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Enemy mine - geliebter Feind II

von

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Kapitel 2

April trug den Werkzeugkoffer in seine Wohnung. Der Outrider folgte ihr und trug die Bretter hinein. Schnaufend trabte der Rennfahrer hinter her.

Jean-Claude legte die Bretter vor die Wand, an der das Regal aufgestellt werden sollte und nahm der Blondine die dankend den Werkzeugkoffer ab.

Der Rennfahrer schob sich schnaufend an den beiden vorbei und legte die Hölzer dazu. Dann lehnte er sich keuchend an die Wand. „Jederzeit“, brummte er auf den Dank des grünhaarigen, der sicher mal nicht ihm gegolten hatte.

Der sah ihn an, musterte ihn von Kopf bis Fuß und fragte ernst: „Sollen wir einen Arzt rufen?“

Verwirrt runzelte der Gefragte die Stirn. „Was willst du mit einem Arzt? Der kann dir beim Aufbauen auch nicht helfen.“

„So wie du dich anhörst, hast du dich verletzt. Dann ist ein Arzt notwendig“, stellte der Outrider sachlich fest. Fremd war, dass jemand so keuchen und japsen konnte, wie es der Wuschelkopf tat.

April schaute verwundert von einem zum anderen. Konnte es sein, dass Jean-Claude auf seine outriderische Weise sogar fürsorglich war? Kühl und distanziert wie so oft, wie es seine Art war?

Fireball wollte frustriert den Kopf gegen die Wand schlagen, aber wahrscheinlich rief der Phantomfutzi dann tatsächlich den Rettungswagen. Auf das Tamtam hatte er wirklich keine Lust.

„Du brauchst gleich einen Arzt, wenn du mir noch weiter mit dem Gelaber auf die Backen gehst“, brummte Fireball warnend. „Mann, es sind gefühlt fünfunddreißig Grad und die beschissen Latten tragen sich nicht von allein in den zehnten Stock.“

„Wenn du dich nicht verletzt hast, warum hechelst du wie ein gejagter Hund und drohst mir körperliche Versehrtheit an.“ Jean-Claude schien die Drohung wenig zu beeindrucken und April erkannte hinter seiner Sachlichkeit das Missverständnis der unterschiedlichen Völker. Der grünhaarige machte nun zum wiederholten Male den Zustand des Wuschelkopfes zum Thema. Offensichtlich lag hier das Missverständnis vor und Fireball erkannte es in seiner schlechten Laune nicht, fühlte sich eher noch provoziert.

„Warum kümmern wir uns nicht um das Regal?“, schlug die Navigatorin vor, um das Thema zu wechseln. „Fireball, da drüben steht was zu trinken. Bediene dich doch.“ Ein kühles Getränk erfrischte ihn sicher und hob seine Stimmung vielleicht wieder. Ein Spaß war es sicher nicht gewesen, die Latten hier rauf zu schleppen, wie er gesagt hatte, da tat eine Cola und eine Pause sicher gut. „Ich helfe Jean so lange mit dem Regal.“

Verdutzt schaute der Rennfahrer seine Freundin an. Statt ihm zu helfen und ihn in Schutz zu nehmen, zog sie es also vor, den Outrider zu unterstützen. Trotz der Hitze fror er innerlich. Abstand wollte sie auch noch. Da war ihm doch fast alles klar. Er trotte zu der Getränkekiste vor dem Balkonfenster und brummte, dem grünhaarigen im Vorbeigehen zu. „Ich jag dich mal zehn Stockwerke mit Ballast hoch. Nach ner Nachtschicht. Dann ist der hechelnde Hund noch ein Kompliment.“

Dann langte er nach einer Flasche aus der Kiste, öffnete sie und stürzte den Inhalt seine Kehle hinunter.

Jean-Claude hatte Mühe ein Kopfschütteln zu unterdrücken. Was sollte schon dabei sein nach einer Nachtschicht zehn Stockwerke bei Hitze ein paar Latten rauf zu tragen? Kein Outrider würde darüber jammern, aber Menschen schienen da offenbar eine andere Belastungsgrenze zu haben.

„Ich verstehe nicht, wo die Schwierigkeit sein soll?“, gab er schulterzuckend zu.

„Ich denke, wir sind da einfach anders als ihr“, bemühte April sich um eine diplomatische Antwort, die hoffentlich auch Fireball wieder beruhigte. Allerdings hatte sie sich da verrechnet.

