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Der Wert eines Lebens

[Kirito-centric]
von

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Part II: The crusade


 

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Part 2: The crusade

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Aincrad, 56. Ebene, 16.08.2024, 15:32 Uhr
 

Die Nachricht war eingeschlagen, wie eine Bombe. Kaum, dass Lind mit den Informationen herausgerückt war, war die Hölle losgebrochen. Alle hatten durcheinander geredet und der Lautpegel war von totaler Stille über ein Wispern bis hin zu einer lautstarken Debatte angestiegen und obwohl klar war, dass diese Information ein sofortiges Handeln nach sich zog, waren sich die Spieler uneinig, was genau getan werden musste. Als es bereits dunkel geworden war, hatte Lind es beinahe aufgegeben für Ruhe zu sorgen, sodass sich Asuna der Diskussionsleitung annahm und mit kurzen präzisen Anweisungen Ordnung in die Debatte brachte. Das wiederum schien Lind auch nicht zu schmecken, obwohl ich ihm ansehen konnte, dass er die Atempause durchaus nötig hatte.
 

Klein und ich hatten uns nicht großartig an der Diskussion beteiligt. Stattdessen hatten wir zugehört und unsere eigene leise Diskussion geführt. Klein war für eine vorübergehende Beschattung des Hauptquartieres der roten Gilde, während ich einwandte, dass wir das Gelände nicht kannten und so möglicherweise von Mitgliedern von Laughing Coffin entdeckt werden konnten. Das einzige Vorgehen, auf das wir uns nach langem Ringen einigen konnten, war eine Observation aus der Entfernung, um sicherzustellen, dass sich nicht noch ein nichtsahnender Spieler in die Nähe der Gilde verirrte. Doch selbst dann konnten wir die Mitglieder von Laughing Coffin nicht komplett überwachen, wenn die mittels Teleportkristallen ohne unser Wissen kommen und gehen konnten, wann sie wollten. Wie man es auch drehte und wendete: Alles lief darauf hinaus, dass die Front einen Angriff starten musste. Alles andere waren Ausflüchte, die das Unvermeidliche nur aufschoben. Als es schließlich zwei Uhr nachts war, brachte Asuna es auf den Punkt.
 

Kibaou, Lind und Wyrm waren gerade in eine hitzige Diskussion vertieft, die lediglich alle bereits vorgetragenen Argumente ein weiteres Mal beleuchtete, als Asuna plötzlich aufsprang und mit der Faust so stark auf den Konferenztisch schlug, dass die Warnmeldung „unzerstörbares Objekt“ erschien. Erschrocken hielten alle drei Männer mitten in ihrer Debatte, die mittlerweile eher einem Streit glich, inne und sahen sie an.
 

„Wir greifen sie an“, erklärte Asuna kurz angebunden, „oder wollt ihr, dass es noch mehr Opfer gibt?“ Dieser Logik musste sogar Lind zustimmen, obwohl er dabei äußerst mürrisch dreinblickte – hatte er doch die ganze Versammlung lang jedes von Asunas Argumenten zu entkräften versucht hatte. Da ihr niemand ins Wort fiel, fuhr die Vizekommandantin der Ritter des Blutschwurs fort: „Wir bilden ein Bündnis und ziehen gegen sie ins Feld.“ Ihre Augen blitzten gefährlich und ich konnte nur ahnen, dass Asuna genau wie ich an der Front zu viele Menschen hatte sterben sehen.
 

„In zwei Tagen treffen wir uns hier wieder. Jeder gibt diese Informationen unter strengster Geheimhaltung nur an diejenigen Spieler weiter, denen er vollkommen vertraut, die stark genug sind es mit Laughing Coffin aufzunehmen und die bereit sind ihr Leben aufs Spiel zu setzen. In zwei Tagen besprechen wir dann die Strategie des Angriffs. Bis dahin werden wir die Umgebung rund um die Uhr observieren.“ Niemand wiedersprach. In der plötzlichen Stille hörte es sich ungewöhnlich laut an, wie Asuna ihren Stuhl zurück schob, ihn anschließend wieder ordentlich an den Tisch schob und mit den Worten „Und nun entschuldigt mich. Ich muss meinen Kommandanten in Kenntnis setzen.“ aus dem Besprechungssaal marschierte.
 

