Zum Inhalt der Seite

Diplomatie im Auftrag seiner Majestät

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Lied der Peitsche

Es war die Jagd, mit seiner reinen animalischen Lust am Erlegen der Beute. Der gierende Drang zu besiegen, der lose unter einer Haut aus Etikette und Manieren lag.

Vorsichtig schob sie sich um den riesigen Stamm der Eiche.

Sie war der Jäger. Die Verfolgung hatte ihre Sinne geschärft. Die Augen sahen mehr, die Ohren hörten mehr, der Geruch nach Wald und Boden war herber, der Wind strich kühler über ihre Haut.

Ihr Opfer bewegte sich in Richtung Osten. Das leuchtende Dunkelrot seiner Kleidung hob ihn deutlich von den verschiedenen Grüntönen seiner Umgebung ab. Noch half ihr das dicht bewachsene Gelände bei ihrer Verfolgung. Doch unverhofft konnte ein Hindernis ihr entgegentreten oder die schützenden Bäume und Büsche zurückweichen und freiem Gelände Platz machen. Sie huschte zum nächsten Baum und verbarg sich dahinter. Sie durfte ihn nicht aus den Augen verlieren, noch von jemanden aufgehalten werden.
 

Vorsichtig sah sich Aramis nach Graf de Meyé um und wich in den Schatten der Eiche zurück. Überall standen sie herum, diese gelangweilten Höflinge und übten sich in der Kunst des Nichtstun, welche ihr Stand über Generationen perfektioniert hatte.

Mehrere Hofdamen näherten sich ihr. Die Lust nach Tratsch und Intrigen umstrahlte sie wie ein Glorienschein. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Aramis in die Fänge der einen oder anderen geriet. Der Adel verfügte über einen zusätzlichen Sinn, wenn es um die Gunstbeweise ihrer Herrscher ging. An der kollektiven Ablehnung des Hochadels, wusste jeder Günstlinge, wann sein Stern am Sinken war. Aramis Stern stieg und mit ihm zog sie die Adligen an, wie die Motte das Licht. Die von Selbstzweifeln geplagte und von der Missachtung des Königs gestrafte junge Königin suchte immer öfters die Nähe ihrer Landsmännin. Den Großteil des französischen Gefolge, hatte es wieder zurück an den französischen Hof gezogen. Mit der geheimnisvollen Comtesse kam ein Stücken Heimat zu Henrietta und erfreute sie in den langen trostlosen Stunden.

Für Aramis hatte sich einiges verändert. Nachdem sie durch ihre Flucht von Daheim Selbstständigkeit erlernen musste, hatte sich erneut eine Wendung vollzogen. Man legte ihr die Kleidung zurecht, man bereitete ihre Toilette vor, man kochte und putzte sie. Am vergangenen Abend hatte ein mehrstündiges Souper bei einer Cousine des Königs stattgefunden. An den Anlass entsann sie sich nicht mehr. Inzwischen schien ihre gesamte Zeit nur noch aus solchen Anlässen zu bestehen. Kokette, kichernde Frauen, gelangweilte Männer, die ganz hinten gestanden hatten, als Kinn und Rückgrat verteilt worden waren. War sie früher als Musketier ein Teil der unsichtbaren, immer allgegenwärtigen Dienerschaft gewesen, verstummten diese wenn sie ihnen begegnete. Niemand lachte, man nannte sie Comtesse, Mylady und alle waren sehr, sehr vorsichtig. Ging sie wieder, hörte sie leises Lachen.

Sie fühlte sich langsam am ersticken, denn trotz des Umgangs mit dem Hochadel kam sie nicht an d'Meye heran. Jede Minute, die sie bei Hofe verbrachte, war sich Aramis des Balanceakts bewusst. Es war abschreckend und belebend zu gleich.

