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Schattenkrieg

von

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Prolog

*räusper*

Also...ich habe KEINE Idee, wie sich das so im Laufe des Fortschritts entwickeln wird... Aber auf einen Versuch kann man es dann denke ich doch ankommen lassen. ^^

Auf diese aberwitzige Idee bin ich irgendwann so zwischen 03-04 Uhr früh gekommen, als ich einen ruhigen Nachtdienst verrichtet habe. Soviel dazu...

In erster Linie soll das eine FF werden, die Freude am Lesen bereiten soll. Ich kann nicht ausschließen, dass sich fachliche Fehler einschleichen oder manches nicht so zutrifft, wie ich es hier schreibe. Dafür kenne ich mich mit Militär und den amerikanischen Gepflogenheiten doch zu wenig aus. *drop*

Aber ich habe halt Lust eine FF zu diesen beiden Themen zu schreiben, und so seht es mir nach. *lieb schau*
 

Viel Spaß damit
 


 

Das kleine, unaufgeräumte Zimmer lag in sanfter Dunkelheit, eingehüllt in die stickige Wärme des vergangenen Sommertages und lediglich durch das unruhige Flimmern des laufenden Fernsehers erhellt. Die von ihm ausgehenden gedämpften Stimmen wurden immer wieder von dem schnurrenden Rasseln des Ventilators übertönt, der vergeblich versuchte, einen kühlen Lufthauch durch den Raum zu senden. Das Fenster zur um diese Uhrzeit ausgestorbenen Straße stand offen.

Emotionslos beobachtete ein Paar haselnussbrauner Augen die unzähligen aufeinander folgenden Werbespots, die in grellbunten Farben über die Mattscheibe huschten, und der zu den Augen gehörende Mann gähnte herzhaft, als er tiefer auf seinem Ledersofa zusammensank. Er war müde und sein Schädel protestierte mit unsäglichen Schmerzen gegen die sommerliche Schwüle und die mehr als unbefriedigende Arbeit, die er in den letzten Wochen hatte verrichten dürfen. Er war diesen ganzen elendigen Affentanz so satt!

Mit geschlossenen Augen lauschte er weiter der reservierten Stimme des Nachrichtensprechers, der die Spätnachrichten ankündigte, und drohte bereits über die monotone Litanei der aktuellen Tagesgeschehnisse hinweg einzudämmern, als er mit einem überraschten Ausruf von seinem Sofa auffuhr und mit nunmehr weit aufgerissenen Augen den Bericht im Fernsehen verfolgte.

Mit einem Schlag waren Kopfschmerzen und Müdigkeit vergessen. Statt dessen bebte sein Körper unter dem klopfenden Rhythmus seines beschleunigten Herzschlages.

Es waren nur ein paar vereinzelte Bilder und ein eher magerer Bericht, der als brandneue Meldung am Ende der Sendung gebracht wurde. Doch sie genügten vollkommen.

Ein Kriegsschiff der amerikanischen Marine, ein Kreuzer der Klasse C, der seit etwas mehr als einem Monat als verschollen galt, war unverhofft wieder aufgetaucht. Allerdings an einem Ort an dem man ein solches Schiff eher weniger vermutete: Mitten im Herzen Tennessees, einige wenige Kilometer vor den Toren Nashvilles und unzählige von Meilen vom nächsten Küstenstreifen entfernt.

Wann und unter welchen Umständen es dorthin gelangt war, lag noch im Unbekannten. Fakt aber war, dass es wieder aufgetaucht war und so, wie es dort von einem Hubschrauber gefilmt im Maisfeld lag, glich es eher einem ausgebrannten Wrack .

Ein freudiges Leuchten vertrieb die dumpfen Schleier von den Augen und ein schelmisches Grinsen stahl sich auf das unrasierte Gesicht. Er musste dort hin. Keine Frage. Nichts würde ihn jetzt, wo er das hier erfahren hatte, davon abhalten nach Tennessee zu fliegen. Selbst diese närrische Zwangsversetzung in eine andere Abteilung nicht. Im Grunde waren sie doch ohnehin nur vorübergehend abgeordnet... Jedenfalls beschloss er dies jetzt in eine solche abzuwandeln.

Er griff nach seinem Handy und noch während er die letzten Bilder des Berichtes gebannt verfolgte, wählte er.

Zwei Welten

„Warum sind all diese Menschen noch immer hier?"

Der angesprochene Officer drehte sich, offensichtlich stark irritiert von der groben Ansprache, zu seinem Gegenüber um und musterte diesen abschätzend. Auf seinem durch eine große Sonnenbrille entstelltem Gesicht lag ein Hauch von Geringfügigkeit, als er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete und mit vor Sarkasmus triefender Stimme antwortete. „Nun, ich denke so etwas nenn man Schaulustige, Sir. Es kommt ja schließlich nicht alle Tage vor, dass in den Feldern eines kleinen, unscheinbaren Dorfes ein verschollen geglaubter Marine-Kreuzer auftaucht."

Einen winzigen Moment lang maßen sich die beiden ungleichen Männer mit Blicken, dann schob sich der aufgeklappte Ausweis eines Bundesagenten vor die Augen des Officers. „Gibbs, NCIS. Sie und Ihre Leute werden umgehend dafür sorgen, dass diese Schaulustigen von diesem Ort verschwinden. Alle. Ich will eine weiträumige Absperrung des Fundortes von mindestens einer Meile. Niemand betritt oder verlässt diesen Bereich ohne meine Kenntnis. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?" Die eisblauen Augen des Agents blitzten.

„Sir…" Der Officer wirkte für den Moment tatsächlich verunsichert, als sein Blick über die stetig anwachsende Zahl von Menschen glitt, die wie Ameisen aus allen nur erdenklichen Himmelsrichtungen zu kommen schienen. Zudem nahm die Zahl von Kamerateams und Hobbyfotografen sprunghaft zu. „Sir, bei allem Respekt, aber diese Leute…sie bleiben doch schon von sich aus auf Abstand. Und ich habe viel zu wenig Männer, um eine solche Absperrmaßname überhaupt durchführen zu können."

Ein leises Knurren kam von seinem Gegenüber und deutlich war der unverhohlene Zorn in der Stimme des Bundesagenten zu hören, als dieser den Officer am Arm packte und näher zu sich heran zog. „Dann, zum Teufel, lassen Sie sich etwas einfallen, Mann! Das hier ist keine Familienveranstaltung auf einer Sightseeing-Tour. Das ist ein Kreuzer der amerikanischen Navy. Und diese Schiffe haben, wie Sie wissen sollten, Waffen, Sprengstoff, sensible Technik und weiß Gott noch was für hochgefährliche Stoffe geladen. Wir wissen nicht was mit diesem Schiff in den Wochen, in denen es als verschollen galt, geschehen ist, und so wissen wir auch nicht, ob die Ladung nicht vielleicht derart beschädigt worden ist, das irgendetwas davon unkontrolliert in die Luft gehen könnte!"

Das darauf folgende Entsetzen des Officers war Beweis genug für Gibbs, dass er nicht einmal ansatzweise über diese Gefahr nachgedacht hatte.

„Und Sie wollen all diese Menschen tatsächlich in unmittelbarer Nähe zu dem Kreuzer lassen?" Er ließ den Mann los und sein Blick wurde wieder etwas sanfter. „Holen Sie alle Kräfte hier her die Sie auftreiben können. Sie können sich an das Militär wenden, wenn Ihnen Männer und Gerät für diese Aufgabe fehlen."

Damit ließ er den Officer stehen und ging an ihm vorbei weiter auf das Schiff zu. Sein Blick glitt immer und immer wieder über den zerschundenen Rumpf und sein Herz wurde ihm dabei schwer. Wie konnte so etwas geschehen? Wie konnte irgendjemand ein Schiff dieser Größe, hunderte Meilen entfernt vom nächsten schiffbaren Gewässer, über Nacht in einem Maisfeld auftauchen lassen. Und wie konnte ein Schiff, welches über Jahre hinweg gepflegt und gewartet worden war und sich im aktiven Einsatz befunden hatte, innerhalb von zwei Monaten zu einem beinah unerkenntlichen Wrack werden?

