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A cruel twist of fate

von

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I've spent enough time alone


 

„But we fight for every second we get to spend with each other.

Whether its two minutes … or two days …”

Die fünfundzwanzigste Stunde


 

„Scheiße, Riley!“, schrie Ellie schrill und stolperte rücklings. Der Schock fraß sich in ihren Knochen fest und nach Luft japsend, legte sie die Hand an ihre Brust und spürte das wilde Pochen des Herzens. Die Gestalt, die sich ihr offenbarte, war kein Produkt ihrer Fantasie, des kleinen Hoffnungsschimmers, den sie bei sich trug. Nein. Dort stand Riley und nicht, wie in ihrer schlimmsten Vorstellung ausgemalt, als verwandelter Runner! Klare Augen stierten, strahlten fasziniert, aber nicht ihretwegen.

Das Objekt, das die Aufmerksamkeit erhielt, lag in ihrer gefährlich zitternden Hand, wartend und zum Einsatz bereit. Fest umklammernd hielt sie die Pistole, der Zeigefinger bedrohlich am Abzug. Die gesamte Zeit über behielt ihr Arm dieselbe Position. Ausgestreckt auf das Ziel gerichtet und da dämmert es Ellie: Vor Schreck hätte sie fast geschossen. Fast.
 

Es wäre eine intuitive Reaktion gewesen. Immerhin, nachdem Ellie aufgebrochen war und in den oberen Etagen bloß gähnende Leere vorfand, hatte sie durchaus mit dem Gedanken gespielt, der einzige Gast in diesem Gebäude zu sein. Zwar achtete Ellie auf ihre Umgebung und lauschte ob sich in direkter Nähe jemand befand, aber nach und nach kreisten ihre Gedanken um eine mögliche Route. Wo sollte sie entlang gehen? Wo wollte sie überhaupt hin? Das war ihr gleich. Vielmehr suchte Ellie nach einer Möglichkeit, die ihr die Wartezeit angenehmer gestaltete. Ohne Gesellschaft langweilte sie der Unterschlupf, machte sie schon bald, das wusste sie, verrückt. Zu verlockend war die Stille und bot förmlich an, sich zu verlieren. An das Vergangene zu denken, sich gänzlich dem Bevorstehenden hinzugeben, das wollte sie nicht, nicht vollkommen alleine. Hatte sie ja gesehen, was es ihr brachte. Nichts! Und so war es nicht verwunderlich, dass das Betreten des Erdgeschosses und das unerwartete Auftauchen eines Besuchers, der sich ausgerechnet als Riley entpuppen musste, sie vollkommen aus der Bahn warf.

Eine bemerkenswert vertraute Situation. Wieder stand sie Riley gegenüber, nachdem sie zuerst spurlos verschwunden war und aus einer Laune heraus erneut in ihr Leben trat, aber was geschah dieses Mal? Bestimmt würden sie kein Kaufhaus aufsuchen. Bestimmt folgte kein albernes Spielchen auf das andere. Vermutlich gab es keinen Kuss, der alles sagte, das Ellie nie aussprechen konnte. Hier gab es keine Musikanlage, die Infizierte anlockte und somit rannten sie wohl kaum um ihr Leben. Dieses Wiedersehen hatte einen vollkommen anderen, neuen Beigeschmack.
 

„Ich empfehle dir abzudrücken.“ Pausenlos behielt Riley die Pistole im Auge, aber schlich sich ein geknicktes Lächeln auf ihre Lippen. War er gekommen? Der Moment, in dem sie dem ersten Gedanken folgten? Ja, sie hatte sich geirrt und sie hätte durchaus Bescheid geben und weitere Stunden mit Ellie verbringen können, aber entschloss sie sich dagegen. Jedenfalls in einem gewissem Maß.