Unauffällig schlug sie sich in die Büsche, vorsichtig darauf bedacht kein Liebespaarchen zu stören, im Eifer ihrer Leidenschaft. Ihre Wangen glühten noch immer rot, bei der Erinnerung an zwei in leidenschaftlicher Umarmung gefangenen Leiber und lustvollem Stöhnen.

"Wo habt Ihr Lord Corday gelassen?"

Für den Bruchteil einer Zehntelsekunde blieb ihr Herz stehen. Betreten wandte sie sich um und sah direkt Lady Claredorn ins Antlitz. Für einen kurzen Moment hatte ihre Aufmerksamkeit nachgelassen. Diese Frau war die letzte Person, der Aramis begegnen wollt. Lady Claredorn war von Natur aus derart missgünstig, dass ihr Gesicht durchgehend die Farbe grün tragen müsste. Obgleich sie eine schöne Frau war, neidete sie anderen jeden Vorteil an Aussehen, Position und Fähigkeiten. Von den besonderen Fähigkeiten der unbekannten Comtesse ahnt sie nicht das mindeste, aber in ihrem Fall neidete sie ihr Charles Corday.

"Unter meinem Rock ist er nicht?" Damit war de Meyé ein weiteres Mal entwicht. Es war einfach zu ärgerlich.

"Der ganze Hofstaat ist interessiert daran, was sich unter Euren Röcken befindet!", erwiderte ihre Gesprächspartnerin gedehnt. Die dunklen Augen sahen Aramis über den Rand des filigranen Elfenbeinfächers herausfordernd an. Sie sah beredend an Aramis verhüllter Gestalt hinunter. Es war der selbe Blick, wie jene, die ihr in Paris folgten, wenn sie selbst im Hochsommer kaum ein Teil ihres Körpers preisgab.

"Vielleicht kann uns die Frage Lord Corday beantworten?", fügte sie hinzu und ließ eine bedeutsame Pause, die ihre Gesprächspartnerin wortlos, mit hochgezogenen Augenbraue kommentierte.

"Ja, vielleicht. Wie gut, dass Ihr das nie erfahren werdet", erwiderte Aramis süffisant lächelnd und straffte ihre hohe Gestalt um einige wesentliche Zentimeter an Selbstvertrauen.
 

Hochmütiges Schweigen herrschte zwischen beiden Frauen, als ein schriller Schrei über die weite Anlage des Schlossparks hallte. Der gesamte Hofstaat fuhr erschrocken auf. Mehrere Höflinge sprangen auf und eilten neugierig in Richtung der Schreie. Die Blätterdächer der hohen Bäume zitterten. Gras wirbelte auf. Bald war der Ort des Geschehens von neugierigen Adligen umringt. Ihre königlichen Majestäten verließen den Baldachin, unter dem sie sich vor der Mittagssonne schützten. Reflexartig wich man vor dem König zurück, als dieser sich seinen Weg bahnte. Er kam vor einer älteren Frau zum Stehen, dessen matronenhafte Gestalt so dick war, dass sie zu watscheln schien. Die drei Kinne über dem golddurchwirkten Spitzenkragen zitterten vor Anspannung. Im schnellen, abgehacktem Englisch sprach sie auf den König ein. Zu schnell für Aramis mangelhaften Sprachkenntnisse. Sie wusste nicht, was der Aufruhr zu bedeuten hatte. Neben der übergewichtigen Hofdame stand ein Höfling, der einen kleinen schwarzen Knaben am Arm festhielt. Zur elisabethanischen Zeit hatten die Adligen begonnen sich überall von kleinen schwarzen Kindern, gekleidet in farbenprächtigen Edelstoffen, begleiten zu lassen. Diese Eigenheit war auch im Laufe der Zeit nicht aus der Mode gekommen. Aramis fand das unvergleichlich absurd, Menschen aus ihrem Heimatland zu verschleppen, sie unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen über das Meer zu schiffen, damit sie für den Rest ihres Lebens den tänzelnden Schritten der Adligen folgten. Schweigen starrte der Knabe zu Boden.

