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Diplomatie im Auftrag seiner Majestät

von

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Lang lebe der Papst

Aramis saß scheinbar unbeteiligt an einem Tisch, in der hintersten Ecke im Wirtshaus. Eine Spelunke wie es sie auch überall in Frankreich zu finden gab. Lediglich die Sprache war eine andere. Sie hatte den Kopf tief gesenkt und starrte auf den, von vielen Zähnen gezeichneten Holzbecher herab. Ihre Kehle war wie ausgedörrt, aber sie rührte das mit Wein gefärbte Wasser nicht an. Aus dem Halbdunkel ihrer stillen Ecke, beobachtete sie Heydon. Der Sekretär saß am anderen Ende der Schenke und schien zu warten. Aramis wusste längst auf wen er wartete. Aber wie sollte sie ein Treffen verhindern, bei dem vielleicht Informationen die Seite wechselten, die sowohl England als auch Frankreich schaden konnten?

Am Nachmittag hatte es in Strömen geregnet. Mit Beginn der Nacht kam schließlich der Nebel hervor gekrochen. Sie brauchte nur Heydon abzupassen. Aramis wusste, dass er nicht die breite Prachtstraße zum Außentor von Whitehall nehmen würde, sondern den Seitenweg, der zur Themse führte. Im Schatten einer Statur, hatte sie geduldig gewartet. Als langsam die ersten Fackeln entzündet wurden kam er. Eiligen Schrittes war er an ihr vorbeigelaufen, ohne sie zu bemerken. Sie löste sich aus dem Schutz der barbusigen Jagdgöttin Diana, ihre Schritte passten sich den seinen an und nahmen die Verfolgung auf. Whitehalls Weg nach London führte über die Themse. Entweder man überquerte den breiten Strom, über Londons einziger Brücke, der Tower Bridge oder in einem der zahlreichen Boote an seinem Ufer. Die blaublütigen Bewohner des königlichen Palastes, passierten in prächtigen Karossen die Brücke, um in das profane Bürgertum der Hauptstadt einzutauchen. Für das Verborgene und Heimliche, blieb der direkte Weg über das Wasser. Die Bootsleute fragten nicht, wenn genügend Schillinge die Hand wechselten. Auch Heydon hatte diesen Weg gewählte. Der Nebel kam und wurde schnell dichter. Er schlich durch Seitenstraßen und kleine Gassen. Aus dem Boden stieg er, vom Fluss kroch er, senkte sich vom Himmel herab. Trotz später Abendstunde hatte ein reges Treiben am Fluss geherrscht. Der breite Strom war mit kleinen Booten oder schweren Fährbooten übersäht gewesen. Verborgen unter der weiten Kapuze ihres dunklen Umhangs, folgten ihre Augen Heydon's Boot, während ihre Barke schwankend die dunklen Wellen durchbrach. Der Fährmann stand schweigend am Bug. Am anderen Ufer hatte sie ihre Verfolgung fortgesetzt. Heydon's Weg führte nach Newmarket. Er ließ die Prachtstraßen und Prunkbauten hinter sich und drang immer tiefer in die City vor. Geschäftige Bürger und Händler hatte ihr die notwendige Deckung gegeben, um dem Verschwörer Widerwillen unentdeckt folgen zu können. Sie durchquerten die ärmeren Viertel, dessen Häuser aus Holz erbaut waren, nicht aus Stein. Der Abfall wurde auf die Straßen gekippt. Das Vieh rannte durch die Gassen, dessen grobe Pflastersteine unter Kot und Dreck verborgen lagen. Nie zuvor war sie alleine und zu solch später Stunde in London gewesen. Sicherlich schlich das Gefühl von Angst sich ein, als sie in die dunklen Straßen und Gassen eintauchte. Es wäre Wahnsinn gewesen sie nicht zu fühlen. Es war etwas anderes alleine in der Nacht durch Paris zu laufen, einer Stadt die ihr vertraut war. Dies war London und unter dem weiten Umhang verbarg sich ein kräftemäßig unterlegener Frauenkörper, dazu noch der einer Ausländerin. Aber die Anziehungskraft des Abenteuers war da. Nie konnte sie sich seiner Faszination entziehen. Ihre Hand lag griffbereit auf der Waffe an ihrem Gürtel. Wenn sie verängstigt und müde war, doch zu stur und stolz, um sich das zuzugestehen, dann wollte niemand ihren Gesichtsausdruck hinter einer geladenen Waffe sehen. Es war vielleicht das letzte, was er sah. Der Schlag ihres Herzens wurde ruhiger, als sie Heydon in ein besseres Viertel folgte. Endlich waren die Häuser wieder aus Stein, die Straßen breiter, sauberer und die Dunkelheit von einzelnen Fackeln, in eisernen Trägern erhellt.