Kaum war Asuna gegangen, löste sich die Versammlung auf. Der muskulöse Griffin von Asyl der Vertriebenen war der erste, der aufstand, sich streckte und dann nach einer riesigen Axt griff, die bis dahin an seinem Stuhl gelehnt hatte. Griffin war groß und so bullig, dass er mich an einen amerikanischen Rugbyspieler oder einen dieser typischen Muskelprotze, die es in jeder Schule gab, erinnerte. Allerdings machte sein sanfter, einladender Blick diesen Eindruck gleich wieder zunichte. Wie ich wusste, konnte man sich im Kampf durchaus auf Griffin verlassen, andererseits war er mehr ein friedlicher Riese, als ein eiskalter Killer.
 

„Die Kleine hat recht“, erklärte Griffin der Runde, „es führt kein Weg an einem Angriff vorbei. Lind, ich nehme an, du übernimmst auch dieses Mal die Organisation der Versammlung in zwei Tagen?“ Griffin wartete nicht auf Lind’s Antwort und verließ hinter Asuna den Raum. Danach löste sich die Runde schnell auf. Bevor ich ging, erhaschte ich noch einen letzten Blick auf Lind, der offensichtlich nicht wusste, ob er sich nun freuen sollte, weil das Vorgehen endlich beschlossen war oder sich ärgern, weil Asuna die Sache in nicht mal fünf Minuten geregelt hatte, während er eine fast fünfstündige Debatte daraus gemacht hatte.
 

Klein dagegen hatte eine sehr klare Meinung. „Na endlich“, erklärte er seufzend, „ich dachte, ich komme nie aus diesem Raum.“ Innerlich musste ich ihm zustimmen und verfluchte Lind dafür, dass er eine unsinnige Diskussion so in die Länge gezogen hatte. Wer konnte schon wissen, ob nicht gerade das ein weiteres Opfer der roten Gilde gefordert hatte, nur weil die Front sich nicht zu einem Vorgehen entscheiden konnte!
 

Jetzt, zwei Tage später hatte ich mich erneut im Gildenhauptquartier der heiligen Drachenallianz eingefunden. Im Gegensatz zur ersten Versammlung, platzte der Versammlungsraum nun aus allen Nähten. Sämtliche Gildenanführer, die schon bei der ersten Versammlung anwesend gewesen waren, hatten ihre besten Leute mitgebracht. Wohin ich auch blickte, erkannte ich Frontkämpfer, die sich auf irgendeine Weise in vergangenen Bosskämpfen hervor getan hatten, und Mitglieder der stärksten Gilden Aincrads.
 

Lärm und erhitzte Gemüter gaben mir das unangenehme Gefühl auf einem Minenfeld zu gehen und immer damit rechnen zu müssen beim nächsten Schritt in tausend Stücke gerissen zu werden. Für einen Einzelgänger wie mich, der nie viel Kontakt mit anderen Menschen gehabt und sich so gut wie nie jemandem geöffnet hatte, war diese Reizüberflutung beinahe zu viel. Ich fühlte mich wie ein wildes Tier, das man in die Enge getrieben hatte und alles in mir schrie danach diesem Ort den Rücken zu kehren. Doch das konnte ich nicht. Zu genau sah ich die Gesichter der Sterbenden vor mir, die im Moment ihres Todes in Milliarden winzige Lichtpartikel zersprangen. Ich erinnerte mich an mein einziges Treffen mit der roten Gilde und blickte innerlich noch einmal in die Gesichter der Mörder. Die Augen vor Entzücken aufgerissen, als sie auf ihre Beute hinab sahen. Ich konnte mich nicht einfach abwenden.
 

Daher hatte ich mich in eine Ecke zurück gezogen hatte, um einerseits in der Masse nicht zerquetscht zu werden, andererseits beobachten zu können. Gedankenverloren lehnte ich mich gegen einen der gewaltigen roten Samtvorhänge, die die riesigen Fenster säumten, durch die helles Licht in den Raum fiel. Mein Blick streifte Lind, der in einer Gruppe seiner Gildenmitglieder heftig gestikulierte und offenbar kurz davor war, die Geduld zu verlieren. Was für ein Narr. Stunde um Stunde ging verloren mit Nichtstun während die rote Gilde weiter mordete.
 

„Woran denkst du, Kirito?“ Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich beinahe den roten Samtvorhang herunter riss. „Oh, entschuldige. Habe ich dich erschreckt?“, fragte Asuna, die sich mit einem Grinsen über mich beugte. Unwillkürlich wich ich ein Stück zurück. „Was schleichst du dich so an mich heran?“, entgegnete ich vorwurfsvoll und versuchte gleichzeitig mein rasendes Herz zu beruhigen. Asuna zog eine Augenbraue hoch und warf dann ihr langes braunes Haar über die Schulter. „Ich mich anschleichen? Als, wenn man dich überraschen könnte, Kirito. Du hast doch ohnehin ständig deinen Suchskill aktiviert, oder nicht?“ Erwischt. Der einzige Grund, warum ich sie nicht bemerkt hatte, lag darin begründet, dass ich vollkommen in Gedanken vertieft gewesen war. Einen Moment lang war ich versucht ihr eine schnippische Antwort zu geben, aber dann seufzte ich nur.
 