"Was ist passiert?", fragte Aramis Lord Corday, der aus dem Nichts auftauchend neben sie getreten war, ohne zu beachten, dass der Lord sich besser zu verstecken vermochte, als sie.

"Der Knabe wollte sie ausrauben. Sie hat ihn beim Stehlen erwischt", erwiderte der Lord. Verwundert sah Aramis zu der heftig gestikulierenden Frau.

"Und deshalb schreit sie den gesamten Hofstaat an?" >Mein Gott<, dachte sie verächtlich, >diese Hysterie wegen ein paar Goldstücke, deren Verschwinden überhaupt nicht ins Gewicht fallen würden. Sie ist genauso dumm, wie alle hier. Macht und Geld fressen ihnen das Gehirn aus dem Schädel.<

Der Lord zuckte nichtssagend die Schultern. "Im übrigen ... welches Spiel, spielt Ihr da, Renée?"

"Habt Ihr mich die ganze Zeit über beobachtet? Was geschieht jetzt?"

Sie sah es selbst. Ein Höfling der Jagdgesellschaft trat vor. In der Hand eine riesige schwarze Peitsche. Erschrocken erfasste Aramis seine Länge. Herrgott, wie groß das Ding war. Ganze 12 Fuß maß sie von Griff bis zum Schnurende. Ihr Lied surrte beängstigend in Luft, als er sie schwang. Sie wollten doch nicht ....

"Nein", flüsterte sie, dann schrie sie es empört auf. Eine starke Hand umfasste ihren Oberarm und riss sie zurück.

"Ihr dürft nicht einschreiten!" Sanft, fast zärtlich strich seine Stimme über ihr Ohr, sein Atem durch ihr Haar.

"Sie werden ihn auspeitschen. Er ist doch noch ein Kind."

"Ja, und nur auspeitschen. Versteht doch, Renée, dass der König es tun muss."

"Aber er ist doch noch ein Kind", flüsterte sie wie betäubt. "Was machen schon das bisschen Geld für eine reiche Adlige?"

"Er hat am Hofe gestohlen, darauf steht die Todesstrafe. Eigentlich müsste er sterben und der König muss etwas unternehmen. 5 Peitschenhiebe, dann ist er erlöst", sagte er eindringlich. Besänftigend drückte er ihren Rücken an seine Brust.

Die Peitsche erhob sich in die Luft und traf zum ersten Mal auf die zarte Haut des Kindes. Die Adligen reckten die Hälse und hielten die Luft an. Doch sie wurden enttäuscht. Das Kind gab keinen Laut von sich. Wieder zischte die Peitsche durch die Luft und traf das Rückrat. Das Kind begann zu wimmern. Die Adligen lächelten. So war es recht, wenn es jetzt nur noch richtig schrie.

Aramis wich das Blut aus dem Gesicht. Sie spürte, wie es in ihren Ohren zu rauschen begann und ihr Herz schmerzhaft in der Brust schlug. Sie zwang sich den Blick von dem Kind zu wenden und seine Zuschauer zu beobachten. Männer wie Frauen, die sich am liebsten hinter ihren verzierten Fächern die Lippen geleckt hätten. Aramis verachtete sie um so mehr. Das Kind schrie mittlerweile. Die Höflinge jubelten und klatschten begeistert Beifall. Es weinte und flehte um Gnade, aber zwei Peitschenhiebe würde die junge Haut noch spüren müssen, bevor es erlöst war. Zuwenig für seine blutrünstige Zuschauerschaft, zuviel für das schmale Kind, welches in Ohnmacht fiel. Corday umfasste fester ihre Schulter. Er spürte, dass er sie vor eine eventuellen Dummheit bewahren musste. Aramis sah zu ihm auf. Seine Lippen waren nur noch ein schmaler Strich, seine Augen sahen blicklos nach vorn. Von weitem gab er das Bild des unbeteiligten Zuschauers ab, aber unmittelbar vor ihm stehend, sah sie, dass er ebenso mit dem Jungen litt. Nichts was er hätte sagen können, keine noch so großen Schwüre oder hären Reden, hätten sie für ihn einnehmen lassen, wie dieses wortlose Zugeständnis an menschlichen Mitgefühl.
 

