnlich. Es ist kein schöner Charakterzug. Eifersucht zeigt einem, dass der andere kein Vertrauen hat.“

Beth nickte langsam und schaute die Blondine musternd an. Das war wohl kein gutes Thema, überlegte sie, als April ihr einige T-Shirts reichte und sie diese in den Schrank legte. Nachdenklich strich sie das obere glatt, dann nahm sie es wieder heraus und entfaltete es. Sie legte es an ihren Körper.

„Ich mag das T-Shirt. Es hat eine schöne Farbe und ist sehr bequem.“

„Das ist hübsch“, erwiderte die Blondine und prüfte ihre Gegenüber mit Blicken. „Aber sehr schlicht.“

„Schlicht?“

„Ja, schlicht. Es ist einfach geschnitten. Etwas mit ein bisschen mehr Pepp würde dir sicher gut stehen.“

„Was meinst du mit Pepp?“ Beth war unsicher, ob sie das Thema Bekleidung weiter verfolgen sollte, doch April wirkte nun abgelenkt und öffnete sich gerade etwas mehr. Nun fragte sie kurz um Erlaubnis und zupfte am T-Shirt herum. „Hier ein wenig taillierter, der Ausschnitt ein klein wenig tiefer. Das macht es gleich etwas aufregender. Siehst du?“

„Es präsentiert mehr“, stellte die junge Outriderin fest.

„Das auch, ja. Beth. Du bist sehr hübsch und schlank. Du darfst zeigen, was du hast.“

„Sollte ich denn zeigen, was ich habe?“

„Nur soviel, wie du dich wohl damit fühlst. Natürlich nicht alles.“

Es schien als erfülle dieses Gesprächsthema seinen Zweck. April richtete ihre Aufmerksamkeit darauf, sprach mehr und klang wieder freundlicher. Oder war es Höflichkeit?

Beth ließ das Shirt sinken.

„Ich habe sehr wohl gemerkt, dass du gestern für mich da sein wolltest, als du gehört hast, was mir passiert ist“, begann sie geradeheraus. „Ich versuche das gleiche. Ich weiß nicht, ob es mir gelingt.“ Sie atmete aus und trat auf April zu. Etwas scheu, aber liebevoll nahm sie die Navigatorin in die Arme und drückte sie sacht an sich. „Danke. Für gestern.“

Einen Moment lang erstarrte die Blondine überrascht. Nicht nur hatte Beth die Geste erkannt, sie wollte sich erkenntlich zeigen und sie ebenfalls trösten. Damit war sie weit einfühlsamer als sie je einem Outrider, selbst den Geschwistern in diesem Ausmaß, zugetraut hatte, obwohl sie bereits bemerkt hatte, dass deren Emotionen ausgeprägter waren. Jetzt rührte sie diese Geste tief.

„Ja, aber gerne doch Beth. Dafür musst du dich nicht bedanken“, brachte sie schließlich hervor und erwiderte die Umarmung. Ihre Augen drohten sich mit Tränen zu füllen. „Du machst das gut. Danke. Ich fühle mich schon besser.“

Die junge Outriderin nickte leicht. „Dann möchtest du dich weiter über Kleidung unterhalten?“

April nickte. „Gern.“

Das Interesse der jungen Frau mit den blass lila Haaren an Kleidung und Modefragen ermutigte die Navigatorin dazu sie und ihre Schwester zu einer Shoppingtour einzuladen. Es würde etwas Normalität in die Tage bringen und konnte das freundschaftliche Band zwischen den Frauen festigen.
 

Saber und Colt hatten den zweiten Schreibtisch aufgestellt. Der Schotte kehrte in die Küche zurück um etwas zu trinken.

Inzwischen begann der Scharfschütze das Bett Snows aufzubauen. Beth und April sowie auch Snow und Jean-Claude taten es dem Schotten gleich und gestatteten sich eine kurze Pause.

Aprils Blick glitt über die Möbel in der Wohnung. Sie waren spartanisch und zweckmäßig. Auch hier, ähnlich wie bei der Kleidung der Mädchen, fehlte hier etwas für die Ästhetik, fürs Auge, der Schönheit und das Wohlfühlen.

