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Diplomatie im Auftrag seiner Majestät

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Zweifelhafte Ehrung

Trommelwirbel erklang. Ansonsten Stille.

Taramtamtam ... Aramis Hand umklammerte den Schwertgriff an ihrer rechten Seite, dass die Knöchel unter den Handschuhen weiß hervortraten. Mit jedem Schritt hämmerte ihr Herz hohl und heftig in ihrer Brust. Ihre Hände fühlten sich schweißnass an.

Tramtamtam ... der Klang der Trommeln donnerte über den Palastvorplatz. Die prachtvolle Fassade des Louvre, mit seinen zahllosen Fenster, rahmte den mit Steinquadern gepflasterten Hof zu drei Seiten ein. Steinfiguren, Ornamente, ständig wiederkehrende Verzierungen und Fresken schmückten symmetrisch das Mauerwerk. Sie hörte ihre Schritte auf dem blanken Steinpflaster wiederhallen.

Tramtamtam ... ein militanter Marsch, -rhythmisch, monoton und gefühllos. Die Sonne schien passend in gleißend-hellem Licht am wolkenlosen Himmel. Täuschend strahlend, für die kalten Temperaturen, die das Oktoberende mit sich brachte. Nur die kahlen Wipfel der Baumallee im Tulierengarten sprachen vom kommenden Winter.

Tramtamtam ... die Musketiere, dass passende Bild zum Trommelmarsch, -steif und würdevoll, in blauem Waffenrock mit silberner Lilie und aufgestellter Muskete in der linken Hand. Ein Spalier, eine Gasse, hinter der sich die Würdenträger des Hofes eingefunden hatten.

Tramtamtam ... am Ende der Gasse der König. Aramis Herz schlug immer schneller und überholte den Takt der Schlagstöcke. Mechanisch bewegte sie sich vorwärts, jeden einzelnen Blick der Anwesend auf sich spürend.

Tramtamtam ... nur sie nicht, ihre Anspannung sehen lassen. Die Schritte steif und zackig, fast gleichmütig, die Schultern zurück, der Körper eine Linie, das Kinn nach oben und die Augen nach vorn gerichtet, bis sie tränten. Ein bleiches Gesicht mit weichen, feinen Gesichtszügen und eisblauen Augen, die jeden Mann großen Kummer bereitet hätten. Ein schmaler Körperbau, versteckt in dunkler Paradeuniform und schwarz polierten Stiefeln. Weichen Hüften und ein wohlgerundeter Busen, verschlossen hinter steifen, betressten Waffenrock. Sie zählte gerade mal dreiundzwanzig Jahre, war eine Frau und doch ein Musketier und sollte nun vor dem gesamten Hofstaat als Held auf dem Schlachtfeld geehrt werden. Was für ein Wahnsinn? Welch eine Täuschung? Was für ein Schlag gegen die selbstgefällig Herrschaft der Männer? Insolent und frech, furchtlos und kühn und tief der Abgrund in den sie fallen würde?

Wie sie so zackig auf den König zuschritt, ruhte so mancher Frauenblick mit Wohlgefallen auf ihr.

Tramtamtam ... jetzt kam Porthos' stattliche Gestalt an ihren Blickrand, daneben standen D'Artagnan und Athos. Sie hielt den Blick weiterhin auf den König gerichtet.

Die Fanfaren ertönten. Aramis schlug die Hacken zusammen und kniete vor dem königlichen Podest nieder. Eine Windböe fuhr über den Hof. Die Lilienbanner flatterten ungestüm im Wind. Ludwig räusperte sich und trat an dem Rand der Plattform. Im Hintergrund blieb sein erster Minister, mit äußerst übellaunigem Ausdruck auf den hageren Zügen.

"EHRE!", deklarierte er gewichtig und ließ das Wort bedeutungsvoll in der Luft stehen. "Ehre, ist das wichtigste für den Mann."

Pause. Die anwesenden Herren nickten zustimmend.

