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Diplomatie im Auftrag seiner Majestät

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Das Duell

Mit einem Ruck riss Sophie die Vorhänge zurück. Flutartig ergossen sich die gleißenden Strahlen der Sonne in dem Zimmer. Ihre Wanderung am Zenit ging zur Mittagsstunde hin, den hellsten und wärmsten Stunden des Tages. Und wie Ikarus in ihren Strahlen verbrannte, weil er sich zu hoch gewagt hatte, glaubte Aramis in ihrem Licht zu sterben, weil sie zu reichlich dem Alkohol zugesprochen hatte. Sie hatte einen Kater, einen richtigen Kater, mit allem was dazugehörte. Die Palette der Nachwirkungen reichte von bohrenden Kopf- und Gliederschmerzen, schlingendem Magen und durchgehender Übelkeit, bis hin zu einem lückenhaften Gedächtnis, was die letzten Stunden nach Alkoholeinnahme geschah. Als besondere Zugabe fühlte sich ihre Zunge an, als würde eine besondere Form von Unkraut auf ihrer Oberfläche sprießen, während ihr Rachen mit Teppichfusseln gefüllt zu sein schien. So wie sie in den Morgenstunden in das Bett gefallen war, so lag sie noch. Stöhnend drehte Aramis sich zur anderen Seite, begrub ihren Arm schmerzhaft verdreht unter sich und kam mit der Nase zum Stehen. Nun war sie Eingekeilt zwischen Laken und ihrem eigenen Mundgeruch. Die Kraft ihn hervorzuziehen oder sich zurückzudrehen hatte sie nicht.

Sophie kam vorsichtig näher, um nicht unvorbereitet auf unverdautem Alkoholatem zu stoßen. "Sind Sie wach?"

Ein röchelndes Stöhnen war ihre Antwort. Als wach konnte man sie nicht bezeichnen. Der weiche, nebelhafte Teil in ihrem Gehirn versagte bei der Aufnahme von Informationen, das Anbaugebiet auf der Zungenoberfläche verhinderte das Sprechen.

"Sie stinken wie ein ganzes Weinfass und sehen aus ..." Sie schüttelte den Kopf. Bei aller Bewunderung für Aramis, aber so benahm sich eine junge Frau nicht. Kein Wunder, dass in Paris jeder in ihr den Mann sah. "Ihre Kleidung, Ihr Gesicht ... als hätten Sie sich im Dreck gesuhlt. Die Blut- und Weinflecken bekommen wir nicht mehr heraus. Das muss verbrannt werden! In welcher üblen Spelunke waren Sie nur?"

Die Frage hätte Aramis gerne beantwortet, wenn sie es gewusst hätte. Wieder stöhnte sie "Ich möchte nicht undankbar erscheinen, aber könntest du dein Verhör ein anderes Mal fortsetzten?", stieß sie mühsam und mit kratziger Stimme hervor. "Ich habe das Gefühl, als würde mir jemand den Schädel durchbohren", und wehleidig fügte sie hinzu. "Ich habe wirklich große Schmerzen."

"Und große Schwierigkeiten", gab Sophie trocken zurück.

"Was war, als ich zurückkam?" Aramis hatte das Gefühl, als wäre der vergangene Abend ein galoppierendes Pferd, das ihre Erinnerung einzuholen versuchte. Nur sah sie nur noch den aufgewirbelten Staub.

"Ihr seid mit sturzbetrunken, mit einer Hure am Arm hier aufgetaucht."

Das Pferd galoppierte gegen eine Mauer und verreckte elendig. Aramis schwieg. Sie schwieg lange und ausdauernd, während ihr Gehirn nach etwas suchte, was nicht sein konnte. Ihr fehlte nicht nur das Verlangen eine Hure aufzusuchen, ihr fehlte schlichtweg die ganze Männlichkeit. "Was ist passiert?"

Sophie zuckte missbilligend die Schulter. "Das wissen nur Sie und mir graut es davor mehr zu erfahren. Ihrem Gesicht zufolge haben Sie sich geprügelt!"

"Daran erinnere ich mich noch."

"Auch an den Grund warum Sie sich schlugen?"

"Nein, aber an die Schmerzen." Die Erinnerung verzerrte Aramis Gesichtszüge zu einer schmerzgepeinigten Grimasse.

