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Angriff ist die beste Verteidigung

von

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Teil 3 - Kapitel 5

In the End
 

by CarpeDiem
 

5
 

Das Licht war immer noch rot.
 

Akihito hielt seinen Blick starr auf die rechteckige Lampe über den Türen des OPs gerichtet und wartete darauf, dass das rote Licht hinter dem milchigen Glas ausgehen würde. Er wusste nicht mehr wie lange er schon auf dem unbequemen, grünen Plastikstuhl im Gang vor dem Operationssaal saß, aber es kam ihm so vor, als wären bereits Stunden vergangen. Während dieser ganzen Zeit hatte er nichts anderes getan, als auf dieses Licht zu starren und jeden Moment aufs Neue zu hoffen, dass es endlich ausgehen würde und die Ärzte mit der Operation fertig wurden. Er wusste, dass die Chancen, dass Asami überleben würde, immer schlechter wurden, je länger dieses Licht über der weißen Doppeltür brannte.
 

Akihito ließ seinen Kopf in die Hände fallen und rieb sich die Augen. Er saß vorne über gebeugt auf dem harten Stuhl, die Ellbogen auf seinen Knien abgestützt und obwohl sein Gehirn ihm sagte, dass ihm inzwischen jeder Knochen in seinem Körper weh tun sollte, fühlte er nicht das Geringste. Alles war seltsam taub. Er war sich sicher, dass er bald Blut schmecken würde, wenn er weiterhin auf seiner Unterlippe herum kaute, aber das war ihm vollkommen gleichgültig. Seine Handflächen waren schweißnass und ihm war kalt, aber nichts davon könnte ihn dazu bringen seinen Platz auf diesem Stuhl auch nur für eine Minute zu verlassen.
 

Als Akihito die Augen wieder öffnete, starrte er auf den grauen Fußboden und einen Moment darauf zuckte sein Blick bereits wieder nach oben zu der Lampe. Das Licht war immer noch nicht ausgegangen und je länger er hier saß, desto mehr wuchs seine Angst um Asami. Er hatte immer noch die Bilder vor Augen, als man ihn in den OP gebracht hatte. Seine ganze Brust war blutverschmiert gewesen und eine Schwester hatte sein Hemd aufgeschnitten, während sie ihn auf einer Trage den Gang entlang geschoben hatten. Akihito konnte sich nicht mehr daran erinnern, was die Ärzte und Schwestern, die sofort zur Stelle gewesen waren, gesagt hatten, aber auch ohne dass er sie verstanden hätte, wusste er, dass es nicht gut um Asami stand. Die Kugel hatte ihn sehr nahe am Herzen getroffen und er hatte eine Menge Blut verloren.
 

Nachdem man die Türen des OPs vor Akihitos Nase zugemacht hatte, war er ein paar Minuten lang einfach nur davor gestanden und hatte ins Nichts gestarrt, bis Kirishima ihn schließlich zu einer Toilette gebracht hatte, damit er sich seine Hände waschen konnte. Das Blut war bereits getrocknet gewesen, aber im Gegensatz zu seinem T-Shirt, das immer noch voller Blutflecken war, waren Akihitos Hände mittlerweile wieder sauber. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass Akihito Blut an den Händen gehabt hatte, aber es war etwas anderes, weil es Asamis Blut gewesen war. Zwar hatten sie ihn ins Krankenhaus gebracht, aber es bestand weiterhin die Möglichkeit, dass er die Schussverletzung nicht überleben würde. Akihito weigerte sich jedoch auch nur eine Sekunde lang daran zu denken, dass Asami sterben könnte, denn das durfte einfach nicht passieren.
 

Ein brauner Plastikbecher mit Kaffee kam in Akihitos Blickfeld und er sah auf. Kirishima stand über ihm, einen weiteren Becher für sich selbst in der Hand. Auch er hatte das Krankenhaus bis jetzt nicht verlassen und Akihito wusste, dass er sich ebenfalls Sorgen um Asami machte. Trotzdem sah er nicht halb so mitgenommen aus wie Akihito selbst.
 

