Zum Inhalt der Seite

Diplomatie im Auftrag seiner Majestät

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Geheime Audienz

Wer Paris von den fernen Hügeln aus sah, dem mochte Frankreichs Hauptstadt wie ein ruhiges Häusermeer mit vereinzelten Kirchturmspitzen und majestätischen Staatsgebäuden erscheinen. Doch der Schein trog, denn die Stadt war wie ein Parasit, der sich ausbreitete und alles verschlang. Gierig fraß es die Gaben und Güter des ganzen Landes. Noch in der Nacht kamen Heerscharen von Bauern durch die Stadttore und mit ihnen Unmengen von Fleisch, Gemüse, Obst, Getreide, Eier, Butter und Käse. All das verschlangen tägliche die unermessliche Anzahl von Menschen, hinter den Stadtmauern. Paris Gassen waren eng und verwinkelt und hunderttausend Pariser lebten und starben ihn ihnen. Paris Gassen waren Pfade aus Leidenschaft und Begierde des Lebens. Ging die Sonne endlich auf, schwebte über der Stadt, mit dem Rauch der zahllosen Kamine, ein gewaltiges, babylonisches Stimmengewirr aus Worten, Widerworten, Fluchen, Schreien, Lachen und Weinen. Eine gleichförmige Kakophonie aus Laute von zu vielen Menschen auf engstem Raum.
 

Aramis erwachte von dem untrüglichen Gefühl Paris nie mehr wiederzusehen. Die kerkerübliche Disharmonie aus Wimmern, Fluchen, Schreien und lauten Befehlen, holte sie schmerzlich in die Wirklichkeit zurück. Dunkelheit umfing sie. Vor sich sah sie nicht das sonnengetauchte Paris, ihr Zuhause, - sondern die schemenhaften Umrisse ihres Kerkers. Stunde für Stunde hoffte sie, dass man sie herausholen würde. Stunden um Stunden vergingen, in denen nichts geschah. Es war für sie eine schwere Zeit. Sie wurde von quälendem Kummer verzehrt. Stundenlang kniete sie vor dem schmalen Gitterfenster, dass mehr Finsternis als Helligkeit verströmte. Ihre Hände krampfhaft gefaltete und betend zu dem kleinen Stück Außenwelt hinter den Gittern, dass ihr blieb. Ihr Anblick hätte jeden erschüttert, der sie kannte. Es war schon schlimm auf seine Verurteilung warten zu müssen, tausendmal schlimmer war es noch die Ungewissheit. Wann würde man sie rufen? Wer würde sie verurteilen? Wie würde die Strafe ausfallen?

Nach einer Woche, die sie an den schimmligen Mahlzeiten und dem blassen Tageslicht in ihrer Zelle zählte, holte man sie ab.

"Herauskommen und keine Mätzchen, sonst wirst du den Stock zu spüren bekommen!", brüllte der Wächter, dem vor Erregung die Halsschlagadern hervortraten, im Englisch mit schwerem Dialekt. Mittlerweile vermochte Aramis einzelne Dialekte zu verstehen. Ein dünner unscheinbarer Mann im tristen Grau, folgte der Wächtergruppe die sie abführten. Stirnrunzeln quittierte er ihre Anwesenheit und musterte sie kritisch. Aramis Sinne waren gespannt. Deutlich spürte sie den Dreck auf ihrer Haut. Das Kratzen an der Kopfhaut und unter den Armen, die schmutzstarre Kleidung, das verfilzte Haar und das Ungeziefer. Mit schweren Eisenketten kettete man ihre Hände und Füße zusammen und stieß sie vorwärts. Hilflos in den Ketten gefangen, mit kleinen Schritten, stolperte sie mit. Fackeln erhellten die langen Gänge mit den dunklen Steinwänden und schweren Eisentüren. Sie passierten die Treppe und traten auf einen kleinen Innenhof hinaus. Grobe Hände stellten sie in die Mitte des Hofes und man goss Eimer für Eimer kaltes Wasser über sie. Obwohl die Sonne warm brannte, zitterte Aramis bitterlich. Dann ließ man sie stehen. Der ganze Dreck ging nicht ab, dazu hätte es etwas mehr Reinigung bedurft, aber ihr Gestank war vorerst mit einigen Liter Wasser davon gespült worden.