Schließlich betrat Heydon eines der Gasthäuser.
 

Seit dem war eine halbe Stunde vergangen und sie gab sich betont abweisend, um in Ruhe gelassen zu werden. Heydon spielte sichtlich nervös mit seinem Weinbecher. Andauernd sah er zu Tür und wischte sich die schweißnasse Stirn trocken. Sein aufgeregtes Gebärden wirkten so fehl am Platz, dass er schon einige Gäste auf sich aufmerksam machte.

Feingliedrige Finger legten sich auf ihre Schulter. "Kennen wir uns nicht, mein Freund?"

Tot und Verdammnis, dass war nicht mehr feierlich. Wunderte es da jemand, wenn sie anfing unter Paranoia zu leiden. Laut stieß Aramis die Luft aus und umkrallte den Becher in ihren Händen so fest, dass das Blut entwich.

Sie fluchte innerlich im schönsten Pariser Gossenfranzösisch. Warum nur wusste sie, dass auf Corday's Zügen ein spöttisches Lächeln lag, ohne Blick heben zu müssen? Sie rutschte tiefer zwischen ihre Schulterblätter und nuschelte im unverständlichem Englisch.

"Kaum, ich bin zum ersten Mal hier".

"Welch ein Zufall, ich auch." Unvermittelt saß er ihr gegenüber, schlug die langen Beine lässig übereinander und sah sie mit der entspannten Miene eines Katers an, der noch ein wenig mit der gefangenen Maus spielen wollte, bevor er sie fraß.

"Renée, welche bezaubernder Anblick, Euch in dieser dunklen Schenke zu finden?"

Aramis zuckte zusammen. Sie sah auf, die Hand hilflos zur Faust geballt.

"Warum nur?" Sie war weinerlich still. Ihr Leid stand auf ihrem Gesicht geschrieben. "Warum nur?"

Er zuckte die Schultern. "Vielleicht Vorsehung. Ihr seid wirklich eine erstaunliche Frau. Noch nie traf ich jemanden wie Euch. Immer noch auf der Jagd nach Abenteuer?" Er warf einen Blick in ihr Gesicht, wie ein saurer Apfel und er tätschelte ihr gönnerhaft die Hand. "Keine Sorgen, Euer Geheimnis bleibt bei mir sicher aufgehoben. Mich selbst hat die Langeweile hergetrieben."

Ja, aber warum gerade diese Schenke, zu dieser Stunde, an diesem Tag? Immer noch lag ein nervenaufreibend strahlendes Lächeln auf seinen Zügen, während er sie musterte.

"Welchen Wein könnt Ihr mir empfehlen?" Wortlos schob Aramis ihm ihren Becher entgegen. Der größte Teil des Weinwassers schwamm noch in ihrem Becher. Ebenso wortlos, aber beredend hob Corday den Blick und bestellte Rum.
 