Snow schaute in ihrem Zimmer nach ihren Möbeln und half Colt beim Aufbau ihres Bettes.

Jean-Claude kümmerte sich um das zweite Regal, bekam von der Navigatorin Unterstützung dabei.

Beth versuchte in ihrem Zimmer ihren Koffer auf dem Schrank zu verstauen. Leider war sie nicht groß genug, um die Oberseite zu erreichen. Hatte Saber bisher noch überlegt, was er als nächstes tun sollte, war der Anblick der zierlichen Frau mit dem blass lila Haar doch rasch eine Aufgabe, die seiner Assistenz bedurfte.

Mit wenigen Schritten war er bei ihr.

„Warte.“ Er nahm ihr das leere Gepäckstück ab und beförderte es auf den Schrank, wo es ziemlich offenkundig hin sollte. Er trat nah an sie heran, als er sich nur ein wenig strecken musste, um dieses Ziel zu erreichen.

Beth stand still und hielt den Atem an, bis ein leichter Knall verriet, dass der Koffer dort angelangt war, wo sie ihn haben sollte. Sie spürte seinen Körper hinter sich. Sein Atem strich leicht über ihren Nacken.

Hatten sie in den vergangenen Stunden auch fleißig und zielorientiert gearbeitet, jetzt, da er so nah bei ihr stand verlor sie es irgendwie. Seine Anwesenheit schien ihr immer wieder den Blick für das Wesentliche zu trüben. Oder zu verändern. Vielleicht war er das Wesentliche. Sie schalt sich ineffektiv bei diesem Gedanken. Dennoch, nun da sie ihn hinter sich spürte, wusste, wie breit seine Schultern waren und die Konturen seines Oberkörpers durchaus kennen gelernt hatte, kam sie an dem Gefühl beschützt zu sein, nicht vorbei. Es breitete sich in ihr aus, wie die Wärme, die seine Gegenwart in ihr auslöste, und weckte den Wunsch sich an ihn zu lehnen in ihr. Aber wenn sie das tat, was würde er dann tun?

„Warum bist du vorhin so schnell zurück gewichen?“, fragte sie leise. Es dauerte einen Moment bis er begriff, dass sie von dem Augenblick sprach, in dem ihr Bruder sie küssend in der Kochnische ertappt hatte.

„Wie ich vorher schon sagte, nicht jeder große Bruder findet es toll, wenn die kleine Schwester geküsst wird.“ Seine Antwort war nicht lauter als ihre Frage. „Ich möchte, dass Jean-Claude mir vertraut. Er soll nicht denken, ich würde es ausnutzen, ich würde dich ausnutzen.“ Sein Blick glitt immer wieder über den Zopf, zu dem sie ihr Haar gebunden hatte, und dem sanften Schwung ihres Nackens zu ihren Schultern. Ihre Haut war glatt, schimmerte leicht. Er wusste, sie war weich und zart.

Jetzt wandte sie sich zu ihm um und schaute ihn mit ihren großen Augen an.

„Jean vertraut uns. Wir sprechen über alles. Er wird nie etwas einwenden, wenn er nicht denkt , unsere Belastung... na ja, belaste unser Urteil.“

„Ich werde mir das merken. Ich möchte ihm dazu keinen Anlass geben.“

„Er wird es äußern, wenn er Anlass zur Sorge sieht.“

Die Anziehung zwischen ihnen war greifbar, sichtbar. Beth Blick verfing sich einmal mehr und viel zu leicht in den blauen Augen des Schotten, an seinem Pony, der ihm auf die Stirn viel, den Zügen seines Gesichtes. Ihr Herz schlug einmal mehr bis zu ihrem Hals hinauf. Sie sollte sich inzwischen dran gewöhnt haben. Doch es kam ihr jedes Mal unbegreiflich vor, dass ein Mann so eine Wirkung auf sie haben konnte, dass Saber sie so … menschlich machte ohne dass sie sich dagegen wehren konnte oder wollte.

