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A cruel twist of fate

von

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Do you call that a joke?


 


 

„Way I see it, we got two options.”

Die vierte Stunde


 

Fuck!
 

Warum mussten sie diese beschissene Musik anmachen! Bis dahin lief die Tour reibungslos ab, aber nein, sie gaben sich dem Moment hin. Diesen Ausgang, den hatte sich Ellie nie gewünscht. Sie wollten doch verschwinden, sich zusammen durchschlagen, einfach miteinander sein. Gemeinsam gegen den Rest der Welt.
 

Aufgelöst streifte Ellie durch den Raum. Kaum hatten sie aus den dürftigen Optionen gewählt, hatten sie nach einem Unterschlupf gesucht und diesen in einem verlassenen, teils einsturzgefährdeten Bürogebäudes gefunden. Das Kaufhaus, das ihnen zum Verhängnis geworden war, lag zwar in der Nähe, aber hier waren sie sicher.

Sie befanden sich in einem großzügigen Büro, das höher lag und nicht gerade leicht erreichbar war und dieses sollte für die kommenden – ihren letzten – Stunden als Ruheort dienen. Die Spuren der Zeit, der Plünderung waren ersichtlich, aber wen kümmerte der Zustand? Hier hatten sie Platz, waren weitgehend abgeschottet und es bot einen bemerkenswerten Ausblick. Wenigstens konnten sie die Straße im Auge behalten und würden etwaige Eindringlinge früher erkennen, aber ungewollte Besucher erwartete Ellie kaum. Hier gab es nichts, bloß zwei Mädchen, die auf den Ausbruch des Virus warteten. Und sollte tatsächlich jemand sich hierher verirren, dann ersparte er ihnen womöglich das Leben als Runner.

Fest biss sich Ellie auf die Zunge. Solche Gedanken brauchte sie nicht. Ihre Nerven lagen auch so schon blank. Eine wahre Zerreißprobe und es war bloß noch eine Frage der Zeit, bis sie diese verlor und der Faden riss. Lieber sollte sie an die kommenden Stunden denken, die letzte Chance auf Zweisamkeit, Gespräche, aber wie? Sie war nicht Riley.
 

„Riley…“, murmelte sie, blieb stehen und spähte vorsichtig aus dem Fenster. Vorerst war Ellie alleine, vollkommen ihren Ängsten ausgesetzt, denn Riley suchte nach Essbarem. Lächerlich. Schon bald verfielen sie dem Virus und ihre Freundin wollte ihren Hunger stillen. Redete ihr ein, bevor sie zu Monstern wurden, sollte sie die Gelegenheit nutzen und sich ein letztes Mal den Bauch vollschlagen. Der Gedanken an eine Henkersmahlzeit führte kaum zur Besserung ihrer Laune. Ellie empfand keine Freude daran und ihr Magen rebellierte vehement. Bestimmt würde sie keinen Bissen hinunter bekommen.
 

Gut eine Stunde war sie mittlerweile alleine und die Gefühle erdrückten sie. Zehn Minuten ohne Riley und schon brach das gesamte Ausmaß ihrer Leichtsinnigkeit über Ellie herein. Schmerzhaft hatte sich ihr Innerstes zusammengezogen und einen Würgereiz ausgelöst. Riley an ihrer Seite, die versuchte das Beste aus der Lage zu machen, die sie mit allen Mitteln versuchte aufzumuntern, brach die Fassade. Die anfängliche Wut, die sie direkt nach dem Wissen des Bisses hatte, war vollkommen verflogen. Übrig blieb pure Verzweiflung. Nie hatte Ellie gedacht, obwohl die Gefahr stets im Nacken saß, auf diese Weise zu verenden. Gebissen und infiziert aufgrund eines sowieso schon riskanten Ausfluges.
 

Fest drückte Ellie die Faust gegen die Stirn. Das Versprechen, das sie auffällig die Militärschule abschloss, hatte sie gebrochen. Dieses Leben konnte sie endgültig abschreiben.