Die Schankmagd brachte eilfertig Lord Corday's Krug. Eine junge Frau, dessen Hüftschwung sich der jeweiligen Anziehungskraft der Wirtshausgäste anpasste. Beim Anblick des gutaussehenden Lords tanzte ihre Körpermitte, dass die braunen Röcke aufwirbelten und der weiße Busen wippte. Geschickt streifte ihr Hüfte Corday, als sie den Becher abstellte. Der angehaltene Atem hob ihr großzügiges Dekollete einen weiteren Zentimeter über den Miederrand. Enttäuscht stieß sie die Luft wieder aus. Ihr Gast hatte seine Aufmerksamkeit einzig auf seinen Gegenüber gerichtet, der wiederum angestrengt von der Tür in den Schankraum sah. Das Mädchen rümpfte die Nase über den blonden Gast. Sein Wein war kaum angerührt und wenn sie die schmalen, feingeschnittenen Gesichtszüge sah, dann war zu bezweifeln, dass er viel vertrug. Mit dem war kein Schilling zu verdienen. Der größere Mann war gar offensichtlich ein feiner Herr und wer wusste schon, welche fremdartigen Neigungen diese hatten. Sie schnaubte verächtlich. Die Wunderwelt ihres Dekolletes einfach zu verschmähen. Gereizt ging sie fort und wendete sie sich einem Gast zu, der empfänglicher für ihre Reize war.
 

Heydon schob seinen Stuhl zurück und sah sich hektisch um. Auffällig, fahrig und sichtlich nervös. Aramis richtete ihre gesamte Aufmerksamkeit beunruhigt auf ihn. Es war nicht zu übersehen, dass Heydon wie jemand aussah, der ganz dringend ein abgelegenes Örtchen aufsuchen musste, zur Entledigung seiner prekären menschlichen Bedürfnisse. Die zahlreichen Schweißtropfen auf

seiner Stirn konnten davon zeugen.

Corday bemerkte ihre Blicke und spähte irritiert über seine Schulter, was sich so interessantes hinter ihm befand.

"Ist das nicht Heydon?", fragte er verwundert und sah zu wie der Sekretär gebückt zur Seitentür eilte.

"Seid Ihr deshalb hier? Wegen Heydon?" Unglauben schwang in seiner Stimme mit. Sie schüttelte den Kopf, wich aber seinen Blicken aus. Die Tür ging auf und mit dem zarten Odem von frischer Nachtluft in der warmen, abgestandenen Luft des Schankraums, trat ein Mann ein. Aramis versuchte angestrengt über Corday's Schultern zu sehen. Wer war er? Der Mann sah sich suchend um. Seine Augen schweiften durch das Dämmerlicht des Gasthauses, ohne dass sie etwas fanden. Als dick konnte man ihn eigentlich nicht bezeichnen. Nicht wenn sich das Wort fett in den Vordergrund drängelte. Er hatte kleine gemein blickende Augen in einem Gesicht von ungesunder Gesichtsfarbe, mit zu vielen Kinnen. Jemand bei dem zur Beschreibung genügte zu sagen ,er habe Schwerkraft'.Achselzuckend setzte er sich an einen der freien Tisch. Wie wahrscheinlich war es, dass er genau jetzt zu einem Treffpunkt kam, an dem seine Verabredung fehlte, wo Heydon auf der Toilette war? Sehr wahrscheinlich. Jetzt oder nie, dachte Aramis und blickte verzweifelt in Corday's Gesicht.

"Geht, Lord Corday, bitte?"

Verwundert hob dieser den Kopf. "Wohin?"

"Bitte!"

"Warum?"

Aramis zuckte die Achseln und stand auf. Sie konnte nicht länger warten. Es reichte schon, wenn die Staatsoberhäupter zu delirierenden Irren mit Staatsgrenzen und einer Nationalhymne wurden, ohne dass sich Nationalverräter einmischten. "Wie Ihr wollte. Ich habe Euch gewarnt. Was heißt Papst auf Englisch?"

"Pope, wieso?" Verwundert sah er zu ihr auf. Aramis atmete tief durch, nahm ihren Becher zu Hand und erhob die Stimme.

"Oh nein!" Corday sah sie alarmierend an und umfasste ihren Arm.

"Long lives the Pope!"

Augenblicklich war es Mucksmäuschen still im Gasthaus. Corday riss die Augen auf und keuchte erstickt auf.