„Gut, dann hoffe ich, dass er nie Grund dazu bekommt“, gab er rau zurück. Wenn sie ihn so ansah, so offensichtlich fasziniert und lang, brachte sie ihn immer wieder fast um den Verstand. In diesen Blicken lag ihre Zuneigung, wurde deutlich, wie sehr er sie anzog. Als sie jetzt auch noch die Hand nach seiner Wange ausstreckte und sanft über diese strich, schloss er die Augen. Sein Herz schlug erfreut einige Takte schneller, jedes Mal, wenn sie den Körperkontakt suchte. Er genoss ihre Berührungen so sehr und, wie so oft davor, wünschte er sich, sie würden nicht enden.
 

Im Zimmer hinter dem Bad, das Snow als ihres beansprucht hatte, waren sie und Colt dabei, ihr Bett unter dem Fenster aufzubauen. Die Tür gegenüber war leicht geöffnet. Auf der Seite daneben stand der Schreibtisch, hinter der geöffneten Tür befand sich der Schrank, ähnlich wie im Zimmer ihrer Schwester.

Wie auch dort, waren hier der Boden aus hellem Laminat und die Wände in einem sanften beige gehalten. Es gab keine Zierde, kein Schmuck. Es war nur praktisch. Auch das Bett hatte einen leichten Rahmen und eine dünne Matratze, war groß genug für eine Person.

Sein Bett war größer und auch weicher, schoss es Colt durch den Sinn, während der den Rahmen für den Lattenrost zusammen schraubte.

Snow half ihm, reichte ihm Schrauben, Dübel und einen Akkuschrauber, hielt die Teile fest, wie er es ihr vorgab.

„Warum nennst du sie eigentlich dauernd Prinzessin?“, fragte sie, als Colt schließlich den Rahmen prüfte und noch einmal eine Schraube nachzog.

„Es ist ihr Spitzname, auch wenn sie ihn nicht gerne hört. Es war immer ein wenig so, als ob wir drei die Musketiere und April unsere Prinzessin ist.“ Er bewegte das Gestell, es schien soweit stabil.

Snow musterte ihn. Was waren drei Musketiere? Was wollte er ihr damit sagen? Sie runzelte die Stirn. „Aber sie ist keine Prinzessin?“, versuchte sie zu verstehen.

„Nein, sie ist keine wirkliche Prinzessin. Nur die Tochter vom Chef, von Commander Eagle. Auf die muss man ein wenig aufpassen“, grinste der Scharfschütze und sah sich nach dem Lattenrost um.

Die Weißhaarige verstand noch weniger. Warum musste man auf einen weiblichen Star Sheriff aufpassen? Noch dazu, da dieser sich in einer Symbiose befand? Sie war weder mit Colt noch mit Saber blutsverwand? Sie mochte die Tochter des Oberbefehlshabers sein, aber sie war ein Star Sheriff. Das konnte sie doch nur sein, wenn sie im Stande war sich selbst zu verteidigen. „Das ist deine Aufgabe weil?“

„Diese Aufgabe wurde mir nicht übertragen. Wir sind Freunde, da passt man aufeinander auf. Das machen wir gerne füreinander.“ Er nahm den Lattenrost von der Wand zwischen dem Bett und dem Schreibtisch und hob ihn hoch. Dann trug er ihn zum Gestell und legte ihn vorsichtig in den Rahmen.

„Es ist ein Zeichen der Wertschätzung, genauso als würde ich sie Prinzessin oder Aps nennen“, erklärte er dabei presst unter dem Gewicht und der Tätigkeit.

Snow verstand ihn nicht. Die Navigatorin lief als Partnerin in einer Beziehung außerhalb eines jeden Interesses. Sollte sie zumindest. Aber Menschen sahen ja einige Dinge anders. Vielleicht auch diese. Immerhin hatte sie solches Verhalten bei den Gästen in der Bar schon oft genug beobachtet. Erst küssten sie den einen Partner und ein paar Tage später einen anderen. War Colt einer von ihnen? Er hatte sie heute schon einmal nicht verstanden, sie hatte das mit der Symbiose noch einmal ansprechen müssen. Oder war es für ihn nicht von Belang, weil er tatsächlich an mehreren Stellen nach einer Partnerin suchte?

Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme schrillte, als diese Gedanken sich zu einem lauten Satz formten. „Du wertschätzt ja ausgiebig.“
 

In der gleichen Zeit hatten Jean-Claude und April das Regal in der Wohnküche aufgebaut und schoben es auf den Platz, an dem die Schwestern es wohl haben wollten. Dunkles Holz, lange Bretter mit viel Stellfläche für Bücher. Eine Kiste daneben enthielt die Exemplare, die sie dort reinzustellen gedachten.

So begannen sie diese einzuräumen.

Jean-Claude musterte die Navigatorin. Sie schien zu ihrer üblichen Fassung aus Ruhe und Freundlichkeit zurück gefunden zu haben. „Es geht dir besser“, stellte er schlicht fest.

„Ja, dank deiner Gesten und dem netten Gespräch mit deiner Schwester.

Er öffnete den Mund, wollte eben anmerken, dass Beth schon immer die nettere, sanftere von ihnen war, doch dann stolperte er über ihre Worte. „Meine Gesten?“

Sie nickte. „Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn du vorhin nicht so ruhig dazwischen getreten wärst. Ich war sehr aufgebracht und aufgewühlt. Du hast mich festgehalten und so geerdet.“

„Sprichst du von der Geste, die auch Colt nicht gefallen würde?“

Abermals nickte sie. „Ja, die meine ich. Ich habe mich geborgen gefühlt und das war, was ich in dem Moment gebraucht habe.“ So gut ihr seine Unterstützung auch getan hatte, sie bedauerte, dass Fireball ihr dieses Gefühl nicht vermittelt hatte, irgendwann irgendwie. Nicht während des Streites. Dazu war er in dem Moment nicht in der Lage gewesen. Aber irgendwann in der Zeit davor, als er so launisch gewesen war, wäre ein Signal, welches ihr Geborgenheit vermittelt hätte, so schön gewesen, hätte ihr heute geholfen ihn besser zu verstehen.

„Ich“, räusperte sich der Outrider. Er räusperte sich noch einmal. „Es war von Anfang klar, mit wem du dich in einer Symbiose befindest. Da mische ich mich nicht ein. Ich halte dich für eine attraktive, kluge Frau und bei uns werden Frauen achtsam behandelt.“

Das glaubte sie ihm sofort. Die Art wie er seine Schwestern behandelte, war ein klarer Beweis dafür. Seine Worte bewirkten auch eine leichte Verlegenheitsröte in ihrem Gesicht. Es war schon lange her, bedingt dadurch, dass sie beruflich viel unterwegs war und einen großen Teil der Zeit auf engen Raum mit ihrem Freund und ihren Kollegen verbrachte, dass ihr jemand außerhalb dieses Kreises ein Kompliment gemacht hatte. Wenn es vorgekommen war, war es meist eine offensichtliche Schmeichelei mit einem bestimmten Ziel. Jean-Claude allerdings hatte es wie eine unumstößliche Tatsache formuliert und damit dem Kompliment eine Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit verliehen, die sie so nun wirklich lange nicht mehr gehört hatte. Nach fünf Jahren in einer Beziehung meinte Fireball seine Komplimente ebenfalls ernst, aber sie hatten auch etwas selbstverständliches, als wüsste sie es ohnehin, dass er sie so betrachtete. Da gegen hatte sie nichts, sie freute sich über diese Komplimente. Dennoch war es schön, solche freundlichen, anerkennenden Worte mit dieser Überzeugung von jemand außerhalb ihres üblichen Umfeldes zu hören.

„Mir war das auch klar. Ich halte es für eine sehr schöne, freundschaftliche Geste. Darum habe ich nicht einen Moment daran gedacht, es wäre missverständlich.“

Falls sie noch mehr hätte sagen wollen, kam sie nicht mehr dazu. Snow Stimme hallte laut durch die Wohnung.

Jean-Claude stellte die Bücher ins Regal und sah in die Richtung, aus der er seine Schwester gehört hatte. Sein Blick streifte das Zimmer seiner jüngsten Schwester, erfasste die tiefen Blicke zwischen ihr und dem Schotten, die Art, wie sie ihre Hand an seine Wange gelegt hatte. Er hielt inne.

