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The Basement.

von

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2. Das Basement

John verstand nicht. Sherlocks Worte hatten eine Bedeutung, doch er konnte sie nicht zu einer vernünftigen Schlussfolgerung kombinieren.

„Ich bin … in Ihrem Kopf?“ brachte er verwirrt hervor.

Er hatte schon befürchtet dass Sherlock ihn nun grob berichtigen würde, doch seine Stimme blieb weiterhin hohl und ruhig.

„Nein. Es ist eine Metapher. Ihre Entführer legten jedoch großen Wert darauf sie so akkurat wie möglich zu gestalten.“

Danach schwieg er.

Die Fakten ergaben kein logisches Bild.

„Ich verstehe nicht, Sherlock“ sagte John nach einer Weile, „Warum würde sich irgendjemand die Mühe machen …“

„Es ist ein Spiel, John.“ erwiderte Sherlock, „Es geht nicht um Lösegeld, es geht nicht um Rache. Jemand vertreibt sich die Langeweile mit einem lebensgefährlichen Spiel. Stellt Sie auf eine Probe, John. Und zeigt mir auf diese Weise gleichzeitig …“

Er brach mitten im Satz ab. Im Hintergrund waren Menschen zu hören. John meinte Detective Inspector Lestrades Stimme zu erkennen.

„…gleichzeitig?“ drängte John und beobachtete nervös die Leiche im unregelmäßigen Licht der Leuchtröhre. Sie schwamm völlig geräuschlos und gab keine Wellen von sich. Aus irgendeinem Grund beunruhigte das John noch mehr.

Sherlock reagierte nicht sofort. John konnte das einrasten eines Türschlosses hören, dann verstummten die Hintergrundgeräusche im Handy.

„Sherlock?“

„Ja.“ erwiderte Sherlock sofort in einem fast entschuldigenden Tonfall, „Ich bin hier.“

Seine Stimme klang anders. Etwas dumpfer, etwas komprimierter. Er musste in einem sehr engen Raum stehen.

„Das Basement ist“ begann er leise, zögerte dann, als würden ihm die Worte nur schwer über die Lippen kommen, „… Es ist … der Ort, an dem alles begann. Mit mir, meine ich.“

Er machte eine Pause. Schien zu überlegen wie - und vielleicht auch ob - er fortfahren sollte.

John schwieg.

„Ich war noch sehr jung als er auftauchte. Sieben. Ich war gerade zu Bett gegangen. Meine Eltern und mein Bruder waren nicht zu Hause. Da hörte ich eine Frau schreien. Ein grauenhafter Schrei. Ich sprang sofort aus dem Bett auf und lief aus dem Haus, in Richtung des Schreis. Ich kam schnell zum Schluss dass es aus dem Kellergewölbe unserer Nachbarin kommen musste. Ich schlüpfte durch die Gitter des Fensterschachtes und ließ mich in den Raum fallen. Meine nackten Füße landeten in einer Pfütze. Ich musste mich erst an das Licht gewöhnen.

Dann erkannte ich die Umrisse unserer Nachbarin. Sie lag auf dem Boden. Ihr Blut war zu mir herüber gesickert und vermischte sich mit der Wasserpfütze, in der ich stand. Sie war völlig reglos.

Erst dann kam ich langsam zu mir. Ich hatte nicht nachgedacht, hatte instinktiv gehandelt. Und nun war ich mit einer Leiche in einem Raum.

Ich drehte mich um und wollte wieder gehen, doch ich konnte die glatte Betonwand nicht wieder hinaufklettern.

Dann sah ich in den Augenwinkeln einen Schatten über die Rückwand huschen. Und plötzlich war ich mir sicher dass sie ermordet wurde.“
 

Sherlock fuhr fort, noch leiser als zuvor.

„Die Angst lähmte mich. Meinen Körper, meinen Geist. Ich war mir auf einmal sicher dass sich der Mörder noch im Raum befand. Ich drehte mich um und sah wie sich eine abscheuliche Kreatur in Schatten hinter der Tür aufhielt. Ein Monster. Ein unwirkliches, unrealistisches Monster stand dort und zuckte. Beobachtete mich. Drohte mir. Versperrte mir den einzigen Ausweg. Ich tat das einzige zu dem ich noch fähig war: Ich versteckte mich unter einen Tisch und hielt mir Ohren und Augen zu. Es war dumm, aber ich konnte einfach nicht anders“

Er machte eine Pause.