„Hoffentlich gibt's da einen Unterschied“, maulte der.

„Du meinst, abgesehen von unserem Wasserkonsum und unserer Fähigkeit ohne Sauerstoff auszukommen? Wir können unsere Haare nicht färben“, antwortete er und begann die Rahmenlatten aufzustellen. Dann prüfte er die Stellen, an denen sie zusammen geschraubt werden mussten um später die Bretter darauf zu legen. April half ihm dabei.

„Lass uns das Regal zusammenbauen. Ich will irgendwann noch ins Bett.“ Missmutig leerte der Rennfahrer die Flasche und stellte sie in die Kiste zurück.

„Niemand hält dich davon ab. Genauso wenig, wie dich jemand zurück hält, falls du gehen willst. Du kannst auch da drüben schlafen.“ Dabei wies Jean-Claude auf die Schlafnische, in der sein Bett schon aufgebaut worden war.

„Soll das Regal hier stehen?“, erkundigte sich April und sortierte, auf sein Nicken hin, die Teile auf den Boden, so dass sie sie leichter zusammen montieren konnten.

Fireball beobachtete die beiden. Sie arbeiteten Hand in Hand, verstanden sich beinahe wortlos und er stand daneben, wie bestellt und nicht abgeholt. April ignorierte ihn einmal mehr, half, einmal mehr, Jean-Claude. Der hatte ihn auch noch, Fireball fasste es nicht, aus der Wohnung komplimentiert. Das war einfach nur dreist. Grollend ballte er die Fäuste.

„Das hättest du gerne. Ich lass dich sicher nicht mit MEINER Freundin allein in DEINER Wohnung“, bellte er. Womöglich weihten sie dann das Bett ein und so schmal wie das war, konnte man sie nur darauf stapeln.

Beide hielten überrascht inne, als sie so angefahren wurden.

„Ich hätte gern die Wohnung eingerichtet, damit ich hier bleiben kann. Ich habe für deinen Hormonüberschuss keine Zeit“, entgegnete Jean-Claude schlicht und trocken, während Aprils Fassung zu bröckeln begann. Was sollte das nur gerade?

„Wenn man mit dir nicht arbeiten kann, geh besser und überlege dir gründlich, was oder WEN du als dein Eigentum bezeichnest!“, versetzte sie. Ihre Stimme bebte vor Empörung, nicht nur über sein gereiztes Verhalten sondern auch über den Besitzanspruch, den er da vermeldete, als hätte sie gar nichts zu sagen.

Das schlug dem Fass den Boden aus.

Darin waren sie sich einig.

„Ich bezeichne dich nicht als Eigentum“, polterte der Hitzkopf nun los. „Ich frag mich aber mittlerweile, was das alles hier soll? Du kommst mit ihm“ Er wies auf Jean-Claude. „von der ersten Besprechung zu Ramrod zurück, lachend, Arm in Arm. Du quartierst ihn bei UNS zuhause ein, ohne das vorher abzusprechen. Egal, worüber wir die letzten Wochen gesprochen haben, es ging immer um ihn. Du hast kein anderes Thema mehr, keine Lust mehr auf irgendwas. Seit der ganze Zirkus mit ihm und seinen Schwestern angefangen hat, haben wir keine zwei Minuten mehr für uns gehabt. Jetzt darf ich mir auch noch die Nächte um die Ohren schlagen. Mir reicht's langsam mal.“

Unter dem Schwall an Vorwürfen wich ihr die Farbe aus dem Gesicht. Erst hatte sie überlegt, wie sinnvoll eine Erklärung wohl sein würde, dann strich sie den Gedanken. Auch zu äußern, dass sie mitten in der Nacht, wenn sie schon schlief oder dabei war ins Reich der Träume zu dämmern, kein Zeitpunkt war, in dem sie hätte darüber reden wollen oder können und das es bei Tage aufgrund seiner wortkargen Miesepetrigkeit auch nicht so aussah, als könne sie das Problem aus der Welt schaffen, sich erklären oder rechtfertigen. Zwecklos. Jedes Wort. Ruhe und Sachlichkeit erreichten ihn nicht. Doch ganz auf sich sitzen lassen konnte sie das Gesagte auch nicht.