Militärschule… eine Ausbildung, die sie nie in Erwägung gezogen hatte, die für sie, hinter dem Rücken, entschieden worden war. Aus dem Nichts heraus hatten Männer sie mitgenommen. Den Grund dahinter, den hatte sie nie verstanden und so zeigte sie deutlich ihre Lustlosigkeit, suchte nach Ärger in jeglicher Form und wenn sie dafür nachts umherzog. Insgeheim wollte Ellie einen Ausweg aus dem dortigen Alltag. Viel lieber ein Abenteuer erleben und der Nervenkitzel, den sie auf diesem Wege fand, den nahm sie an. Im Nachhinein ein dummes Verhalten.

Schon damals hätte sie durchaus sterben können, aber stets kam sie glimpflich davon. So lernte sie Riley kennen und durch sie Marlene, die Anführerin der Fireflies. Ein Stein kam ins Rollen und die neuen Erkenntnisse, wussten sie zu schockieren, aber halfen Ellie ihre Denkweise schlagartig zu ändern. Ohne Flausen und aufmüpfiges Verhalten, wollte Ellie die Schule absolvieren und bis zum Abschluss hätte das Leben so einfach sein können. Brav gehorchen, lernen und das Wichtigste: Zeit mit Riley verbringen. Ein geregelter Alltag, in einer anormalen Welt.
 

Kindliches Wunschdenken. Die aufgebaute Freundschaft zerbrach von einer Sekunde zur nächsten. Aus dem Nichts heraus standen sie da, stritten lautstark und warfen sich Gemeinheiten an den Kopf. Ein Zerwürfnis, das Ellie nie ersehnt hatte, trat ein und Riley… Riley verschwand. Keine Nachricht, kein Hinweis, nichts.

Die ersten Tage verstrichen und Ellie glaubte, sie suchte den Abstand, brauchte Ruhe und sobald die Wut verflogen war, würde sie zurückkehren.

Aus den Tagen wurde eine Woche und Ellie hegte Zweifel. Solange war Riley nie fortgewesen und so verspürte sie Sorge. War Riley verletzt oder gar geschnappt worden?

Angst kam und verflog mit den Wochen. Nach einem Monat fand Ellie bloß eine Erklärung: Riley musste tot sein. Ein schmerzhafter Gedanke, aber den Umstand konnte sie noch irgendwie akzeptieren. Der Tod war in dieser Welt ein ständiger Begleiter und Gründe gab es reichlich. War es nun durch einen Soldatentrupp oder einfachen Banditen oder durch einen Infizierten. Und gerade als sich Ellie damit abgefunden hatte, wohl nie eine konkrete Antwort zu erhalten, kehrte Riley zurück.
 

Aus dem Nichts heraus stand Riley da und lachte ihr entgegen als hätte es den Streit nie gegeben. Ellie? Ellie wusste nicht, was sie in jenem Augenblick empfand. Erst nach und nach hatte sich eine gewisse Erleichterung durchgesetzt. Riley lebte! Diese Erkenntnis stand über allem und so war es kein Wunder gewesen, dass Ellie ihr Bauchgefühl, ihr Pflichtbewusstsein ignorierte und Rileys Vorschlag nachging. Sie folgte ihr, ohne Wissen wohin sie der Ausflug führte. Wie in alten Zeiten. Als wäre nie etwas gewesen.
 

Zusammen wanderten sie durch das Kaufhaus. Wechselten zwischen kindlichem Getue und ernsthaften Unterhaltungen. Ellie suchte nach Gründen und sie hatte Zeit gebraucht bis Riley ihr Antworten gab und dann…

Unbewusst strich Ellie ihre Lippen entlang. Sie hatte Riley geküsst. Einfach so. Ein Impuls, dem sie nachgab ohne einen Gedanken an Konsequenzen. Über Gefühle dieser Art hatte Ellie sowieso nie nachgedacht, aber vielleicht war das die Erklärung für ihr Handeln. Der Grund, warum sie trotz all der Risiken mitging und den Ausflug, so oft sie es auch aussprach, nie abbrach. Wäre die Zeit doch stehen geblieben oder hätte der Moment länger angedauert.
 