Ihre Intuition hatte nicht gelogen. Solange der Virus seine Wirkung nicht entfaltete, würde Ellie weiterziehen und irgendwann hier vorbei kommen. Darauf hatte Riley gewartet, so frevelhaft das Verhalten auch war. Sie kicherte. Nicht fand sie die Gesamtsituation amüsant, vielmehr ihre eigenen und verworrenen Gedanken, Gefühle. Ellie stand da, in unmittelbarer Nähe und hatte die Chance sie von ihrem Leid zu erlösen. Das Mädchen, das sie nicht enttäuschen wollte und es doch tat. Stunden hatte Riley Zeit gehabt und ein Teil akzeptierte den Umstand des näher kommenden Endes.

Fassungslosigkeit spiegelte sich im Gesicht des Mädchens wider und Riley lächelte. Bevor sie eine Antwort erhielt, schmiss Riley ihren Rucksack zu Boden, verminderte den Abstand und streckte einladend die Arme aus.

„Mach, Ellie. Beende den Wahnsinn.“ Warum länger warten und nicht die einfachste Option wählen? Ein Schuss und aus. Ausgerechnet Riley wollte diesen Weg, obwohl sie anfangs erpicht dagegen war. Leichtfüßig hatte sie den letzten Abstand überbrückt und der Lauf drückte gegen ihre Brust. Drückte Ellie ab, traf die Kugel direkt das Herz. Eine hastige Bewegung reichte. Riley schwor ihrem Vorhaben gänzlich ab und es tat ihr leid, dass sie Ellie diese Bürde auferlegte, aber wie konnte sie dieser Versuchung widerstehen, die sich ihr auf süßliche Weise darbot?
 

„Fick dich!“, brach Ellie ihr Schweigen. Sie hatte sich den Schwachsinn lange genug angehört. Langsam sank sie den Arm und sicherte die Pistole. Anscheinend hatte Riley auf andere Weise bereits den Verstand verloren und diesem Wunsch, dem kam sie bestimmt nicht nach. Vielleicht hatte Ellie einen Moment mit dem Gedanken gespielt, aber umsetzen? Sacht schüttelte sie den Kopf.

„Wir haben einen Tag durchgehalten und jetzt kommst du mit der Tour? Ich hoffe du hast eine Erklärung parat!“ Was dachte sich Riley? Erst verschwinden und dann den Tod einfordern? Ellie glaubte wahrlich sich verhört zu haben. Das war Wahnsinn!

Riley seufzte hörbar auf, vergrub die Hände in den Hosentaschen und wich dem durchdringenden Blick, den ihr Ellie schenkte, partout aus. Verwerflich war der Wunsch allemal, aber welche Optionen blieben?
 

„Okay, du bist wütend. Ist in Ordnung“, murmelte Riley und dachte nach, denn anscheinend konnte Ellie ihre Intention doch nicht so gut nachvollziehen, wie erhofft.
 

„Shit, du hast aufgepasst!“
 

„Nachts bin ich aufgewacht“, startete Riley ihren Erklärungsversuch und ignorierte den Kommentar gekonnt, „und ich dachte, es ist aus. Da kam die Angst und ich habe mich rausgeschlichen. Um dich zu schützen, habe ich versucht eine größere Distanz zwischen uns zu bringen.“ Im Nachhinein hatte sie natürlich kläglich versagt, aber lag ein anderer Grund dahinter. Nachdem sie das Zimmer verließ, erging es Riley miserabel. Sie kam gerade so ins untere Stockwerk und dort harrte sie über eine Stunde aus. Erst dann beruhigte sie sich allmählich. Der Virus brach nicht durch, aber ein Zurück war einfach nicht möglich. Jede Stunde die verstrich, machte Riley wahnsinnig und sie suchte Ablenkung. Eine Weile wanderte sie die Straße entlang, klapperte die umliegenden Gebäude ab. Locker hätte sie endgültig aus Ellies Leben verschwinden können und doch zog es sie zurück. Ob ihr Umdenken an der Verzweiflung, nicht zu wissen wohin sie gehen sollte oder an der Sehnsucht lag, ein letztes Mal Ellie zu sehen, konnte Riley kaum sagen. Vielleicht eine Kombination aus beidem. Wieder saß sie bloß da, hing ihren Gedanken nach und wartete. Wartete auf das Unvermeidliche, das einfach nicht eintrat.