"Was passiert mit mir?", fragte sie, fast wehleidig, aber man gab ihr keine Antwort. Eine erhobene Muskete bedeutete ihr, sich nicht von der Stelle zu rühren. "Bitte!", aber ihr Flehen hallte nur unerwidert von den hohen Gefängnismauern wieder. Die Wächter starrten sie nur, gleichsam mit den Musketenmündungen, an. Tropfen rannen ihr über die Nase, das Haar klebte nass und schwer im Gesicht. Gedemütigt senkte sie den Kopf und schwieg. Ihr war bewusst, dass ihre Kleidung sich so gut wie durchsichtig an ihren Körper schmiegte.

Als sie schon längst trocken war und die Sonne immer erbarmungsloser in ihren Nacken brannte, kam der graugekleidete Mann zurück. Er stellte sich als Robert Chamberts vor, ein Angestellter des Towers und zuständig für außergewöhnliche Gefangene, die auf besondere Anordnung des Königs inhaftiert waren. So bekamen ihre Wächter einen Namen und die Demütigung ein Gesicht. Für eine zum Tode verurteilte, behandelte sie Mr. Chamberts nicht unhöflich. Wahrscheinlich lag es im Wesen der Engländer, sich in jeder Situation gentle like zu benehmen. Chamberts befahl, dass man ihr Wasser und Brot reichte. Gierig schlang Aramis alles hinunter. Ihr wurden die Fußfesseln abgenommen, dann verließen sie den Tower. Höflichkeit galt für Wächter indes nicht. Sie stießen Aramis weiterhin grob vorwärts und erniedrigten sie verbal. An der Flussseite des Kerkers, bestiegen sie ein Boot und verließen den Tower über den Wasserweg des Gefängnisses. Die Bootsinsassen schwiegen. Nur die Raben kreischten einsam über den Gefängnismauern, das Tor erhob sich knirschend und die Ruderblätter durchstießen gleichmäßig das Wasser. Mit angstvollem Rauschen in den Ohren, sah Aramis zu dem kleiner werdenden Gefängnis zurück. Sie glaubte vor Panik schreien zu müssen, als die Mauern von Whitehall näher rückten. Ihr Herz schlug immer schneller und schmerzhafter in ihrer Brust. Das Ziel vor ihren Augen begann sich zu drehen und Übelkeit stieg in ihr auf. Die restliche Zeit, starrte Aramis zu Boden. Man brachte sie über einem Geheimgang zum König. Karl I. befand sich in seinen Privatgemächern. Sein Thron war ein schmaler Stuhl mit grünem Samt und schweren Goldmuster. Auf seinem Befehl hin, wurden ihre die Handeisen abgenommen. Mr. Chamberts und seine Wächter zogen sich wortlos zurück. Aramis war mit dem König allein.

Schweigend stand sie ihm gegenüber.

"Man hat mir merkwürdiges berichtet", sagte er und strich sich nachdenklich über das Kinn. "Mehrere Tage Gefängnisaufenthalt, aber kein Bartwuchs. Eure Gestalt soll nicht der eines Mannes entsprechen. Was suchtet Ihr im Zimmer der Königin?"

"Ein bedauerlicher Zwischenfall, Eure Majestät."

"Wie Euer ganzer Aufenthalt hier? Wir haben nachgeforscht. Eine Renée de Herblay existiert und sie befindet sich gerade in Paris, während Ihr hier seid! Wie kommt das?"

Aramis verriet es ihm und noch mehr. Karl I. verlangte Antworten und Aramis wollte einfach nur Leben. Seit sie den ersten Fuß auf englischen Boden gesetzt hatte, war sie von einer unglückseligen Situation in die nächste getaumelt. Aramis wollte zurück nach Hause.

"So, so, eine Agentin von Kardinal Richelieu", sagte er schließlich nachdenklich und ließ wertvolle Minuten des Denkens verstreichen. Das sie für den Kardinal ein Musketier und somit ein Mann war, hatte Aramis den König verschwiegen. Von ihrer Maskerade brauchte er nichts zu wissen.

"Was bezweckt er damit?"

"Lediglich Graf de Meyé!" Dass Graf de Meyé kein loyaler Günstling war, weder für Frankreich, noch für England, wusste Karl. Wie weit seine Intrigen gingen, ahnte er. Was er gerade erfahren hatte, untermauerte nur seinen Kenntnisstand.

"Zieht Euch aus!"