"Sein ganzes Leben lang strebt er danach, diese zu erlangen und ehrenvoll zu handeln. Denn seinen Stolz, seinen Namen und seinen Status, begründet er auf seiner Ehre."

Pause. Ja, die Ehre sei wichtig für den Mann. Wieder bedeutungsvolles Nicken von Seitens der anwesenden Herren. Man war sich einig.

Ludwigs Stimme wurde noch lauter. "Und wo findet er sie, wenn nicht auf dem Schlachtfeld? Im Kampf für König und Vaterland?"

Zweifellos, auf dem Schlachtfeld. Stolz und gewichtig reckten die anwesenden Generäle, ihre mit Orden geschmückte Brust nach vorn.

"Taten wiegen mehr als Worte."

Unbestreitbar, meinten die anwesenden Herren, während die Miene des Kardinals einen immer mehr säuerlichen Gesichtsausdruck annahm.

"Frankreichs tapferste Söhne sind entsandt worden, um La Rochelle für ihr Vaterland einzunehmen. Für den richtigen Glauben, für Frankreich, für Rom und um gegen die Engländer zu kämpfen ... und zu gewinnen. Mit Wohlwollen sehen wir ..."

Die nun eingelegte, rhetorische Pause, galt der Steigerung der allgemeinen Aufmerksamkeit.

"... wenn einer unserer treuen Musketiere sich dort verdient gemacht hat." Ludwigs Auge ruhte wohlwollend auf den gebeugten blonden Haarschopf. Aramis wagte es weder zu atmen, noch die Augen zu heben. Der Schweiß rann in Strömen unter der dicken Uniform. Sie spürte, deutlich das Drücken und Kratzen des Stoffes. Die Enge des Brustbandes und den harten Steinboden unter ihrem Knie.

General Marquard, ein harter Mann mit kantigen Zügen, denen jegliche Gefühlsregung fremd zu sein schien, trat vor. Aramis erhob sich und nahm Haltung an. Ein Page reichte ihm ein rotes Samtkissen, auf dem ein silberglänzender Orden ruhte.

Ein Augenpaar mit einem Blick, wie ein Artilleriegeschoss sah auf sie nieder. "Die Armee verdankt Euch das Leben von fünfhundert tapferen Soldaten", sagte er lakonisch, als wäre der Text ihm vorgegeben.

"Oberst Jaques bestätigte uns, dass nur durch Euren kühnen Vorstoß, ein Rückzug mit geringeren Verlusten möglich war. Ohne Euch, wäre Oberst Holmes Einheit unter den Schwertern der Engländer gefallen.

Deshalb überreichen wir Euch die silberne Lilie, als sichtbares Zeichen für Euren Mut, eure Tollkühnheit und strategisches Geschick."

Die verkniffene Ausdruck und die militant steife Körperhaltung, zeigten wie wenig es ihm behagte, einen einfachen Soldaten zu ehren. Noch dazu vor König und Hofstaat. Starr als stecke ein Stock in der ordenbehangenen Uniform, beugte er sich näher und heftete das Ehrenzeichen an ihre Uniform.

Tramtamtam, anschwellende Trommelsalve, Fanfarengetöse, die Herrn Generäle, mit ihrer Stock-im-Hinter-Haltung salutierten, der Hofstaat klatschte und Aramis errötete über die ganze Körperdistanz ihres langgestreckten Körpers hinweg.

"In Anbetracht Eurer Leistung, ernennen wir Euch zum ...", er stolperte verbal über ihren neuen Rang. "... Oberst!" Unmutsräuspern, Trommelsalve, Fanfarengetöse ... der nächste Orden landete an ihrer Brust. Endlich war der General befreit und trat zurück. Der Kardinal zu des Königs Linken, der General zu seiner Rechten, gaben jetzt denselben hölzern-sauren Ausdruck auf ihren Gesichtern wieder.

Erneut trat der König vor und nickte wohlwollend auf sie nieder.

"Natürlich, sehen wir es lieber, wenn er bei den Musketieren bleibt und für den Schutz Unserer Person sorgt." Zwinkernd beugte er sich näher. "Jetzt muss Uns Unser Musketier nur noch erklären, wie er in Unseren Diensten auf das Schlachtfeld geriet."