„Kommt Heathcliff gar nicht?“, fragte ich stattdessen, aber Asuna schüttelte nur den Kopf. „Der Kommandant hat mir das Kommando übertragen. Er ist noch mit den Vorbereitungen auf den nächsten Bosskampf beschäftigt und außerdem …“ Die Vizekommandantin der Ritter des Blutschwurs wandte den Blick ab und verstummte. Überrascht folgte ich ihrem Blick. Es war als betrachte sie die anderen Spieler wie durch verspiegeltes Glas. Ich las Müdigkeit, so etwas wie Traurigkeit, aber auch Entschlossenheit in ihrem Blick. „Und außerdem?“, hakte ich nach und verschränkte die Arme über der Brust. Es dauerte, ehe Asuna sich wieder mir zuwandte. Statt meine Frage zu beantworten, fragte sie: „Hast du je gesehen, wie ein Mitglied von Laughing Coffin einen anderen Spieler umgebracht hat, Kirito?“ Verwirrt schüttelte ich den Kopf.
 

„Ich schon“, sagte Asuna. „Es ist etwa einen Monat her, da war ich mit zwei meiner Gildenmitglieder unterwegs, um Vorräte einzukaufen. Wir begegneten einem Jungen, Claude. Er war zehn Jahre alt und allein unterwegs, was ich ungewöhnlich fand, aber wir hakten nicht weiter nach. Er hat uns geholfen, als wir den passenden Laden nicht finden konnten. Ich habe ihm im Gegenzug angeboten mit uns in einer Herberge zu übernachten, aber er hat abgelehnt.“ Asuna verstummte kurz und ich vermutete, dass sie in Gedanken noch einmal das schreckliche Geschehen durchlebte. „Es waren Mondblumen, weißt du ... Aus ihrem Saft gewinnt man ein Elixier, das Vergiftungen heilen kann. Claude war auf diese Ebene gekommen, weil sie nur dort bei Vollmond geerntet werden konnten. In jener Nacht konnte ich nicht einschlafen. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl, weil ich Claudes Level nicht kannte und Angst hatte, dass er bei seiner Suche in einen Bereich geraten würde, in dem ihn Monster angreifen konnten, die zu stark für ihn waren. Also bin ich ihm gefolgt.“
 

Ein zweites Mal hielt Asuna inne und diesmal merkte ich, dass ihre Hand zitterte. „Es waren nicht die Monster, die ihn gefunden hatten“, flüsterte sie, „es waren Spieler. Spieler die ihn vergiftet hatten und seine Qualen hinauszögerten, ehe sie ihm den Todesstoß versetzten. Ausgerechnet Gift!“ Bei dem letzten Wort spürte ich, wie sehr ihre Stimme zitterte. Dann fing sie sich wieder. Ihre Stimme kalt wie Eis. „Ich bin gerannt. Schneller, als je zuvor, aber ich habe ihn nicht rechtzeitig erreicht. Als ich bei ihm ankam, sah ich nur noch, wie seine Lebensleiste auf Null fiel und er sich vor meinen Augen ins Nichts auflöste. Die Mörder waren bereits mittels eines Teleportkristalls verschwunden.“
 

Jetzt schwiegen wir beide. Ich, weil ich nicht wusste, wie ich ihr Trost spenden sollte und Asuna, weil sie an den kleinen Jungen dachte, den sie hatte sterben sehen. „Ich will so etwas nie mehr erleben, Kirito“, erklärte Asuna mit einem Kloß im Hals. „Ich will, dass Morde nicht ungesühnt bleiben und niemand mehr sterben muss, nur weil einige Spieler den Hang zur Realität verloren oder Spaß daran gefunden haben, andere zu töten. Deshalb habe ich um das Kommando gebeten.“ Ihre schlanke Hand lag lose um den Griff ihres Rapier und Finger für Finger schloss Asuna diese um das Heft.
 

„Es wird nicht mehr geschehen“, sagte ich. „Nicht nach dem heutigen Tag.“ „Wie kannst du das einfach so sagen? Was ist, wenn etwas schief läuft? Wenn wir-“ „Auf welchem Level bist du?“, unterbrach ich sie. Asuna sah mich verständnislos an. Ich wiederholte meine Frage. Unsicher sah Asuna mich an und für einen Moment wirkte sie so verloren, dass ihr Anblick mich an meine eigene Zerrissenheit erinnerte, die ich stets mit mir herum trug, seit dieses Death Game begonnen hatte. „Level 81.“ Ihre Stimme klang unsicher. Ich sah auf. Die Vizekommandantin der Ritter des Blutschwurs hatte mir halb den Rücken zugedreht und starrte in die Menge ohne etwas zu sehen.
 