„Jedes andere Kind hätte ähnlich reagiert …“ Setzte John an, doch Sherlock beachtete ihn nicht und redete weiter.

„Danach weiß ich nicht mehr, was passiert ist. Das einzige, woran ich mich erinnere, ist die Angst. Noch am selben Tag fand mich die Mutter der Nachbarin und holte mich unter dem Tisch hervor. Doch im Geiste blieb ich noch viele Jahre in diesem Raum gefangen. Wann immer ein Rätsel in meinem Leben auftauchte verschanzte es sich in diesem Raum und trieb mich in den Wahnsinn, wenn ich es nicht aufdeckte. Die Fakten vermischten sich mit Hirngespinsten und nahmen albtraumhafte Gestalten an. Es gab kein Entrinnen. Erst, wenn ich sie mir genau ansah und deduktierte und verstand, ließen sie mich in Ruhe.

Ich habe es nie ganz geschafft aus diesem Raum zu fliehen, John.“ sagte Sherlock langsam.

„Aber nach einer Weile war ich fähig ihn als Basis für weitere Räume zu nutzen, in welchen ich mich frei bewegen konnte. Die mich nicht beängstigten. Die so aussahen, wie ich es wollte. Meinen Mind Palace.“, beendete er seine Geschichte.

Erschüttert lehnte John sich an die Wand und vergaß für einen kurzen Augenblick die Welt um sich herum.

„Das ist ja schrecklich“ flüsterte er. Plötzlich schämte er sich bei dem Gedanken an die vielen Gelegenheten, in denen er Sherlock wegen seiner oft respektlosen zielstrebigen Art, mit welcher er Mordfälle aufklärte, beschimpft hatte. Sherlock hatte sich seinen Weg nicht ausgesucht, nur das Beste daraus gemacht und musste sich dafür auch noch Vorwürfe von John anhören. Wie mochte er sich dabei fühlen, ihm unter Zwang diese Geschichte anzuvertrauen, wo er doch höchsten Wert darauf legte die Gründe seiner Aktionen stets unnachvollziehbar zu halten?

Durch das Handy erklang ein klicken, dann waren wieder Hintergrundgeräusche von plappernden Menschen zu hören und holten John somit aus seinen Gedanken in die kalte Realität zurück.

„Es tut mir leid es Ihnen unter derartigen Umständen zu erzählen.“, sagte Sherlock nun emotionslos.

„Schon gut“, antwortete John leise.

„Bei einem bin ich mir sicher, John. Aus diesem Raum gibt es kein unplanmäßiges Entrinnen. Dafür werden Ihre Entführer gesorgt haben. Sie müssen mitspielen. Müssen das Rätsel lösen.

Man hat Ihnen etwas gespritzt, angstzentrierte Halluzinogene wahrscheinlich. Verinnerlichen Sie das, wenn Ihnen etwas Angst einjagt.“

John schwieg und betrachtete die Leiche.

Er konnte Sherlock tief durchatmen hören.

„Ich weiß, das ist nicht einfach.“, sagte er und John zweifelte nicht an der Ehrlichkeit seiner Worte, „Aber ich bin mir sicher, dass Sie diesen Fall mit den gegebenen Fakten aufdecken können. Sie müssen sie nur finden und kombinieren, so einfach ist das.“

„So einfach ist das…“, wiederholte John mutlos und sein Blick fiel auf die blutigen Handabdrücke um die Tür herum. Ein Knoten bildete sich in seinem Hals. Neben all der unbegründeten Angst fand er es außerdem höchst beunruhigend wie jemand derartiges Wissen über Sherlock in Erfahrung bringen konnte und es auch noch auf diese Art anwandte. Wahrscheinlich beängstigte es Sherlock mindestens genau so sehr. Aber es war jetzt nicht die Zeit, darüber nachzudenken.

Das Neonlicht flackerte. Irgendetwas Kratzte in der Ferne. John zuckte zusammen und sah sich hektisch um, konnte aber nichts erkennen.

„Also. Halten wir uns an die Fakten.“ drängte Sherlock, „Ein Fakt ist, dass Sie ein hervorragender Arzt sind. Das wird Ihnen hier zugutekommen. Haben Sie schon die Todesursache der Leiche festgestellt?“

John schluckte.

„N-nein.“

„Worauf warten Sie dann noch?“



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