„Hättest du einen Ton zu alledem einmal früher gesagt, hätte man darüber reden können. Aber so werde ich mich nicht mit dir unterhalten. Du bist unsachlich und ... argumentierst wie ein kleines Kind“, erklärte sie entschieden. Wenn ihre Stimme doch nur nicht zittern würde. „Mir reicht es auch, dass du nur vor dich hin grummelst und deine Laune an alles und jedem auslässt, ob er nun was dafür kann oder nicht.“

Der Outrider beobachtete die beiden Streitenden. Während April blass geworden war und ihre Stimme verhalten bebte, war der Rennfahrer tatsächlich Zornesrot. So sah das also aus. Seine Arme waren angespannt, seine Fäuste geballt, als könne er so die Fassung wieder erlangen, die ihm vor einiger Zeit schon flöten gegangen war. Doch dieser physische Versuch seine Psyche zu beherrschen scheiterte. Jämmerlichst.

„Wann hättest du dir die Zeit genommen? Alles andere war wichtiger für dich. Egal, wann ich mit dir sprechen wollte, du hattest keine Zeit oder keine Lust. Erzähl mir nicht, dass in dir nicht der Frust aufsteigen würde, wenn ich einfach irgendeine Frau zuhause einquartieren würde. Ich wüsste echt gern, wie freundlich du dabei bleiben würdest, wenn ich Claudia Firenza rund um die Uhr so betüddeln würde, wie du Jean-Claude.“

Das völlige Übergehen ihrer Worte, das pure Auspeien seiner und, das hatte Jean-Claude bereits der Besitzverdeutlichung verstanden, die Eifersucht verschlugen der Navigatorin die Sprache.

„Es geht hier um Personenschutz“, setzte sie an, doch war auch ihre Aufregung nun zu groß und übermächtig.

Jean-Claude schob sich zwischen die beiden und wandte sich ruhig an den Rennfahrer. „Die Dame sagte, sie wird sich nicht mit dir unterhalten, so lange du so redest. Mäßige deinen Ton oder verlass diese Wohnung.“ Er würde ihn grundsätzlich auch ohne große Worte vor die Tür setzen, Worte verstand er gerade nicht, aber dann müsste er handgreiflich werden und das würde der Wütende sich nicht gefallen lassen. Jean-Claude hatte auch kein Problem damit seinen Blaster zu ziehen und so seinen Worten Nachdruck verleihen. Nicht, dass er ihn erschießen würde. Das wär das dümmste überhaupt, aber auch zum Drohen war es schlecht. Er war auf den Hexenkessel da angewiesen und konnte es sich nicht leisten, ihn non-verbal aus der Wohnung zu befördern. bei dessen hitzigen Zustand rechnete er fest mit Widerstand und Tätlichkeit und am Ende – ob der Outrider nun ein Recht dazu hatte oder nicht – stand seine Zusammenarbeit mit dem Oberkommando und damit der Schutz seiner Schwestern auf dem Spiel. Er konnte also nur ruhig bleiben, so wenig wie möglich Angriffsfläche bieten, einstecken und den Rückzug antreten, wenn es denn notwendig war. Darüber war er sich im Klaren und deshalb überraschte es ihn auch nicht, als Fireball ihn am Kragen packte.

„Misch dich nicht ein, das geht dich nicht das geringste an!“, brüllte der um gleich darauf April anzuschreien. „Du nimmst den Personenschutz mittlerweile etwas zu ernst. Anders als Colt und Saber bist du in einer Beziehung! Wenn du das anders siehst, wär's nett gewesen, wenn du mir das früher mal mitgeteilt hättest!“

Genau das. Wäre er nur nicht von dem auch abhängig. Entschieden löste Jean die Hände von seinem Kragen und trat deutlich zur Seite, damit bezeugt werden konnte, dass er die Konfrontation nicht seinerseits handgreiflich war. „ Es hat keinen Sinn, mit dir zu reden. Du bist übernächtigt, überreizt, blind und hormonbeladen. Wenn du diese Wohnung nicht verlässt, werden wir es tun“, erklärte er kühl und sah zu April. „Wenn du das möchtest“, versicherte er sich wärmer bei ihr.

Sie nickte, stimmte ihm voll und ganz zu. Fireball bestand aus nichts als Eifersucht. Davon allerdings reichlich. Sie nahm den Arm an, den Jean-Claude ihr anbot. Das beruhigte sie und das innere Beben erschütterte sie nicht mehr ganz so heftig.

„Es ist übrigens nicht erforderlich, dass du jemand in diesem Raum auf den jeweiligen Beziehungsstatus hinweist. Der ist uns allen wohl bekannt.“ Dann legte er seine Hand auf die Aprils. Vielleicht half ihr das, sich zu beruhigen.