Gibbs konnte nicht leugnen, dass nach wie vor Zweifel an der Echtheit dieser Lage in seinem Kopf umher spukten. Es war einfach unmöglich! Nicht machbar, ohne eine Kettenreaktion von Aufmerksamkeit zu erregen. Aber die weiß getünchten Letter, die unter der dichten Kruste Rost hervor blitzten, zeichneten das Schiff zweifellos als die "Seacrawler" aus. Er würde den Kreuzer von oben bis unten durchleuchten. Bis dahin, blieb der Zweifel.

Der NCIS-Agent drehte sich um, als er hinter sich die Schritte seines Teams und das angestrengte Keuchen McGees hörte, die sich mühsam einen Weg durch die dichten Maispflanzen suchten. Sie alle hatten gebannt ihre Blicke auf das imposante Kriegsschiff geheftet, als sie neben ihm ankamen, und die selben Zweifel waren ihnen ins Gesicht geschrieben, die auch in Gibbs Brust stritten. Er ließ ihnen nicht viel Zeit Maulaffenfeil zu halten.

„Kate, du machst Fotos. Schnapp die dafür auch den Piloten dieses Helikopters da drüben und frag ihn, ob bereits Übersichtsaufnahmen aus der Luft gefertigt worden sind. Wenn nicht..."

„... werde ich einen kostenfreien Flug mit einem Hubschrauber genießen und nebenbei ein paar Fotos schießen. Selbstverständlich." Die junge Agentin grinste frech zu ihm herüber und wandt dem noch immer in stummer Faszination gefesselten McGee den Koffer mit der Fotoausrüstung aus der verschwitzten Hand. Für den Moment schien er vergessen zu haben, wie sehr er noch wenige Augenblicke zuvor über die Hitze und die ach so ungerechte Behandlung von Tony und Kate geflucht hatte.

Ein unsanfter Klaps auf den Hinterkopf holte ihn abrupt in die Gegenwart zurück.

„McGee, Sie nehmen Proben von allem was ihnen in die Finger kommt und uns in unseren Ermittlungen nach vorne bringen könnte. Von der Außenhaut, vom Rost, vom Boden. Setzten Sie sich zur Not mit Abby in Verbindung. Sie weiß am besten was sie benötigt. Und vermutlich ist sie auch die einzige von uns, die eine Fantasie besitzt, die rege genug ist um DAS hier zu verstehen."

Er hielt inne und streckte vorsichtig eine Hand aus, um die Bordwand zu berühren. Mit einem leisen Knistern zerfiel der Rost unter seinen Fingern zu Staub. Gibbs schauderte. Nichts zerfiel zu Staub, das nicht steinalt war.

„Boss?“ Tony stand noch immer neben ihm und hatte mit ähnlichem Unbehagen verfolgt, wie sich der Rost in Nichts aufgelöst hatte. Ernsthafte Sorge spiegelte sich auf seinem Gesicht, als er Gibbs von der Seite her ansah. „Was hat das zu bedeuten?“

„Ich kann es nicht sagen, Tony. Dieses Schiff birgt ein Geheimnis, das wir ihm erst abringen müssen. Und ich hoffe, dass wir das auch wirklich können...“ Er war selbst überrascht von seiner plötzlichen Unsicherheit. Nie war es seine Art gewesen zu zaudern. Aber etwas an diesem Kreuzer war ihm unbehaglich und wühlte seine sonst so unerschütterliche Gradlinigkeit auf. Es war unheimlich.

Mit einem Ruck riss er seine Gedanken los und begann längsseits am Schiff entlang zu gehen. Dabei suchten seine Augen nach einem Hinweis, einem noch so kleinen Detail, an dem er zupacken und beginnen konnte. „DiNozzo, setz dich mit unserer Zentrale und der Marine in Verbindung und finde heraus, was das für ein Einsatz war, in dem die Seacrawler vor ihrem Verschwinden gebunden war. Ich will alles wissen. Über die Besatzung, die Fracht, die Route. Einfach alles was du finden kannst.“

„Selbstverständlich Boss.“ Tony wandte sich ab und klappte dabei theatralisch sein Handy auf. „Ich werde Licht in die mysteriöse Dunkelheit bringen die dich umgibt, meine Hübsche. Welche düsteren Geheimnisse auch in deinem unergründlichen Dasein liegen mögen, ich werde sie dir entreißen.“ Ein schiefes Grinsen huschte über seine Züge, bevor er sich hastig von dem finsteren Blick abwandte, den Gibbs ihm hinterher sandte.

„Und niemand betritt das Schiff, ehe wir keine weiteren Informationen haben!“ Tief in Gedanken setzte er seinen Weg entlang des Schiffsrumpfes fort.

„In diesem Schiff befindet sich nichts mehr, was Ihnen und Ihren Leuten Schaden zufügen könnte, Agent Gibbs.“

Überrascht drehte sich der NCIS-Agent um und begegnete dem wachen Blick eines hochgewachsenen Mannes. Ein Stück hinter ihm wartete eine rothaarige Frau. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war alles andere als glücklich und Gibbs bekam den Eindruck, dass es ihr mehr als nur ein bisschen unangenehm war hier zu stehen und mit ihm zu reden.

Er wandte sich wieder dem Mann zu und musterte ihn misstrauisch. Jeans, Hemd und die zerzausten braunen Haare ließen auf einen Schaulustigen schließen, der es irgendwie geschafft hatte, die Absperrung zu unterlaufen.

„Sie befinden sich in einem streng abgeriegelten Sicherheitsbereich, in dem sie beide nichts verloren haben. Gehen Sie, auf der Stelle!“ Der Ton duldete keinen Wiederspruch. Doch der Mann schürzte unbeeindruckt die Lippen und warf einen demonstrativen Blick auf die Seacrawler.

„Dieser Kreuzer soll eine beachtliche Menge hochradioaktives Material geladen gehabt haben, als er seinen Heimatstützpunkt in Georgia verließ. Zudem Waffen, die mit diesem Material ausgerüstet werden können und weitere Zusatzmunition. Nichts von all dem ist jetzt noch an Bord.“ Er machte eine berechnende Pause, in der er den dienstälteren Agent genau musterte. Ganz so, als suche er nach etwas bestimmten. „Wir haben hier ein nicht zu verachtendes Problem, das hochsensiebele Bereiche unserer Politik und Regierung tangiert, Agent Gibbs.“

Die Augen des NCIS-Agents wurden schmal. Wer immer dieser Typ war, er wusste für seinen Geschmack viel zu viel. Sogar mehr, als er im Moment von sich selbst behaupten könnte. „Was soll das heißen 'wir' haben ein Problem? Wer sind Sie, dass Sie mit solch brisanten Informationen um sich werfen als wäre es billige Marktware? Wenn diese Behauptungen an die falschen Ohren gelangen, DANN haben wir ein Problem.“

Was dieser Fremde behauptete war ungeheuerlich und Gibbs konnte sich nicht entsinnen, von einem solch hochgefährlichen Projekt gehört zu haben. Allerdings waren die Umstände, die sich um die Seacrawler rankten, bislang noch derart unerklärlich, dass er sich der Befürchtung nicht verschließen konnte, sein Gegenüber könnte Recht haben.

Wer wusste denn schon, seit wann der Kreuzer hier lag? Es war möglich, dass zuvor bereits Menschen in das Schiff eingedrungen waren und so auf diese brisante Informationen gestoßen waren. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine solche Operation ohne die Kenntnis des NCIS vollzogen worden wäre.

Seine Grübeleien fanden ein jähes Ende, als der Mann und die rothaarige Frau in ihre Jacken griffen und vor seinen Augen zwei Ausweise entklappten. Unmittelbar darauf entglitt ihm ein unwirsches Schnauben. Er hätte es ahnen müssen.