"Das kommt ganz auf die richtige Abzweigung an, Eure Majestät", erwiderte Aramis förmlich.
 

Steif und unbequem, wie die Zeremonie gewesen war löste sie sich wieder auf. Es wurde zu ungemütlich in der kalten Oktoberluft. Der Hofstaat zerstreute sich, auf der Suche nach neuen Vergnüglichkeiten, die Generäle staksten mit maskenhaften Gesichtern, in steifer Würde vom Hof, die Minister umschwirrten den König wie ein aufgeregter Schwarm Vögel, der Kardinal raffte seine Ehrenrobe und rauschte im passenden Zornrot zu seinen Staatsgeschäften zurück. Leise und routiniert, wie ein mehrfach geübtes Schauspiel, verschwanden die Musketiere vom Hof. Die Lakeein und Diener begannen mit dem Aufräumen. Bald waren nur noch wenige Menschen auf dem Platz versammelt.

"Claude?" Der Musketier sah sich beängstigend, mit der vollen Aufmerksamkeit seines Kapitäns konfrontiert. "Ich hab dir als junger Musketieranwärter doch beigebracht, dass man bei bestimmten Gelegenheiten nachdenken sollte, bevor man seine große Klappe aufreist?"

"Ja, Kapitän."

"Wenn diese Gelegenheit kommt und dich in den Hinter tritt, dann denke an meine Worte." Kapitän D'Treville wippte zufrieden auf seinen Fußballen und hatte die Hände im Rücken verschränkt. Man konnte in Claude lesen wie in einem Buch. Und es handelte sich um eine großes Buch mit vielen bunten Bildern. Derzeit sagte es aus, dass er sich ziemlich weit weg wünschte.

"Ich hätte einen gut gemeinten Rat für dich!"

Wieder bemerkte der Kapitän den, mir gefällt nicht wohin das führt Blick, was seine Hochstimmung um ein Vielfaches steigerte. "Ein Kapitän sieht es sehr gerne, wenn sich seine Musketiere zu freiwilligen Diensten eintragen!" Claude nickte eilfertig und machte, dass er aus D'Trevilles Schusslinie geriet. Der Kapitän lief zu Aramis hinüber, die abseits stand. Der Hof war mittlerweile fast leer.

Seine Hand legte sich schwer auf ihre Schulter.

"Meinen Glückwunsch." D'Treville sah sich mit einem gar nicht glücklich blickenden Paar blauer Augen konfrontiert.

"Danke." Aramis sah ihn ernst und unversöhnlich an. "War das denn notwendig?"

Der Kapitän legte nachdenklich den Kopf schief. "Vielleicht nicht, aber sehr Nutzvoll."

"Die Zeremonie hat sich falsch angefühlt."

"Das war sie auch, aber der König ist zufrieden, weil er sich seinen Musketieren gegenüber großzügig zeigen konnte und ein Musketier Heldenehrung bekam, in einem Krieg, den der Kardinal als den seinen ansieht. Mein Freund Jaques ist zufrieden, weil er dem General eins auswischen konnte und der Kardinal ist äußerst unzufrieden, was uns letztendlich alle zufriedener macht." Er beugte sich vertraulicher näher, "Und obwohl es die anderen nicht zugeben wollen, sind sie doch beeindruckt." Sein Blick streifte beredend D'Artagnan, Athos und Porthos. "Gib ihnen Zeit!", sagte er, wobei er sich auf die beiden Letztgenannten bezog. "Morgen sehe ich dich im Hauptquartier zum Dienstantritt!"

"Kapitän?", Aramis hielt ihn auf, "was ist mit Oberst Holmes?"

Mit traurigem Gesichtsausdruck schüttelte D'Treville den Kopf. Beklommen sah sie ihn an und erinnerte sich an das schreckensbleiche, todesnahe Antlitz des Oberst zurück. Zu welchem Preis hatte Holmes überlebt?