„Danke", murmelte Akihito, während er den Kaffeebecher an sich nahm. Der Becher war ziemlich heiß, aber Akihitos Finger schlossen sich dennoch um das Plastik und er spürte wie sich die Wärme langsam über seine Arme in seinen Körper ausbreitete.
 

Kirishima nickte nur, bevor er sich wieder neben Akihito auf einen der grünen Plastikstühle setzte und einen Schluck von seinem eigenen Becher trank.
 

Akihitos Blick wanderte wieder nach oben zu der roten Lampe über dem Operationssaal, doch dann drehte er den Kopf zu Kirishima, als er seine Stimme neben sich hörte.
 

„Der Boss ist zäh, Takaba", sagte er und sah Akihito durch die Gläser seine Brille bestimmt an. „Das hier ist nicht das erste Mal, dass er angeschossen wurde. Er wird es schaffen."
 

Akihito nickte, während er sich nichts mehr wünschte, als diesen Worten Glauben zu schenken, aber er wusste, dass Kirishima keinen Einfluss darauf hatte, was geschehen würde und lediglich versuchte ihn zu beruhigen. Das letzte Mal, als Asami angeschossen worden war, hatte er versuchte Akihito vor Feilong zu beschützten - zumindest war das das letzte Mal, von dem Akihito wusste. Es kam ihm vor, als wäre das schon eine Ewigkeit her, obwohl gerade einmal zwei Jahre vergangen waren. So viele Dinge hatte sich in dieser Zeit verändert und andere wiederum nicht.
 

Akihito drehte den Plastikbecher in den Händen, bevor er ihn an die Lippen führte und einen kleinen Schluck daraus trank. Der Kaffee schmeckte trotz Milch und Zucker einfach nur grauenvoll, aber Akihito war sich nicht sicher, ob das an dem Kaffe lag, oder ob für ihn im Moment nicht alles grauenvoll geschmeckt hätte. Zumindest war er heiß und erst jetzt bemerkte Akihito wie kalt ihm eigentlich war.
 

Auf dem Boden des Ganges waren mit einem Mal eilige Schritte zu hören, die immer lauter wurden und Akihito hob hastig den Kopf. Ein Arzt mit kurzen, schwarzen Haaren und einer Brille kam auf sie zu. Er blieb vor ihnen stehen und Akihitos Herz setzte einen Schlag aus, als er den besorgten Gesichtsausdruck des Mannes sah.
 

„Kirishima, ich hab es gerade gehört", sagte er leise. „Wie lange ist er schon im OP?"
 

Akihito brauchte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass dieser Arzt anscheinend ein Freund von Asami war und nicht etwa zu ihnen gekommen war, um schlechte Nachrichten zu überbringen.
 

Kirishima sah auf seine Uhr, bevor er dem Mann Antwortete. „Fast zwei Stunden."
 

Der Arzt nickte nachdenklich, doch dann sah er Kirishima aufmunternd an. „Ryuichi ist stark und die Ärzte tun ihr Bestes. Er wird es überleben, da bin ich sicher."
 

Kirishima nickte, doch es sah nicht so aus, als würde er wirklich daran glauben, obwohl er vor nicht ganz einer Minute selbst versucht hatte, Akihito mit beinahe denselben Worten Mut zu machen.
 

Einen Moment herrschte Stille, bis Kirishima den Kopf hob, als ihm wieder bewusst wurde, dass Akihito neben ihm saß.
 

„Verzeihung", sagte an den Arzt gewandt. „Kiichi Aoe, das ist Akihito Takaba."
 

Kiichi musterte Akihito einen Moment lang, bevor er ihm mit einem freundlichen Lächeln zunickte. „Es freut mich dich kennen zu lernen, Takaba. Ich habe schon einiges von dir gehört."
 