"Gehen Sie sich immer schlagen, wenn Sie wütend sind? Mit wem haben Sie sich geprügelt, als Sie noch eine Frau waren und zu Hause lebten?"

"Gar nicht, ich bin ein sehr ausgeglichener, sanftmütiger Mensch."

"Ha ha. Wollt Ihr was zu Essen oder zu Trinken." Mit kläglichem Jammern vergrub Aramis ihr Gesicht und zog sich das Kissen über den Kopf.

"Das heißt dann wohl ,nein'", kommentierte das Mädchen gleichmütig und blieb angesichts ihrer Qual nüchtern und sachlich. "Soll ich Sie alleine lassen?" Der Kissenberg nickte. "Welches Kleid soll ich Ihnen herauslegen?"

"Gar keines. Das Zeug ziehe ich nicht an", erwiderte die Stimme dumpf und bockig.

"Sehr schön, bleiben Sie eben nackt! Ich werde bescheid geben, dass Sie nicht gestört werden wollen!" Fürsorglich schloss Sophie die Tür hinter sich.
 

Aramis grub sich tiefer in den Deckenberg und schloss die wunden Augen. Sie meinte ihre Worte bitterernst. Für diesen Tag rührte sie kein Kleidungsstück an, das für Frauen bestimmt war. Auch wenn ein Kleiderwechsel und einiges an frischem Wasser ihr gut tun würde. Sie stank wirklich. Ihr Mund schmeckte etwas, was dem Inhalt von Abflüssen gleichkam. Die Frage war, ob sie sich überhaupt aus dem Bett heraus bewegten sollte. Sie befand sich gerade in richtig schöntrüber Weltuntergangsstimmung und das Bett war ein guter Ort, um sich mit ihrem Selbstmitleid darin zu verkriechen. Sophie war mit ihrer Jugend, dem nach Frühling duftendem Haar, ihrem leichten Pariser Straßendialekt und ihrer Fügsamkeit ein sonniger Lichtblick. Sie hatte ein abenteuerlustiges und zufriedenes Wesen und fühlte sich überall zu Hause. Aramis hatte den Versuch aufgegeben, sie zu verstehen, aber sie dankte D'Treville, dass er ihr Sophie zur Seite gestellt hatte. Was nicht für Athos galt. Und ganz sicher nicht für Broussard. Corday war ihr nicht aufdiktiert worden, aber das macht ihn keineswegs zu einem kleineren Übel. Zum Teufel mit Athos. Etwas musste gesehen. So konnte es nicht weitergehen.

Irgendwann im Laufe der nächsten Stunden erhob sie sich, wusch sich und kleidete sich um. Nachdem das Zimmermädchen das Bett neu bezogen hatte und ihr alte Kleidung mit spitzen Fingern davontrug, bezog sie erneut, von quälenden Kopfschmerzen geplagt, Stellung im Bett. Auf dem Rücken liegend, die Beine von sich gestreckt, die Arme vor der Brust verschränkt starrte sie zum Stoffhimmel hoch und schmollte. Genauso fand sie Sophie vor.

"Ich will nichts essen", sagte sie, als sie das Tablett in den Händen ihrer Zofe sah.

"Sollte Sie aber", widersprach diese und stellte das Geschirr mit einem leisen Klirren ab. "Wenn Sie noch dünner werden, dann können wir Sie als Grenzpfosten benutzen. Sie sollten sich die Sticheleien der Männer nicht auf den Magen schlagen lassen!"

"Ein Rabe kann keinen Adler beleidigen", sagte Aramis grimmig ohne sich zu rühren oder gar das Essen zu beachten.

"Sagen Sie das nicht mir, sondern den Raben, der ziemlich ergrimmt vor der Tür wartet."

"Wer?"

"Ihr Verlobter, unser verlorengeglaubter Graf de la so und so." In ihren Augen blitzte es amüsiert.

"Er kann wegen mir auch noch länger warten. Sophie, pack unsere Sachen! Wir ziehen um!"

Damit hatte Sophie nicht gerechnet. Sie riss überrascht die Augen auf. "Wohin?", fragte sie erstaunt.

"Zurück in den Palast. Ich bleibe keine Minute länger als nötig unter diesem Dach."

"Aber man will Sie umbringen", wandte das Mädchen ein.