Sie wollte weg. Jean-Claude führte sie aus der Wohnung unter den fassungslosen, zornigen Blicken des Rennfahrers. Ehe sie durch die Tür traten, sah sie sich noch einmal nach ihm um.

„Wir sehen uns heute Abend, Fireball“, sagte sie leise.

„Ich bin mir da nicht so sicher!“ Er wusste selbst nicht, ob er ihr oder Jean-Claude geantwortet hatte. Er raste innerlich. Er tobte. Er hätte brüllen können, dass es in ganz Yuma-City zu hören war, aber er fuhr sich nur wild durch die Haare. Schon wieder führte der Outrider seine Freundin am Arm und warf ihm so überheblich irgendwelchen Unsinn an den Kopf. Übernächtigt? Hormonbeladen? Was wusste der schon davon.

Wollte er April heute Abend überhaupt noch über den Weg laufen? Sie einmal mehr mit Jean-Claude turteln sehen? Er konnte auch in einem Hotel übernachten und hatte dann wenigstens seine Ruhe. Aber das hieße, dass Feld zu räumen und so leicht gedachte er es Jean-Claude dann doch nicht zu machen.
 

Der Fahrstuhl brachte die beiden ins Erdgeschoss.

„Möchtest du nach Beth und Snow sehen?“, erkundigte sich April leise. Er warf ihr einen prüfenden Blick zu, dann nickte er.

Das war ein guter Vorschlag. Er konnte seine Schwestern besuchen und sie hatte die Möglichkeit mit ihren Kollegen, die gleichzeitig auch ihre Freunde waren, über das zu sprechen, was sich eben ereignet hatte.

Eine Herausforderung für Saber Rider, der nun also in zwei Positionen angesprochen wurde. Zum einen wollte April sicher seinen Rat als Freund hören, zum andern konnte er als der Captain der Ramrod-Crew den Rennfahrer nicht ungemahnt lassen, der seinem Schützling gegenüber handgreiflich geworden war. Man hatte ihm versichert, so etwas käme nicht mehr vor. Jean-Claude wog ab, ob und wie sehr das tatsächlich ein Problem darstellte. Im Grunde juckte ihn die Eifersucht des Rennfahrers nicht. Die war dessen Problem und nicht die des Outriders. Der wusste genau, dass April für ihn nicht als Partnerin infrage kam. Schon allein, wegen ihrer Beziehung zu dem Wuschelkopf. Aber die Tätlichkeiten, die waren ein Thema, da sie aus einer Kurzschlussreaktion entstanden waren, ähnlich wie bei diesem Arasmus. Das konnte er so nicht auf sich beruhen lassen.
 

Sie überquerten die kleine Rasenfläche, die die Gebäude von einander trennte, während sie so ihren Gedanken nachhingen.

Selbst im Aufzug lösten sie die Arme nicht von einander, auch wenn Jean-Claude nicht mehr seine Hand auf ihre gelegt hatte.

Auf dem Stockwerk verriet die angelehnte Tür, wo sich de Wohnung der Schwestern befand. Vorsichtig öffneten sie diese.

Ihr Blick fiel an der geschlossenen Tür zu Snows Zimmer vorbei in die Kochecke, in der sich Saber und Beth befanden.

Der Schotte stand vor der Anrichte, auf der die jüngste der Schwestern saß, und hielt diese innig an sich gepresst. Sie hatte ihre Arme um seinen Hals gelegt und glitt immer wieder liebkosend über seinen Nacken. Die Küsse, die sich beide schenkten, waren sichtlich leidenschaftlich und, sehr zu Jean-Claudes Erleichterung, von gegenseitiger Zuneigung geprägt. Dass die Hände des Recken ihre Taille umfassten, störte ihn angesichts zweier Tatsachen nicht. Zum einen signalisierten die Arme seiner Schwester um dessen Nacken nicht die gleiche hormonelle Bereitschaft, die der Schotte durchaus ausstrahlte und die wohl deutlich intimer ausfallen würde, erhielte er dieses Signal von ihr, wären ihre Hände ebenfalls um seine Gürtellinie geschlungen. Zum anderen kannte er die Gedanken seiner Schwester bezüglich des blonden Recken, wusste daher, wie ernst es ihr war und wie wenig sie Gefahr lief von ihm enttäuscht zu werden. Trotz ihrer … Belastung … war sie aufmerksam und bedacht wie jeder Outrider auch.