Akihito hätte das Gleiche sagen können, aber er war sich ziemlich sicher, dass das keine besonders gute Idee gewesen wäre. Der Name Aoe war ihm in der Vergangenheit, als er noch als Fotograf gearbeitet hatte, schon ein paar Mal untergekommen. Reiji Aoe gehörten mehrere Etablissements in der Stadt, darunter auch das Blue Boy, ein Host Club, in dem sich jeder, der genug Geld hatte, einen attraktiven Begleiter für gesellschaftliche Anlässe oder für Sex kaufen konnte. Soweit Akihito wusste, war Kiichi Aoe Reijis älterer Bruder. Ihm gehörte lediglich das Familienanwesen, aber obwohl sein Name nie im Zusammenhang mit dubiosen Geschäften aufgetaucht war, schien er einen gewissen Einfluss zu haben.
 

Bevor Akihito jedoch dazu kam etwas zu erwidern, begann Kirishimas Handy zu klingeln und die Schwester hinter dem Empfang einige Meter entfernt, warf ihm einen missbilligenden Blick zu, als er das Telefon aus seinem Jackett zog.
 

„Entschuldigt mich bitte", sagte Kirishima, nachdem er auf das Display gesehen hatte und stand auf, bevor er den Gang entlang in Richtung Treppenhaus ging. Anscheinend war der Anruf wichtig.
 

Akihito sah ihm einen Moment lang nach, bis er Kiichis Stimme neben sich hörte.
 

„Darf ich?"
 

Akihito drehte den Kopf und sah, dass der Arzt auf den Platz neben ihm zeigte. Akihito nickte knapp und Kiichi ließ sich mit einem vernehmlichen Seufzen auf den Plastikstuhl neben ihm fallen.
 

Akihito beachtete ihn nicht weiter und trank stattdessen einen weiteren vorsichtigen Schluck von seinem Kaffee, was er jedoch augenblicklich bereute und das Gesicht verzog.
 

„Der Kaffee schmeckt grauenvoll, nicht wahr?", sagte Kiichi neben ihm mit einem schmalen Lächeln. „Aber der aus der Kaffeemaschine im Ärztezimmer ist auch nicht besser."
 

Akihito drehte den Kopf, um den anderen anzusehen. In der Hoffnung sich ein wenig ablenken zu können, beschloss er sich auf ein Gespräch mit ihm einzulassen.
 

„Woher kennen Sie Asami?", fragte er und drehte den Becher zwischen seinen Händen hin und her. Er hatte mittlerweile wieder etwas Gefühl in seinen Fingern und langsam wurde ihm der Becher zu heiß.
 

Kiichis Lächeln wurde eine Spur breiter. „Er und mein Bruder Reiji hatten geschäftlich miteinander zu tun, nachdem er das Familienunternehmen von unserem Vater übernommen hat."
 

Um welche Art von Geschäften es dabei gegangen war, konnte Akihito sich nur zu gut vorstellen. Allerdings wusste er darüber nichts genaues, denn Reiji Aoe wurde von vielen angesehenen Persönlichkeiten und hochrangigen Politikern, die die Dienste seines Host Clubs in Anspruch nahmen, beschützt und dementsprechend gab es keine auffälligen Nachrichten über ihn. Akihito hätte sich eher vorstellen können, dass Asami mit dem jüngeren der beiden Aoe Brüder befreundet wäre, anstatt mit Kiichi. Der Arzt, der neben ihm saß, kam ihm nicht wie jemand vor, mit dem Asami sich besonders gut verstehen würde.
 

Akihitos Blick wanderte wieder zu der Lampe über dem Operationssaal, aber das Licht war immer noch rot und er atmete geräuschvoll ein und wieder aus.
 

„Er bedeutet dir sehr viel, hab ich Recht?", fragte Kiichi, dem Akihitos Blick nicht entgangen war, aber im Grunde war es keine Frage.
 

Akihito sah ihn abweisend an. „Woher wollen Sie das wissen?"
 

Kiichi ließ sich von dieser Reaktion nicht aus der Fassung bringen und wieder fand sich Akihito diesem sympathischen, schmalen Lächeln gegenüber.
 