„Der Virus hat mich durchdrehen lassen… ich hatte eine beschissene Panikattacke. Mir ist klar, dass ich dich enttäuscht und dir Sorgen bereitet habe, aber Ellie? Ich fühle mich nicht schuldig. Nicht deswegen. Ich habe mich richtig entschieden, weißt du warum? Wäre ich geblieben und wäre der Virus ausgebrochen…“, brach Riley schließlich ab und schluckte schwer. Sie erschauderte bei dem Gedanken an das Mögliche.

„Ich möchte nicht diejenige sein, die dir am Ende wehtut.“ Das war der große Haken, den die zweite Option aufwies. Eine würde vermutlich vor der anderen verlieren.
 

„Wir haben eine Abmachung getroffen“, brachte Ellie gepresst hervor. Eine andere Antwort fand sie nicht. Riley runzelte die Stirn, sah zu ihr.
 

„Ja und die ist ehrlich gesagt, vollkommen bescheuert.“ Wollte Ellie nicht verstehen, dass das naives Wunschdenken war? Da lag keine Romantik dahinter. Schon bald war es vorbei und was dann? Eine zerfleischt die andere? Wollte Ellie diesen Ausgang?
 

„Wir haben eine Abmachung!“, wiederholte Ellie verbissen und grob schubste sie Riley.

„Glaubst du, dass das alles besser macht?!“, Wut, die sie versucht hatte zu unterdrücken, kroch hoch und übernahm die Kontrolle. Die Intention dahinter war ihr egal. Das war keine Erklärung, die Ellie einfach so akzeptierte. Immerhin wussten sie von Anfang an worauf die gewählte Option hinaus laufen würde.

„Du bist verschwunden. Wieder! Alleine dahin vegetieren… da hätten wir uns gleich trennen können!“ Ellie hörte nicht auf, immer wieder stieß sie Riley, die nichts dagegen unternahm.
 

„Ellie…“
 

„Du hast aufgegeben!“ Ein verdächtiges Glitzern war in den Augen des Mädchens erkennbar. Warum ließ Riley sie im Stich, nach allem das war? Erneut ließ man sie zurück. Ihr ganzes Leben lang schon blieb sie irgendwann alleine. Alleine sein… Ellie hasste dieses Gefühl und insgeheim hatte sie gehofft, wenigstens am Ende nicht der Einsamkeit zu verfallen.
 

„Denk nach, Ellie! Wie kann ich bei dir bleiben, wenn ich weiß, ich verliere mich! Was erwartest du? Soll ich schweigen und dich angreifen? So romantisch der Gedanken sich anhörte… das ist er nicht! Ich will dich vor mir beschützen!“
 

„Warum bist du dann hier?“ Ellie wollte schreien, aber versagte ihre Stimme. Da sprach Riley vom Beschützen und war doch zurück. Wo lag der Sinn dahinter?

Traurig lächelte Riley, strich sanft die Tränen fort, die mittlerweile den Weg über die Wangen fanden.
 

„Weil ich meinem Herzen gefolgt bin“, war die einfachste und schnellste Antwort, die der Wahrheit entsprach.

„Diese Welt ist abscheulich, emotionslos. Unserer Generation, wie den darauffolgenden, ist die Kindheit genommen worden. Von Kindesbein an müssen wir uns erwachsen verhalten. Wir lernen das Töten anderer. Zehnjährige sind bessere Jäger und Mörder als sie sein sollten. Schau uns an, Ellie. Wir wandeln zwischen kindlichem Getue… tiefsinnigen Gesprächen… dem nackten Überleben. Hätte ich mich an das Gelernte gehalten, an das von mir Erwartete… ich hätte dich nie aufgesucht. Nie. Mein Fehler und der kostet unser beider Leben.“ Riley ließ los, ließ den Kopf sinken und schnaubte verächtlich.