So überraschte ihn den Anblick nur sehr wenig. Er räusperte sich vernehmlich und neckte seine Schwester leicht.

„Oh, Bio … so belastet.“ Seine Stimme war mild. Trotzdem löste sich der Schotte rasch und trat einen Schritt zurück. Beth lächelte ihren Bruder verstehend an.

„Hey, ihr zwei.“, grüßte er so unbefangen wie in dieser Situation eben möglich.

„Warum so erschrocken, Saber Rider?“ Jean-Claude belustigte dessen Verhalten.

„Kommt nicht immer gut an, wenn große Brüder sehen, wie kleine Schwestern geküsst werden.“

Der hob die Schultern. „Warum auch immer“, erwiderte er beiläufig. Nichts an dem, was er eben gesehen hatte, schien ein Eingreifen seinerseits erforderlich zu machen.

„Seid ihr mit der Wohnung schon fertig?“, erkundigte sich der Schotte nun und warf einen Blick auf April, die sich eher hinter Jean-Claude hielt, als neben ihm.

„Jean-Claude hielt es für klüger, wenn wir nach euch sehen, während da oben noch ein Orkan wütet“, erwiderte sie, eher um Ruhe bemüht, als tatsächlich ruhig.

Saber hob die Brauen. Das Gespräch mit Colt am Vorabend fiel ihm wieder ein. Hatte der Scout also Recht gehabt. „Ist alles ok?“, erkundigte er sich besorgt.

„Euer Pilot ist dabei, in der Wohnung zu wüten und unsinnige Vorwürfe zu erheben. Er weist nachdrücklich auf seinen Beziehungsstatus hin“, erläuterte der Outrider.

Die Navigatorin nickte. „Ja, das beschreibt es gut. Man kann gerade nicht mit ihm reden. Er schreit nur und ist unsachlich“, bestätigte sie leise.

Beth schaute auf die Blondine. Ihre sonstige Offenheit fehlte gerade, ihre Souveränität ebenso. Was auch immer es mit dem „Wüten des Orkans“ auf sich hatte, es schien sie aus der Bahn zu werfen. Die junge Outriderin öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche heraus. Diese reichte sie der Navigatorin und strich ihr, wie Menschen es so oft taten, tröstend über den Arm.

April nickte dankbar auf diese Geste.

Dann verschwand die junge Frau mit dem blass lila Haar im Zimmer ihrer Schwester. Für das Problem, das April hatte, brauchte sie wohl gerade ihre Freunde, auch wenn sie eben auch ihre Kollegen waren.

Colt drückte ihre Schwester an sich, ließ seine Hände über ihren Hintern gleiten und hatte, so wie es aussah, seine Zunge in ihrem Hals, falls das anatomisch möglich war. Snows Hände ruhten in seinem Nacken, während sie offenbar die anatomischen Möglichkeiten ihrer Zunge erprobte.

Beth tippte Colt auf die Schulter. „April hat ein Problem“, schickte sie sie der Geste hinterher.

Widerstrebend löste sich der Cowboy von den verführerischen Lippen Snows und schaute Beth an.

„Probleme?“, echote er abwesend.

„Irgendetwas mit einem ‚Orkan, der ein Jeans Wohnung wütet‘.“

Damit hatte sie seine ganze Aufmerksamkeit.

„Wo ist sie?“

Beth wies in Richtung der Wohnküche. Entschuldigend schaute er Snow an, doch die nickte schlicht und folgte ihm dahin.
 

Die Schwestern hielten sich etwas abseits der Gruppe, die sich um die Navigatorin gebildet hatte. Sie konnten die Mienen der Beteiligten gut sehen und waren gespannt darauf zu beobachten, wie eine Situation gemeistert wurde, in der die Rollen der Beteiligten so vermischt war, kam nun wahrscheinlich nicht nur Kollegen und Vorgesetzte zusammen, sondern auch Freunde. Damit würde es für die beiden Outriderinnen gleich sehr interessant.
 

„Hey Prinzessin, was ist los?“, erkundigte sich Colt sofort, als er zu April, Saber und Jean-Claude trat.

Snow verzog unwillig das Gesicht, beobachtete aber aufmerksam.

Die Gefragte seufzte leicht und begann zu erzählen, was in der Wohnung des Outriders gesagt worden war, wie es zu dem Disput zwischen ihr und dem Rennfahrer gekommen war und weshalb sie und der Grünhaarige diese schlussendlich verlassen hatten. Es auszusprechen beruhigt sie ein wenig, ließ sie sachlich auf die Ereignisse sehen. Gleichzeitig spürte sie deutlich in sich, wie wenig sie das Verhalten ihres Freundes verstehen konnte.