Aramis blieb stur. Sie zuckte gleichgültig die Achseln. "Das kann er hier auch. Irgendwann sterben wir schließlich alle und meine Lebenserwartungen sind ohnehin nicht unbedingt sehr groß, seit ich zu den Musketieren gehöre."

"Ich gehe am besten Monsieur Athos holen", stotterte das Mädchen fahrig und stolperte, vor der düsteren Prophezeiung davon.

Aramis richtete sich auf den Ellenbogen auf und zog die Augenbrauen eigensinnig zusammen. "Mach das und DANN packe die Sachen, weil ändern wird das nichts", rief sie ihr hinterher.

"Was soll das heißen, du ziehst nach Whitehall?" Breitbeinig baute sich D'Treville's bester Musketier vor ihrem Bett auf und sah streng auf sie nieder. Wenn andere Musketier voll Bewunderung und Respekt zu ihm aufsahen, tat diese hier, mit bemerkenswert viel Aufsässigkeit im Blick, das genaue Gegenteil. Athos hatte Aramis auf das typische, für die damalige Zeit vertretene Bild einer Frau runter degradiert und dabei genau die Eigenschaften übersehen, mit denen es Aramis unter die Elite der Musketiere geschafft hatte. Ihr Kampfgeist stand dem seinen in nichts nach und nun stand ihm eine geballte Ladung an Trotz und Starrsinn im Weg.

"Hör auf zu packen, Sophie!", befahl er schneidend. Das Mädchen ließ verschreckt den schweren Deckel der Holztruhe fallen.

"Hör, auf zu packen, Sophie!" wiederholte Aramis sanft und nickte ihr aufmunternd zu. "ICH werde weiter packen."

"Das wirst du nicht!", begehrte er auf und sprach zu ihr, als wäre sie ein störrisches Pferd, dass es zähmen galt. "Es wäre überhaupt nicht von Vorteil, wenn du zurückziehst. Es passt nicht in unsere Pläne und wäre ein unvergleichlich dumm. De Meye wäre wieder auf der Hut und du in Gefahr", sagte er, weil sie weiterhin beharrlich schwieg. Natürlich war es dumm, dass wusste Aramis selbst. Der Diplomat würde wieder vorsichtiger werden und sie versuchen aus dem Weg zu schaffen. Außerdem musste sie Broussard mitnehmen. Damit wären beide Intriganten wieder zusammen und der Sekretär ihrer Kontrolle entzogen. Es war unvergleichlich dumm, aber das zählte alles nicht. Sie musste fort, damit kein Unglück geschah. Denn unter der mühsam aufrecht erhaltenen Schicht aus erzwungener Ruhe und Einsicht, brodelte der Vulkan. Das nächste Mal war es vielleicht nicht Broussard's Nase, die sie verbeulte. Aramis hatte keine Lust, Athos' Einwände zuhören zu müssen. Noch immer forderte der Kater sein Recht und ihre Wut vom Vorabend war keineswegs verraucht. Trotzdem schwieg sie, betrachtete lediglich interessiert ihre Stiefelspitzen und gab das Bild selbstgerechter Nichtachtung ab. Er war ohnehin mit seinen Vorhaltungen noch nicht am Ende und natürlich kam die letzte Nacht zur Sprache. Weiterhin schwieg sie. Er stand ihrer Schweigsamkeit hilfloser gegenüber, als lauten Worten oder Vorwürfen. Sie sah Missbilligung und Groll in seinen Augen. Aramis kniff die Augen zusammen, um ihren Unmut zu zeigen und verschanzte sich hinter wortlosem Starrsinn. Je mehr sie schwieg, desto abweisender ihr Gesichtsausdruck wurde, umso ärgerlicher wurde Athos. Erschöpft holte er Luft.

"Du bleibst!" War das Resümee eines halbstündigen Monologs.

"Nein!", war die gekürzte Fassung ihres inneren Widerstandes. Sie schwang die Beine aus dem Bett und drehte ihm den Rücken zu.