"Was habt Ihr getan?" Alle Augen hatten sich auf sie gerichtet und blickte sie an. Aramis lächelte zurück. Sie lächelte so humorvoll wie jenes, dass sich einem ertrinkenden nähert und mit einer Flosse ausgestattet ist.

Die Zeit veränderte sich. Zwei oder drei Sekunden dehnten sich, quietschten wie ein Finger auf dem Rand eines Glases. Einzelne Stimmen wurden laut. Die Gäste drehten sich zu ihnen um - die Zeit lief wie gewohnt weiter.

"Was will der Papst hier?" Die Stimme klang so misstönend wie das Krächzend eines Raben, aber er hatte die Aufmerksamkeit der übrigen Gasthausbesucher.

"Schlagt ihn zusammen!", schrie ein anderer und stand auf.

"Und seinen Freund gleich mit!"

"Wir hauen ihn zu Brei, dass er sich wünscht nie vom Papst gehört zu haben, dieses katholische Schwein."

Nun gut, sie wollte in diese Schenke soviel Ärger und Unruhe bringen wie möglich war, um Heydon und seinen Informanten von ihrem Treffen abzuhalten. Beide Männer sahen danach aus, als würden sie die Gewalt suchen. Freilich nur, wenn sie sich in genügend somatischen Abstand zu ihren befand, sprich wenn sie nur anderen angetan wurde. Eine Schlägerei anzuzetteln, dass hatte sie jetzt geschafft. Dennoch taten ihr die groben Worte der ungewaschenen Menge beinah körperlich weh und sie musste fest die Knie zusammenpressen, damit sich das Zittern ihrer Beine nicht auf den Rest von ihrem Körper übertrug. Hatte sie nicht schon früher ihren Kopf aus der Schlinge gezogen? Tapfer trat sie einer kommenden Prügelei entgegen.

"Was habt Ihr getan?" Mit bleichem Gesicht und kantigen Gesichtszügen stand er auf. Wie in Trance, aber mit langsamer Deutlichkeit sah Aramis die Schweißtropfen an seiner Schläfe hinabperlen, wie er seinen Kragen lockerte und sich heldenhaft vor sie schob. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie kein schlechtes Gewissen hatte. Was mischte sich Corday auch ständig in ihr Leben ein. Wenige Sekunden später brach die Schlägerei los. Von den wütenden Schlägen und Tritten der aufgebrachten Menge vollends in Anspruch genommen, hatte Corday keine Zeit sie zu beachten. Er sah nicht, dass Aramis in seinem Rücken, bildlich gesprochen, genauso ihren Mann stand wie er. Gemeiner vielleicht und hinterhältiger, aber sie musste schließlich mangelnde Körperkraft mit List und Tücke austauschen. Ein bulliger Mann trat auf sie zu, mit einem Gesicht in der eine lange Augenbraue die Arbeit von zweien erledigte. Er rammte ihr seine Faust in den Magen. Von der schmerzhaften Erwiderung ihres Körpers aus dem Gleichgewicht krümmte sie sich und hieb ihm ihren Absatz schmerzhaft in die Kniekehle, bevor ihre Handkante seinen Kehlkopf traf. Ein weiterer Angreifer riss Aramis von hinten zu Boden. Er schrie auf, als ihre Fingernägel schmerzhaft in seine Augen fuhren. Es war nicht Aramis erste Schlägerei, längst nicht die Schlimmste und bestimmt nicht die Letzte. Mit Porthos an ihrer Seite hätte es wesentlich besser für sie ausgesehen. Er hätte ihre Köpfe aneinander gestoßen und die Sache beendet. Sie war dafür zu schwach. Die Engländer ließen sich nicht gerne aneinander stoßen. Das Handgemenge endete unvermittelt, als der Wirt einschritt und den sofortigen Rausschmiss androhte.

Eh es sich Lord Corday versah rannte Aramis wie vom Teufel gehetzt aus der Schenke. Der Wirt kam mit wutverzerrtem Gesicht auf Corday zu, der sich schwer atmend das Haar aus der Stirn strich.