Snows Stimme hatte schrill geklungen. Beth war das, was Menschen als ‚Hals über Kopf‘ oder ‚bis über beide Ohren‘ verliebt bezeichneten.

Er seufzte leise. Es musste wohl sein. Es war ohnehin schon deutlich genug. Also sollte er wohl doch damit rausrücken, auch wenn er ihnen so ihre Achillesferse präsentierte. Er kannte die ihre auch. Gleich wären sie quitt.

„Colt! Saber! Auf ein Wort!" Er brüllte schon fast einen Befehl durch die Räume. Er brachte Colt die Gelegenheit hatte auf den unvermittelt Ausbruch Snows zu reagieren und hielt Saber davon ab unter dem offenen Blick Beth‘ gegen allzu weiche Knie und eine mit Blut überversorgte Körpermitte ankämpfen zu müssen.

Es überraschte Jean-Claude, wie schnell die Gerufenen sich in der Wohnküche einfanden. Er hatte mit Protest gerechnet.

Seine Schwestern nutzten den Moment sich zu sammeln und sich wieder produktiveren Arbeiten zu widmen.

Die ernste Miene des Outriders machte die Wichtigkeit dessen deutlich, was er zu sagen hatte. Leicht schien es ihm allerdings nicht zu fallen. Vielmehr hatten sie den Eindruck, er würde es aufschieben oder gar nicht aussprechen wollen. Allerdings sah er wohl keinen anderen Weg. Sein Blick prüfte die Star Sheriffs, dann öffnete er den Mund.

„Bevor ich anfange eine Frage: Was wisst ihr von Belastungen?“

Der Lockenkopf und die Blondine hoben ahnungslos die Schultern.

„Beth hat es mir vorhin erklärt“, meinte Saber leicht nickend.

„Dann erklär mal, Saber Rider“, forderte der grünhaarige ihn auf. Er war gespannt, wie gut der Schotte verstanden hatte.

„Eure Familie ist mit Emotionen belastet, zumindest sehen es die Outrider so. Ihr neigt zu Gefühlen, die eurer Rasse eher fremd sind. Eifersucht, Liebe, Wut.“

Jean-Claude presste die Lippen zusammen und verkniff sich einen frustrierten Kommentar. Ohne anwesend gewesen zu sein, wusste er, dass seine jüngste Schwester das nicht gesagt hatte. Sie konnte nur, der Wahrheit entsprechend gesagt haben, dass sie für die Verhältnisse in der Phantomzone über ein Übermaß an Emotionen verfügten. Alles andere war nicht korrekt. Das bedeutete, entweder der Captain des Friedenswächters hörte nicht richtig zu, oder sein Hirn war nicht fähig Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, wenn Beth die Überbringerin dieser war. Sabers Blutzirkulation fand dann wohl nicht mehr in dessen Gehirnwindungen statt. Eine dritte Möglichkeit war, dass sich in seine Erklärung eben Vorurteile mischten, die er im Kampf gegen die Outrider gesammelt hatte und die nun sein Verständnis beeinträchtigten.

„Diese Gefühle sind unserer Rasse nicht fremd“, begann Jean-Claude langsam zu korrigieren. „Sie sind uns sehr wohl bekannt und vertraut. Allerdings sind sie bei uns nicht so ausgeprägt wie bei euch, weil wir einen ausbalancierten Hormonhaushalt besitzen.“

„Aber eure Familie neigt verstärkt zu diesen Gefühlen, zeigt sie offener. Deswegen spricht euer Volk von einer Belastung, die es in unseren Augen nicht gibt. Denn obwohl ihr für Outrider sehr emotional seid, gleicht ihr einem sehr beherrschten Menschen“, äußerte der Recke ruhig.