"Ich sage dir, du bleibst! Und warum hast du Männerkleidung an?", fragte er aufgebracht und wischte ihren Einwand fort, als hätte sie nichts gesagt. Mit rechten war er wütend. Zum Teil wütend auf sich selbst, weil er sein gestriges Verhalten selbst als Entgleisung sah. Was war nur in ihn gefahren? Seit Aramis Entdeckung hatte er ruhig seinen Zorn in sich getragen. Nun entwickelte sein Groll ein Eigenleben, dem er nichts entgegensetzen konnte. "Die ganze Dienerschaft spricht schon darüber. Dein Abgang war auffällig genug, dafür hast du gesorgt. Im königlichen Palast wird man jetzt schon alle Einzelheiten wissen. Du weißt, wie schnell Gerüchte wandern und trotzdem hast du es soweit kommen lassen. Willst du ihnen noch mehr Gesprächsstoff liefern? Reicht Broussards deformierte Nase nicht? Wolltest du unbedingt beweisen, wie viel Mann du bist?" Er lachte betont verletzend. Ein Anflug von Belustigung zog sich bei diesen Worten über Sophies Züge, verschwand aber sofort wieder und sie drückte gegen die Wand, als wollte sie mit der Wandtäfelung verschmelzen.

Aramis fuhr herum. "Das wäre nicht nötig gewesen, wenn ihr mich nicht verspottet hättet." Sie krümmte den Arm und ballte die Hand zur Faust. "Sei versichert, mit mir ist alles in Ordnung!"

"Sei nicht kindisch, Aramis", entfuhr es ihm, merkwürdig ruhiger, weil er sich erinnerte, was sich wirklich unter Hemd und Hose verbarg und von Männlichkeit gar nicht dir Rede sein konnte. "Das war Spaß und du musst selbst zugeben, dass du genügend Grund zu Spekulationen lieferst", sagte er salbungsvoll und mit einer selbstsicheren Ruhe, die Aramis in Rage brachte.

"Was denn beweisen? Nur weil ich nicht mit der erst besten Hure besteige?", schrie sie und ihr Gesicht färbte sich langsam rot. "Wie ein aufgeblasener Geck mit halb offenem Hemd herumstolziere? Weil ich öffentliche Bäder verabscheue? Bisher interessierte euch das nie. Willst du deinem Cousin beweisen, wie falsch er lag oder rauscht dir dein blaues Blut zu sehr in den Ohren? Bei Gott, ich habe diesen Mann beleidigt, gekränkt, verletzt, zurückgewiesen und in die unmöglichsten Situationen gebracht. Das Corday zu Blindheit neigt, ist nicht meine Schuld." Nein, dachte Athos. Charles bewies mehr Scharfsicht als ich.

"Ich bin wahrscheinlich mehr Mann, als ihr beiden zusammen?" spie sie verächtlich aus und schüttelte die Faust. Athos hätte sich vor unterdrücktem Lachen beinah verschluckt. Sollte er ihr entgegenschreien, wie lächerlich sie sich machte, auf etwas zu beharren, dass sie nicht war? Nie sein würde? Vielleicht hatte sie aber auch gar nicht so Unrecht. Wie eine Frau benahm sich Aramis die letzten 7 Jahre nicht gerade. Kein Zusammenhang zu einer Person, die Renée hieß. Schwer atmend stand Aramis ihm gegenüber und Athos musste sich gewaltsam zwingen, den Blick nicht auf ihre Brust zu richten, die sich trotz der engen Verschnürung heftig hob und senkte. Aramis verstand seine Belustigung falsch und die Wut kochte heiß in ihren Adern.

"Hör auf, Aramis! Du machst dich lächerlich", sagte er, gefährlich ruhig.

"Es reicht!", erwiderte sie, ebenso gesetzt. Seine Worte klopften in ihren Schläfen wie starke Kopfschmerzen oder ein Gift, dass ihr Blut loswerden wollte. "Nimm deinen Degen und komm mit raus!" Entgeistert sog Athos die Luft ein, erschrocken keuchte Sophie auf. Der Blick in Aramis Gesicht sagte ihnen, dass wie todernst sie ihre Aufforderung meinte.
 

"Das ist nicht dein Ernst? Ich werde mich nicht mit dir schlagen oder gar messen, Aramis! Ich schlage mich nicht mit dir!" Aramis überhörte ihn und preschte im Sturmschritt durch den Garten. Ob er ihr folgte, war ihr gleich.