„Fuck, Ellie! Wir sind jung, beide in einem Alter, in dem wir erst recht Fehler machen sollten! Geleitet von Gefühlen, von blödsinnigen Ideen. Ich bin fünfzehn, aber ich fühle mich alt und diese eine Mal, wenn ich schon draufgehe, wollte ich meinen Gefühlen nachgehen. Unser aller eingeprügeltes Pflichtgefühl links liegen lassen.“ Je länger sie mit Menschen sprach, die die Welt vorher kannten, desto größer wurde das Verlangen danach. Gestillt würde es nicht werden, aber wenigstens ein bisschen davon, das wollte sie.

„Sieh her“, setzte Riley fort, riss sich den Verband ab, „ich kann mitansehen wie die Infektion sich ausbreitet. Die Wunde wird von Stunde zu Stunde schlimmer und ich fühle, wie es mir schlechter geht. Das ist die Realität, die abgefuckte Ohrfeige die diese Welt bereithält, wenn du emotional wirst.“ Der Biss stach Ellie förmlich ins Auge und sie dachte an ihren eigenen. Ihre Wunde sah so anders aus.

„Mime du die Erwachsene und geh!“ Ellie biss sich auf die Unterlippe, zögerte nur einen klitzekleinen Moment, ehe sie die Arme um Riley schlang und sich eng an deren Körper drückte. Den Sinn hinter alledem, den konnten sie lange suchen. Vielleicht existierte er gar nicht und selbst wenn, warum brauchten sie ihn? Die Zeit schlug gegen sie und dass diese Welt beschissen war, fuck, das wusste Ellie schon lange, aber egal welchen Ausgang sie nahmen, alleine wollte und konnte Ellie den Schritt nicht bestreiten. Das Leben schuldigte ihr einiges und das forderte Ellie ein.
 

„Du weißt, dass ich das nicht kann.”
 


 

„We don’t give that up.

I don’t want to give that up.”

Die siebenundzwanzigste Stunde


 

Riley stöhnte. Das Gesicht hatte sie in den Handflächen verborgen. Warum hörte es nicht auf? Eine geschlagene Stunde schon, dröhnte ihr der Schädel und statt einer Besserung, verschlimmerte sich der Schmerz. Als ob das alleine nicht ausreichte, verkrampfte sich ihr Körper zunehmend. Ein wahrhaft schlechtes Omen.

Wie vorhergesehen blieb Riley. Sie hatte keine Kraft gefunden um Ellie vom Gegenteil zu überzeugen, denn diese blieb standhaft und wäre ihr sowieso gefolgt. Irgendwie waren sie eben doch noch… Kinder? Teenager? Was auch immer. Riley hatte längst aufgehört und verschwendete keine Gedanken. Sie waren zusammen und fertig. Viel Zeit blieb ihr nicht mehr, das spürte Riley, mit jeder Faser. Gern hätte sie, trotz der ganzen Diskussionen, die Pistole genommen, aber die hatte ja Ellie. Eine törichte Entscheidung.
 

„Riley“, nahm sie verschwommen wahr, „ich hab Wasser gefunden.“ Vorsichtig hob Riley den Kopf, lehnte diesen gegen die Mauer. Ellie lächelte, hockte vor ihr und hielt eine Flasche in die Höhe. Schweigend musterte sie ihre Freundin, zog nachdenklich die Brauen zusammen.

Warum? Eine Frage, die sie nicht mehr verdrängen konnte. Wenn sie Ellie so sah, dann hatte Riley das Gefühl, dass nur sie gebissen wurde. Sie erkannte keine Veränderung. Das Mädchen, das ihr die Welt bedeutete, schien gesund. Nach und nach schlich sich eine wage Vermutung ein, die genauso töricht war. Nur weil der Virus ihr schneller den Gar ausmachte, hieß es nicht, dass er gegen Ellie machtlos war. Bloß einer dieser lächerlichen Hoffnungsschimmer, der ihr dennoch gleichzeitig Panik bescherte.