Wie leichtsinnig das war, aber obwohl ihnen diese Leichtsinnigkeit das Leben kostete, kam Ellie nicht Drumherum und musste sich eingestehen, dass das die schönste Zeit war, die sie bis dahin erleben durfte. Ein paar Stunden fern der Realität. So sehr Ellie das Kommende auch mitnahm, sie wusste, in den Tiefen ihres Herzens, dieses Risiko wäre sie jederzeit wieder eingegangen und daran musste Ellie denken und festhalten. Das Schicksal zwang sie in die Knie, aber war Ellie nicht alleine. Sie hatte Riley an ihrer Seite und das reichte.
 

Tief atmend sank Ellie zu Boden, zog die Knie an und wartete. Wartete auf Rileys Rückkehr, denn dann, das wusste sie, würde sich besser fühlen.
 


 


 

“One, we take easy way out.

It’s quick and painless.

I’m not a fan of option one.”

Die fünfzehnte Stunde


 

Herzhaftes Lachen durchströmte den Raum. Die Taschenlampen dienten als Lichtquellen und, wie sollte es anders sein, ebenso für Unterhaltung. Sie versuchten sich in Schattenfiguren und wirre Geschichten entstanden. Gemeinsam fanden sie Mittel und Wege die Zeit, die ihnen blieb, so angenehm wie möglich zu gestalten.

Nachdem Riley zurückgekehrt war, hatte Ellie große Augen gemacht. Vollgepackt mit Lebensmitteln grinste Riley, hielt die Ausbeute triumphierend hoch. Das flaue Gefühl im Magen verblasste, der Hunger kam tatsächlich und Ellie hatte gegessen, viel gesessen, so viel wie schon lange nicht mehr. Woher das Essen kam, hatte Riley nur schemenhaft beschrieben. Meinte, sie hatte bei den Fireflies aufgepasst und Tricks gelernt. Ellie vermutete sie hatte Lebensmittelmarken mitgehen lassen und für den passenden Moment gehortet. Sogar beschlich sie die Vermutung, dass Riley bereits länger das Hirngespinst hatte, sie irgendwann aufzusuchen und mit ihr aus der Stadt zu verschwinden. Warum hatten sie das nicht gleich getan? Irgendein anderes Kaufhaus aufgesucht?

War der Schaden angerichtet, dachte man gerne an die Alternativen. Zu spät, aber sie hatten sich und niemand stand dem unerwünschten Ende alleine gegenüber. Ihre Bäuche waren gefüllt, hie und da schlich sich die Müdigkeit ein. Irgendwie merkwürdig. Obwohl der Virus langsam aber sicher ihren Körper befiel, fühlte sie bislang keine Veränderung. Als ob sie einen normalen Streifzug machte.
 

„Ellie…“ Die Lichtstrahlen konzentrierten sich auf einen Punkt. Von einer Sekunde zur nächsten hatte Ellie aufgehört, das Lachen wich dem Schweigen. Riley hatte schnell verstanden und das junge Mädchen, das dicht neben ihr saß, sodass sich ihre Körper berührten und sich gegenseitig Wärme spendeten, genauer unter die Lupe genommen. Fragend wartete Riley ab, doch blieb Ellie in Gedanken, ignorierte ihre Stimme. Ihre Taschenlampe erstarb, wurde unachtsam auf den Boden gelegt. Vorsichtig schlang Riley die Arme um den Körper der anderen, lehnte die Stirn an Ellies Schläfe. Erst diese Geste machte den Unterschied aus und riss Ellie aus ihrem Tagtraum. Riley spürte das kurze Zucken, behielt die Umarmung jedoch bei.