„So wirkt es für euch. Für uns ist es eine Tatsache. Outrider mit einen Hormonspiegel bis zu fünfundzwanzig Prozent über dem Durchschnitt sind für unsere Führung wichtig und werden in der Regel zu Agenten ausgebildet mit denen ihr bereits zu tun hattet.“ Dabei sah er zu Colt und Saber. „Sie sind nicht empfänglich genug für eure Emotionalität, verfügen aber über genug Empathie um eure gegen euch zu verwenden. Outrider mit einem Wert von bis zu fünfzig Prozent über dem Durchschnitt werden belastender, lassen sich zu Racheakten verleiten, was nur bedingt nützlich ist. Besonders kritisch ist es mit denen, deren Werte über neunzig Prozent gehen. Die sind menschlich.“

„Von welchen Werten sprechen wir bei euch?“, erkundigte sich April interessiert. Was er gerade berichtete, erklärte ihr doch einiges.

„Ich schätze, ihr seid alle bei etwa fünfzig Prozent oder mehr“, riet der Scharfschütze nachdenklich.

„Welcher Prozentsatz ist egal. Ihr seid für eure Führung unbequem, ihr passt nicht mehr dazu“, stellte Saber fest und erhielt ein bestätigendes Nicken von dem Outrider. Dann wandte der sich an den Lockenkopf und entgegnete. „Da irrst du dich. Annabell lag bei zwanzig üD. Ich habe einen Wert von siebenundvierzig üD. Snow liegt bei zweiundneunzig üD“ Er warf Colt einen bedeutungsvoller Blick zu. „und Beth bei achtundneunzig üD.“ Er schaute den Blonden ebenso an, fragte sich, ob die beiden verstanden, was er ihnen eben gesagt hatte.

„Oha.“ Colt riss die Augen auf. Was für ein Unterschied zwischen den Schwestern. Annabell, die kühle, berechnende Verführerin, die ihn ohne Skrupel getötet hätte und Snow - temperamentvoll ungestüm und wagemutig. Tag und Nacht waren sich ähnlicher.

„So hoch. Das war mir nicht bewusst“, gab der Schotte perplex zu.

April staunte nicht weniger. In ihrem Kopf fügten sich die Informationen zusammen.

„Ihr hattet daran Zweifel? So wie meine Schwestern auf euch reagieren?“ hakte Jean-Claude nach und hob die Braue.

„Ich wusste, dass ihr besonders seid und dass eure Werte höher sind, aber ich bin doch erstaunt, dass ihr soweit über dem Schnitt seid. Ich weiß, dass Beth und Snow intensiver reagieren als andere Outrider.“ Er rieb sich nachdenklich das Kinn.

„Wären sie hier groß geworden, hier sozialisiert, würde der Unterschied nicht auffallen. Sie sind menschlich und es war hart für sie bei uns. Zu emotional, zu weich, zu impulsiv ... Du hast keine Vorstellung davon, wie viele Übergriffe von anderen sie sich aufgrund dessen gefallen lassen mussten“, führte Jean-Claude aus. Er wusste es nur zu gut. Genauso oft hatte er die beiden vor solchen Übergriffen geschützt. „Außerhalb unserer Familie war es ein Stigma für sie, besonders da Annabell so ... vielversprechend war.“

Langsam sickerte ein erstes vollständiges Verstehen in sie alle.

„Wie ist es möglich, dass ihr so unterschiedlich seid?“, wollte Colt wissen.

„Es heißt, die Symbiose unserer Eltern war übermäßig von Zuneigung geprägt. Es ist möglich, dass solche Bindungen der Grund dafür sind. Sicher ist man sich diesbezüglich nicht, aber es ist ein Thema, an dem geforscht wird. Ganz gleich jedoch, wie 'menschlich' die beiden sind, ob sie dazu gehören oder nicht, ihre Fähigkeiten könnten noch dienlich sein. Deshalb wird man sie zurück holen.“ Er sprach sachlich, auch als er ergänzte. „Ich sage euch das, um euch zu verdeutlichen, wie wichtig es für die beiden ist, hier zu sein, wie wichtig diese Zusammenarbeit ist und ...“ Er bracht ab und sah die beiden Männer an. Er ging davon aus, der Blick genügte. Seine Schwestern waren verletzbar und er sorgte sich um sie. Er würde jeden büßen lassen, und Colt wusste am besten, dass er es tun würde, der es wagte ihnen weh zu tun.

Saber nickte verstehend. „Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, damit die Mädchen und du, hier ein neues Leben aufbauen können und sicher sind“, versprach er ihm aufrichtig.