"Jetzt hat der Kerl doch glatt die Zeche geprellt."

"Er bat mich Ihnen dies zu geben." Corday schob ihm schnell genügend Geld hin, um einer beginnenden Schimpfkanonade zu entkommen und machte sich schleunigst aus dem Staub.

Er trat in die neblige Nacht hinaus. "Ich kann doch nicht das Kindermädchen einer durchgeknallten Französin spielen", sagte er leise zu sich und bewegte sich in Richtung Themse.
 

Aramis Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. In der Schenke war der Informant nicht mehr gewesen. Sie suchten die Umgebung ab. Alles war dunkel, kaum von den wenigen Fackeln erleuchtet. Je weiter ihr Blick ging, desto nahtloser fügten sich die Gebäude in die Schwärze der Dunkelheit. Der Lärm im Gasthaus übertönte die Geräusche auf der Straße. Ihr Arm schmerzte und mehrere Stellen in ihrem Gesicht puckerten leise vor Schmerz. Von der Ansicht die ihr Magen anlässlich der Schlägerei hegte, ganz zu schweigen.

Schnell rannte sie die Straße entlang. Bewegte sich etwas am Ende der Gasse? Dort wo die Häuser enger zusammen standen, die Nacht jeden verbarg? Gebückt im Schutz der unbeleuchteten Häuser huschte sie näher. Es war nur ein leerer Karren, der die Straße versperrte. Aramis sah ihn zu spät, stieß dagegen und fand sich unverhofft mit den Knien auf dem Straßenpflaster wieder. Fluchend rappelte sie sich auf und humpelte, so schnell wie sie ihre schmerzenden Kniescheiben sie trugen, zum Gasthaus zurück. Die Zeit rannte ihr davon.

Sie hatte die Schenke kaum erreicht, als unvermittelt die Tür aufging. Fast wäre sie in den Lichtkegel der Fackel getreten. Mit einem erstickten Aufschrei sprang sie zurück.

"Wo ist das katholische Schwein?" Der Engländer ließ bedrohlich das abgebrochene Stuhlbein in die hohle Handfläche sausen und knurrte grimmig. Aramis vergaß den Schmerz in ihren lädierten Gliedern und hastete um das Haus herum, auf den dunklen Hinterhof. Die umliegenden Häuser rahmten den Hinterhof ein. Zwei Scheunen standen übereck dem Gasthaus gegenüber. Aramis spähte vorsichtig um die Ecke. Genau in diesem Moment stieß jemand gegen ihren Rücken. Sie schrie auf, drehte sich um und sah schreckensbleich in

das Gesicht von Heydon.

Aramis erstarrte. Doch Heydon erkannte sie nicht. Er brachte den zerschundenen Mann, im Dunkel der Nacht, nicht mit der steifen Comtesse aus Whitehall in Verbindung. Ohne sie eines Blickes zu würdigen oder sich zu entschuldigen, schob sich der Sekretär an ihr vorbei und eilte die Straße hinunter. Hilflos sah sie ihm hinterher. Ihm folgen oder den Informanten suchen? Hatten beide miteinander gesprochen? Sie wurde der Entscheidung enthoben. Erstickte Schreie ertönten ihn ihrem Rücken. Es war der Informant. Seine kolossale Gestalt verbarg nicht einmal die Dunkelheit und den spitzen Schreien zu folge, zerrte er eine junge Frau hinter sich her, die sich heftig wehrte. Die Stalltür schlug zu und verbarg beide in ihren inneren. Spekulationen standen außer Frage. Der Lärm im Gasthaus hatte nicht nachgelassen und niemand schien ihre Schreie zu hören. Sie waren spitz und hoch, als versagten ihre Stimmbänder einen kräftigen Hilferuf. An solche kleinen Details erinnerte Aramis sich, wenn zielloser weißer Zorn den Geist füllte. Ihr Körper spannte sich an. Sobald jemand einer Frau Gewalt antat, löschte kalte Wut ihr Denken aus. Ohne nachzudenken folgte Aramis ihnen, wie ein wütender Stier.
 