„Ach sch.... Das tut mir leid, April“, brachte Colt hervor, als sie geendet hatte. Ihr Bericht klang so frustriert, wie die Auseinandersetzung, die er beobachtet hatte. Er hatte also Recht gehabt mit seiner Befürchtung. Er wünschte, er hätte sich geirrt.

„Ich nehme es mal nicht aber, aber ich frage vorsichtshalber doch nach. Hast du ihm irgendwie etwas vermittelt, dass er auf die Idee kommt?“, erkundigte sich der Schotte behutsam. Die Frage eines Freundes, wie Beth und Snow bemerkten. Die drei waren gerade vollkommen in ihrer Rolle als Freunde.

Die Navigatorin überlegte einen Moment ehe sie den Kopfschüttelte. „Ich habe tatsächlich keine Ahnung wie. Ich meine, ich habe mich entschuldigt, dafür, dass ich nach unserem ersten Treffen mit meinen Vater nicht angerufen habe, Saber.“ Das war nicht allzu rücksichtsvoll gewesen, es war vollkommen klar, dass diese Entschuldigung notwendig gewesen war. „Gegen die Aufteilung hat er bisher nichts gesagt, ich hab erst heute erfahren, dass es ihm nicht passt“, grübelte sie weiter. „Über die Schichten wollte ich noch mit ihm sprechen, wenn er in einer Stimmung gewesen wäre, in der man mit ihm über so etwas sprechen kann.“ Sie bemühte sich wirklich, doch sie konnte nicht erkennen, was ihn allen ernstes derart aufgebracht hatte.

„Vielleicht liegt die Wurzel eures Krachs beim Beginn der Mission. Ich weiß es zwar nicht genau, aber vielleicht war das der Grund“, überlegte der Schotte laut.

Colt kratzte sich am Ohr und schaute von seinem Boss zur Navigatorin. Diese hatte ihre Hand noch immer in der Armbeuge des Outriders, weil es sie immer noch beruhigte.

„Na ja, blind ist er nicht. Hat er das vielleicht in den falschen Hals bekommen?“ Er hob die Brauen und wies auf die Arme der beiden. Jetzt lösten sie sich von einander.

„Aber keiner kann etwas dafür, wenn so etwas im Urlaub passiert“, wandte sie sich an Saber, während der Outrider irritiert schien.

„Das kann missverständlich sein?“

„Ganz ehrlich? Ich würde jetzt auch nicht gerade Freudensprünge machen, wenn ein anderer das mit meiner Freundin macht.“

Jean-Claude hob die Brauen. „Ich hielt es für eine Geste der Höflichkeit, ein Zeichen des Respekts eines Mannes gegenüber einer Frau.“

„Eifersucht war doch bisher kein Thema“, wunderte sich der Recke.

„Nein, war es nicht, nie ernsthaft und nie in dem Ausmaß.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das ist es auch“, erläuterte sie dann dem Outrider, „ eine Geste der Höflichkeit und das war in Ordnung so, sonst hätte ich es abgelehnt.“

„Es scheint, als hätte Fireball das alles tatsächlich in den falschen Hals bekommen. Es ist bestimmt nur ein Missverständnis.“ Saber legte die Hand ans Kinn und überdachte die Situation noch einmal, die ihm seine Navigatorin geschildert hatte.

„Da hilft nur eines, April, auch wenn das gerade mit Fireball nicht hinhauen dürfte, so wie du seinen Ausbruch beschrieben hast. Setzt euch zusammen und redet. Nur ihr beide“, schlug der Scharfschütze vor.
 

Sie waren also immer noch auf der Ebene der Freundschaft, stellten die Schwestern fest. Vom Vorgesetzen oder Kollegen war nichts zu spüren. Offenbar war es bedeutender, zunächst die zwischenmenschliche Angelegenheit zu klären, ehe man sich um berufliche kümmerte. Stimmte das soziale Gefüge nicht, war es um das andere auch schlecht bestellt. Oft genug hatten die Schwestern dies aus Gesprächen ihrer Gäste heraus gehört. Nun bestätigte es sich für sie einmal mehr.
 