„Du bist stark. Wer könnte sich dir schon in den Weg stellen, wenn du ein Ziel hast?“ Für einen Moment zuckte um den Mund der Spielerin ein Lächeln. „Und unterschätze auch die Front nicht. Wir werden nicht zulassen, dass weitere Menschen sterben, Asuna! Ich will nicht … gegen dieses Spiel verlieren. Ich-“
 

Ein lautes Geräusch unterbrach mich mitten im Satz. Als ich dessen Ursprung endlich lokalisiert hatte, erkannte ich Raven, der scheinbar vor Wut seinen Dolch in den Konferenztisch gerammt hatte. Von einen auf den anderen Moment war der gesamt Raum verstummt. „Schluss mit dem Kindergarten“, erklärte der Anführer von Invictus erstaunlich ruhig. „Wir haben uns versammelt, um ein Vorgehen zu besprechen, nicht um uns in Kleinigkeiten zu verrennen.“ Er packte die Spitze seines Dolches und zog ihn zwischen zwei Fingern wieder aus dem Tisch, als hätte er alle Zeit der Welt. Vollkommen gelassen wischte er ein paar Holzspäne von der Klinge und ließ sich dann rücklings auf seinen Stuhl fallen. Für einen Moment glaubte ich, seine dunklen Augen auf mir zu spüren, aber Raven redete schon weiter. „Das Versteck der roten Gilde befindet sich in einer sicheren Zone mitten im Labyrinth der vierzehnten Ebene. Wer weiß etwas über das Terrain, mit dem wir es zu tun bekommen?“, hakte er nach. Argo meldete sich. „Reines Ödland. Sich zu verbergen, ehe wir ins Labyrinth kommen, wird nicht einfach. Vor allem bei so vielen Spielern. Allerdings habe ich außerhalb des Labyrinths noch nie jemanden patrollieren sehen.” Raven runzelte kurz die Stirn, wobei ihm eine dunkle Haarsträhne in die Augen fiel. „Wir riskieren es“, sagte er dann. „Wir gehen in kleinen Gruppen und dann ins Labyrinth. Damit schneiden wir ihnen den Ausgang ab.“
 

„Sofern sie keine Teleportkristalle haben“, warf Lind ein. „Laut meinen Informationen hat die Gilde um die vierzig Mitglieder. Es ist nicht gesagt, dass alle da sind, aber sie dürften nicht so viele Teleportkristalle haben, da man sie in den Städten kaufen muss und zu denen haben sie keinen Zugang“, erklärte Argo.
 

Neben mir machte Asuna einen Schritt auf den Konferenztisch zu. „Lind und Argo haben beide recht“, sagte sie, „wenn PoH seine Leute mit Teleportkristallen versorgt hat, haben wir ein Problem. Trotzdem können es nicht viele sein. Die einzigen, die sie in die Finger kriegen können, sind die, denen sie ihren Opfern abgenommen haben und selbst, wenn sie welche haben, haben wir immer noch den Überraschungseffekt auf unserer Seite.“ Jetzt trat ein zuversichtlicher Ausdruck auf ihr Gesicht und ich sah, wie sich die Spieler sichtbar entspannten. Das passierte immer, wenn Asuna das Kommando übernahm. Ob es nun Bosskämpfe oder kleine Streitigkeiten waren – sie strahlte eine so natürliche Führungskraft aus, dass die Menschen ihr nur allzu leicht vertrauten und ihr die Entscheidungen überließen. Allerdings … Allerdings hatte ich schon immer das Gefühl gehabt, dass Asuna nicht so selbstsicher war, wie sie vorgab zu sein. Manchmal hatte ich geglaubt zu beobachten, wie Angst in ihr aufflackerte und sie darum kämpfte diese zu überwinden, ehe sie wieder zur Rolle der Vizekommandantin der mächtigsten Gilde Aincrads zurück kehrte.
 