Aramis blinzelte irritiert. "Wie bitte, Eure Majestät?"

"Ihr habt mich schon gehört! Ich wünsche, dass Ihr Eure Kleider ablegt!"

"Aber, Eure Majestät, ich ..."

"Kein ,Aber' Madam", unterbrach er sie herrisch. "Tut, was ich Euch befehle oder Ihr müsst Euer Leben lassen, ich habe das Recht dazu!" Karls kalte berechnende Augen, sein energisches, aristokratisches Kinn, sein junger stattlicher, gestählter Körper verrieten rücksichtslose Entschlossenheit. Karl I. war ein König. Man brauchte ihn nur anzusehen, wie er vor den Blicken seines Hofstaates herumstolzierte. Hilflos, fast bettelnd suchte sie seinen Blick.

"Zieht Euch aus!", wiederholte er.
 

Karl I. zog hörbar die Luft ein. Sie wartete, bis der König seine Musterung beendet hatte. >Adieu, Moral< Sie lachte innerlich auf und dachte, dass sie ihre Strümpfe eigentlich hätte anbehalten können. Selbst über ihre Ruhe erstaunt, bedauerte sie es nicht, die weißen Strümpfe ausgezogen zu haben. Es sähe schon merkwürdig aus in knielangen Socken vor seiner unumstrittenen königlichen Majestät von England zu stehen.

"Dreht Euch!"

Sie tat wir ihr geheißen.

"Missstress, Ihr seid eindeutig eine Frau. Wir bestätigen es." Der Königs rutschte bequemer in den breiten Sessel. Der Stoff seiner Hose trat im Lendenbereich deutlich hervor.

Diese Feststellung hätte auch nur bei ihrer Vorderansicht genügt, dachte Aramis und zwang sich nicht auf Karls Männlichkeit zu sehen.

"Danke, Sire."

"So Missstress Renée, mit den Vorlieben für Männerkleidung und dem bezauberndsten Hinterteil des Hofes. Seid Ihr die Mätresse des Königs?"

"Nein."

"Des Kardinals? Von Lord Corday?"

"Nein und ganz sicher Nein."

"Was ist mit Eurem Verlobten?"

"Auch ein Agent."

"Genug geredet!" Unterbrach der König sie. "Kommt näher!"

Aramis trat den letzten Schritt der Überwindung, geradewegs über Bedenken und Vorbehalte hinweg, dem König entgegen und ließ ihren eigenen Stolz und Wertvorstellung hinter sich. Metaphorisch die Achseln zuckend, dachte sie daran, dass sie im Bett des Königs ohnehin keine Socken benötigen würde.

Seine Finger fuhren über die glatte, samtene Haut an der Hüfte entlang und blieben dort liegen. Er sah sie an, wie sie reglos und starr vor ihm stand. "Eine Frau, die geheim für den Kardinal arbeitet und in Männerkleidung im Zimmer der Königin in Zweifelhafter Situation, festgenommen wurde, kann nicht viel von Moral halten", sagte er heiser und beobachtete sie.

"Geht!" Er nahm seine Hand fort.

Erstaunt riss Aramis die Augen auf.

"So schade es ist, Comtesse, aber ich ziehe es vor, dass die Frauen freiwillig in mein Bett kommen und nicht auf Befehl", sagte der König und erhob sich. Er griff nach ihren Sachen und drückte sie ihr in den Arm.

"Ihr solltet in Betracht ziehen, an den französischen Hof zurück zu kehren. An meinen bringt Ihr entschieden zuviel Aufregung."

"Ja, Sir."

Karl I. wendete ihr den Rücken zu, als sie sich anzog und zur Tür schlüpfte. Er drehte sich erst um, als er das Klicken der Tür hörte und hob erstaunt eine Augenbraue, als diese wieder aufging und seine unerwartete Besucherin den Kopf hereinsteckte.

"Habt Ihr es Euch doch anders überlegt?" Freudig wanderten seine Augen zum Bett.

"Ähm nein, Sire. Werdet Ihr unsere Begegnung für Euch behalten?"

"Ihr habt mein Wort als König, Madam!"

"Auch gegenüber Frankreich?"

"Gewiss, Madam!"

"Danke, Sire."