„Fox Mulder, und das hier ist meine Partnerin Dana Scully. FBI.“

„Nennen Sie mir einen Grund, weshalb sich ausgerechnet das FBI für diesen Fall interessieren sollte? Die Seacrawler ist ein marines Kriegsschiff, das auf seinem Weg in den Nahen Osten verloren ging. Jetzt ist es wieder aufgetaucht. Das ist originär der Zuständigkeitsbereich des NCIS, nicht der des FBI.“ Verärgert schritt er an den beiden Agents vorbei zur Luke des Seiteneinstieges. Auf Grund der Schräglage der Seacrawler war sie jetzt mühelos zu erreichen und stand offen. „Hat vor Ihnen schon jemand das Schiff betreten?“

„Wir wissen es nicht. Aber es gab keine Hinweise, die darauf schließen lassen. Die Luke war verschlossen, bevor ich sie öffnete.“

Gibbs warf Mulder einen vernichtenden Blick zu. „Ich hoffe für Sie, Agent Mulder, dass Sie und ihre Partnerin in Ihrem Übereifer nicht versehentlich wichtige Spuren vernichtet haben. Andernfalls wird das Konsequenzen nach sich ziehen!“

Bevor der Streit ernste Ausmaße annehmen konnte, beschloss Scully sich einzuschalten. Sie war wütend auf ihren Partner, hatte er sie doch mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, um sie ein weiteres Mal auf eine unfassbar unvernünftige und von ihrem Dienstherrn ausdrücklich untersagte Ermittlung mitzunehmen. Innerlich hatte sie zwar bereits darauf gewartet, wann Mulder der Geduldsfaden riss und er seine alte Tätigkeit als heimlicher Ermittler bei den X-Akten wieder aufnehmen würde. Aber es änderte nichts daran, dass ihm dies mehrmals und nachdrücklich verboten worden war und er jetzt mit jedem Mal, in dem er dieses Verbot missachtete, nicht mehr nur allein seinen Ruf aufs Spiel setzte. Und genau aus diesem Grund hatte sie sich auch wieder überreden lassen. Sie konnte nicht einfach in Washington bleiben, die Hände in den Schoß legen und abwarten, wie Mulder mit Feuereifer in sein Unglück rannte. Er brauchte jemanden, der ihn hin und wieder bremste und zurück in die richtigen Bahnen lenkte. Und ihm zur Not den Rücken stärken konnte.

Sie schnitt eine Grimasse. Weshalb sie sich immer wieder dazu hinreißen ließ, konnte sie sich selbst nicht beantworten.

„Ich versichere Ihnen, dass wir in unserem Vorgehen auf diesen Umstand geachtet haben, Agent Gibbs. Wir haben das Innere des Schiffes ein Mal in Augenschein genommen, ohne etwas zu verändern oder zu berühren. Darauf haben Sie mein Wort.“

Für den Moment schien ihn das zu besänftigen, doch Scully ahnte, dass er sich damit allein nicht zufrieden geben würde. Der durchdringende Blick seiner blauen Augen richtete sich nun auf sie. „Also gut. Aber dann können Sie mir mit Sicherheit auch erklären, wie es sein kann, dass das FBI besser über die Hintergründe der Seacrawler informiert ist als der NCIS. Woher zum Teufel wollen Sie all das wissen, was Sie mir da eben erzählt haben?“

Er wusste, es war ein schmerzhaftes Eingeständnis, dass der NCIS über die näheren Umstände nichts wusste. Aber die Vermutung, die der FBI-Agent hier angebracht hatte, duldete keine Kompetenzrangelei. Jedenfalls nicht in dieser Art.

Scully schaute auffordernd zu Mulder hinüber, der dünn lächelte. „Ich habe mich informiert.“

Es half nichts. Mulder war ganz offensichtlich auf Konfrontation aus und offensichtlich wusste er mehr über das Schicksal des Kreuzers als Gibbs lieb war. Das konnte er nicht einfach so leichtfertig in den Wind schlagen.

„DiNozzo!“

Hastig drehte sich der junge Mann zu seinem Boss, schaltete das Handy aus und war mit wenigen Schritten an seiner Seite. Verwundert musterte er die Mulder und Scully.

„Schaff diese beiden FBI-Agenten raus aus dem Sicherheitsbereich und unterhalte dich mit ihnen. Ich will jedes noch so kleine Detail erfahren, was sie über die Seacrawler wissen.“ Er entließ die drei mit einem knappen Kopfnicken und setzte dann seinen Weg um das Schiff fort.

Mulder verfolgte Gibbs noch einen Moment mit nachdenklichem Blick. Konnte es wirklich sein, dass der NCIS nichts von der Mission der Seacrawler gewusst hatte? Er schätzte den silberhaarigen Agent mit diesen unglaublich harten blauen Augen als einen fähigen und weisen Ermittler ein. Ihm war die Bestürzung, die ihn für einen kurzen Moment überrascht hatte, nicht entgangen und er wertete sie als durchaus reale Reaktion. Unwohlsein breitete sich in seinem Magen aus. Wenn das tatsächlich so war, dann verhieß das wahrlich nichts Gutes. Er hatte richtig gehandelt, hier nach Tennessee zu kommen. Soviel stand fest.

Mulder wandte den Blick ab und folgte dem jüngeren NCIS-Agent, fort von der unheimlichen Aura des havarierten Kreuzers.

Dunkle Schatten

„Was haben wir?“

Tony hatte sich zusammen mit den beiden FBI-Agents zum Truck zurückgezogen. Raus aus der sengenden Sonne. McGee hatte im Innern auf der Ladefläche seinen Laptop aufgestellt, auf dem zur Zeit eine hoch aufgelöste Satellitenaufnahme zu erkennen war. Mulder kauerte neben ihm.

„Wir konnten die Route der Seacrawler bis auf wenige Kilometer genau zurückverfolgen. Sie ist Anfang Juni, genau am 06.06. um 04.00 Uhr früh, von dem Navy-Stützpunkt in Georgia mit Kurs Süd-Südost in den offenen Atlantik gestartet. Über den Zielhafen konnten wir nicht das geringste erfahren. Aber wir gehen davon aus, dass der Kreuzer die Küste Pakistans angesteuert hat.“ Tony gab McGee ein Zeichen den Laptop so zu drehen, dass auch Gibbs einen Blick auf die Karte werfen konnte. „Ihre Peilung verliert sich hier, wenige Kilometer vor der Küste Omans. Warum sie die Sicherheit der hohen See verlassen hat und so nah an feindliche Gebiete herangerückt ist, können wir nicht klären.

Der nächstgelegene Hafen, den ein Kreuzer dieser Klasse anlaufen könnte, befindet sich keine Tagesreise von dort entfernt. Den Satellitenfotos der letzten Wochen befindet sich dort allerdings kein vergleichbares Schiff, auch entlang der Küstenlinie nicht. Zum Zeitpunkt ihres Verschwindens herrschte weder Unwetter, noch gab es ein Seebeben in diesem Teil des Ozeans. Nichts was sie möglicherweise in sicherere Küstengewässer gezwungen haben könnte. Sie ist einfach verschwunden.“

McGee meldete sich zu Wort. „Was die Fracht und den genauen Auftrag der Seacrawler betrifft haben wir nach wie vor nur die Aussagen von Agent Mulder und Agent Scully. Jemand blockiert unsere Nachforschungen beim Militär und im Pentagon. Und unsere Zentrale ist ebenso überrascht wie wir. Sie weiß nichts. Aber...“ Er zögerte und warf einen unsicheren Blick auf Mulder, der aus dem Truck kletterte und sich neben Scully auf den Rand der Ladefläche setzte.

Er musste gegen die Sonne blinzeln, als er zu Gibbs aufschaute. „Ich habe ein paar fähige Leute auf dieses Problem angesetzt. Es kommt nicht unerwartet und wird, so hoffe ich, nicht allzu lange dauern, bis wir die nötigen Unterlagen in den Händen halten.“

Gibbs zog zweifelnd die Brauen zusammen, unterbrach ihn jedoch nicht.