„Wie gesagt, Ryuichi hat mir einiges von dir erzählt und ich hatte den Eindruck, dass du ihm sehr wichtig bist."
 

Akihito wusste nicht, was er darauf erwidern sollte und er sah den Arzt einen Moment lang misstrauisch an. Noch vor ein paar Stunden hätte er Kiichi kein Wort geglaubt, aber die Worte, die Asami in der Limousine auf dem Weg zum Krankenhaus zu ihm gesagt hatte, hatten alles verändert. Zumindest wollte Akihito glauben, dass sie alles verändert hatten. Er wollte glauben, dass er sich die ganze Zeit über getäuscht hatte und dass Asami doch Gefühle für ihn hatte, aber jedes Mal, wenn er versuchte diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen, erinnerte er sich an den Schmerz, den er empfunden hatte, als Asami ihn vor zwei Jahren weggeschickt hatte und er schreckte davor zurück, noch einmal so verletzt zu werden wie damals.
 

Akihito ließ seinen Blick nach unten auf den Fußboden fallen, um Kiichi nicht länger ansehen zu müssen, doch er konnte nicht verhindern, dass die nächsten Worte seinen Mund verließen.
 

„Was hat er Ihnen denn erzählt?"
 

„Dass du sein Liebhaber bist - oder vielmehr, dass du es warst, bevor du von einem Tag auf den anderen verschwunden bist und ihm das Herz gebrochen hast."
 

Akihito lachte leise auf und seine Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. „Ja klar", antwortete spöttisch.
 

Kiichis Worte klangen ganz und gar nicht nach etwas, das Asami sagen würde und noch dazu war es vollkommen unmöglich, dass Akihito ihm das Herz gebrochen haben sollte. Er erinnerte sich vielmehr daran, dass es andersherum gewesen war. Außerdem war er nicht einfach verschwunden, Asami hatte ihn weggeschickt und Akihito hatte die Splitter, die einmal sein Leben gewesen waren, aufgesammelt und war gegangen, um das zu retten, was ihm noch geblieben war.
 

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das gesagt hat", sagte Akihito ohne Kiichi anzusehen.
 

„Vielleicht nicht wörtlich", gab Kiichi nach einem kurzen Zögern zu. „Aber es war ziemlich deutlich, was er gemeint hat."
 

Akihito hab den Kopf und sah Kiichi abfällig an. „Meint er immer Liebhaber, wenn er Spielzeug sagt?"
 

Er wusste nicht genau woher die Bitterkeit und die Verachtung in seiner Stimme gekommen waren, aber er bereute seine Worte, noch bevor er sah, wie Kiichis freundliches Lächeln mit einem Mal erstarb und sich seine Augen gefährlich verdunkelten.
 

„Nein, normalerweise nicht", antwortete er mit kalter Stimme und mit einem Mal hatte Akihito überhaupt kein Problem mehr damit sich vorzustellen, dass dieser Mann mit Asami befreundet war. „Aber für gewöhnlich sagt er auch nicht alle seine Termine ab und betrinkt sich bis zur Besinnungslosigkeit, wenn eines seiner Spielzeuge wieder aus seinem Leben verschwindet."
 

Akihito starrte Kiichi Aoe ungläubig an, als er das hörte und der Arzt erwiderte seinen Blick mit einer gewissen Genugtuung. Akihito vermutete, dass es nicht schwer war auf seinem Gesicht abzulesen, was ihm gerade durch den Kopf ging. Er wusste, dass Asami sich niemals betrank, denn er hasste es die Kontrolle über sich zu verlieren und Akihito konnte sich nicht vorstellen, dass er sich so sehr hatte gehen lassen, nachdem er ihn verlassen hatte, denn das würde bedeuten, dass Asami tatsächlich Gefühle für ihn hatte. Allerdings hatte der Arzt keinen Grund ihn anzulügen - zumindest keinen von dem Akihito wusste.
 