„Ich habe unser Wiedersehen verbockt“, murmelte Riley gepackt von Schuldgefühlen. Vielleicht, so schmerzhaft der Gedanke auch war, hätte sie auf Marlene hören sollen. Ellie war auf einem guten Weg, aber brachte sie das nicht übers Herz. Wochen ohne Ellie … das passte nicht. Dagegen kam selbst die Erfüllung ihres Wunsches, endlich ein Mitglied der Fireflies zu sein, nicht an. Ellie gehörte zu ihrem Leben und bevor sie diese gänzlich auf unbestimmte Zeit aus den Augen verlor, hatte sie den Schritt wagen müssen. Gemeinsam hätten sie die Stadt verlassen, sich irgendwie durchgeschlagen und dann machten sie diesen Anfängerfehler. Geblendet vom Wiedersehen, den Albernheiten und … eilig schluckte Riley.

Hatte sie je gerechnet geküsst zu werden? Nein.

War es angesichts der Lage gar frevelhaft? Ja.

Aber verdammt! Die kurze, scheue Berührung ihrer Lippen, wie hatte sich das angefühlt! Schmetterlinge tanzten ausgiebig in ihrem Bauch, das Herz klopfte vor Freude. Das war mehr als sie es sich je erträumt hatte.
 

„Wir beide haben versagt“, murmelte Ellie nach einer Weile, sank gegen den Körper der anderen, verlor jegliche Anspannung. Wann wurde sie das letzte Mal gehalten? Ellie überlegte, aber die Antwort blieb aus. Vermutlich nie, nie auf solch eine Weise.

„Wir zahlen den Preis für unser unverfrorenes Handeln.”
 

„Abgesehen vom Biss … ich hätt ‘s wieder getan.“ Erneut quer durch die Stadt, ständig die Panik im Nacken erwischt zu werden. Sofort. Ging es darum, dann empfand Riley keine Reue.

„Ellie?”, wisperte Riley, hielte inne, wartete auf ein Signal. Durfte sie den Wunsch äußern? Ein schwaches Nicken folgte und tief atmete Riley durch. Wie es Ellie erging, konnte sie kaum erahnen, aber ihr Körper fühlte sich anders an. Als bekam sie den Kampf, den der Virus verursachte, langsam aber sicher mit. Oder täuschte sie sich?

„Verliere ich vor dir meinen Verstand …“
 

„Halt den Mund! Wir haben ein Abkommen!”, unterbrach Ellie sofort. Tief in ihrem Innersten hegte Ellie einen Verdacht und der sollte unausgesprochen bleiben. Wenigstens noch für eine Weile.

„Komm, wir haben noch nicht jeden Witz gelesen“, wies Ellie auf ein neues Thema hin und griff bereits nach ihrem Rucksack.
 

„Okay”, entgegnete Riley nach einer Pause, gab nach. Schweigend saß sie also da, beobachtete Ellie, die das Buch herausholte, auf jene Seite blätterte, an der sie im Kaufhaus aufgehört hatten und Riley versuchte wirklich zuzuhören, auf die Witze einzugehen, aber der Versuch misslang. Vielmehr behielt sie Ellie im Auge, folgte ihren Bewegungen und blieb schließlich an ihrem Gesicht hängen, das durch die Taschenlampe spärlich beleuchtet wurde. Riley kannte jeden erdenklichen Gesichtszug, wusste wie sich ihre Augen in Situationen veränderten. Nichts jedoch mochte sie so sehr wie Ellies Lächeln, dieses Strahlen und wieder klopften Schuldgefühle an. Wäre sie früher gekommen oder hätte sie einen anderen Ort ausgewählt, dann wäre alles anders verlaufen. Sie hätten mehr Zeit gehabt und das wollte Riley so sehr. Zeit mit Ellie verbringen. Keine Stunden, einfach mehr und das hatte Riley gehörig verbockt. Immer und immer wieder drehten sich ihre Gedanken im Kreis, dagegen war sie machtlos.
 