Schließlich nahm sie die Wasserflasche. Anstatt zu trinken, drehte sie diese lediglich in den Händen. Deutlich vernahm sie das laute Rufen des Abgrundes. Noch stand sie am Rand, aber sie hielt sich gerade so noch, mit zittrigen Beinen. Schon bald, das war offensichtlich, würde sie ausrutschen und in der Schwärze verschwinden. Ohne Ellie. Ohne dem Wissen an ihr altes Ich.

„Riley…“ Eine Hand legte sich auf ihre Wange. Eine zarte und wärmende Berührung. Müde schmiegte sie sich an die Handfläche, schloss die Augen. Schwach zuckten ihre Mundwinkel.
 

„Vielleicht…“, nuschelte Riley. Verdammt, diese wage Vermutung war verlockend, „vielleicht meint es das Schicksal gut mit dir.“ Ellie verstand nicht und so runzelte sie die Stirn. Leicht öffneten sich Rileys Augen, doch sahen sie sie nicht an.

„Ich hab langsam das Gefühl…“ Riley suchte nach den passenden Worten. Die Leute sprachen oder träumten vielmehr von diesem Szenario. Allein die Fireflies suchten akribisch nach einem Heilmittel. Bislang gab es keine Ergebnisse. Nie hatte Riley von solch einem Fall gehört. Durfte sie die Vermutung aussprechen oder war ihre Einschätzung aufgrund von Gefühlen verfälscht?

„Entweder hast du ein verdammt gutes und kämpferisches Immunsystem oder… du bildest die Ausnahme, die die Regel bestätigt.“
 

„Du solltest dich lieber hinlegen.“
 

„Ellie, ich glaube, du bist immun.“ Riley lachte leise während Ellie irritiert blinzelte. Immun? Automatisch glitt ihr Blick auf ihren Unterarm. Die Wunde wies weiterhin keine Veränderung auf, wirkte tatsächlich wie ein normaler Biss, aber immun? Nie und nimmer. Ellie seufzte und lehnte ihre Stirn an Rileys.
 

„Du fantasierst“, murmelte sie, „und hast wohl Fieber.“
 

„Wer fantasiert hier? Mir ist arschkalt, das ist kein Fieber“, gluckste Riley grinsend. Ellie schnaubte, schüttelte sacht den Kopf und ließ sich neben die anderen sinken. Einladend hob sie den Arm und wartete bis Riley dem nachging und sich regelrecht an sie kuschelte. Tief atmete Riley durch, bettete den Kopf an Ellies Schulter und schloss die Augen. Die von ihrem Körper ausgehende Wärme tat gut und war beruhigend.

„Du bist es.“
 

„Halt die Klappe.“ Ellie wollte nichts davon hören. Wie konnten sie darüber sprechen, wenn sich Riley Zustand sichtlich verschlimmerte? Jeder Körper reagierte eben anders. Das war ein Fakt. Bald schon kam sie an die Reihe und ihr erging es gleich.
 

„Du wirst mich töten und weiterleben…“ Ruckartig weiteten sich Ellies Augen und ihr Griff festigte sich.
 

„Nerv mich länger und ich dreh dir deswegen den Hals um.“ Ellies Kommentar bot ihr eine ordentliche Vorlage, aber bevor sie diese verstimmte, hielt Riley lieber den Mund. Eine Diskussion wollte sie wahrlich nicht riskieren.
 

„Okay… habe ich dir je von meiner größten Angst erzählt?“ Nicht gerade eine angenehmere Thematik, aber Riley hatte keine Lust stundenlang über Träume zu quasseln. Dafür war ihr die verbleibende Zeit viel zu kostbar. Warum also nicht ein paar Sachen von der Seele reden, die womöglich ausgesprochen gehörten?
 

„Nie“, gab Ellie nach einer kurzen Bedenkzeit zu verstehen. Selten sprachen die Leute darüber. Manches musste nicht ausgesprochen werden und viele hegten sowieso dieselben Ängste. Ellie selbst hatte bisher kaum Einblicke gewährt.
 