„Außerdem hat Kommandant Heathcliff mir die hier mitgegeben.“ Asuna aktivierte ihr Statusfenster, drückte ein paar Menüpunkte und einen Augenblick später materialisierten sich etwa ein Dutzend dunkelblaue Korridorkristalle. Nicht wenige schnappten überrascht nach Luft. „Ist es das was ich denke?“, hakte Kibaou erstaunt nach. Asuna grinste. „Alle diese Kristalle führen direkt ins Gefängnis auf der ersten Ebene. Ich habe das mit der Armee bereits abgestimmt. Sie werden uns zwar nicht helfen, aber sie werden … kooperieren." Sie warf Kibaou, der eben dieser Gilde angehörte, einen bedeutungsvollen Blick zu. "Ich schlage vor, wir teilen uns in zehn Gruppen mit je fünf Personen auf, von denen jede einen Korridorkristall erhält. Die übrigen beiden nehmen Lind und ich.“ Keiner wiedersprach. Vermutlich, weil Asuna die Kristalle organisiert hatte.
 

„Dann lasst uns jetzt zu den Informationen über die einzelnen Mitglieder der Gilde übergehen“, bestimmte Lind. „Setzt euch.“ Es folgte ein Stühlerutschen, Gefluche und Gequetsche ehe alle vorhandenen Stühle besetzt waren und die übrigen Spieler sich so arrangiert hatten, dass jeder dem Geschehen gut folgen konnte. Mit fünfzig Leuten wirkte der Konferenzsaal plötzlich doch etwas kleiner, als bei der ersten Besprechung. Wie auch bei dieser fand ich mich neben Klein wieder und auf meiner anderen Seite ragte Argo gerade so mit dem Kopf über die Tischkante. Lind räusperte sich, um sich erneut der Aufmerksamkeit der Allgemeinheit zu versichern.
 

Für einen Moment konnte ich nicht umhin zu denken, wie sehr er in diesem Moment Diabel ähnelte. Ich hatte Diabel bei dem Bosskampf auf der ersten Ebene getroffen. Er war verlässlich, besorgt um andere und hatte einen starken Willen gehabt. Wie ich war er ein Betatester gewesen, doch genau diese Tatsache war ihm auch zum Verhängnis geworden. Er glaubte sich zu stark, die Gefahr zu unbedeutend und war vor meinen Augen gestorben. Diabel war der zweite Spieler, den ich in Sword Art Online hatte sterben sehen, aber der erste, der im Moment seines Todes darum bat, dass wir den Kampf zu Ende brachten. Dass wir siegten und bewiesen, dass das Spiel nicht unbezwingbar war … Lind hatte immer zu Diabel aufgesehen. So weit, dass er ihm sogar äußerlich ähnelte. Blau gefärbte Haare, ein silberner Brustpanzer und Schulterplatten, die einen blauen Waffenrock bedeckten, und mit einem Krummsäbel bewaffnet, der „Bleiche Schneide“ genannt wurde. Gerüchten zufolge hatte der die Heilige Drachenallianz gegründet, um Diabels Willen fortzusetzen.
 

„Schmitt, schicke allen die Info.“, wandte sich Lind an Schmitt, der daraufhin in seinem Statusfenster einige Operationen vornahm. Im nächsten Moment ertönte ein kurzer Ton und zeigte mir an, dass ich eine Nachricht erhalten hatte. Ich öffnete sie und vor meinen Augen baute sich ein Steckbrief auf, der das Gesicht eines Spielers zeigte, der eine schwarze Kapuze trug und ein gefährliches Funkeln in den Augen hatte. Ein Schauer durchfuhr mich. Ich erinnerte mich an diesen kalten Ausdruck, obwohl ich diesen Spieler erst einmal getroffen hatte.
 

„PoH“, erklärte Lind, als sämtliche Spieler auf die Informationen starrten, „ist der Anführer von Laughing Coffin. Er denkt analytisch, spricht drei Sprachen – Englisch, Japanisch und Spanisch – und benutzt ein Messer im Kampf.“ Ich vergrößerte das Bild der Waffe, das direkt unter PoH’s Bild aufgelistet war. Messer war untertrieben. Das was ich auf dem Informationsfenster anstarrte, war ein Ding, dessen Schneide so lang wie mein Unterarm und erstaunlich breit war. Es hatte mehr Ähnlichkeit mit einem Schlachtermesser, als einem Dolch, den ich mir unter dem Begriff vorgestellt hatte. Wie aus weiter Ferne, hörte ich, wie Lind fortfuhr: „PoH ist derjenige, der die Idee verbreitet hat, dass es in Ordnung sei andere Spieler zu töten, weil laut ihm Akihiko Kayaba der Mörder ist. Er hält es für ein Feature des Spiels.“ Auch, wenn man es Lind nicht ansehen konnte, hörte ich doch die Abscheu aus seinen Worten heraus. „PoH’s Level ist unbekannt, aber es ist anzunehmen, dass es mindestens so hoch ist, wie das eines durchschnittlichen Frontkämpfers. Wer es mit ihm zu tun bekommt, greift ihn niemals – niemals! – alleine an. Wir wissen nicht, was für Fähigkeiten er besitzt oder wie stark er ist. Doch auch er kann sich nicht gegen eine Übermacht behaupten.“
 