„Auch wir haben unsere Möglichkeiten, Agent Gibbs.“ Mulder lächelte. „Was ich aus sicherer Quelle weiß, nur noch nicht belegen kann, ist, dass die Seacrawler mit einem höchstgefährlichen Geheimauftrag in den Nahen Osten geschickt wurde. Die nuklearen Waffen sollten als handelsübliche Feuerwaffen ins Landesinnere geschmuggelt werden, direkt ins Herz des Wiederstandes. Dünn verteilt aber dafür weit gestreut sollten sie die einzelnen Keimzellen des Terrorismus auslöschen. Niemand sollte davon erfahren. Nicht einmal die amerikanischen Streitkräfte. Lediglich ein winziger Personenkreis war in den Plan eingeweiht worden. Die, die zur Umsetzung auserkoren waren.

Es sollte ein einmaliger und alles vernichtender Schlag werden. Ohne Rücksicht auf Bündnisabkommen, Alliiertenverträge oder Menschenrechte. Der Kern des Terrorismus sollte mit einem Schlag ausgelöscht werden. Egal wie viele unschuldige und unbeteiligte Menschen dabei ihr Leben lassen würden. Und egal wie viele Soldaten, ob amerikanische, französische, englische oder deutsche Soldaten. Ein Schachzug, wie er schlimmer noch als Hiroshima sein würde.“

Betretenes Schweigen antwortete ihm auf diese grauenvolle Offenbarung und jeder von ihnen starrte die Seacrawler mit unverhohlenem Entsetzen an. Wenn das wahr wäre...

„Niemals hätten sie diesen Plan verwirklichen können.“ Gibbs wandte seinen Blick von dem Kreuzer ab und schaute Mulder direkt in die Augen. „Das wäre glatter Selbstmord für die Regierung Bush. Es wäre ein Aufschrei ungeahnten Ausmaßes über den gesamten Planeten gegangen und die USA wären durch jedes, ausnahmslos jedes Land auf diesem Planeten, dem Erdboden gleichgemacht worden. Sie hätten sich selber von der Bildfläche gefegt.“

„Bush schein zu glauben, dass die weltweite Bedrohung durch den Terrorismus derart drastisch gestiegen ist und bereits jetzt so unberechenbar hoch ist, dass es einen militärischen Schlag dieser Art rechtfertigt.“ Scully runzelte nachdenklich die Stirn. „Er scheint gewillt zu sein all das aufs Spiel zu setzen, um diesen einen Feind endgültig und vernichtend zu schlagen.“

McGee war außer sich angesichts dieser Ungeheuerlichkeit. „Glaubt er denn allen ernstes, dass andere Staaten das als Rechtfertigung ansehen würden?“

„Vielleicht ist er ja einfach nur endgültig und unwiederbringlich verrückt geworden?“ Tony versuchte ein Grinsen, doch niemand von den anderen ging darauf ein und so verfiel er wieder in nachdenkliches Schweigen.

„Woher stammt diese Information?“

Mulder schüttelte den Kopf. „Mein Kontakt ist und bleibt nur mir bekannt. Das ist der Deal. Dafür bekomme ich all diese Informationen, für die allein manche Menschen bereit wären über Leichen zu gehen. Sie müssen mir vertrauen.“

Die Gedanken überschlugen sich in Gibbs Kopf. Ihm klingelten noch jetzt die Ohren von all diesen Schreckensmeldungen. So etwas dachte man sich nicht einfach aus. Aber alles in ihm weigerte sich die Worte des FBI-Agents zu glauben.

Und es erklärte noch lange nicht wie die Seacrawler letztendlich hier nach Tennessee gelangt war. Geschweige denn wo sie sich in der Zeit ihres Verschwindens aufgehalten hatte und wo sich diese Teufelsladung jetzt befand. „Hat Ihr Kontakt auch ein Wort darüber verloren was dem Kreuzer zugestoßen ist? Über den Verbleib der Waffen?“

Mulder schüttelte den Kopf. „Wir hatten gehofft, dass Sie eine Antwort darauf hätten.“

Das Team des NCIS wechselte ein paar fragende Blicke und als Gibbs schwach nickte, lag es bei Kate die beiden Agents einzuweihen. Und ihr war anzusehen, wie unwohl sie sich angesichts dieser neuen Entwicklungen fühlte. Hatte bereits ihr spärliches Wissen ausgereicht den absoluten Notstand hinsichtlich des islamischen Terrorismus auszurufen, so entstand jetzt, mit all diesen neu dazu gekommenen Informationen, ein Alptraum in ihrem Kopf, wie er schlimmer nicht sein könnte.

„Die Meldung, die uns auf den Plan rief, war in erster Linie natürlich das Wiederauftauchen des Navy-Kreuzers gewesen. Es besteht der Verdacht, dass das Schiff entweder auf offener See gekapert worden ist oder aber eine Meuterei die Besatzung zerschlagen und das Schiff vogelfrei gemacht hat. In beiden Fällen ist davon auszugehen, dass der Auslöser hierfür die Fracht der Seacrawler gewesen ist, die der Obhut des amerikanischen Militärs entwendet und in die Gewalt der Feinde Amerikas überführt werden sollte.“

Sie schwieg einen Moment und schaute zu Gibbs, dann jedem einzelnen von ihnen in die Augen. „Berücksichtigt man dann noch die Informationen des FBI... besteht die Gefahr, dass der geheime Auftrag der Seacrawler in terroristischen Kreisen bekannt geworden ist und diese das Schiff in ihre Gewalt zwangen, um die Waffen für sich zu bekommen und um sie dann gegen uns einzusetzen.“

„Das ist Wahnsinn! Ein Schiff wie die Seacrawler kann man nicht einfach so in seine Gewalt zwingen, geschweige denn kapern.“

„Sie irren sich, Agent Scully.“ Finster blickte Gibbs die beinah einen Kopf kleinere Agentin unter dem Schirm seines Caps hinweg an. „Wir befinden uns nicht mehr im 17. oder 18. Jahrhundert, das ist wahr. Aber entgegen der weit gestreuten Meinung vieler, ist die Piraterie niemals völlig ausgelöscht worden. Gerade im Nahen Osten wurden in den letzten Jahren rasant steigende Zahlen von Überfällen auf hoher See gemeldet. Überwiegend auf Kreuzfahrtschiffe oder kleinere Jachten, die sich zu weit von der schützenden Küste entfernten.

Diese Neuzeit-Piraten sind mit Schiffen unterwegs, die zu klein erscheinen , um einem Ozeanriesen eine echte Gefahr zu werden. Aber sie sind schnell und wendig. Und meist bis an die Zähne bewaffnet mit Waffen, die sie irgendwo auf ihren Raubzügen errungen haben. Sie greifen mit mehreren dieser Schiffe gleichzeitig an und das auserwählte Schiff, das Opfer, hat keine Chance. Es kann nicht entkommen, dafür ist es zu langsam. Und auf hoher See dauert es viel zu lange, bis die Rettungskräfte am Ort eingetroffen sind.

Die Seacrawler ist keines dieser wehrlosen Kreuzfahrtschiffe gewesen, das ist wahr. Sie hätte sich verteidigen können. Und genau deshalb gehe ich davon aus, dass diese Operation bereits im Voraus von unseren Feinden unterminiert wurde und einige Männer der Besatzung keine treu ergebenen Amerikaner waren sondern ausgebildete Terroristen, die im Moment der größten Not die wichtigsten Verteidigungsanlagen des Kreuzers lahm gelegt hatten.

Dem Verrat aus den eigenen Reihen ist nicht einmal ein Navy-Kreuzer gewachsen.“

Scullys Stimme klang seltsam belegt, als sie sprach. „Um so schlimmer. Wenn Berichte von derartigen Überfällen bereits bekannt waren, hätte man mit entsprechenden Vorkehrungen darauf reagieren müssen, um die Seacrawler in ihrem Auftrag zu schützen.“

„Vorkehrungen die neue, unerwünschte Aufmerksamkeit auf das Projekt gelenkt hätte.“

„Das ist doch unglaublich! Was wir hier diskutieren ist im äußersten Falle gefährlich. Wir reden hier von Landesverrat seitens unserer amtierenden Regierung. Und gleichzeitig von einer Gefahr, die nicht nur den Untergang der USA nach sich ziehen könnte.