„Ryuichi war geradezu besessen von dir und das ist er immer noch", sprach Kiichi einen Moment darauf weiter. „Diese Besessenheit könnte ihn alles verlieren lassen, was er hat, aber das ist ihm egal. Er hat sich bereits zwei Kugeln für dich eingefangen und einen Krieg mit Feilong riskiert, als du entführt wurdest, aber wie viel du ihm tatsächlich bedeutest, ist ihm erst bewusst geworden, als du nicht mehr da warst."
 

Akihito sah Kiichi noch einen Moment lang an, bevor er seinen Blick abwandte und vor sich auf den Fußboden richtete. Er wusste nicht mehr, was er glauben sollte und die Worte des Arztes ließen ihn an allem, was er bis jetzt für die Wahrheit gehalten hatte, zweifeln. Er fragte sich allerdings auch, ob er nicht schon immer gewusst hatte, dass er Asami etwas bedeutete. Spätestens nachdem er ihn aus Hong Kong gerettet und dabei unendlich viel riskiert hatte, hätte Akihito klar sein müssen, dass er für den anderen mehr war, als nur ein Spielzeug. Allerdings hatte er das nie wahr haben wollen, denn auch wenn er akzeptiert hatte, dass er Asami liebte, war es etwas ganz anderes zu wissen, dass dieser Mann seine Gefühle erwiderte.
 

Als er gegangen war, war er nicht vor der Wahrheit davon gelaufen, sondern vor dem Schmerz, als ihm klar geworden war, dass die Wahrheit keine Bedeutung hatte. Selbst wenn Asami Gefühle für ihn hatte, war Akihito sich sicher, dass er es niemals zugeben würde, deshalb war es leichter gewesen sich einzureden, dass er Asami ohnehin nichts bedeutete. Auf diese Weise konnte er nicht enttäuscht werden. Das ganze hatte allerdings nicht besonders gut funktioniert, denn als Akihito nach seiner Entführung wieder in Tokio gewesen war, hatte er aus lauter Verzweiflung heraus angefangen zu hoffen, dass sich etwas geändert hätte und schließlich war genau das passiert, was er versucht hatte zu verhindern - er war enttäuscht worden.
 

„Ich war tatsächlich der Meinung, dass er über dich hinwegkommen würde, aber ich denke ich bin froh, dass ich damit falsch lag", sagte Kiichi als nächstes und Akihito hob den Kopf, als er ihn leise lachen hörte. Der harte Glanz ins Kiichis Augen war verschwunden und das einnehmende Lächeln lag wieder auf seinen Lippen. „Ryuichi macht es einem nicht leicht, aber er verdient es, jemanden zu finden, der ihn aufrichtig liebt."
 

Akihito kaute wieder auf seiner Unterlippe herum und schüttelte dann unsicher den Kopf. „Ich weiß nicht, ob ich das kann."
 

Es sah so aus, als hätte Akihito Asami erst verlassen müssen, damit sich etwas zwischen ihnen ändern konnte, aber er wusste nicht, ob es genug sein würde. Er liebte Asami und er war stärker als damals, aber er wollte unter keinen Umständen, dass sein Leben wieder so werden würde, wie es gewesen war, bevor er Tokio verlassen hatte.
 

„Du bist hier", entgegnete Kiichi unbeeindruckt. „Ich finde, das beweist einiges."
 

Akihito seufzte schwer, während sich die Gedanken in seinem Kopf wie ein Kreisel drehten. Er wusste nicht, was er tun sollte und solange er nicht wusste, ob Asami seine Verletzung überleben würde, schaffte er es auch nicht klar zu denken.
 

Akihitos Blick wanderte wieder zu der Lampe über dem Operationssaal und als das rote Licht in diesem Moment ausging, brauchte er einen Augenblick, bis er in der Lage war zu reagieren. Dann war Akihito jedoch auf den Beinen und als Kiichi sah, was passiert war, stand er ebenfalls auf. Akihitos Herzschlag beschleunigte sich, als kurz darauf ein älterer Arzt mit einer Brille den OP verließ und auf sie zukam. Er hatte ein Klemmbrett unter dem Arm, aber seine Miene war nicht zu deuten.
 