"Bleib stehen! Denk nur an die Dienerschaft und wie schnell sich Gerüchte verbreiten! Was sollen sie von dir halten, wenn du in Männerkleidung und Degen durch den Garten stürmst und dich mit mir duellieren willst? Du machst dich lächerlich!" Warum benahm sie sich wie ein störrischer Esel. Früher hatte sie ihren Plänen bedingungslos gefolgt. Es half nichts, Aramis stand jenseits von Gut und Böse, Recht oder Unrecht. Seine Einwände prallten ungehört an ihr ab. Das ist Eva's Erbe, dachte er finster, sich den Anweisungen Gottes widersetzen und die Sünde über die Menschheit bringen.

"Dafür ist es ohnehin zu spät", rief sie und schritt weiter aus, den Degen fest in die rechte Hand gepresst. Staub wirbelte unter ihren Füßen auf, als sie sich über den gepflegten Kiesweg vom Haupthaus entfernte und zum Ufer herunterlief.

"Wenn dich jemand sieht? Verdammt das ganze Haus sieht zu", wandte Athos ein und versuchte Schritt zu halten. Sie ließen die Blumenanlagen hinter sich. Zu beiden Seiten erhoben sich Springbrunnen mit steinernen Nymphen und römischen Gottheiten. Zu ihrer Linken erstreckte sich ein kleines Wäldchen. Jahrelang gezüchtet, um ein Stück ungezwungene Natur in die symmetrisch angelegte, von zahllosen Händen gepflegte Parkanlage zu bannen.

"Denk daran, dass du als Frau auftreten musst! Es ist schon schlimm genug, dass du in aller Öffentlichkeit mit Männerkleidung herumläufst und deinem Sekretär die Nase blutig schlägst. Weder der Kapitän, noch der König würden dein Verhalten billigen."

In der Mitte des Wäldchens stand ein Pavillon, Zeugnis schmiedeeisernen Geschicks. Ein Ort, geschaffen für verbotene Treffen, geheime Berührungen, tragische Romanik mit einer Prise Erotik im Verborgenen. Nur lag Aramis nichts ferner, als das hehres Gefühl der Leidenschaft und Liebe, als sie hinter dem Pavillon zum Stehen kam, der sie vor neugierigen Blicken verbarg. Kalte Ruhe erfasste sie. Mit einem leisen Zischen löste sich die blanke Klinge ihres Degens aus der Lederscheide.

"Mich interessiert nicht, was der Kapitän oder der König sagen. Es ist mir gleich. Beide sind in Frankreich und nicht hier", sagte sie spröde und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.

"Das ist prätentiös und ..."

"Rede nicht, kämpfe lieber!" unterbrach sie ihn herrisch, mit rauer Stimme.

"Aramis, Ich werde mich nicht mit dir schlagen", sagte er ruhig, fast sanft.

Sie setzte nach. "Feigling, Memme ..."

"Das ist doch lächerlich ..."

"... Schaumschläger ...."

"Du würdest verlieren!" Als Antwort schnaubte sie verächtlich und ging in Angriffsposition. Der Kater und die Müdigkeit waren vergessen.

Athos seufzte schwer "Du hast es so gewollt!", und tat es ihr gleich.
 

Ein Schwarm Vögel erhob sich in die Lüfte. Die Sonne sank im Westen hinter die Baumwipfel und warf ihre Strahlen durch das Grün des Dickichts. Vom Wasser her erschallten die Rufe der Fährleute und Schiffer. Ein Specht behackte rhythmisch die Rinde einer Eberesche. Leise knisterten Laub und Zweige unter ihren Füßen.

Schwer atmend hob Aramis den Degen, obgleich sie keine Kraft mehr hatte. Sie verlagerte das Gewicht auf die Knie. Das Atmen fiel ihr unvergleichlich schwer. Mit dem Ärmel wischte sie sich den Schweiß von der Stirn fort, bevor das salzige Nass in die Augen lief und ihr die Sicht nahm. Athos' Hemd klebte nass seinen breiten Schultern und zeichnete deutliche, unter dem dünnen Leinenstoff, den sehnigen und muskulösen Oberkörper nach. Haarsträhnen klebten wirr in seinem Gesicht.

"Gib auf!", stieß er atemringend hervor.