Die Tür schloss sich wieder. >Schade<, dachte Karl, >welch Verschwendung. Was für ein Hintern und Busen.<

Seufzend beschloss er seine französische Gemahlin aufzusuchen. Verwarf aber den Gedanken bald wieder.
 

The Swan hatte eine neue Bardame. Sie war nicht unbedingt als Schönheit zu bezeichnen, aber sie strahlte eine laszive Erotik aus, die den Schankraum der Taverne all abendlich füllten. So war es nicht verwunderlich, dass jeder Abend mit einer Prügelei um die Gunst der Herzensdame endete. Dabei bevorzugte Jane Downs niemanden. Mit gleich bleibend guter Laune, schenkte sie das Bier hinter der Theke aus. Miss Down war weder dumm noch naiv, auch nicht bescheiden genug, dass ihr die glutvollen Blicke der Männer nicht wie Samt die Haut hinunter strichen. Sie wusste, dass ihre Unerreichbarkeit, ihre größte Trumpfkarte war. Schenkte sie einem der Gäste mehr Zuneigung als den Anderen, dann war sie verspielt. So strich sie sich das braune Haar aus der Stirn und registrierte mit katzengleichem Genuss die sehnsuchtsvollen Blicke der Männer.

Es war ein Abend in der Wochenmitte. Miss Down stand hinter dem Tresen, dessen Oberfläche fettig vom Bierschaum und zu vielen Händen glänzte und das schummrige Licht der wenigen Öllampen verbarg gnädig die abgehärmten Züge der müden Schankgäste, denen ihr Tageswerk auf den Schultern lag. Einzelne Gespräche gingen im allgemeinen Lärm unter. Noch war niemand betrunken genug, um einen Streit anzufangen oder gar handgreiflich zu werden. Auch Frauen zählten zu den Gästen des Schwans. Bodenständige Frauen, die ihrem Mann standen. Zwar mit dem Herz am rechten Fleck, aber umgeben von einem harten Kern.

So war es nicht weiter verwunderlich, als die Schanktür aufging und mit der Abendluft eine Frau die Taverne betrat.

Suchend schweiften ihre Augen durch den Raum.

"David?" Bei der hellen Stimme, sahen einige Gäste erstaunt auf und suchten die verzweifelte Stimme im trüben Dunst der Tavernenluft.

"David?" Müde Männeraugen hoben sich vom dunklen Bier, in einer noch dunkleren Nacht, eines gleichbleibend trostlosen entbehrungsreichen Lebens und sahen, wer da störte.

Die junge Frau schien schließlich gefunden zu haben, was sie gesucht hatte. Ihre Züge erhellten sich.

Mittelmäßiges Interesse folgte ihr, als sie vor einem der Tisch hielt.

"David!" Glücklich sah sie auf einen Mann von eher bescheidenem, wenn nicht gar langweiligen Aussehen nieder, der umso erstaunter aufsah. In seinem Erstaunen wirkte er wie ein Schwachsinniger, so sehr entglitten ihm seine Züge.

"Du?", wisperte er tonlos.

Die junge Frau drückte flehend die Hände an die Brust und rief: "Warum hast du mich verlassen? Warum nur, David warum?" Die Atmosphäre im Tavernenraum veränderte sich auf subtile Weise, - viele aufmerksame Ohren saugten alle Geräusche ab. Plötzlich war es still und keiner der Gäste trank mehr.

Dem Mann rutschten die Züge aus dem Gesicht. Sein Gesprächspartner schwieg betroffen.

"Mir ist jetzt klar, dass du ein falsches Spiel mit mir getrieben hast", schluchzte sie. "Du hast gesagt, ich könnte mit dir kommen. Du meintest, dass du ... du würdest ... du wolltest" Ihre Stimme brach. Tränen und mitleiderregende Theatralik schwammen in ihren Augen. Verzweifelt wandte sich an den zweiten Mann und breitete flehend die Hände vor ihm aus. "Mister, ich habe meine Eltern verlasse, ich bin ihm nach England gefolgt. Können Sie ihn nicht überzeugen, bei mir zu bleiben?" Sie trug ein einfaches, wenn auch aus gutem Stoff geschnittenes Kleid. Ihr Gesicht besaß Augen, bei denen, gleichgültig ihrer Worte, man bereit war alles zu glauben

Die junge Frau schluchzte. Als sie hilflos stammelte: "Ich habe doch sonst niemanden", stöhnten die versammelten Gäste gemeinschaftlich auf. "Ausgenutzt hast du mich! Verleugnen willst du mich!", schrie sie den fassungslosem Mann ins Gesicht, um dann ihr Antlitz wieder in den Händen zu verbergen. Der Mann sah noch unbehaglicher drein, als vorher. Er rang sichtlich mit Worten, fand aber keine. Fast panisch sah er seinen Gesprächspartner an. Sein Gegenüber, ein Mann mit unbeugsamen Zügen und grausamen Augen, zischte ihn ärgerlich an.