„Riley“, ermahnte Ellie grinsend und fuchtelte mit dem Buch vor deren Augen. Schnell hatte sie realisiert, das die andere ihr kein Gehör schenkte und irgendwie, da fand sie es… süß? Nie würde sie dieses Wort in den Mund nehmen. Das passte nicht zu ihr, aber zu dem Bild, das sich ihr bot.

„Ich schätze, das hätte ich mir ersparen können“, setzte sie nach und schüttelte sacht den Kopf. Nicht lange, denn Ellies Grinsen erstarb. Der verträumte Ausdruck auf Rileys Gesicht verschwand, wich den Tränen die lautlos ihre Wege nahmen. Dennoch versuchte Riley ihr Lächeln aufrecht zu halten und bevor Ellie etwas unternehmen konnte, hatte sich Riley bereits nach vorne gelehnt. Hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn und schloss Ellie neuerlich in eine Umarmung.
 

Minutenlang sprachen sie nicht miteinander, hielten sich in den Armen und Riley fragte sich, ob es das war. Dieses Gefühl. Liebe.

Bei den Fireflies hatte sie Zeit gehabt und viel mit denen gesprochen, die die Zeit vor der Infektion miterlebten. Sie sprachen von einer Zeit, die Riley nicht kannte, nie erlebt hatte. Wie Ellie gehörte sie jener Generation an, die in diese grausame Welt geboren wurde. Von Kindesbein an lernten sie andere Gesetze, Gegebenheiten und oft hatte sie gesagt bekommen, wie tödlich Gefühle waren. Zusammenarbeit ja, aber am Ende musste man sich oder dem höheren Ziel am Nächsten stehen, nicht einer Einzelperson. Das hatte sie gelernt und dann hörte sie die Geschichten von früheren Tagen. Alltagsgeschichten oder Erzählungen von den Liebsten, die sie irgendwann im Laufe der Jahre verloren haben. Eine vollkommen unbekannte Welt. Einer der Männer hatte von seiner Frau gesprochen, die kurz nach der Quarantäne infiziert wurde. Wie sie sich als Jugendliche kennenlernten und er alles tat, sich gar zum Affen machten, nur um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie fand das durchaus albern, aber die Eindrücke, die sie dadurch erhielt, waren hängen geblieben und waren vielleicht ein Auslöser für ihr waghalsiges Vorhaben gewesen.

Riley verstand es jetzt besser. Unüberlegt stürzte man sich ins Abenteuer, aber sie hatte ihr Ziel erreicht und doch, warum durfte sie das Gewonnene nicht auskosten?
 

„In einer anderen Zeit…“, murmelte sie gegen Ellies Hals und griente, „mit gewöhnlichen Schulen, einem anderen Alltag… hätten wir uns da je gefunden… wir hätten glücklich sein können.“
 


 


 

“Two, we fight.

There are a million ways we could’ve died today.

And a million ways we could die before tomorrow.”

Die zwanzigste Stunde


 

Ruckartig schlug Riley die Augen auf. Haare und Kleidung klebten an ihrem erhitzten Körper. Die Folge eines Schweißausbruches, der noch innerhalb des Schlafes eingetreten war. Nach Luft schnappend tastete sie suchend umher, fand Ellies Körper, der eingerollt auf der Seite lag. Sie schlief, sacht hob und senkte sich ihr Brustkorb. Ein Glück! Sekunden behielt Riley die Position bei, horchte den ruhigen Atemzügen ehe Riley das Gefühl bekam, als schneide ihr jemand die Luftzufuhr ab. Hastig zog sie ihre Hand zurück und biss auf ihre Unterlippe. Kein Laut durfte durchdringen und Ellie wecken. Es schmerzte, ihr Herz raste und Riley konnte nichts dagegen tun.
 