Wie die Wogen der See erfüllte das Stimmengewirr den langen Saal. Einmal hoch ansteigend, wie eine einzig gewaltige Stimme, dann sanft abfallend, wie das sanfte Rauschen des Meeres. Manches Mal hallte eine zu laute Stimme in den Ohren wieder, ein anderes mal folterte der schrille Klang eines Lachen das Gehör. Wie ein Schwarm aufgeregter Hühner umschwärmte der Hofstaat seine Herrscher, in schillernden Farben, auf edlen Stoffen, mit kostbarem Schmuck und kaum einer verschwendete einen Gedanken an einen kleinen Jungen von 9 Jahren, dessen Hoffnung aus den großen dunklen Augen, in dem schokoladenbraunen Gesicht erloschen war.

Lady Corday fächerte sich Luft zu und ignorierte das Gefühl von Müdigkeit, dass ihre Aufmerksamkeit trübte. Bei Hofe kannte man keine Müdigkeit, nur köstlich amüsante Langeweile. Ihr Blick schweifte durch den Raum. Sie beneidete ihren Sohn, dass dieser einen Grund hatte, an diesem Abend fern zu bleiben. Elisabeth Corday war schon zu lange am Hofe, als dass sie nicht das passende Gesicht für jeden Anlass griffbereit hätte. Ihr Blick blieb bei der Comtesse de Mysteriéuse hänge. Die Französin trug ein Bordjuxrotes Abendkleid aus schimmerndem Samt, mit zarter Spitze aus Goldfäden. Zu übersehen war sie nicht. Das Licht fing sich in ihrem blondem Haar und sie überragte alle umstehenden Damen um fast einen Kopf. Man sah ihr an, dass es ihr schwer fiel zu lächeln und auf Gespräche einzugehen. Einzuschreiten hätte nichts gebracht. Weder ihr noch dem Kind. Ein besorgter Ausdruck lag auf den blauen Augen. Die junge Frau war noch zu hitzig und unverbraucht, als dass sie sich verstellen könnte. Zudem ging irgend etwas von ihr aus, dass sie aus der Masse abzuheben schien. Noch sah man ihr diesen Umstand nach, weil sie etwas Neues und Geheimnisvolles war. Das plötzlichen Auftauchen unter falschen Namen und ohne Vergangenheit, diese ungewöhnliche Größe in dem steifen, hochgeschlossenen Kleid, reizte ohnehin zu Spekulationen und Gerüchten. Entweder würde die Französin als etablierter Sonderling, ihren Platz am Hofe finden oder untergehen. Lady Corday hoffte auf Ersteres, schon für ihren Sohn ...