„Grundlos sterben“, sprach Riley unverblümt und wieder grinste sie. Der Tod an sich, der war nie das eigentliche Problem gewesen. In dieser Welt galt er als ständiger Begleiter und wartete auf jede noch so kleine Gelegenheit. Seit jeher fragte sie sich jedoch, wie er sie holte.

„Ich wollte nie aufgrund einer dümmlichen Lappalie sterben.“ Argwöhnisch verzog sie ihr Gesicht.

„Bei den Fireflies hätte es passieren können. Ich hab mich umgehört… da sterben sie und nicht durch Kämpfe mit dem Militär oder Plünderern. Nein… durch Infizierte. Meist kommt nur die Hälfte der losgeschickten Gruppe zurück. Genauso gut hätte ich auf dem Weg zum zugeteilten Stützpunkt sterben können.“ Wie schnell solch ein Fehler unterlief, hatten sie beide am eigenen Leib gespürt und durch den Virus verenden gehörte weiterhin nicht zu ihren Wunschszenarien, aber ihre Angst hatte sich nicht bewahrheitet.

„Ich hab auf mein Herz gehört und dich aufgesucht. Ist ein guter Grund, oder?“
 

„Technisch gesehen, stirbst du nicht. Du lebst als Irre weiter“, versuchte Ellie sich lustig anzuhören, aber bebte ihre Unterlippe. Allmählich glaubte sie, nicht der Virus brachte den Wahnsinn sondern die eigene Psyche, die nach und nach durch das nervenaufreibende Warten ineinander brach.

Riley schlug die Augen auf und hob den Kopf an, der sofort mitteilte wie wenig Freude er durch die Bewegung empfand. Langsam ging es ihr erbärmlich und Ellie sah ihr den miserablen Zustand mit Sicherheit an, aber warum sollte sie sich stärker darstellen als sie derzeit war? Selbst dafür fehlte ihr jegliche Kraft.
 

„Scheiß drauf. Der Mensch, der ich bin… der stirbt. Was interessiert mich mein Körper? Außerdem… stirbt Riley, schickst du die gehirnlose Hülle…“
 

„Riley!“, unterbrach Ellie, spürte den neuerlichen Tränendrang, aber musste sie lachen als Riley sich mit ihrem Finger erschoss und theatralische Grimassen zog.

„Du bist unmöglich und leidest definitiv an Stimmungsschwankungen.“
 

„Ich sage ja, mein Gehirn ist bald Matsch.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dark777
2015-10-07T09:22:20+00:00 07.10.2015 11:22
Die Fortsetzung knüpft nahtlos an das Geschehen sowie den Schreibstil an.

Ellies Immunität kristallisiert sich immer weiter heraus. Im Grunde ahnen es auch beide, wollen es nur nicht eingestehen. Beide wünschen sich einen Romeo-und-Julia-Abgang, wobei am Anfang natürlich keiner darüber nachgedacht hat was passiert, wenn sich einer schneller als der andere verwandelt. Der Gedanke aber Ellie sei immun und nur einer von beiden wird sterben macht Riley vielleicht Hoffnung, sicher aber auch tief im Inneren neidisch. Eine kleine Stimme würde mir zumindest sagen „Warum sie? Warum nicht ich?“, so sehr man den anderen Menschen auch liebt. Ellie wiederum wird sich nicht glücklich schätzen können. Im Grunde hat sie schon abgeschlossen und wenn ich mich versuche in sie hineinzuversetzen, würde ich mich um meinen selbstgewählten Abgang betrogen fühlen. Eine verfahrene Situation, die einfach nicht besser wird. Ich bin gespannt wie Ellie sich um Riley „kümmern“ wird, wenn es keine Hoffnung mehr gibt. So erschreckend der Gedanke ist, er ist auch unausweichlich.....

Ein sehr bewegendes zweites Kapitel, das mich noch lange zum Nachdenken animieren wird.

V(~_^)


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