"Mach dir keine Sorgen", sagte er und tätschelte unbeholfen ihre Schulter. Ging es ihr besser, weil sie einen Kapitän D'Treville hatte? Jeden Tag schliff sie um Haaresbreite am selben Schicksal vorbei.

Aramis erstarrte und spürte das Blut aus ihrem Kopf weichen. Das konnte nicht sein. Ihr Lächeln verschwand für einen Moment, um dann nervös und spröde zurückzukehren.

"Wer ist der Mann, mit dem Athos spricht?"

D'Treville zuckte gleichgültig die Schultern. "Wer weiß das schon, bei diesem überbevölkerten Hof. Die einen kommen, die anderen gehen. Hauptsache, sie bereiten keinen Ärger. Er wird ein Abgesandter von irgendwo her sein." Aramis fröstelte es plötzlich. Was mochte er mit Athos bereden? Obwohl es albern war, weil Athos Gesprächspartner sie schon längst gesehen hatte, sah sie schnell weg, als sein Blick ihren begegnete.

Die Musketiere hatten sich fast gänzlich verstreut. Jeder eilte desinteressiert zu seiner jeweiligen Aufgabe. Noch ein Ehrenbekundung, noch ein Orden, noch eine Belobigung, -es traf doch immer die Selben. Diesmal war es Aramis, dass nächste Mal war würde es eben Athos sein. Nichts was mehr, als eine Schulterzucken wert gewesen wäre. Man war schließlich Musketier, um ein Held zu sein. Dass sah die Stellenbeschreibung des Musketiers vor und der Tarifvertrag regelte eine extra Ehrenbekundung, neben Sondervergütung in Form von wachsendem Status, zunehmender Begehrlichkeit bei Frauen und einem anständigen Ruf. Bei zu oft auftretender Ehrung, führte dies zu Verschleißerscheinungen.

Unter Freunden war dies etwas anderes und so ließ sich Porthos genügsam von D'Artagnan zu Aramis schleifen.

"Herzlichen Glückwunsch", sagte D'Artagnan und umarmte sie stürmisch.

"Haben sie dir also einen Orden verpasst?", brummte Porthos weniger umgänglich.

Aramis sah ihn gleichmütig an. "Du könntest ruhig zugeben, dass du beeindruckt bist."

"Der Ausdruck auf Claude's feistem Gesicht, war es wert."

"Ich nehme das einfach als Kompliment und nun, entschuldigt mich...", sie räusperte sich unbehaglich und warf einen vorsichtigen Blick über den Hof, "... ich möchte nach Hause. Mein Dienstantritt ist erst morgen."

D'Artagnan folgte fragend ihrem nervösen Blick, konnte aber nichts Besonderes erkennen. Nicht einmal Männer des Kardinals waren in der Nähe. "Willst du nicht mit uns feiern?"

"Feiern?" Porthos Miene hellte sich auf. "Na klar, feiern wir ... ATHOS!" Erschrocken fiel ihm Aramis in den Arm.

"Nein, ich will nicht feiern." Sie konnte den Blick des Abgesandten auf sich spüren und Unbehagen kroch wie Spinnenbeine ihren Rücken empor.

Sie lächelte gekünstelt, aber der Gesichtsausdruck der Gleichgültigkeit rannte davon. Ihrem Gesicht war deutlich die ungewohnte Nervosität anzusehen. "... ein anderes Mal. Ich will einfach nur nach Hause."

Bevor die Beiden etwas erwidern konnten, war Aramis in langen Schritten davongeeilt.

Porthos runzelte die Braunen und stieß seinen Freund am Rücken an. "Ich werd ihr besser folgen", sagte er und rümpfte die Nase. "'Ihr'?" Er spreizte unter Kopfschütteln den Wortlaut und stapfte Aramis hinterdrein.
 