Und das alles basierend auf... mündlichen Behauptungen. Wir haben nichts, womit wir das beweisen könnten und somit auch keine Chance etwas zu bewegen. Weder in die eine, noch in die andere Richtung.“

Gibbs nickte bestätigend. „Sie haben vollkommen Recht. Zum einen müssen wir verhindern, dass unsere Regierung einen derartigen Verrat an ihrem Land und all ihren Verbündeten begeht und noch mal begehen würde. Und zum andern müssen wir verhindern, dass dieser Fehler mit verheerenden Folgen auf uns alle zurückfällt.

Wir brauchen Beweise. Noch immer weigere ich mich wirklich zu glauben, dass Bush einen solchen militärischen Schritt geplant hatte. Aber genau so wenig kann ich diese Vermutungen als Unsinn abtun. Wenn auch nur irgendetwas von dem stimmt, was hier in den letzten Minuten gesprochen worden ist, drängt die Zeit. Wir werden den Kreuzer bis ins kleinste Detail auseinander nehmen wenn es nötig ist.

McGee, rufen Sie Abby an und sagen Sie ihr, sie soll so schnell wie möglich hier her kommen. Am besten mit ihrem ganzen Labor. Wir werden hier stationär aufbauen, anders ist es nicht zu machen. Helfen Sie ihr bei den organisatorischen Vorbereitungen.

Kate, Tony. Holt eure Sachen. Wir betreten das Schiff und fangen an.“

Alles brach in geschäftiges Treiben los und Mulder und Scully standen auf. „Bleibt nur noch eine Frage offen: Wie ist die Seacrawler hier her gekommen?“

Gibbs musterte den FBI-Agent zum wiederholten Male. Er kam ihm wirklich seltsam vor. „Das ist wahr. Aber das interessiert mich im Augenblick am allerwenigsten von all dem, Agent Mulder. Und damit wir uns verstehen: Nichtsdestotrotz ist das hier das Feld des NCIS. Sie können bleiben und ich werde ihre Hilfe akzeptieren. Aber nichts geschieht hier, ohne dass es vorher mit mir abgesprochen wurde. Ich will keinen Alleingang sehen!“

Mulder legte den Kopf schief, seine braunen Augen funkelten wütend und Scully musste ein weiteres Mal rettend eingreifen. „Sie sind der Boss. Das ist angekommen, deutlich genug.“

Wieder traf sie der Blick des NCIS-Agents und sie schauten sich eine Weile schweigend an. Dann plötzlich lächelte Gibbs und entließ sie aus seinem Blick. „Eine Frage hätte ich allerdings schon noch, bevor wir unsere Zusammenarbeit beginnen: Für wen arbeiten Sie?“

Ertappt sog Scully die Luft ein, doch diesmal antwortete Mulder, bevor sie es verhindern konnte. „Wir sind auf eigene Faust hier. Kein übergeordneter Auftrag, keine Abteilung die regelmäßig über den Fortschritt informiert werden will. Es gab eine Zeit, da sind solche Fälle in mein Fachgebiet gefallen. Aber es wurde mir untersagt an dergleichen zu arbeiten.“ Seine Augen blitzten herausfordernd. „Aber ich lasse mir nichts vorschreiben. Erst recht nicht wenn es im hohen Interesse unserer Politik liegt Dinge, die ich ans Licht gebracht habe, zu verwischen und zu verleugnen.“

Jetzt schien Gibbs ehrlich überrascht. „Sie bewegen sich auf gefährlichem Boden, Agent Mulder.“ Und mit einem Mal wurde sein Grinsen noch ein Stück breiter. „Sie arbeiten aus Überzeugung und eigenem Antrieb, ohne unter der Knute diverser Vorgesetzter zu stehen. Das gefällt mir. Ja, das gefällt mir sogar sehr.“ Er klopfte dem Mann auf die Schulter bevor er sich abwandte und auf die Seacrawler zuging. „Fangen wir also an.“
 


 


 


 


 

o______________O Gott, war das SCHWIERIG!!!!!!!!!!!!!!! Ich glaub jetzt hab ich graue Haare.... Socviel zu langen, langweiligen Nachtdiensten. *drop* Da sag noch mal einer, die Verschwörungstheorie von Akte X sei konfus. *lol*

Ich hoffe ihr konntet einigermaßen folgen...seid gnädig. Es is schwieriger als ich dachte. Ö.Ö

Rätsel

Gott, hat mir dieses Kapitel Nerven gekostet!! >_____< Es wird immer wirrer habe ich so den Anschein, bin völlig unfähig meine konfusen Gedanken sinnvoll aus Papier zu klatschen. *sigh* Lest selbst ob ihr was damit anfangen könnt. Ich hoffe doch...
 


 

Die Luft, die ihnen aus dem Innern des Schiffes entgegenschlug, war kühl und ließ die fünf Menschen frösteln. War es draußen in der sommerlichen Sonne jetzt am Mittag viel zu heiß, so war es hier drinnen noch immer empfindlich kalt. Es war, als würden sie durch ein verborgenes Tor in eine vollkommen andere Umgebung treten.

Selbstverständlich war das absurd. Doch diese Kühle trug zu der unheimlichen Aura des Kreuzers bei.

Ihre Schritte hallten scheppernd durch die leeren Gänge. Tiefe Dunkelheit erstreckte sich scheinbar endlos weit ins Nichts und wurde nur ungenügend durch die Lichtkegel der Taschenlampen durchstochen. Jenseits dieses Lichtes schien diese Dunkelheit sich noch zu verdichten.

„Wir checken zuerst die Unterkünfte und die Messe.“ Wie ein unsichtbarer Geist hing Gibbs Stimme in der Stille und wurde hohl von den Metallwänden zurückgeworfen. Er hatte seine Stimme gesenkt, so wie manche Menschen ihre Stimmen in einer Kirche ehrfürchtig senken. „Danach gehen wir weiter zur Brücke. Den Maschinenraum und die Ladedecks nehmen wir uns zum Schluss vor.“

Die anderen nickten schweigend und folgten ihm dann tiefer in den Bauch des Schiffes hinein. Mit beinah traumwandlerischer Sicherheit leitete Gibbs die kleine Gruppe durch die Eingeweide der SeaCrawler, durch das unüberschaubare Labyrinth aus Gängen, Treppen und Decks.

Wie ein Geisterschiff präsentierte sich der Kreuzer. Verlassen. Ohne einen einzigen Hinweis auf Leben. Und überall bot sich ihnen das gleiche Bild wie draußen: Die metallenen Wände waren überzogen von einer grünen Patina oder bereits angefressen von Rost. Stellenweise gähnten sogar fransige Löcher und gaben den Blick auf die dahinter liegenden Hohlräume und Verkabelungen frei. Die Metallroste, über die sie hinweggingen, knarrten ebenfalls bedenklich und leise rieselte Staub von ihnen herab. Bei den schmalen Treppen bestand Gibbs darauf, dass nur einzeln auf das nächste Deck gegangen wurde, wobei er jedes Mal als erster behutsam die Stufen hinauf oder hinabstieg.

Sie erreichten die ersten Unterkünfte nach nicht allzu langer Suche. Großunterkünfte mit Schlafgelegenheiten für sechs Mann, Duschen, Toiletten und Aufenthaltsräumen. Offensichtlich waren sie zum Zeitpunkt des Verschwindens in Benutzung gewesen, denn sowohl in den Schafräumen als auch in den Aufenthaltsräumen fanden sich unzählige persönliche Gegenstände der Besatzungsmitglieder. Tassen, Bücher, Zeitschriften, Fotos, Spiele, Kleidung. Die Betten waren bezogen und zerwühlt von ihren Benutzern.