Ich dachte daran, wie dieser Spieler mir auf einem Hügel auf der neunzehnten Ebene begegnet war – in der Absicht Schmitt, Yolko und Kains zu töten, ehe Asuna und ich sie aufhalten konnten. Er war der Ursprung all dieser Morde. Zwar hatte er in einer gewissen Art und Weise recht und letztlich war wirklich Kayaba für alle Morde verantwortlich, aber die Tatsache, dass er es als Entschuldigung darstellte und damit seine Handlungen legalisierte, weckte die Wut in mir. Kayabas NerveGear vollstreckte zwar das Todesurteil, aber PoH fällte es. Letztlich musste ich nur eines wissen: Mord war Mord und, wenn wir jemals diesem Wahnsinn entfliehen wollten, dann mussten wir verhindern, dass mehr Morde geschahen. Über die Frage der Schuld konnten wir nachdenken, wenn wir das Death Game überlebt hatten. Tief in Gedanken versunken, bekam ich die Informationen über einen Spieler mit Skelettmaske nur halb mit und erwachte erst aus meiner Trance, als Lind zum nächsten überging.
 

„Johnny Black“, erklärte der, „einer der Befehlshaber der Gilde und ein Giftmischer. Angeblich benutzt er einen vergifteten Dolch im Kampf, sodass jeder Treffer einem Todesurteil gleichkommt. Ich kann nicht sagen, wie lange es dauert, bis wir sie überwältigt haben, aber jeder von uns wird im Vorfeld ein Gegenmittel zu sich nehmen. Nur, um sicher zu sein.“
 

„Kämpf‘ nicht mit ihm, Kirito.“ Ich erschrak, wie ernst Klein klang. „Ich bin ihm einmal begegnet. Der Typ ist ein Sadist. Kämpf nicht mit ihm oder wir wissen nicht, wen wir beschützen sollen.“ Erneut starrte ich auf das Bild von Johnny Black. „Kirito“, wiederholte Klein nachdrücklich und packte mich an der Schulter. „Kämpf nicht mit ihm. Versprich es mir!“ Ich erwiderte Klein’s Blick nachdrücklich und zum ersten Mal war mir klar, wie viel älter er war. Und er war besorgt um mich, obwohl er sich viel mehr Sorgen um sich selbst und seine eigenen Leute machen sollte, dessen Level allesamt nicht so hoch war, wie der Durchschnitt der Front. Ich war mir nicht mal sicher, dass selbst Klein mit seinem Katana-Skill eine Chance gegen PoH oder Johnny Black hatte, wenn er ihnen allein gegenüber stand.
 

„Kirito!“ „Na, schön, ich verspreche es", lenkte ich schließlich ein. "Es wird schon noch genug andere Leute geben, um die ich mich kümmern kann.“ Klein entspannte sich sichtlich. Nachdem Lind alle bekannten Mitglieder von Laughing Coffin durchgekaut hatte, entschieden er, Asuna und die anderen Gildenanführer die Teamaufteilung. Zu meiner großen Erleichterung wurde ich gemeinsam mit River, einem anderen Einzelspieler, Klein und zwei seiner Leute zugeteilt. Klein vertraute ich blind und mit River hatte ich mich bereits in vergangenen Bosskämpfen zusammen geschlossen. Er war ein recht umgänglicher Typ, auch wenn er nicht unbedingt derjenige war mit dem man Smalltalk halten konnte. Er hatte kurzes braunes Haar und trug eine Lederrüstung, die leichter war und somit seine Schnelligkeit, nicht beeinträchtigte. Bei Kämpfen war er sehr fokussiert, was allerdings kein Nachteil war. Vom Alter her schätzte ich ihn auf achtzehn oder neunzehn. Außerdem hatte ich den Verdacht, dass er auch ein Betatester war, aber ich konnte mir natürlich nicht sicher sein.
 