Sie kamen zum Platz an der Rue Grégoire de Tours und Rue Saint Sulpice. Es war wieder Markttag und es herrschte ein dichtes Gedränge. Die Händler priesen brüllend ihre Waren an, während die Frauen keifend den Preis heruntertrieben. Ein Bettler hing sich an Porthos Wams und brubbelte so beharrlich seinen Bettelvers, bis der Koloss ihm etwas gab. Sie mussten über eine Nebengasse ausweichen, weil die Wagenräder eines Fuhrwerkes mit schweren Bierfässern in den tiefen Rillen der groben Kopfsteinpflaster feststeckten und der Wagen umzukippen drohte.

Vor ihnen lief ein kleines Mädchen. Es hüpfte, zweimal auf dem rechten Bein, einmal auf dem linken Bein. Zwei dünnen Beinen in Holzpantinen, unter einem Kittelkleid in ausgeblichenem Blau. "Nature et art ont en vôtre ...", Sie sang. Die langen brauen Zöpfe hüpften, zweimal rechts, einmal links, "tont le beau dont la ..."

Wie hypnotisch folgte Aramis' Blick, den auf und ab hüpfenden Zöpfen, dann war es plötzlich verschwunden.

Porthos beobachtete sie schweigend. "Dein Gesicht mag ja noch für eine Frau annehmbar sein", brummte er mürrisch, "aber für einen Mann, hast du zu sehr ein Milchgesicht."

Eine Frau kam ihnen entgegen und nicht irgendeine Frau, sondern die berühmt berüchtigte Madam Campês. Eine Frau Anfang dreißig mit einer unglaublichen Ausstrahlung, der sich kaum ein Mann entziehen konnte. Ihr Blick fing Aramis ein und glitt unter halb gesenkten Wimpern, langsam an der schmalen Gestalt hoch.

"Monsieur Aramis." Sie sprach nicht, sie atmete den Namen aus. Ein Zwinkern, ein Hüftschwung und Porthos schloss volle Bekanntschaft mit dem Wort Androgyn und seiner Faszination auf andere Menschen.

"Was war das", fragte er fassungslos und sah ihr nach.

"Das Milchgesicht", erwiderte Aramis kategorisch.

Porthos bedachte sie mit bitterbösem Blick. "Du sei still!", raunzte er und sah stur geradeaus. Sein Selbstbewusstsein war derart gekränkt, dass er für den Rest des Weges kein Wort mehr sagte.

Zuhause musterte sich Aramis lange im Spiegel. Sie drehte sich zur Seite und betrachtete sich kritisch. Sie hob eine Braue, sie hob die andere. Sie hob einen Mundwinkel, sie hob den anderen. Sie rückte den Gürtel gerade, sie zog am Rock. Sie schob die Luft von einer Seite der Wange zur anderen. Sie runzelte die Stirn, sie kniff die Augen zusammen Mit der Hand fuhr sie sich durch das Haar, um ... es gleich darauf wieder glatt zu streichen...

Sie seufzte schwermütig... und verstand es selbst nicht.
 

Er hatte sich einige Zeit in einem Wirtshaus aufgehalten. Die gleichen niedrigen, gerußten Deckenbalken, die gleichen knarrenden Bodenbretter, der gleiche ranzige Geruch nach Waltranfunzeln, menschlichen Ausdünstungen und Qualm, wie auch in seiner Heimat, wo er die Spelunken in letzter Zeit zu häufig aufgesucht hatte, bis er sich entschloss nach Paris zu kommen. Er winkte den Wirt heran, um zu bezahlen und schob sich dann, ungeachtet der Schlägerei, die gerade in Gang kam, ins Freie hinaus. Er war angetrunken, aber zu seinem Leidwesen auch nicht mehr. Der Himmel war sternenklar und er seufzte schwer, unter dem weiten Sternenzelt der Nacht. Irgendwo miaute eine Katze und eine Hure lachte. Die Tür fiel ins Schloss und der Lärm im Schankraum verklang.