Tony griff nach einem dem der Glanzmagazine, zog es zu sich heran und schlug es mit einem süffisanten Grinsen auf. „Ja, ein solch langandauernder Aufenthalt auf See, ohne Aussicht auf einen baldigen Landgang, wäre eine wahre Folter, wenn es diese netten kleinen Zeitschriften nicht gäbe. Man sollte den Herausgebern eine Auszeichnung dafür geben, dass sie unsere Jungs bei solch unwirtlichen Einsätzen bei Laune halten.“

Er blinzelte geblendet, als Kate ihn zusammen mit dem Magazin fotografierte und der grelle Blitz die tiefe Dunkelheit für wenige zehntel Sekunden vollkommen vertrieb. So konnte er auch ihr böses Lächeln nicht sehen, mit dem sie ihn über die Kamera hinweg bedachte und das sich in ein vergnügtes Kichern verwandelte, als sich die Papierseiten unter seinen Fingern mit einem leisen Rascheln zersetzten. „Wie man einmal mehr sehen kann, ein Vergnügen ohne Dauer.“

Perplex starrte er auf die Krümel an seinen Fingern und die jetzt ausgefransten Seitenränder. „Das war die Mai-Ausgabe!! Nicht einmal ein halbes Jahr her. Boss...“

„Ja Tony, ich weiß.“ Er hob eines der aufgeschlagenen Bücher hoch und drehte es mit den offenen Seiten zum Boden. Die Blätter lösten sich nach einem winzigen Augenblick des Zögerns vom Rücken des Buches und segelten lautlos zu Boden. Wieder zerriss der Blitz von Kates Kamera die Dunkelheit.

Mulder schritt indes von einem Tisch zum nächsten, ließ seinen Finger über deren Oberflächen gleiten oder berührte Stühle und Regale. „Nirgends ist Staub, nicht das kleinste Körnchen.“ Er blieb bei einigen lose herumliegenden Fotos stehen und leuchtete sie mit seiner Taschenlampe aus. „Agent Todd?“

Kate kam zu ihm herüber und lichtete das vorliegende Gesamtbild ab. Dann beobachtete sie neugierig, wie der FBI-Agent eines der Fotos behutsam auf seine Handfläche legte und betrachtete. „Sehen Sie. Es ist brüchig, genau so wie die Zeitschriften und Bücher hier. Aber es besitzt noch immer die volle Farbenvielfalt und Intensität, als wäre es grade erst entwickelt worden. Es ist weder verblasst, noch vergilbt, so wie es sich für ein Foto gehören würde, welches so alt ist, dass es in den Fingern zu Staub wird.“

Erstaunt hob Kate einen Moment den Blick und schaute in die glitzernden Augen von Mulder. Dann wandte sie sich den anderen Fotos zu und untersuchte sie. Er hatte recht. Und auch die Zeitungen sahen aus wie druckfrisch. „Aber wie kann das sein? Ich meine...“ Sie verstummte als ihr bewusst wurde, dass ja nicht einmal der gesamte Kreuzer so alt war, dass er diese extremen Alterserscheinungen haben durfte. Und schließlich hatten sie auch dafür keine Erklärung. „Wie ist sowas nur möglich?“

Mulder ließ das Foto zurück auf den Tisch gleiten, wo es mit einem Mal in tausende kleine Schnipsel zerfiel. Dann folgte er Gibbs weiter in die Duschräume, die überzogen waren mit weißem Kalk und schwarz-grünlichem Schimmel. „Ein Zeitsprung. Oder genauer eine Zeitschleife, in die das Schiff geraten ist und nur durch einen Zufall wieder heraus kam. Es hat dadurch wesentlich mehr Zeit verloren als wir in unserer Zeitrechnung. Wahrscheinlich hat es Jahrzehnte damit verbracht einen Weg nach Hause zu finden.“

Scully beobachtete mit Unbehagen, wie Gibbs sich steif aufrichtete und nur ganz leicht den Kopf in Richtung ihres Partners wandte. Aber er sagte nichts. Glücklicher Weise lag sein Gesicht im Dunkeln, aber sie könnte schwören, dennoch das verärgerte Funkeln seiner Augen zu sehen.

„Ein solches Phänomen ist äußerst selten und wird daher eher als Spukgeschichte verkannt. Aber es gibt Orte, an denen solche Falten in der Zeit sehr häufig auftauchen. Orte wie das so genannte Bermuda-Dreieck. Die Vereinigten Staaten haben sogar einst mit diesem Phänomen experimentiert. Mit Sicherheit ist Ihnen das Philadelphia-Experiment ein Begriff.“

Jetzt drehte sich Gibbs vollkommen zu Mulder um. „Hören Sie auf uns für dumm zu verkaufen, Agent Mulder! Oder glauben Sie diese Märchen, die Sie da erzählen, etwa?“

„Wirklich bewiesen wurden derartige Zeitfalten noch nicht, Agent Gibbs.“ Scully räusperte sich und begegnete dem NCIS-Agent dann mit einem leichten Lächeln. Sie selber hatte einst diesen Blick auf Mulder geworfen, so voller Fassungslosigkeit und Unglauben. Sie hätte nicht gedacht einmal diejenige zu sein, welche die abenteuerlichen Geschichten ihres Partners wissenschaftlich untermauerte, um damit das Bild eines vollkommen übergeschnappten FBI-Teams noch zu verstärken. „Wissenschaftlich betrachtet sind derartige Vorkommnisse allerdings durchaus im Bereich des Möglichen. Sogar Einstein hatte diese Erkenntnis bereits und ist damit an die Öffentlichkeit getreten. Selbstverständlich hat ihm damals niemand geglaubt.

Dabei treten Zeitfalten immer noch häufiger auf als Zeitschleifen. Eine Zeitschleife würde erklären, wie die SeaCrawler hier her gelangt ist. Sie überfuhr auf ihrem Weg in den Nahen Osten solch einen Riss in der Zeit, wurde aus unserer Zeitrechnung herausgerissen und übersprang gleichzeitig mehrere Jahrzehnte. Raum und Zeit sind eng miteinander verbunden und können niemals voneinander getrennt werden. Geschieht das aber dennoch, so kann es passieren, dass das davon betroffene Objekt an einem vollkommen anderen Ort wieder zurück in unsere Zeitrechnung gelangt. Dabei entscheidet der Zufall, an welchem Ort dieses Planeten das Objekt wieder auftaucht.

Wir hatten Glück, dass es in diesem Fall tatsächlich auf dem Boden der Vereinigten Staaten gewesen ist.“

Tony zog hinter dem Rücken der rothaarigen Agentin den Kopf zwischen die Schultern und warf Kate einen vollkommen entsetzten Blick aus weit aufgerissenen Augen zu, den sie mit offen stehendem Mund beantwortete. Dann wandten sich beide ihrem Boss zu, doch die erwartete Katastrophe blieb auf wundersame Weise aus.

„Tatsächlich?“ Gibbs verschränkte die Arme vor der Brust und schaute Scully belustigt an. „Sie sind Wissenschaftlerin, nicht wahr?“

Scully seufzte unbehaglich. „Ich bin Ärztin. Aber meine jahrelange Arbeit an der Seite Agent Mulders führt automatisch zu einem wissenschaftlichen Grundwissen. Meine Aufgabe ist dabei stets gewesen die Glaubhaftigkeit seiner Theorien zu beweisen oder zu widerlegen.“

„Also ist es in Wirklichkeit seine Idee?“

„Agent Mulder schließt bloß in Frage kommende Ursachen nicht von vornherein aus, nur weil sie zu abenteuerlich sind, um vor der Allgemeinheit zu bestehen. Es hat sich aber erwiesen, dass er erstaunlich häufig das richtige Gespür für derlei Dinge besitzt.“

Mulder wandte ihr verwundert den Kopf zu und konnte sich ein schiefes Grinsen nicht verkneifen. Doch Scully dachte gar nicht daran zu ihrem Partner zu schauen, geschweige denn von dieser Geste Notiz zu nehmen. Warum zum Teufel sah sie sich in letzter Zeit ständig genötigt seinen Hintern vor zu viel Ärger zu retten?