„Yo.“, grüßte River, als er bei uns ankam. „Du bist unser Anführer?“, erkundigte er sich bei Klein, der es ihm bestätigte. „Wir brauchen noch einen von den Kristallen“, stellte er dann fest, worauf Klein sich gegen die Stirn schlug. „Gut, dass du das sagst. Beinahe hätte ich es vergessen.“ River runzelte die Stirn, als wolle er sich vergewissern, dass Klein wirklich der Anführer war. Der war indessen durch das Gedränge verschwunden, um einen Korridorkristall zu holen. River wandte sich mir zu. „Kirito“, begrüßte er mich und hielt mir die Hand hin, die ich zögernd ergriff. „Lange her, was?“ „Wir haben uns das letzte Mal beim Bosskampf auf der sechsundsechzigsten Ebene zusammen getan.“ River lachte. „Die gute alte Zeit, was?“ Gut würde ich diese Erinnerung nicht bezeichnen. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte mich dort ein Basilisk fast zu Tode gequetscht. Daher antwortete ich nur: „Hoffen wir, dass es diesmal glimpflicher ausgeht.“ „Wird schon“, sagte River zuversichtlich, „sie haben keine Chance gegen fünfzig Frontkämpfer.“ Ich hoffte wirklich, dass er Recht behielt.
 

„Die Versammlung ist beendet!“, verkündete Lind gerade und riss mich aus den Gedanken. „Ihr habt alle Gruppen gebildet?“ Er wartete nicht auf die Antwort. „Wir greifen kurz vor Mitternacht an. Wir treffen uns um halb zwölf am Teleportgate. Bis dahin ruht euch aus.“ Das plötzliche Ende überrumpelte mich. Alles war angesprochen worden. Von der Strategie über persönliche Informationen der einzelnen Spieler der roten Gilde bis hin zu den örtlichen Gegebenheiten, doch die wichtigste Frage hatte Lind ausgelassen. Was würden wir tun, wenn die Spieler gegen uns kämpfen würden, obwohl sie wussten, dass sie keine Chance hatten? Wenn sie töteten …
 

♦♦♦
 

Aincrad, 56. Ebene, 16.08.2024, 22:45 Uhr
 

Ich schlief nicht. Alles was ich tat, war auf einem unbequemen Bett zu liegen und darauf zu warten, dass die Zeit verging. Eigentlich reine Verschwendung, dass ich zum Nichtstun ein Zimmer in einer Herberge gemietet hatte – für drei Stunden! Aber aus irgendeinem Grund war ich unruhig, obwohl logisch gesehen eigentlich nichts schief gehen konnte. Die Front hatte den Überraschungsmoment, eine Übermacht und noch dazu sämtliche Informationen, die ihr einen Vorteil verschaffen würden. Es konnte nichts schief gehen! Doch trotzdem wurde ich das ungute Gefühl nicht los, dass ich irgendetwas übersehen hatte.
 

Gerade wollte ich mich auf die Seite drehen, als es klopfte. Sofort war ich hellwach und griff nach den Wurfnägeln, die ich stets bei mir trug. Im nächsten Moment schalt ich mich einen Trottel und steckte sie wieder weg. Ich wurde langsam schon paranoid, höchste Zeit, dass ich die Sache endlich hinter mich brachte. Es klopfte wieder. Diesmal öffnete ich und stand zu meiner Überraschung Asuna gegenüber.
 

„Tut mir leid, dass ich dich störe, Kirito“, redete sie drauflos und mir dämmerte, dass ihr die Situation noch unbehaglicher war, als mir. „K-komm doch rein“, stotterte ich und fühlte mich unangenehm daran erinnert, wie ich das gleiche auf der ersten Ebene zu ihr gesagt hatte. DAS, was dann gefolgt war, war mir noch heute so peinlich, dass ich die Einzelheiten verdrängt hatte. Asuna schien es vergessen zu haben, drückte sich an mir vorbei und schob entschlossen die Tür zu.
 

„Setz dich doch“, sagte ich, ehe mir einfiel, dass die einzige Sitzgelegenheit das Bett war. Augenblicklich lief ich rot an. „Äh, ich meine…“ „Ist schon in Ordnung“, sagte Asuna, „ich bin ohnehin sofort wieder weg. Ich … ich wollte dir nur etwas geben.“ Nun war meine Neugier geweckt. Asuna visualisierte ihr Statusfenster, gab ein paar Befehle ein und einen Augenblick hielt sie einen dunkelblauen Korridorkristall in der Hand. Es musste einer der beiden sein, die Asuna und Lind zusätzlich bekommen hatten. „Ich brauche keine zwei Kristalle, sonst kann ich mich nicht auf meine Aufgabe konzentrieren.“ „Das kann ich nicht annehmen-“ „Bitte!“ Asuna sah mich flehentlich an. „Die ganze Zeit liege ich wach und muss daran denken, was mit Claude passiert ist. I-ich ich habe Angst um dich, Kirito.“ Sie drückte mir den Kristall in die Hand und schloss meine Finger darum. „Du musst ihn nicht benutzen. Nur zu wissen, dass du ihn hast, würde mir helfen die Nerven zu behalten.“
 