Corday fluchte. Warum konnte er nicht einfach umkehren und nach Hause zurückgehen? Sich eine seiner willigen Geliebten nehmen und mit ihr wundervolle Stunden, in den weichen Federn und seidenen Kissen seines Bettes verbringen? Mit Frauen, die aussahen, als gehörten sie dorthin und nicht als suchten sie eine Wirtshauskeilerei. Stattdessen rannte er einer irren Furie hinterher. Er stoppte unvermittelt, als er den Hinterhof des Wirtshauses betrat. War sie das? Er sah wie eine Gestalt im Stall verschwand. Unentschlossen blieb er stehen und kratzte sich gedankenverloren am Schädel.

Wenige Augenblicke später erfolgte ein Schrei, dann ein Zweiter. Etwas Schweres stieß gegen die Tür.

Jemand ächzte, eine Frau schrie. Nach einigen Sekunden der Stille öffnete sich die Tür. Als Aramis auf den Hof trat, stand er noch immer regungslos da und jagte ihr einen gehörigen Schrecken ein. Das Hemd saß ein wenig schief und die Haare schienen wirrer als sonst. Ansonsten strahlte ihr Gesicht Ruhe aus.

"Äh ..." begann Corday.

"Ein bedauerlicher Zwischenfall", erklärte Aramis. "Es war sehr dunkel da drin. Jemand hat sich unbeabsichtigt ins Bein geschossen." Corday rutschte der Kinnladen herunter. Er sah auf die Waffe in ihrer Hand nieder.

"Könnt Ihr damit umgehen!"

"Nein, ich würde nie eine Waffe in die Hand nehmen", sagte Aramis.

"Aber Ihr ..."

"Nein", stellte sie ruhig fest.

"Äh ... wie Ihr meint."

"Gehen wir!" Ohne seine Antwort abzuwarten, lief sie die Straße hinunter.
 

"Ich muss Euch meine Bewunderung aussprechen." Das dunkle Wasser der Themse plätscherte leise gegen die Holzwand des Fährkahns. Sie saßen nebeneinander am Bug und schauten auf die unzähligen Lichter der Stadt am Ufer, die tausend Augen einer Stadt. "Was meint Ihr?" Aramis sah ihn nicht an. Sie umklammerte mit ihren Händen die Sitzbank, sah in die Ferne und träumte vom fernen Paris.

"Man nimmt Euch den Mann durchaus ab", fuhr er fort. "Nicht unbedingt eine Fähigkeit, die Männerherzen höher schlagen lässt, aber es hat seinen Reiz." Sie schwieg. Was gab es darauf schon zu sagen? Sollte sie Corday ihr Geheimnis enthüllen, was sie seit über 6 Jahren ihren besten Freunden vorenthielt? Ganz sicher nicht. Erstens fiel es ihr leichter, sich wie ein Mann zu benehmen, gegensätzlich zum kokettierten Verhalten einer Frau. Hier hatte die Natur an ihr gespart. Zweitens ahnte sie nicht einfach die Männer nach, sondern plante es und machte sich ihr Verhalten zu eigenen. Eine Frau schwang die Hüften. Ein Mann schwang alles von der Schulter abwärts. Eine Frau verschränkte die Arme unter der Brust, ein Mann über der Brust. Drittens hatte sie ein paar Socken an der betreffenden Stelle. Nur ein Paar. Sie war nicht ehrgeizig. Mit einem Paar Socken war Frau mehr Mann.

Mit einem Satz rückte er näher. "Ward Ihr dort, um Heydon nachzuspionieren oder Euch mit ihm zu treffen?" Finster umwölbten die Braunen seine Augen. Aramis wich zurück und sah ihn pikiert an.

"Ich wüsste nicht, was Euch das angeht."

"Was war das in der Scheune?"

"Seid nicht dumm."

"Warum?"

"Er war gerade dabei die kleine Magd zu besteigen. Außerdem war es nicht Heydon."