"Nie-mals", erwiderte sie stoßweise, während ihre Kniescheiben vor Schwäche zitterten. Nur Gott und sie wussten, wie sehr ihre Arme brannten und nach Ruhe verlangten. Mit einem Schritt trat Athos auf sie zu und schlug ihr den Degen aus der Hand. Viel Kraft benötigte er dafür nicht. Müde sah sie die blanke Schneide im Gras liegen. Ihre Schultern sackten herunter, ihre Beine knickten ein, sie sank vornüber in das weiche Gras und blieb liegen. Zu erschöpft zum Stehen, zu erschöpft zum Streiten, zu erschöpft zum Kämpfen.

"Ich habe es dir doch gesagt!" Selbstgefällig sah er auf sie nieder, aber sie antworte nicht. Trösten schmiegte sich der warme Boden an ihre bloße Wange. Er steckte seinen Degen ein, ließ sie dort liegen und ging. Erst, als mehrere Bäume und Gestrüpp zwischen ihnen lagen, erlaubte er sich am breiten Stamme einer Esche herunterzusinken. Kraftlos rollte der Degen aus seinen schlaffen Fingern. Er war erschöpft. Seit Jahren waren dazu keine Gegner mehr in der Lage gewesen. Wenn sie wütend war, dann verdoppelte sich ihre Reaktionsgeschwindigkeit und die Präzision ihrer Degenstiche. Er fluchte innerlich. Viel zu oft hatte sie seine Verteidigung durchbrochen und ihn in Bedrängnis gebracht. Nur widerwillig räumte er ihr den Respekt ein. Athos seufzte schwer und stöhnte abgekämpft. Er hatte ihr den Degen aus der Hand geschlagen. Die männliche Würde blieb bewahrt. Verflucht sollten alle Frauen sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  blubbie
2011-06-26T18:02:49+00:00 26.06.2011 20:02
You go girl!!!!!! Mensch, das war fast noch besser als das Tröste.^^ Und ich glaube das hat Athos auch wirklich gebraucht. Immerhin hat sie sich wieder Respekt bei ihm geschafft....wäre schön, dass er das auch mal wieder zeigen würde.
Von:  hamfre
2004-11-01T22:36:31+00:00 01.11.2004 23:36
und wieder ein super teil vom dem man sagen muss das es mal wieder nicht spannender ging zum schluss!!!!! lass die beiden sich ruhig noch ein bisschen austoben, damit sie sich vll zum schluss in die arme fallen können!!!
cu
Von: abgemeldet
2004-11-01T18:32:52+00:00 01.11.2004 19:32
Spannender gings nicht mehr!!! Dein Erzählstil ist wirklich super, auch die Beschreibungen der Landschaft und der Gegenstände. Wann gibt's mehr?
Von: abgemeldet
2004-11-01T13:05:26+00:00 01.11.2004 14:05
Also, aus irgendeinem Grund finde ich es doch besser, dass Athos gewonnen hat, aber wer weiß, vielleicht gibt es ja eine Revanche, die anders ausgeht? Was du hervorragend beschreibst, sind die Gefühle der einzelnen Charaktere, besonders von Aramis... Aber natürlich kommen wie immer Humor und Ehrgeiz auch nicht zu kurz... wiedereinmal perfekt und spannend :o)
Du machst das super, Anne!
LG Krisi
Von:  Kajuschka
2004-10-31T19:03:05+00:00 31.10.2004 20:03
Ich bin immer wieder erstaunt, wie du es schaffst dich mit jedem Kapitel selbst zu übertreffen. Ich bin schon sehr gespannt wie es weiter geht. :-)
Von: abgemeldet
2004-10-31T17:38:11+00:00 31.10.2004 18:38
Supi! Ich freu mich schon auf ein weiteres Kapitel! *strahl*

^-^
Von: abgemeldet
2004-10-31T13:46:00+00:00 31.10.2004 14:46
Man war das spannend! Wär beinah von meinem Stuhl gefallen!!!
Wie immer ein klasse Kapitel!Mach weiter so!!!
Hoffentlich kommt bald das nächste raus.

Bye Ayumi Kishu
Von:  Tach
2004-10-30T16:25:02+00:00 30.10.2004 18:25
Gott sei Dank is Plaste stabil sonst hätt ich jetz meine Computermaus zermatscht vor Anspannung x]...wirklich genial, mehr fällt mir im Moment nich ein...ach ja doch: Länger hätts sein dürfen x]


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