Colt nickte ebenfalls fest.

„April, ich denke, ich sollte dies auch dem KOK vortragen. Darf ich auf deine Unterstützung bei der Vorbereitung dafür rechnen?“, erkundigte sich Jean-Claude nun, da gesagt worden war, was gesagt werden musste.

„Natürlich. Beth und Snow könnten die Brücke schlagen, die es für ein friedliches Zusammenleben braucht. Sie sind sozusagen menschliche Outrider. Du kannst auf meine Hilfe zählen.“

„Ich danke dir. Sie könnten es tatsächlich.“

Damit fuhr er fort, die Bücher einzusortieren.
 

Inzwischen war Fireball wütend nach Hause marschiert. Er fasste nicht, was passiert war. Dieser grünhaarige Mistkerl mischte sich in seine Beziehung ein und April nahm ihn auch noch in Schutz. Das war unglaublich. Erst flirtete sie mit diesem Typen, dann brachte sie ihn nach Hause und nun lief sie mit ihm vor ihm, Fireball, davon.

Wenn sie die Beziehung beenden wollte, brauchte sie nur einen Ton zu sagen, aber dieses Spielchen war er leid. Ein klares Wort genügte doch, wenn er auch nicht verstand, warum sie überhaupt ein Ende der Beziehung wollte. Bis Beth und Snow in ihren Urlaub gestolpert waren und damit ihren Bruder auch gleich hinein geschleift hatten, hatten die Navigatorin und er eine gute Beziehung geführt. Natürlich hatten sie sich auch mal gestritten, waren ihre Herangehensweisen im Job teilweise unterschiedlich und ging man sich auf so engen Raum wie Ramrod auch mal schneller schlichtweg auf die Nerven. Man konnte mitten im Weltraum auch nicht mal eben abrauschen, wenn man eine kurze Auszeit vor dem anderen brauchte. Trotzdem würde er ihre Beziehung als glücklich bezeichnen.

Was also war auf einmal mit ihr los, dass sie Jean-Claude ihm vorzog. Nicht nur einen Outrider, sondern ausgerechnet noch den, der versucht hatte sie zu töten. Litt sie an einer Wahrnehmungsverzerrung ähnlich wie beim Stockholm-Syndrom, die aufgetreten war, als sie sich wiedergesehen hatten?

Er betrat die Wohnung und sah sich um. Leer war es hier ohne sie. Still und irgendwie kühl. Selbst wenn sie mit Jean-Claude sprach, statt mit ihm, war es anheimelnder gewesen als jetzt.

Er trotte den Flur hinunter ins Schlafzimmer und ließ sich aufs Bett fallen. Er spürte kaum noch, wie er auf der Matratze aufkam.

Seine Gedanken ließen ihn auch im Schlaf nicht los.

Er sah Aprils Hand. Sie bewegte sich leicht um Jean-Claudes Arm und legte sich sacht darauf. Ihre blauen Augen richteten sich auf ihn. Sie leuchteten. Ihr Lächeln erstrahlte. Der Blick des Grünhaarigen erwiderte ihren. Seine Hand strich über ihre, streichelte sie sanft. Sie wandte sich einander zu und April reckte ihm ihren Kopf entgegen. Sie flüsterten lautlos. Er beugte sich zu ihr hinunter und legte seine Lippen auf ihre. Ihre Arme glitten um seinen Hals. Er zog sie zu sich, drückte sie an seinen Körper.

Fireball warf sich von einer Seite auf die andere.

April legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen genüsslich. So genüsslich wie in ihren hingebungsvollen Momenten mit ihm. Jean-Claude war es, der seine Lippen auf die zarte Haut ihres Halses legte und darüber strich. Er sog an der Beuge ihres Halses, wobei seine Hände über ihre Oberarme wanderten und ihre Brüste umschlossen.

Fireball fuhr auf. Sein Herz raste. Er atmete hastig.

Gehetzt sah er sich um, fand sich allein im Schlafzimmer wieder.

Der Blick auf den Wecker verriet, dass er aufbrechen musste. Seine Schicht bei Jean-Claude begann bald.



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