April schien ruhig zu sein, doch ihre Körpersprache verriet sie. Immer wieder bewegte sie die Hände ineinander, verschlang und verflocht ihre Finger, biss sie sich unbewusst leicht auf die Unterlippe und war ihr Blick ein wenig unstet. All diese Zeichen widersprachen der souverän aufrechten Körperhaltung und den zurück gezogenen Schultern. Sie wäre gern ruhig und sicher, aber sie war doch aus dem seelischen Gleichgewicht.

Jetzt überdachte sie den Vorschlag sichtlich, schüttelte aber den Kopf. „Ich bezweifle, dass das klappt“, antwortete sie ernst. Dachte sie an den Ausbruch ihres Freundes vor einigen Minuten, war sie sich absolut nicht sicher, ob sie ruhig und sachlich mit ihm reden konnte. Sie hatte sich um diese beiden Voraussetzungen bemüht, doch er war an die Decke gegangen, noch mehr, als Jean-Claude sie unterstützt hatte. Im Augenblick befürchtete sie, dass nur die Erwähnung seines Namens zu neuerlichen unsachlichen Vorwürfen führen würde.

„Nachdem, was ich erlebt habe, habe ich ebenfalls ernsthafte Zweifel, dass das eine gute Idee ist“, stimmte der Outrider ihr zu. „ Er neigt immerhin zu Handgreiflichkeiten.“

Colt und Saber rissen überrascht die Augen auf. Hatten sie bei Aprils Bericht nicht richtig hingehört, oder hatte sie das ausgelassen, um sie nicht zu beunruhigen? Vielleicht auch, um Fireball nicht als unbeherrscht erscheinen zu lassen oder ihn und sich vor etwas zu schützen, dass einen von beiden bloßgestellt hätte.

Die Blicke ihrer Freunde prüften sie und den Grünhaarigen.

„Was ist vorgefallen?“, verlangte der Schotte sachlich zu wissen.

„Er hat Jean am Kragen gepackt, als er mich unterstützt und Fireball ebenfalls gebeten hat zu gehen“, erwiderte die Blondine.

„Sie sagte ihm, er solle sich beruhigen oder gehen, was er nicht beachtet hat. Ich hielt es für notwendig, ihr Anliegen zu unterstützen“, ergänzte der ruhig.

Nachdenklich strich Saber sich über das Kinn. Das war überhaupt nicht gut. Zwei Dinge waren daran problematisch. Zum einen hatte Fireball ausgerechnet seinen Schützling am Kragen gepackt, was den Absprachen vom Vortag eindeutig widersprach. Zum anderen äußerte sich jemand wie der Outrider nicht ohne Grund besorgt. Er schätzte Situationen klar und sachlich ein, konnte sie objektiv und konstruktiv bewerten. Wenn er Aprils Bedenken unterstützte, gab es Anlass zur Sorge.

„Da hat unser Hitzkopf aber ordentlich daneben gegriffen“, brachte Colt hervor. So außer sich geriet Fireball, bei allem Temperament das er besaß, dann doch sehr selten. Es musste mächtig in ihm kochen. Aber selten, nein, noch nie war es vorgekommen, dass der Rennfahrer alles in sich rein fraß und dann explodierte. Normalerweise waren die Anzeichen dafür offensichtlicher, sprach der Wuschelkopf sie vor allem auch an. So gesehen verstand der Lockenkopf auch, weshalb April sich keinen Reim auf alles machen konnte und ebenso überrascht von dem Verhalten ihres Freundes war, wie der Rest von ihnen.

„Ich halte es nicht für die Art, wie man mit einer Frau umgeht, aber das ist nur meine Meinung. Außerdem ist es ausgesprochen unprofessionell gelaufen, wenn ich das mal anmerken darf. Gestern wurde uns versichert, wir wären vor hormonellen Kurzschlüssen sicher“, stellte Jean-Claude kühl fest.
 

Endlich war die Sachebene erreicht und mischte sich in die soziale. Jetzt wurde es spannend. Beth und Snow beugten sich interessiert ein wenig nach vorn, standen allerdings immer noch abseits, so dass ihre Bewegung niemand auffiel. Dafür waren die anderen vier zu sehr in ihr Gespräch vertieft.
 