„Du weißt schon, dass ich stärker bin, als du?“ für einen Moment wich Asunas Angst Empörung. „Darum geht es doch gar nicht, du Idiot! Ich bin für diese ganzen Leute verantwortlich und ich weiß wie schnell du den Ärger anziehst!“ „Also bin ich ein hitzköpfiger Trottel, der mit seinem Schwert in der Gegend herum fuchtelt und sich ohne nachzudenken ins Getümmel stürzt? Hast du schon vergessen, wer dir beim letzten Bosskampf, den Hals gerettet hat, als du es geschafft hattest dich paralysieren zu lassen?“ Ironischerweise merkte ich, wie mich die Diskussion von meiner eigenen Nervosität ablenkte. „Nimm ihn einfach!“, knurrte Asuna. Sie löste ihre Hand von dem Kristall und stellte offenbar erleichtert fest, dass ich den Kristall nicht fallen gelassen hatte. „Und sei ja pünktlich!“ Als sie schon an der Tür war, grinste ich sie an. „Vielleicht benutze ich ihn ja gar nicht und verhökere das Ding bei Agil.“ Asuna warf mir einen tödlichen Blick zu, dann war sie verschwunden. Eine Dreiviertelstunde später traf ich mit den anderen Frontkämpfern am Teleportgate zusammen und teleportierte mich auf die vierzehnte Ebene.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen :)

So, langsam geht es in die heiße Phase dieser Geschichte. Der nächste und letzte der Hauptparts wird dann jede Menge Action und Drama enthalten und die Quintessenz dieser Geschichte liefern. Ich hoffe, dass ich dann noch ein paar Leser außer L-San dazu gewinnen kann ;) Es steckt jedenfalls eine Menge Herzblut drin und langsam merke ich, wie ich mit dem Fandom warm werde ;) Alles Gewohnheitssache *lol* Wenn man möchte, kann man hier und auch später Hints zu Kirito und Asuna sehen. Da sie ohnehin Canon sind und ich sie beide als Pair sehr gerne mag, kann ich es nachvollziehen. Allerdings steht Romantik in dieser Geschichte in keinster Weise im Vordergrund. Das möchte ich noch mal betonen.

Ob sich das Hauptquartier von Laughing Coffin wirklich auf der 14. Ebene befindet, ist unbekannt. Es gibt lediglich Informationen darüber, dass es sich "auf einer der unteren Ebenen in einer sicheren Zone" befindet. In meinem Egoismus habe ich beschlossen, dass es in dieser Geschichte die 14. Ebene ist ;)
Noch etwas ... ich hoffe, dass man mir meinen Frust zu Sitzungen beim Schreiben nicht zu sehr angemerkt hat. Da ich Protokollantin im Finanzausschuss bin, weiß ich aus erster Hand, wie sich Debatten in die Länge ziehen können ...

Aber ich hoffe, ihr hattet trotzdem Spaß beim Lesen, besonders du, Niklas ;)

alles Liebe
moony Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  L-San
2014-06-30T15:00:51+00:00 30.06.2014 17:00


Yo, moony! ;D


Erst mal, ich hoffe auch für dich, dass neue Leser dazukommen.
Dabei muss das Fandom nur bekannter sein. >.<
Wie dem auch sei, ich fange an.
Mir hat das Kapitel wesentlich mehr gefallen als das vorherige, vor allem weil man hier einen besseren Einblick in die Gedanken des Protagonisten bekommt.
Der Anfang war mäßig interessant, noch nicht viel passiert, aber man bekommt einen besseren Überblick über die Charaktere, insbesondere da muss ich irgendwie Richtung Kirito x Asuna denken. ;D
Asunas Charakter erscheint insofern interessant, als sie in seltenen Momenten Charakter-Züge Schwächen zeigt, etwas, das andere Spieler vielleicht nicht wirklich gern sehen, zumal sie ja eine starke Persönlichkeit ist, schon quasi ein Idol, eine Heldin, zu der man aufblickt.
Wirklich interessant fände ich es, wenn ich wisse würde, wie sie außerhalb der Welt dieses Spiels, also im Reallife ist.
Das Ende fand ich ungewohnt, zumindest die Interaktion bei unseren beiden.
Zunächst unbeholfen und müde, dann gibt er dummer Sprüche von sich, und sie macht sich nur Sorgen um ihn.
Er ist ein richtiger Gentleman, muss ich sagen. ;D
So, das war's.
Ich bin wirklich gespannt, wie es weitergeht, vor allem, was es mit dem 'Bösewichten' des Spiels auf sich hat, was mehr hinter ihm steckt.


LG
L-San




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