"Was hat das zu bedeuten?" Beide Männer hatten in einer dunklen Ecke gesessen, um unerkannt zu bleiben. Nun galt die gesamte Aufmerksamkeit der Taverne galt ihnen, - die vierte Asskarte beim Pokerspiel, mit umgekehrter Wirkung.

"Ich weiß es nicht."

"Kennen Sie die Frau?"

"Ja .. ja", winselte der Mann unbeholfen. "Aber sie ist gar keine ..."

Weiter kam er nicht. Denn als wenn das noch nicht genug wäre, legte sie die Hände auf den Bauch und stöhnte:

"Ich weiß nicht, was tun soll ... das arme Kind ...", ihre Stimme erstarb und doch hatte sie jeder gehört. Ihre Zuhörerschaft hielt den Atem an. ,Nein', hauchte es entrüstet, als eine einzige Stimme.

"Pauvre petit!" flüsterte sie leise und strich liebevoll über den Bauch.

Der junge Vater sprang auf und rief. "Nein, dass stimmt nicht! Sie lügt!", schrie er, während sie in strahlender Ehrlichkeit neben ihm Stand. Ihre Zuhörerschaft sah in ihre Augen, das junge Gesicht, die adrette Gestalt, die Tränen. Neben ihr, der unscheinbare Mann, mit faden Gesichtszügen, kleinen tiefliegenden Augen. Er erntete nur verdammende Blicke, wohingegen die Leute mitfühlend in die Richtung der jungen Frau sahen.

"Wirst du für uns sorgen?", fragte sie, mit Zweifeln in den Worten.

"Idiot" Sein Gegenüber zog ihm mit tödlich funkelnden Augen auf den Stuhl zurück und riss ihm am Revers zu sich heran. "Ich gratuliere Ihnen, Sie Narr!", zischte er in das puterrote Gesicht, des um Luft und Furcht ringenden Mannes. "Jeder dieser englischen Schwachköpfe schenkt uns nun seine Aufmerksamkeit." Er sprach mit schwerem Akzent. Ein Ausländer, dachten die, die ihn hörten, ein Ausländer ging es flüsternd durch die Reihen. Ausländer stellten in dieser Gegend eine Minderheit dar und hatten den Kopf unten zu halten ... noch weiter unten, wenn es ging.

"Oh, die arme Kleine!" Jane eilte um ihren Tresen herum und legte den Arm mitfühlend um die jungen Schultern, die heftig zuckten. Sie hob drohend den Finger. "Schämen sollten Sie sich, Mr.! Wie können Sie das arme Ding täuschen und dann verlassen?" Sie wandte sich den übrigen Gästen zu. "So ein Schuft! Sieht man ihm nicht seine schlechten Absichten an?" Die anwesenden Frauen nickten heftig und murmelten ihre Zustimmung. Besorgt über die Reaktion der Frauen, schauten die Arbeiter anklagend zu ihm, als habe er versucht, auch ihre Ehefrauen zu verführen.

"Unternehmen Sie endlich etwas!", fauchte der Ausländer. "Machen Sie dem ein Ende!"

"Sie lügt!", wimmerte er erbärmlich.

"Sir, tun Sie ihm nichts", wandte die junge Frau flehend ein, "auch wenn er Sie täuschen will. Er braucht das Geld für mich und das Kind."

"Täuschen?"

"Man zwang ihn, Ihnen falsche Informationen zu geben!"

Ein Speichelfaden rann dem Mann aus seinen fahlen Lippen. Mit kalter Ruhe versenkten ihn die dunklen Augen des Ausländers.

"Falsche Informationen, so so."

"Es ist nicht seine Schuld. Man zwang ihn!" Verschwörerisch beugte sie sich nahe zu ihm und hauchte: "Graf de Meyé"

"Sie lügt!" Er umklammerte die Tischkante mit der Kraft eines Verzweifelten. Die Augen des Ausländers wurden zu schmalen Schlitzen, die verkündeten: Du stehest auf dünnem Eis, Junge und unter dir knackt es!