„Dr. Sakamoto, wie geht es ihm?", fragte Kiichi, als der Arzt sie erreicht hatte und Akihito war dankbar dafür. Er wusste nicht, ob er seiner Stimme hätte trauen können.
 

„Den Umständen entsprechend gut", antwortete der Arzt in erstem Tonfall. „Er hat sehr viel Blut verloren, aber er hat Glück gehabt. Die Kugel hat seine linke Herzkammer knapp verfehlt, deswegen hat es auch so lange gedauert sie zu entfernen. Wenn keine unvorhergesehenen Komplikationen auftreten, wird er keine bleibenden Schäden davon tragen. Wir haben ihn dennoch in ein Zimmer auf der Intensivstation verlegt, nur um sicher zu gehen."
 

Akihito atmete auf als er das hörte und er spürte wie die Anspannung der vergangenen Stunden mit einem Mal von ihm abfiel. Asami lebte und er würde wieder vollkommen gesund werden. Akihito war unglaublich erleichtert das zu hören. Die Möglichkeit, dass Asami sterben könnte, hatte ihn beinahe verrückt gemacht. Er fragte sich womit er das verdient hatte, aber er hatte nicht die Energie jetzt nach einer Antwort auf diese Frage zu suchen.
 

„Vielen Dank", antwortete Kiichi und der Dr. Sakamoto verabschiedete sich mit einem Nicken, bevor er zu der Schwester am Empfang.
 

Kiichi bedeutete Akihito ihm zu folgen und führte ihn zu einem Fahrstuhl, mit dem sie zwei Etagen nach oben fuhren. Nachdem sich die Türen wieder geöffnet hatten, gingen sie einen Gang entlang und Kiichi fragte eine Schwester hinter dem Empfang dieser Station nach der Zimmernummer. Anschließend brachte er Akihito zu einem Raum am Ende des Flurs. An der Innenseite der breiten Glasfront waren die Jalousien herunter gelassen worden, aber man konnte dennoch durch die schmalen Zwischenräume ins Innere des Zimmers sehen.
 

Akihito warf einen Blick auf Asami, der in dem einzigen Bett im Zimmer lag. Mehrere Monitoren zeichneten seine Vitalfunktionen auf, aber obwohl er immer noch bewusstlos war und ziemlich blass aussah, atmete er selbständig. Es war ein befremdlicher Anblick Asami so verwundbar und geschwächt dort liegen zu sehen, aber das Wissen, dass er außer Lebensgefahr war, machte es erträglicher. Dennoch wollte Akihito nichts mehr, als ihn zu berühren, um sich selbst davon zu überzeugen, dass er am Leben war. Die Ungewissheit der vergangenen Stunden hatte Akihito beinahe den Verstand verlieren lassen und er fragte sich, ob Asami sich damals, als er auf Feilongs Schiff angeschossen worden war, für ein paar Momente genauso gefühlt hatte.
 

Akihito wandte seinen Blick von Asami ab und ging zu dem Teil der Glasfront, die eine Schiebtür war, um den Raum zu betreten. Er hatte seine Hand bereits am Türgriff liegen, als er die strenge Stimme einer Schwester hinter sich hörte.
 

„Einen Moment, junger Mann. Was tun Sie da? Sie dürfen dort nicht rein gehen!"
 

Akihito ließ seine Hand wieder vom Türgriff gleiten, als er sich umdrehte. Die Schwester schloss gerade die Tür eines Zimmer auf der anderen Seite des Ganges, bevor sie auf ihn und Kiichi zukam. Akihito wollte ihr gerade sagen, dass ihm das ziemlich egal war und dass er das Zimmer dennoch betreten würde, als Kiichi ihm eine Hand auf die Schulter legte und der Schwester mit einem Lächeln zunickte.
 

„Ist schon in Ordnung."
 

Die Schwester warf ihm einen kritischen Blick zu, fügte sich aber dann mit einem Nicken. „Auf Ihre Verantwortung, Dr. Aoe."
 