"Sagt mir," Er rückte näher, dass sie seinen Atem auf ihrer Wange spüren konnte und sein Knie ihres berührte, "seid Ihr wirklich nicht hergekommen, um ihn zu treffen?" Sein Körper war warm. Entrüstet riss sie die Augen auf. Allein bei dem Gedanken an ihn wird mir speiübel.

"Er ekelt mich an."

"Gut", sagte Corday und küsste sie, behutsam, süß und neckend. Seine Lippen strichen hautzart über die ihren, dann fordernder, ein Spiel wie die reinste Folter. Sie stieß ihn von sich.

"Das habe ich nicht erlaubt."

"Ich habe nicht gefragt." Wieder dieses Lächeln.

"Ich hätte Euch keine Erlaubnis erteilt."

"Es hätte nichts geändert." Corday beugte sich erneut nach vorn. Als ihr Knie seine Schublade mit den Socken traf, schrie er nicht direkt. Er gurgelte mehr.

"Das war nicht nett", ächzte er.

"Aber gut gezielt, Sire", erwiderte sie.

"Das war nicht nett. Euer Knie wusste genau, wo es hin sollte." Jetzt war es an ihr zu lächeln.

"Natürlich, zweifelt Ihr daran?" Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend.

Endlich hatten sie Whitehall erreicht. Zweifelnd sah Aramis zur Oberkante der hohen Mauer auf. Warum mussten die Tore bis auf das große Haupttor geschlossen sein? Sie seufzte schwer und begann zu klettern. Corday stand an der Mauer gelehnt und beobachtete Aramis bei ihren Bemühungen.

"Kommt Ihr gut voran?" fragte er höflich, nachdem er ihr eine Weile zugesehen hatte. Aramis biss die Zähne zusammen und setzte ihre Bemühungen fort. Sie hatte die Mauerkrone erreicht und sah zu dem Abgrund auf der anderen Seite nieder. Unsicher blieb sie auf der Mauer hocken. Das war verdammt hoch.

"Comtesse," Sie sah auf Corday nieder. "Ich nehme den Schlüssel und gehe durch eins der Nebentore."

"Ihr habt einen Schlüssel?"

Seine Zähne blitzen im dunkel hell auf. "Natürlich, zweifelt Ihr daran?"



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2004-09-03T12:07:19+00:00 03.09.2004 14:07
Ohhhhh, dat kribbelt ja! Er hats doch gewagt, der alte Hund von Corday;o) Er hatse geknutscht und wat macht unsere Aramis, sie verschmäht ihn... Warum wohl? Hoffentlich gibst du uns darauf noch eine Antwort :o) Ansonsten habe ich mich wieder herrlich amüsiert beim Lesen und langsam spitzt sich die Situation zu, ach, ich bin auch schon ganz kribblig;o) Ach, die Story ist einfach nur cool... Hab das Gefühl, du wächst langsam über dich hinaus ;o)
Liebe Grüße
Krisi
Von:  Kajuschka
2004-08-31T10:34:07+00:00 31.08.2004 12:34
Mhm...frisch aus dem Urlaub und schon ein neues Kapitel. So muss es sein :-) Ich weiß gar nicht, was ich dazu noch kommentieren soll. Jedenfalls ein schönes Kapitel. Ich finde aber, der feine Lord wird ein bisschen Aufdringlich. Da darf man ja gespannt sein, wie es weiter geht. Ich hoffe mal, dass Aramis nicht zu schwach wird. ;-)
Von:  Tach
2004-08-29T20:35:13+00:00 29.08.2004 22:35
Die Sau oO...

Ok, dass musste als erstes raus. Ich wünsche mir so etwas in nächster Zeit nicht wieder erleben zu müssen, nicht mit dem x]. Zumal der nich koscher is, da is eindeutig was faul an dem Typ +.+ Aber ansonsten eine sehr lustige Angelegenheit...besonders das mit dem Beinschuss, sehr geil =]. Warum hast du das Kapitel gestern eigentlich wieder rausgenommen wenn ich mal so indiskret fragen darf (ja, ich spionier hier jeden Tag auf der Suche nach mehr Stoff oO)...


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