"Graf de Meye ...!", fuhr er fort, bestrebt Selbstmord zu begehen.

"Spreche den Namen nicht laut aus, du Dummkopf!"

Es knackte hörbar, als das Eis brach und er in die Tiefe stürzte.
 

Heydon war ein äußerst unbegabter Amateur, was Verschwörungen anging. Gehörte er doch zu den Mitläufern, die wenn es ernst wurde, sich hinter einem armen Irren zusammendrängten, der das Wort führte und ,Ja, genau' riefen, um sich dann möglichst schnell zu verdrücken. Zudem war er von minderen Intelligenz, die sich durchaus als beharrliche Dummheit beschreiben ließ und durchaus angemessen für ein Geschöpf war, dass sich derart leicht für die Zwecke anderer manipulieren ließ.

Bevor er sich mit dem Informanten getroffen hatte, mussten einige Flaschen Hochprozentiges dran glauben, um den Schein von Mut hervorzurufen. Sein Alkoholverstand ließ ihn nur schwerfällig und langsam die Situation begreifen. Er war restlos überfordert. Als er endlich aufstand, um dem Informanten zu folgen, sah er sich dicht umringt, von mehreren Gästen. Eine harte Hand drückte ihn auf seinen Stuhl zurück.

"Was nun?", fragte der Tavernenbesitzer und sah ebenso ratlos aus wie Heydon.

"Holt den einen Pfarrer!", rief die Bardame.

"Holt den Pfaffen aus dem Bett, dass er sie traut!", wurden Rufe laut und Heydon glaubte sich übergeben zu müssen. Und überall dem stand das Strahlen der jungen Frau. Vergebens kämpfte er gegen die kräftige Hand auf seinen knochigen Schulterblättern an.

Als einzelne Gäste losgingen, um den besagten Pfarrer zu holen, war Heydon den Tränen nah.

"Mit der Zeit, wirst du mich lieben!", beteuerte die junge Frau. Mit frisch erwachendem Hass sah er sie an. Wie Klauen krümmten sich seine Finger. "Du", zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen und wäre ihr, ohne seinen Wächter, an die Kehle gesprungen. "Ich werde dich ..."

Ihr Kuss versiegelte seine Lippen und während der gesamte Tavernenschankraum jubilierte, glaubte Heydon an seinem eigenen Speichel zu ersticken. Die Stammkundschaft des Schwans geriet in Hochstimmung und als man schließlich einen verschlafenen Pfarrer hereinzerrte, machte Heydon das in die Hose, was er, wie ihn seine Mutter vor rund 30 Jahren mit viel Geduld lehrte, nicht in die Hosen machen sollte. Die näherstehenden Gäste traten naserümpfend zurück. Er riss sich los und rannte wie ein Besessener davon. Weder Gast, noch Stuhl, noch Tür vermochten ihn aufzuhalten, was aber der allgemeinen Begeisterung keinen Abbruch tat, da sich einige der männlichen Gäste als potentiellen Bräutigamersatz anboten und kräftig drauf anstieß.
 

Beschwingt trat Aramis in die klare Nachtluft und tanzte vor Hochgefühl. Für heute Abend hatte der Musketier in ihr Ausgang. Sie hickste leicht und kicherte über sich selbst. Man wurde nicht belohnt dafür fair zu sein.

Sie lief durch die dunklen Gassen und fühlte nicht im entferntesten Angst oder Unbehagen ... der Schatten am Haus war dunkler, als er sein sollte. Jemand bewegte sich leise. Regungslos verharrte sie und lauschte. Ihre Nackenhaare sträubten sich und richteten sich zielgerade auf. Sie konnte die zweite Präsenz spüren, eine zweite, nichts gutes Verheißende Präsenz. Das vorsichtige Atmen, das verstohlene Wispern, die schleichenden Schritte. Eine Gestalt löste sich aus dem feuchten Schatten der Straße. Im fahlen Schein des Mondlichtes sah sie sein siegessicheres Raubtierlächeln. Ein Straßenräuber, dachte sie. Nichts, womit sie nicht fertig werden würde. Den Überraschungsmoment ausnutzend, sprang sie vor und hieb ihm die Handkante gegen das Ohr, um sein Gleichgewichtssinn zu stören. Es hätte geklappt. Ja, es hätte geklappt, wenn nicht der zweite Halunke und sein Knüppel gewesen wäre. Sie trat noch gegen die Kniescheibe des Erstens, dann traf der Schläger ihren Arm traf und diesen lähmte. Aua, dachte sie, mehr ärgerlich, als ängstlich.