Gibbs schwieg einige Zeit, als würde er über das Gesagte nachdenken. Dann zuckte er mit den Schultern und verließ den Raum. „Sie sollten sich einmal mit unserer Wissenschaftlerin darüber unterhalten. Ich bin sicher, sie wird ihre helle Freude daran haben.

Kate, mach ein paar Fotos von dem Zustand der Nasszellen, wir gehen weiter zur Brücke.“
 

Den weiteren Weg legten sie in tiefem Schweigen zurück. Zu bedrückend war die Atmosphäre in diesen düsteren, kalten Gängen des Navy-Kreuzers. Außerdem hing jeder von ihnen seinen eigenen Gedanken nach und versuchte sich einen Reim auf das zu bilden, was sie hier sahen und was sie bisher gehört hatten.

Selbst wenn auch nur ein Hauch von Wahrheit an dieser aberwitzigen Idee war, so erklärte es doch nicht, was mit den ganzen Besatzungsmitgliedern geschehen war. Sie wären zwar wohl einer Gruppe von Rentnern begegnet, aber sie hätten auf jeden Fall überhaupt irgend jemanden Antreffen müssen. Es gab genügend Spuren, die auf menschliches Leben hinwiesen. Aber nicht einen einzigen Hinweis auf deren Verursacher. Das verstärkte das Unwohlsein der fünf nur noch mehr.

Sie benutzten den Weg, der sie über das offene Deck zur Brücke führte und ließen sich ausgiebig Zeit, die dort installierten Waffenvorrichtungen zu untersuchen. Keinen zog es in allzu kurzer Zeit wieder unter Deck.

Das Bild blieb allerdings auch das selbe. Rost und Grünspan. Granatwerfer die sich keinen fingerbreit mehr ausrichten ließen, festgerostete Schrauben und Hebel, die bei zu starker Beanspruchung auch das ein oder andere Mal splitternd abbrachen.

Ihr nächstes Ziel war der Kontrollturm in der Mitte des Schiffes. Die unscheinbare Eingangstür duckte sich in den tiefen Schatten eines Geschützturms und klemmte beharrlich. Erst als Gibbs sich mit seinem gesamten Körpergewicht dagegen warf, gab sie mit einem kläglichen Kreischen nach und gab den Weg in den Aufgangsschacht frei. Hintereinander huschten sie die schmalen Stufen hinauf und betraten am Ende der Treppe schließlich die Brücke. Durch die großen Panzerglasfenster floss Sonnenlicht und flutete den mit Technik überladenen Raum. Dahinter spannte sich ein makellos blauer Himmel und der einst stolze Bug der SeaCrawler.

Unter anderen Umständen wäre Scully voller Begeisterung gewesen, die Kommandozentrale eines Navy-Kreuzers betreten zu dürfen. Zu Lebzeiten ihres Vaters war ihr dergleichen nie vergönnt gewesen. Doch jetzt hielt sie abrupt inne, kaum dass sie den Treppenaufgang verlassen hatte. Einen Teil der Besatzung hatten sie jetzt jedenfalls gefunden.

Wieder war es das Klicken und das grelle Blitzen der Kamera, was die betretene Stille im Raum unterbrach, als Kate das grausame Szenario auf den kleinen Speicherchip bannte. Erst dann bahnte sich Gibbs vorsichtig einen Weg an den am Boden liegenden Leichen vorbei, hinüber zu einem hochlehnigen Sessel. Auf diesem saß die zusammengesunkene Gestalt des Kapitäns. In seiner linken Schläfe klaffte ein knapp vier Millimeter großes Loch, von dem sich dunkle Schlieren über das Gesicht und den Hals zogen, bis hinunter über die Schulter, Brust und Rücken. Der linke Arm hing herab, die verknöcherte offene Hand wies zu Boden, auf dem eine Smith&Wesson Kaliber 38 lag.

Einen winzigen Moment lang starrte der silberhaarige Agent auf das bizarre Bild, dann wandte er sich ab und ließ seinen Blick durch den Raum und über die vier weiteren Leichen schweifen. Scully und Mulder schritten indes von einem zum nächsten, sie alle lagen an genau dem Ort, an dem sie vor ihrem Tod eingesetzt gewesen waren. Am Radar, am Funk, am Sonar und an der Navigation. Und jeder von ihnen war den schweren Verletzungen durch einen gezielten Schuss in den Brustbereich erlegen.

„Er muss sie erschossen haben. Erst sie, dann sich selbst.“ Scully erhob sich aus der Hocke und klopfte sich den Staub von der Hose. „Aber warum? Und was ist mit dem Rest der Besatzung?“

Sie erhielt keine Antwort und Mulder schien seine Partnerin gar nicht erst gehört zu haben. Sein Blick war wie gebannt auf einen schwarz-bläulichen Fleck am Boden neben dem Kapitässessel geheftet und seine Augen wurden schmal, als er mit wenigen Schritten an ihn herantrat und sich eilig ein Paar Einmalhandschuhe überzog. Behutsam strich er über den Fleck hinweg und tatsächlich blieb etwas von einer öligen Flüssigkeit an seinen Fingern kleben. „Scully!“ Er verrieb die Flüssigkeit auf dem Handschuh, sie war zäh und dickflüssig ohne zu kleben, und roch vorsichtig daran. Wortlos hielt er Scully die Hand hin. Sein Blick sprach Bände.

„Mulder...“ Ein düsterer Verdacht keimte beim Anblick dieser Substanz in ihrer Brust. Gleichzeitig schlich der kalte Schatten der Angst ihren Rücken hinauf, der Angst vor der Vergangenheit, die sie so sehr gehofft hatte abgeschlossen zu haben. „Mulder, das kann unmöglich sein. Das würde ja bedeuten...“ Sie verstummte und ihr Blick flackerte unruhig von einem Auge ihre Partners zum anderen. Dieses eine Mal wünschte sie sich, dass er wieder einen seiner Scherze mit ihr trieb oder sich irrte. Aber sie wusste genauso gut, dass er bei diesem Thema niemals lügen würde.

Dann wurden sie unsanft wieder zurück in die Gegenwart gerissen. Gibbs hatte sich zu den FBI-Agents heruntergebeugt, das Cap ein Stück nach hinten geschoben, und schaute nun von einem zum andern. Seine Augen funkelten. „Wären Sie so gut und erklären uns, was das heißen soll? Was ist es, dass es Ihnen einen solchen Schrecken einjagt?“ Ihm war die Bestürzung der beiden keineswegs entgangen. Er hatte den Fleck für einen alten Rückstand ausgelaufener Betriebsflüssigkeit gehalten. Doch offensichtlich war es nichts dergleichen ungefährliches.

„Agent Gibbs...“

Mulder sprang auf noch bevor Scully zu einer Erklärung ansetzen konnte. Er riss sich die Handschuhe von den Händen und schleuderte sie weit von sich. „Wir müssen in den Laderaum. Schnell!“

„Mulder!“

Er sprang zu Tür, fast so als würde er vor dem, was er entdeckt hatte, fliehen. Doch DiNozzo versperrte ihm den weiteren Weg. „Mein Boss hat Sie grade etwas gefragt, Sir.“

Einen Augenblick lang erwog Mulder die Möglichkeit diesen geleckten Machoagenten einfach aus dem Weg zu räumen, entschied sich dann aber doch dagegen. Er brauchte den NCIS. Jetzt scheinbar noch dringender als anfangs erwartet. Mit einem tiefen Seufzer schloss er kurz die Augen und drehte sich dann noch einmal um.