Ihre Augen folgten der Comtesse, als diese sich langsam aus dem Raum, in einen der zahlreichen Salons schlich, um sich den Luxus von einigen wertvollen Minuten Einsamkeit zu gönnen. Und es schien als wäre ihre Ladyschaft nicht die einzige Person, die an diesem Abend ihre Aufmerksamkeit auf die geheimnisvolle Französin gerichtet hatten. Unmittelbar nach der Comtesse verließ auch Sir Henry Marschall den Saal und steuerte den selbe Salon an. Lady Elisabeth hatte schon des öfteren Marschall's Blicke bemerkt. Er stand im ständigen Konkurrenzkampf mit ihrem Sohn, der sehr zu Sir Henry's Unmut die Gunst des jungen Königs genoss. Egal wie viel Geld Henry Marschall für seine Garderobe aufwendete, er würde mit seiner gedrungenen Gestalt und den plumpen Gesichtszügen immer im Nachteil gegenüber Charles Corday sein, der ohne modische Raffinessen, mit seinen gleichmäßigen Gesichtszügen und dem athletische Körperbau jedes Frauenherz höher schlagen ließ. Elisabeth wusste, dass man ihren Sohn ein Verhältnis mit der Comtesse nachsagte, auch wenn diese es bestritt. Sie seufzte. Der Fächer wedelte immer heftiger hin und her und erzeugte mittlerweile einen waren Sturm. Ob wahr oder unwahr mit Sir Charles Corday als offizieller Liebhaber wäre Renée de Mysteriéuse vor den Nachstellungen eines Sir Henry Marschall sicher, dem nicht die Leidenschaft noch einer Frau, sondern die Rivalität zu Corday trieb. Sein gelber Rock verschwand im angrenzenden Salon. Man spielte erneut zum Tanz auf und die wirbelnden Paare versperrten Lady Corday die Sicht. Lady Cecil sprach gerade mit der Königin. Selbst Baronette Leighton war beschäftigt. Niemand schien sie zu vermissen. So entschied sie sich, dass es besser war ihnen zu folgen.

Sie wollte gerade den Salon betreten, als ....
 

"Sie trat ihm wohin ...?" Der Wind peitschte Regen und die Äste einer riesigen Eiche gegen das Fenster. Draußen war alles in das Dunkel der Nacht getaucht. Die warmen Frühlingstemperaturen waren dem Sturm gewichen, der über London wütete.

Charles Augen tränten vor Mitgefühl.

Seine Mutter nickte. "Zwischen die Beine. Er behauptete ihr nur seine Zuneigung gestanden zu haben."

Corday schnaubte verächtlich. "Wer es glaubt!"

"Die Comtesse sagt, dass er auf sie losging."

"Losging?"

Ihre Ladyschaft nickte verschmitzt. "'Er ging auf mich los!' Genau diese Worte benutzte sie. Marschall behauptet weiterhin sich ihr nicht tätig genähert zu haben. Aber ich denke, die Comtesse hat ziemliche konkrete Vorstellung, was der Unterschied zwischen schnöden Worten und einem Übergriff ist. Sie wirkte weder verschreckt noch ängstlich. Sehr ruhig, als würde sie lediglich Sir Henry's amourösen Angriff als lästigen Zwischenfall betrachten." Sie lachte. "Du hättest Marschalls Gesicht sehen sollen. Er schien mit allen gerechnet zu haben, aber nicht mit einem Angriff auf seine direkte Männlichkeit." Ihr Sohn grinste breit. Am Hofe musste eine unverheiratete Adlige ohne Vormund und Beschützer mit sexuellen Übergriffen rechnen. Selbst ein Mündel des Königs war nicht geschützt, wenn Testosteron und Macht in einer Person aufeinander prallte, deren Erziehung einzig darauf basierte, ihn zum Mittelpunkt der Welt zu erklären. Ihr einziger Schutz waren List, Tücke und ein noch mächtigerer Liebhaber, aber nie wurde sie handgreiflich. Bei Aramis war diese Eigenschaft "eingebaut".

Die spiegelnde Fläche des Fensters warf Corday's Grinsen zurück, während er in die stürmische Nacht hinaussah. Er würde der Comtesse anbieten sie in seinen Schutz zu stellen. So stur sie auch zu sein schien, Sir Henry's Übergriff war nur der Anfang und sie würde bald einsehen, dass es das Beste war. Es war ohnehin nur eine Frage der Zeit, bis er sie dort hatte, wo er sie haben wollte;- in seinem Bett. Zum wiederholten Male fragte er sich, wie der Körper unter dem geschnürten Panzer aussah.