"Haltet ihn fest!", sagte eine wehleidige Stimme, die sie nur zu sehr kannte. Ein Schlag traf ihren Hinterkopf. Warum musste ausgerechnet Heydons Stimme das letzte sein, was sie ihn ihrem Leben hörte, dachte Aramis, dann wurde es schwarz um sie.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (7)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  blubbie
2011-06-26T19:50:34+00:00 26.06.2011 21:50
Rums...autsch! Wie schafft es Aramis nur immer wieder sich von einer Situation zu retten und dann dirket in die nächste zu begeben. Sie ist einfach unvorsichitg gewrden. Obwohl ich gestehen muss, dass ihr Auftritt im Swan großartig war :D
UNd der König war SEHR angetan von ihr. Ich hab Tränen gelacht, als sie nochmal wiederkam und er schon gehofft hatte, dass sie es sich anders überlegt hätte. Zu seiner Königin wolte er dann trotzdem nicht der Tropf. Obwohl sich die ja nun auch schlecht mit unserer Aramis vergleichen lässt.
Aber was ist denn nun mit Athos? Den müssen sie doch auch frei lassen!
Von:  amacie
2005-01-12T06:49:38+00:00 12.01.2005 07:49
Ja also die Frage die Keks schon gestellt hat, darüber musste ich auch schon die ganze Zeit nachdenken. Was wird denn nun aus Athos? Ich mein ja, dass das ganze mit den beiden zwar glücklich enden wird, aber wie du das ganze noch anstellen willst... Fragen über Fragen. Jedenfalls gefällt mir dieses Kapitel sehr gut, ich wäre ja auf viele Ideen gekommen wie sie da wieder rauskommt, aber auf diese Lösung bin ich natürlich nicht gekommen ^-^
Von:  Kajuschka
2005-01-10T09:47:25+00:00 10.01.2005 10:47
Ich machs mir mal einfach. Die anderen haben schon das geschrieben, was ich auch denke... Dein neues Kapitel ist klasse und ich freu mich schon aufs nächste. ^_^
Von: abgemeldet
2005-01-06T17:04:00+00:00 06.01.2005 18:04
also wirklich, wo gibts denn sowas? ein könig der anständig ist? na, in dieser situation nehmen wir es mal hin ;o) ich werf mal die frage auf wie tach: wie gehts mit athos weiter? bin sehr gespannt und ich hoffe, dass du auch weiterhin so gut mit deiner story vorankommst :o)
LG Krisi
Von:  Kanoe
2005-01-04T09:47:31+00:00 04.01.2005 10:47
la la la..
ich finde den könig noch ziemlich anständig.. er hätte auch sagen können hopp rein ins bett sonst ist die Rübe ab.. *lacht*
nur ich frag mich was der arme Arthos die ganze zeit macht..
vor allem bin ich gespannt darauf mit welcher begründung Aramis entlassen wird .. *gespannt ist wie es weiter geht*
Von:  Tach
2005-01-04T09:38:03+00:00 04.01.2005 10:38
Dieser widerwertige Lustmolch von einem König oO...aber nun gut, was solls. Wieder einmal großartig =] Ich frage mich nur ganz besorgt, wat wird denn jetze aus Athos? Der sitzt doch nu immer noch im Kerker oder nich?
Von: abgemeldet
2005-01-03T12:38:54+00:00 03.01.2005 13:38
Salut!
Ist lange her, dass ich ein Kommentar hinterlassen habe. Und da du mein letztes Kommentar nicht lesen konntest, übersetz ich es mal.wie der Zufall es so will, passt dieses Kommi auch zum neuen Kapitel.
Übersetzung.
Ich weiß nicht , was ich schreiben soll. Diese FF ist einfach genial. Du übertriffst dich wirklich mit jedem neuen Kapitel von selbst. Einfach unglaublich!
Ich bin sicher, dass das nächste Meisterwerk bald folgen wird.

Au revoir, Ayumi


Zurück