„Natürlich", entgegnete Kiichi und die Schwester verschwand einen Augenblick darauf wieder.
 

Akihito wollte sich gerade wieder umdrehen und das Zimmer betreten, als Kiichi ihn zurückhielt.
 

„Warte. Ich will, dass du eine Entscheidung triffst, bevor du dieses Zimmer betrittst", sagte er mit ernster Stimme und sah Akihito eindringlich an. „Wenn du vorhast wieder aus seinem Leben zu verschwinden, schlage ich vor, dass du es sofort tust. Das würde vieles einfacher machen. Bitte denk darüber nach, bevor du diese Tür öffnest."
 

Kiichi sah Akihito noch einen Moment lang an, bevor er die Hand von seiner Schulter nahm und sich anschließend mit einem Nicken umdrehte und ihn alleine ließ.
 

Akihito sah ihm nach, und irgendetwas in dem Blick mit dem Kiichi ihn angesehen hatte, brachte ihn dazu über seine Worte nachzudenken, anstatt sofort das Zimmer zu betreten. Stattdessen blieb er vor der Glasfront stehen und ließ seinen Blick durch die Zwischenräume der Jalousien auf Asami ruhen.
 

Kiichi hatte Recht er würde ihnen beiden eine Menge ersparen, wenn er einfach diesen Korridor entlang ging und das Krankenhaus wieder verließ.
 

Aber er konnte es nicht.
 

Er erinnerte sich noch daran, dass er zu Roy gesagt hatte, dass er nicht zu Asami zurückgehren würde, und Roy hatte zu diesem Zeitpunkt schon gewusst, dass er es trotzdem tun würde. Wie es aussah kannte Roy ihn besser, als er sich selbst. Akihito hatte immer gewusst, dass Asami ihn zerstören würde, falls er zu ihm zurück ging, aber er fragte sich, ob das immer noch der Fall war. Auch wenn er sich noch nicht sicher war, was genau sich geändert hatte, konnte er nicht länger ignorieren, dass sich etwas zwischen ihnen geändert hatte.
 

Asami hatte ihn darum gebeten, dass er bei ihm blieb und auch wenn er kaum noch bei Bewusstsein gewesen war, als er es gesagt hatte, wusste Akihito doch, dass er jedes Wort ernst gemeint hatte. Er hatte in der Vergangenheit versucht Akihito mit Gewalt bei sich zu behalten, weil er es nicht ertragen hätte ihn zu verlieren. Wenn man Angst vor etwas hatte, versuchte man so viel Kontrolle wie möglich darüber auszuüben, das hatte Akihito gelernt, als er Roys Partner gewesen war. Allerdings gab es Dinge, die man nicht kontrollieren konnte.
 

Akihito wusste, dass er selbst sich ebenfalls verändert hatte. Er war nicht mehr der naive Junge von damals und er wusste, dass er stärker geworden war. Er war Asami ebenbürtig geworden und vielleicht war es gerade diese Tatsache, die immer zwischen ihnen gestanden hatte.
 

Akihito atmete ein Mal tief durch und rieb sich dann mit einer Hand über seine Augen. Er konnte noch stundenlang darüber nachdenken, ob er dieses Zimmer betreten sollte oder nicht und er würde sich nie sicher sein können, ob er das Richtige tat. Er wusste nicht, ob das, was sich geändert hatte, genug sein würde, aber er wusste, dass es im Grunde keine Rolle spielte. Er hatte seine Entscheidung schon längst getroffen.
 

tbc.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Cendy
2010-10-24T21:54:05+00:00 24.10.2010 23:54
Wieder ein ganz tolles Kapitel!

GLG Cendy
Von:  Onlyknow3
2010-10-22T06:16:35+00:00 22.10.2010 08:16
Naja zu mindest ein halbes Happyend,ob es noch ein ganzes wird,wird sich noch zeigen.Auf jeden fall kommt Asami durch und das ist wichtig für ihn.
Akihito muß nun mit seiner entscheidung leben.

LG
Onlyknow3


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