Hatte ihr Countdown abrupt geendet? Abgehakt atmete sie, versuchte wenigstens das unter Kontrolle zu bekommen. Tränen brachen durch, verschleierten ihre Wahrnehmung, die sowieso gleich null war. Denn noch herrschte Nacht und es war dunkel. Keine Lichtquelle am Firmament. Alles war verdunkelt, wie jenes Loch an dessen Abgrund Riley stand.

Nein, das war nicht das Ende. Noch nicht! Vielleicht, redete sie sich ein, lediglich eine Panikattacke. Ausgelöst durch die Situation oder gar dem Traum, der sie aufwachen ließ. Unangenehm kribbelten ihre Hände und auf Knien rutschte sie entlang, tastete erneut vorsichtig. Lieber kein Risiko eingehen. Wenn sie sich irrte und der Virus ausbrach, dann musste sie hier raus! Den Anblick wollte sie Ellie ersparen und wie sie das Mädchen kannte, würde sie grundlos kaum kehrt machen und verschwinden. Ellie durfte nichts geschehen, nicht ihretwegen!

Handelte es sich tatsächlich um einen Anflug von Panik, dann konnte Riley noch immer zurückkommen. Ihr Herz machte einen Sprung als sie den Rucksack ergriff. Rasch riss sie ihn sich um die Schulter und schlich, so gut es ihr möglich war, zur Türe. War es so weit, dann zählte jede Sekunde. Einen Spaltbreit stand die Tür offen und doch zögerte Riley. Verdammt, musste sie erneut wortlos verschwinden? Verstand Ellie ihre Intention?

Vergiss das! Ihr erster Gedanke. Zweifel waren deplatziert, gefährdeten bloß Ellies Leben. Die Realität hatte keinen Platz für rührselige Abschiede. Entweder ging sie durch diese Tür oder aber sie blieb und schädigte Ellie.
 

Bevor sie fertig gedacht hatte, stand Riley bereits im Flur und kramte in ihrem Rucksack. Die Taschenlampe half. Rasch fand sie einen Stift. Als Papier diente ein alter, zerschlissener Comic, den sie auf Streifzügen fand. Eigentlich ein Geschenk für Ellie, wusste sie um die Vorlieben des Mädchens, aber darauf hatte sie vergessen. Such nicht, hieß die Nachricht. Für mehr blieb keine Zeit und so drehte sie den Schlüssel, verschloss die Türe. Verschloss den Raum, in dem sich Ellie befand – der Grund warum sie überhaupt dieses Zimmer wählten, niemand konnte ihn unbemerkt betreten – und schob ihn, zusammen mit dem Comic durch den Spalt hindurch. Rissen alle Stricke, so war Ellie im Notfall vorgewarnt.
 


 

„But we fight for every second we get to spend with each other.”

Die vierundzwanzigste Stunde


 

„Das kannst du nicht…“, krächzte Ellie. Fest hielt sie den Comic und das abgegriffene Papier raschelte. Ihre Hände, wie der restliche Körper, zitterten unaufhörlich. Wie konnte die Infizierung so rasch voran schreiten? Sie fühlte nichts dergleichen.

Der Comic landete auf dem Boden und Ellie löste den bedürftigen Verband. Unverändert, nichts an ihrer Wunde deutete darauf hin, dass die Infizierung sich verschlimmerte. Gut, unappetitlich sah der Biss schon aus, aber nicht besorgniserregend. Jedenfalls nicht in Anbetracht der Umstände. Sie wusste, dass Körper verschieden reagierten, aber das konnte doch nicht so unterschiedlich verlaufen. Weit waren sie ja gekommen, manchen hatten bereits nach wenigen Stunden verloren.

Egal. Das war sowieso nicht der springende Punkt. Vielmehr kämpfte Ellie mit der Tatsache, dass Riley erneut ohne Abschied verschwunden war, sie alleine zurückließ. Ganz gleich wie naiv die Annahme war, sie würden zusammen bleiben und aufs Ende warten, das konnte nur ein schlechter Scherz sein. Riley hätte sie aufwecken können, ganz einfach und da kam Ellie ein Gedanke. Hätte sie es verstanden und wäre auf Abstand gegangen?