Die Fenster von Lord Corday's Zimmerflut sahen auf die riesigen Stallungen nieder. Über 200 reinrassiger Pferde, mit Stammbäume so edel wie die seiner Besitzer, beherbergte das riesige Gebäude. Der Stall erstreckte sich U-förmig und verschmolz an der Ostseite mit der riesigen Parkanlage, während es an der Nordseite an Trakt von Whitehall grenzte, der die Küchenräume beherbergte. Dieser Teil lag um diese Uhrzeit und bei diesem Wetter verlassen da. Die Palastwache kontrollierte das Hauptschloss. Nur sporadisch verlängerte die Wache ihren Kontrollgang hierher. Das Pflaster glänzte nass im Wiederschein der Fackeln. Aus dem Schatten des Gebäudes trat eine einsame Gestalt. Sie stemmte sich tapfer gegen den Sturm, während Wind und Regen um sie tobten und wüteten. Hart griff der Wind in den nassen Stoff des Kleides und zerrte an ihm. Wild peitschten die Haare im Sturm. Das durfte doch nicht wahr sein ...

Im Sturmschritt eilte Corday hinunter. Wind, Regen und Dunkelheit schlugen ihm entgegen und hüllten ihn ein. Innerhalb weniger Minuten war sein dünnes Hemd durchnässt und der Wind stich schmerzhaft kalt über die nasse Haut.

"Renée brüllte er gegen den Sturm an, aber er fand sich nur alleine im Unwetter wieder. Sie war schon längst im Stall verschwunden. Corday fand sie, als Aramis auf ihrem Pferd saß und die Zügel straff zog. Das menschliches Bündel noch immer an sich gepresst.

"Was macht Ihr da?" Der Lord griff ihr in die Zügel und hielt ihre Hand fest. Zwei zornige Augen trafen seine. Ihr Gesicht war gerötet und glänzte vor Nässe. Das Haar fiel nass und strähnig herunter. Die Röcke klebten von Regen durchtränkt an ihren Schenkeln.

"Das seht Ihr doch! Ich reite aus", erwiderte Aramis barsch und riss ihre Hand los.

"Renèe, um Gotteswillen, draußen tobt ein Unwetter."

Ihr Blick wies auf den kleinen Jungen in ihrem Arm. "Ich habe ihn bei den Stallabfällen gefunden. SIE", Aramis spie das Wort aus, wie eine Krankheit, "haben ihn einfach dort liegen lassen und nicht einmal die Diener haben ihm geholfen."

"Genau, dass solltet Ihr auch. Die Dienerschaft handelt nur auf Befehl ihrer Herren."

"Dann stirbt er. Ich bringe ihn zu einem Arzt." Corday sah die Entschlossenheit in ihren Augen. Was war schon das Unwetter draußen, gegen den Sturm, der in ihr wütete.

"Renée", Er blickte sie flehend an, "Ihr widersetzt Euch dem König."

"Das ist mir gleich. Hört Ihr, ER STIRBT! Wo gibt es in London einen guten Arzt, Corday?", fuhr sie fort, ohne seine Widerworte zu dulden.

"Kommt von dem Pferd runter! Es ist Nacht und es stürmt."

"Nein! Der Regen hat fast aufgehört!"

"Dann steigt Nebel herauf und Ihr verirrt Euch, Weib!"

Aramis beugte sich herunter, dass er ihren Atem und Duft riechen konnte. Blumen und Wein, die Gaben des Frühlings. Sie blechte eine Reihe kräftiger, weißer Zähne. "Ihr eingebildeter, ..."

"Oh, ..."

"... aufgeblasener, ..."

"Sagt nichts, was Ihr bereuen werdet!"

"selbstverliebter, arroganter, eingebildeter, verwöhnt, verweichlichter, selbstherrlicher ..."

"Nicht!"

"... Schnösel."

"..."

Corday atmete tief durch. "Kommt jetzt von diesem Pferd herunter!"

"Nein!"

"Ich bringe ihn ja zu einem Arzt!"

"Nein!"

Er blinzelte irritiert. "Wie nein! Vertraut Ihr mir nicht?"