Er seufzte erneut und lenkte seine immer schwerer werdenden Schritte durch die Straßen. Ein Hure sah ihn kommen und hackte sich bei ihm ein, um ihn in ihr sündiges Reich zu locken. Selbst wenn sie nicht das arme Mädchen von der Straße, mit dem viel zu üblen und grausamen Schicksal gewesen wäre, sondern die schönste Kurtisane der Welt, in dessen Arme ein Mann alles vergessen konnte, sie hätte ihn nicht gereizt. Er roch den ranzig süßlichen Geruch nach zu wenig Wasser, Schweiß und Männer, der ihr entströmte, sah die vortretenden Brustknochen in dem weit ausgeschnittenen Mieder aus fadenscheinigem Stoff und drückte ihr ein Silberstück in die Hand. Das Mädchen schloss die Finger fest um ihren Schatz und sah dem Mann mit den melancholischen Augen nach, bis es sich ängstlich nach allen Seiten umblickte und mit der Nacht verschmolz. Bettler hatte die unerwartete Großzügigkeit beobachtet und hefteten sich an ihre Beute. Von da an, folgte ihm ein zerlumpter, dreckiger Haufen auf Krücken und Lumpen, fortwährend ihr Bettellied singend.

Er hätte wissen müssen, dass ihn seine Schritte hierher zogen. Seine Sehnsucht lenkte ihn, nicht sein Wille. Als er unvermittelt stehen blieb, um zu den Fenstern hinaufzuschauen, verstummte die bettelnde Meute verblüfft. Ganz vorsichtig setzte das Wehklagen und Bitten wieder ein. Sichtlich am Ende seiner Geduld, drehte er sich um und befahl ihnen, sich zu zerstreuen. Befehlen und die gewählte Sprache der adligen Oberschicht standen Bettler von jeher mit tauben Ohren gegenüber und so kam niemand seiner Aufforderung nach. Ein Hund bellte, weckte seinen Artgenossen zwei Häuser weiter und mischte sich in das allgemeine Stimmengewirr. Vom Lärm gestört, öffneten sich die Fensterläden in den umliegenden Häusern und neue Stimmen stimmten keifend ein. Ratlos zog er seinen Degen und drohte nun mit der Waffe. Was schreckt Eisen einen Bettler, der täglich kurz vor dem Verhungern steht? Statt seiner Aufforderung nachzukommen, streckten sich ihm die dreckverkrusteten Hände näher und zupften fordernd an seiner Kleidung. Der schlichte Wams des Unbekannten konnte nicht darüber hinwegtäuschen, das Haltung und Gebärden den Adligen in ihm verrieten. Und Menschen der Unterschicht witterten einen Blaublüter. Die Menschen aus dieser Umgebung, wurden erdrückt von Steuern und Abgaben. Hier war das Ventil ihrer Unmut. Beleidigungen und Flüche ergossen sich über ihn. Es war eine Lautstärke, die einem vollen Marktplatz gleichkam. Erst als die Nachtwächter mit Fackeln in der einen und gezückten Degen in der anderen Hand, vom Ende der Straße herbeigeeilt kamen, zerstreute sich die Menge. Der Unbekannte drückte sich in den schmalen Spalt zwischen zwei Häusern und wartete mit angehaltenem Atem im Schatten.

Endlich hatte sich die Straße geleert. Er trat aus seinem Versteck hinaus und holte tief Luft. Dann stieg er die Treppenstufen hinauf und klopfte ... nichts geschah. Er klopfte erneut und die Tür, welche durch seinen abgenutzten Mechanismus nicht richtig eingerastet war, schwang auf. Unschlüssig verharrte er auf der Schwelle, beschloss aber hineinzugehen und sein Eintreten durch laute Tritte und Rufe verständlich zu machen.

Nun ist das mit der Wahrnehmung von Geräuschen so eine Sache, die leicht abhanden kommen kann, wenn der Empfänger der ausgesendeten Signale just im selben Moment, umständlich ein Hemd über den Kopf zu ziehen versucht. Wenn man nun probiert gleichzeitig Hose und Hemd auszuziehen, nachlässig mit dem Öffnen des Kragens war und auf einem Bein hüpfend in seiner eigenen Kleidung gefangen ist, gedämpft durch den Stoff über dem Kopf und dem eigenen Stöhnen, bleibt der Adressant unerreicht.