„Fuck“, stöhnte Ellie. Nein, vermutlich nicht und Riley kannte sie besser als jeder andere. Wann Riley verschwand, konnte sie kaum einschätzen. Auf jeden Fall, so glaubte sie, hatte Riley schon einen guten Vorsprung. Vorsprung… dachte Ellie ernsthaft daran, dass Riley, wenn sie sang und klanglos abhaute, tatsächlich noch Stunden durch die Gegend marschierte? Vergebene Hoffnung, die Realität ist kein Wunschkonzert.
 

Nachdenklich sah sie sich um. Was nun? Hier bleiben und abwarten? Wofür, alleine in diesem Zimmer verrecken, das stand nicht gerade hoch oben auf ihrer Liste. Ellie brauchte erst einmal einen klaren Kopf. Sollte sie raus gehen, dann konnte sie auf Riley treffen und… Gänsehaut überkam sie und sofort schüttelte Ellie den Kopf. Nicht daran denken. Ellie war nicht dumm, hatte bisher eine gute Ausbildung genossen. Sollte sie weiterziehen, dann musste sie schlau vorgehen, so wie geübt. Oder sie blieb und ließ all die angestauten Gefühle raus. Wartete auf ihr eigenes Ende und fertig.

Während sie die Optionen abwog, hatte sie nach ihrem Rucksack gegriffen, überprüfte, wie üblich, den Inhalt. Instinktiv suchte sie nach ihrem Klappmesser und staunte als ihr ein anderer Gegenstand ins Auge stach.

„Wann…?“, wisperte sie und schluckte. Riley hatte Ellie die Pistole überlassen. Wie angewöhnt zog sie das Magazin heraus, drei Schuss übrig. Genug für den Ernstfall. Was hatte Ellie zu verlieren? Nichts. Nicht denken, nicht fühlen. Einfach handeln. Tief atmete Ellie durch, ermahnte sich zur Konzentration.

Schließlich schulterte sie den Rucksack, die Pistole behielt sie in der Hand, zum Einsatz bereit.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Dark777, wie immer hat deine Drohung wahre Wunder gewirkt und es ist endlich soweit~ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dark777
2015-10-07T08:59:19+00:00 07.10.2015 10:59
Na da bin ich ja froh, dass mein Einfluss auf dich nach all den Jahren nicht abgenommen hat ;).

Ich muss mich zuerst sammeln, denn diese Geschichte ist nicht so einfach kommentiert....

Es ist düster, melancholisch und jeder der das Spiel bzw. DLC kennt weiß, wie es ausgeht. Das DLC hört da auf, wo die beiden beschließen zusammen bis zum Schluss durchzuhalten und das eigentliche Game setzt da an, wo es Riley schon lange nicht mehr gibt. Jeder weiß wie es ausgeht, das Zwischenstück wurde bisher aber immer unserer Fantasie überlassen.

Du hast dir ganz schön was aufgehalst dich dieser schweren Thematik zu widmen und ich finde.......du hast es wieder einmal umwerfend übernommen :). Manchmal musste ich kurz überlegen, ob es nun aus Rileys oder Ellies Sicht geschrieben war, das störte aber nicht weiter. Im DLC wurde es schon sehr gut beschrieben und du hast es hervorragend übernommen: Die beiden sind noch Kinder. Ja, sie führen ernste und äußerst reife Gespräche (liegt offensichtlich an der harten Realität), aber im Grunde sind es noch Kinder. Genau das ist es ja auch, was ihnen zum Verhängnis wurde.

Ich freue mich schon sehr gleich das zweite Kapitel in Anspruch nehmen zu können. The Last of Us ist und bleibt eines meiner liebsten Games, so viel Tiefgründigkeit habe ich bisher kaum in Games gesehen. Ich bin stolz auf das, was du daraus gemacht hast, weiter so :)!

V(~_^)


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