"Nein!" Sie straffte ihre Gestalt. "Bei Euch weiß ich nicht, ob der Junge bei einem Arzt ankommt. Bei mir, weiß ich es."

"Nun gut!" Mit einem kräftigen Satz war er hinter ihr auf dem weißen Ross. Aramis riss die Augen auf. Gefangen in ihrem Kosette konnte sie nur die gegenüberliegende Stallwand anstarren. Das Kind weiterhin schützend an sich gepresst.

"HERUNTER!"

"Redet Ihr mit mir?" Sie sah ihn nicht, aber sie verwettete ihren Leib und ihre Seele darauf, dass er gerade lächelte.

"Schert Euch von meinem Pferd!"

"Nein!" Seine Schenke umschlossen fester ihr Gesäß. Sie spie Gift und Galle.

"Es kann nicht gegen den Sturm rennen, bei drei Reitern!"

"Dann steigt ab, Renée! Ich werde es nicht tun!"

"..."

Aramis keuchte erschrocken auf, als seine Hände ihre Taille umfassten, sie aus dem Damensattel hoben und auf die Erde abstellten. Sie wirbelte in einem Schwall aus Röcken herum und holte Luft ...

"Gebt mir jetzt das Kind!" Die Luft entwich.

Aramis presste die Lippen zusammen und stieß, während sie Corday das Kind reichte, hervor: "Mein Pferd merkt sich genau den Weg, den Ihr nehmt", zischte sie. "Ich werde wissen, wo Ihr hingeritten seid und ich werde das Kind im Auge behalten."

Wortlos nickte er. Er striche die nassen Haarsträhnen aus ihrem Gesicht.

"Vertraut mir doch einfach, Renée." Mit diesen Worten gab er ihrem Pferd die Sporen und preschte in die dunkle Nacht hinaus. Aramis fror plötzlich und schlang die Arme um den Körper. So verharrte sie still, während der Wind mit der Tür spielte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Tach
2004-07-18T20:17:46+00:00 18.07.2004 22:17
Endlich komm ich dazu nen Kommentar zu schreiben...habs Freitag Nacht noch gelesen x]
Ich schließe mich hinsichtlich der Pärchenbildung Hamfre an und wiederspreche aufs heftigste Kajuschka. Ich will überhaupt nicht wissen was sich da noch in England entwickelt, ab dem Moment, in dem sie dieser atmenden Schleimspur verfällt, verweigere ich die Literatur dieser Geschichte...naja, oder zumindest des Kapitels...das würde mir einfach mein armes kleines Fanherz brechen =]. Bis dahin hoffe ich einfach mal dass du dich im weiteren Verlauf der Geschichte für den derzeit scheinbar ziemlich verwirrten Athos entscheidest x].
Ansonsten gefällt mir das alles natürlich wieder sehr gut :]

Ach ja, König und Königin stehen bestimmt unter einem Baldachin, nicht unter einem Baldrian, ne? Wobei, vielleicht stehen sie ja doch unter Baldrian...wenn sich sone feine Gesellschaft nur unter Beruhigungsmitteln ertragen lässt, warum auch nich. ^^V
Von:  hamfre
2004-07-17T18:55:00+00:00 17.07.2004 20:55
boah geil, wann gehts weiter!???? bin gespannt ob aramis irgendwann mal nach frankreich zurück kehrt oder doch noch im bett dieses...(wie hat sie ihn gleich nochmal beschrieben!???*g*)....landet!????
schreib bitte schnell weiter!
(mein lieblings pairing wäre natürlich aramis und athos!!!)
cu
Von:  Kajuschka
2004-07-16T20:57:51+00:00 16.07.2004 22:57
Du hast wieder ein sehr schönes Kapitel geschrieben. Da liest man sehr gerne weiter. Ich will unbedingt wissen, was sich da noch so alles entwickelt ;-) Weiter so!


Zurück