Als Aramis endlich ihr Hemd über den Kopf gezogen hatte, war der wohl erschreckenste Augenblick ihres Leben, in das Gesicht von Lord Corday zu starren, welches vor Erstaunen einen ziemlich dummen Gesichtsausdruck angenommen hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  blubbie
2011-06-26T21:48:35+00:00 26.06.2011 23:48
Charles!!!!!!!!!!!!!!! Er ist wieder da. Mein inneres Kind hüpft grade vor Freude auf und ab...na ja...mach nen inneren Kindergarten draus...
Jetzt will ich aber wirklich wissen, wie der reagiert. Woher weiß er überhaupt, wo Aramis wohnt? Und was macht er in Frankreich? Und...weia...das gibt KOmplikationen mit Athos möchte ich wetten....aber selber Schuld...er hat sich ja ewig nciht ausgekäst...püh.... -.-

Von: abgemeldet
2005-05-18T15:39:21+00:00 18.05.2005 17:39
Kllllaaaaaaaassssssseeee!!!!!!
Lord Corday ist wieder zurück!!! Ich kann es noch immer nicht glauben, dass er wieder da ist. Der Charakter ist einfach genial und ich bin mir ziemlich sicher, dass es mit seinem Auftritt viel unerwünschte Nebenwirkungen in Erscheinung treten.

Salut, Ayumi Kishu
Von:  Tach
2005-05-14T14:01:53+00:00 14.05.2005 16:01
Mein erster Gedanke am Ende des Kapitels (Auf das ich mich eine Woche lang gefreut hab wie n Keks =]): Nich der schon wieder...aber wie Krisi schon sagte, es wird das Ganze noch mal noch spannender machen x]
Von: abgemeldet
2005-05-12T11:08:02+00:00 12.05.2005 13:08
Supi! Schon wieder ein wundervolles Kapitel, dass ich leider erst heute entdeckt habe!
Von: abgemeldet
2005-05-10T15:34:11+00:00 10.05.2005 17:34
Ganz tolles Kapitel! D'Krisi hat Recht: durch deinen Schreibstil schien das Kapitel wirklich kurz, auch wenn wieder einmal so viel passiert ist! Mir gefällt z.Z. Porthos so gut, ich kann ihm mir so gut vorstellen als brummelnder Berg, der eigentlich schon längst wieder mit Aramis und der ganzen Situation ausgesöhnt ist ;o) Bitte bitte bald ein neues Kapitel....biiiiitte *vondiplomatieimauftragseinermajestätabhängigbin*
Von:  Kajuschka
2005-05-10T11:08:45+00:00 10.05.2005 13:08
DKrisi genau das geschrieben, was ich auch denke. Was soll ich da weiter ergänzen??? Höchstens, dass ich es wieder kaum erwarten kann, bis du das nächste Kapitel fertig hast :-)))) *ganz gespannt bin*
Von: abgemeldet
2005-05-10T09:09:52+00:00 10.05.2005 11:09
Ich bin überrascht... schon wieder :o) und erstaunt über dieses Kapitel. Ich hatte das Gefühl, dass dieses Kapitel rasant war, also sprich, sich durch den Schreibstil schnell gelesen hat... Es passieren viele Dinge gleichzeitig, irgendwie ist das total anders :o) Tja, ein alter Bekannter ist also wieder da, jemand den ich persönlich nicht so mag, aber das macht die ganze Sache wahrscheinlich noch interessanter ;o)
LG Krisi
Von: abgemeldet
2005-05-10T07:55:46+00:00 10.05.2005 09:55
Mal wieder ein richtig geiles Kapitel!!!!Bin schon ganz gespannt wie es weiter geht...*schwärmerisch drein blick*
@--}---
Von:  Kanoe
2005-05-10T06:30:28+00:00 10.05.2005 08:30
Herrlich ich bin schon gespannt wie es weitergeht *sich gerade bildlich den gesichtsausdruck vorstellt*


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