Hinter Sabers Stirn arbeitete es angestrengt. Jean-Claude hatte Recht. Fireball hatte einen Rivalen, keinen Schützling, in dem Grünhaarigen gesehen und ihn wie einen solchen behandelt. Vom Standpunkt des Kollegen und Freundes aus, war es für den Recken ebenso nachvollziehbar wie vom Standpunkt des Outriders, der zu Recht für seine Zusammenarbeit den zugesicherten Schutz beanspruchen konnte. Hier waren Positionen vermischt worden, einmal mehr. Es war schon bei Arasmus so geschehen. Nun wiederholte es sich und die Professionalität nicht nur der Ramrod-Crew, sondern des gesamten Kavallerie Oberkommandos stand auf dem Spiel. Wenn noch einmal etwas Ähnliches geschah, konnte Jean-Claude, nein er würde es garantiert tun und mit seinen Schwestern aus ihrem Umfeld abtauchen und die beiden so vor Gefahr schützen. Saber konnte nur eines tun.

„Das verstehe ich und dafür entschuldige ich mich.“ Das war ausgesprochen unangenehm. Nicht weil er sich entschuldigen musste. Fehler zu zugeben war für ihn kein Problem. Doch so kurz nach einander musste es wie leere Worte klingen. „Der Angriff galt nicht dir als Outrider, Jean.“ Der nickte. Das war ihm vollkommen klar. „Ich werde Fireball abmahnen. Wenn du das wünscht, werde ich ihn abziehen. Trotz dieser Situation bin ich aber überzeugt davon, dass er angesichts eurer kritischen Lage die beste Wahl ist. Er ist loyal. Diese Handgreiflichkeiten werden ein Ende haben.“

„Ich verliere mein Vertrauen in deine Entschuldigungen“, bestätigte Jean-Claude seine Befürchtungen. Er schaute zu seinen Schwestern, las in deren nachdenklichen Gesichtern. Dann presste er kurz die Lippen zusammen und sah den Schotten wieder an.

„Wenn nötig, ziehen wir Fireball die Hammelbeine lang. Mehr als unser Versprechen können wir dir nicht geben. Aber er ist kein Arasmus“, versicherte auch Colt und unterstützte so seinen Boss.

Jean-Claude nickte knapp

„Welche Optionen hat sie? Wie wollt ihr sie unterstützen?“, fragte er weiter und nickte in Richtung der Navigatorin. Das musste auch geklärt werden, sonst würden sie das Versprechen nicht halten können. Ganz abgesehen davon, war es dem Outrider zu wider, wie der Rennfahrer sie behandelt hatte. Eifersucht oder nicht, dass hatte sie nicht verdient und auch jetzt noch veranlassten ihren angespannt in einander verflochtenen Finger ihn, ein wachsames Auge auch auf sie zu haben.

Der Schotte schaute sie betreten an. „Du hältst es selbst nicht für wahrscheinlich, mit Fireball heute noch vernünftig zu reden?“ Sie überdachte die Frage. Er hoffte, sie würde ihm widersprechen, sagen, dass sie es heute noch klären konnte. Andernfalls musste er wohl McLeod bitten die Schicht zu tauschen. Das musste er wohl ohnehin, damit er selbst mit dem Rennfahrer reden konnte. Auch das durfte er nicht auf die lange Bank schieben. Im Gegenteil. „Soll ich mit ihm reden?“, bot er an.

„Heute hat es keinen Sinn mehr. Er ist gereizt und übermüdet. Es würde wieder eskalieren. Wenn er sich morgen beruhigt hat, spreche ich mit ihm. Sonst komme ich auf dein Angebot zurück.“

Sie hoffte, sie konnte das Problem klären, ehe Saber seine Abmahnung aussprach. Das wäre Öl im Feuer.

Die Geschwister tauschten einen Blick mit einander.

„Okay“, meinte ihr Bruder dann schlicht.

„Einverstanden“, nickte auch Saber und hoffte, die beiden konnten es regeln. Fireball abmahnen zu müssen, konnte unter Umständen eine größere Herausforderung werden, so lange der sich nicht beruhigte und zwischen Job und Privatleben unterschied. Aber er hatte keine Wahl. Er musste seinen Job ebenso machen, wie der Rennfahrer und die Chef-Karte ausspielen, wenn es nicht anders möglich war.

Damit war für den Outrider alles geklärt.

„Wie weit seit ihr mit dem Einrichten?“, wollte er daher wissen.

Seine Schwestern pressten ertappt die Lippen zusammen und auch Colt und Saber wussten nicht so recht, wie sie darauf antworten sollten.

Das war Auskunft genug für Jean-Claude.

„Wir sollten wenigstens das heute fertig bekommen. Snow, komm, hilf mir. Unten steht noch ein Regal“, schob er die Arbeiten an.



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