„Ist es etwa wieder eines dieser Schauermärchen, was Sie uns jetzt erzählen wollen?“

„Ich nehme es Ihnen nicht übel, dass Sie mein Fachwissen als solches bezeichnen, Agent Gibbs.“ Er blickte müde auf. „Aber wir werden erst Gewissheit haben, wenn wir die Laderäume kontrolliert und die Leichen obduziert haben. Vorher will ich keine falschen Vermutungen in die Welt setzen.“

„Er hat Recht, Sir. Allein anhand dieses Fleckes können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob unsere Befürchtungen begründet sind. Noch könnte es sich auch um einen unglücklichen Zufall handeln.“Scully rang mit ihren Händen. „Aber wir müssen schnell handeln. Sie können gewiss sein, dass wir Sie ins Bild setzen, sobald wir Gewissheit haben.“

Gibbs schüttelte langsam den Kopf, der Unglaube war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Das scheint ja durchaus zur Gewohnheit zu werden, wenn man mit Ihnen zusammenarbeitet, kann das sein? Ich weiß nicht was es ist, was sie so sehr aus der Fassung bringt. Aber für mich sieht das hier zweifellos nach einem Tötungsdelikt seitens des Kapitäns aus. Erst seine Crew, dann sich selbst, ohne irgendwelche mysteriösen Ungereimtheiten.“

„Und warum sollte er so etwas tun?“ Mulder knurrte innerlich. Er war es so leid sich immer und immer wieder vor anderen rechtfertigen zu müssen. Er hätte sich gewünscht mit Scully hier allein zu ermitteln, doch offensichtlich war es ihm nicht vergönnt. „Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre. Aber ich denke, dass ein gestandener Marine keinesfalls ein Ende wie dieses für sich und seine Männer bestimmt hätte. Männer wie sie flüchten sich nicht grundlos in den Freitod, Agent Gibbs.“ Seine braunen Augen versprühten Blitze. Ohnmächtiger Zorn regte sich tief in ihm. Ein Zorn, der sich nicht gegen die anderen Ermittler richtete, sondern der seit langem in ihm schlummerte und nur darauf wartete wieder zum Leben zu erwachen, um ihn ein weiteres Mal zu quälen. Der Zorn und die Traurigkeit über die unzähligen Verluste und das Leid, welches ihm und seinen nahestehenden Personen widerfahren war. Er hatte geglaubt zumindest einen kleinen Sieg errungen zu haben. Wenn schon keinen endgültigen, so doch zumindest auf weite Sicht unmöglich fortzuführen. Doch er hatte sich wieder einmal geirrt.

„Nicht anfassen!“ Sowohl Mulder als auch Scully waren blitzartig zu der jungen NCIS-Agentin herumgefahren und riefen ihr wie aus einem Mund diese Warnung entgegen. Wie angewurzelt verharrte Kate daraufhin in ihrer Bewegung und schielte zutiefst erschrocken zu Mulder und Scully auf. Ihre Finger schwebten nur wenige Zoll über dem unheilvollen Fleck. Dann, ganz langsam, zog sie ihre Hand wieder zurück.

„Bitte...“ Mulder strich sich fahrig durchs Haar und hob dann beschwichtigend die Hände, als Kate verärgert die Stirn runzelte. „Agent Todd, bitte. Sie dürfen diese Substanz niemals mit Ihrer bloßen Haut berühren. Wenn Sie es unbedingt anfassen müssen, oder zu Untersuchungszwecken einen Teil davon sichern wollen, dann bitte ziehen Sie sich Handschuhe über. Es ist zu Ihrer eigenen Sicherheit. Das gilt für alle hier. Sollten wir noch auf weitere Rückstände treffen, fassen sie diese niemals an.“

Kate blickte angewidert auf den Fleck und stand dann auf. „Dann sollte das vielleicht besser McGee übernehmen.“ Sie lächelte kurz unschuldig und brachte dann mit ein paar Schritten mehr Abstand zwischen sich und den Fleck.

„Was zum Teufel soll das alles?“

Anklagend wies Mulder auf die dunkle Substanz. „Das da, dieser kleine unscheinbare Fleck, stellt eine weitaus größere Gefahr da, als es radioaktive Waffen jemals gekonnt hätten. Wenn sich unsere Befürchtungen bewahrheiten, dann hatte die SeaCrawler viel gefährlichere Güter geladen als bisher vermutet.

Wir nennen es den schwarzen Krebs, oder auch den schwarzen Tod. Ein Virus, wie es ihn in der menschlichen Geschichte kein zweites mal gegeben hat. Er macht den Menschen zu einem Werkzeug, einem Sklaven, einer Brutstätte, die bei der Geburt des durch den Virus entstehenden Wesens vollkommen zerstört wird. Und diese Wesen werden den Menschen vom Angesicht der Erde tilgen. Sie werden uns überlegen sein, denn sie waren vor uns hier, auf diesem Planeten.“

Perplex starrte das NCIS-Team den Mann an.

Scully seufzte tief. Sie hatte nicht erwartet, dass Mulder Worte finden würde, um den NCIS zu überzeugen. „Fakt ist, dass es sich hierbei um einen hochgefährlichen Virus handelt, der den menschlichen Körper als Ganzes in verheerendem Maße befällt und schädigt. Sein Ursprung und seine Entwicklung sind mit nichts Bekanntem zu vergleichen.“ Unglücklich schaute sie auf die ausgemergelten Leichen. „Unsere Sorge ist es jetzt, dass diese Männer womöglich mit diesem Virus infiziert worden sind und ihn trotz ihres Todes noch immer in sich tragen. Und das er sich in ihnen noch immer weiterentwickelt.“

„Um zu was zu werden?“ Kate schmunzelt belustigt. Sie fand es mittlerweile äußerst erheiternd, aus was für einer merkwürdigen Sicht das FBI diesen Fall betrachtete.

„Zu einem uns weit überlegenen Wesen.“

„Einem Außerirdischen!“

„Nein, nicht direkt.“ Scully grollte ungeduldig und konnte Mulder für diesen kurzen Moment sehr gut verstehen. Es war furchtbar, wenn man alles bis ins kleinste Detail wieder und wieder rezitieren musste, obwohl man ganz genau wusste, dass man das Gegenüber nicht überzeugen konnte. „Der Virus, und das durch ihn entstehende Etwas, legen den Schluss allenfalls nahe, dass es sich um extraterrestrische Substanzen handelt. Allerdings nicht im Sinne von kleinen grauen Männchen.“ Ihr Blick huschte nervös zu Gibbs hinüber, um sich auf einen eventuellen Wutausbruch rechtzeitig vorberieten zu können. Doch dieser machte nicht im geringsten den Anschein die Geduld zu verlieren. Was sie, wenn sie ehrlich zu sich war, nur noch mehr verunsicherte.

Zögernd fuhr sie in ihrem Bericht fort. „Die Erde wurde in ihrer Geschichte recht häufig von Meteoriten getroffen. Die meisten von ihnen verdampften in ihrer Atmosphäre, doch einige wenige schlugen tatsächlich ein und brachten so Stoffe mit sich, die sie auf ihrer Reise durch das All aufgenommen hatten oder die von ihren ursprünglichen Standorten herrührten. Im russischen Tunguska befindet sich einer dieser Einschlagsorte. Keiner kann sagen was sie wirklich von ihren Reisen mit sich brachten, aber es steht zu vermuten, dass eben diese Substanz, aus dem unser kleiner Fleck hier womöglich besteht, mit einem dieser Meteoriten auf die Erde gebracht worden ist.“

„Und wie kann es sein, dass sich diese Marines an einem solchen Virus angesteckt haben?“ Die Stimme des NCIS-Teamleiters hatte etwas lauerndes und verhieß wahrscheinlich wahrlich nichts Gutes.

„Nunja...“ Sie wechselte einen kurzen Blick mit Mulder. „Womöglich ist er zufällig mit einer bereits befallenen Person in Kontakt geraten, eine unglückliche Gegebenheit...hoffen wir.“

„Hoffen Sie?“ Gibbs verließ seinen Platz am Steuerpult und schritt langsam auf sie zu. „Und was wenn es nicht so gewesen ist?“

Unruhig suchte sie nach einer Lösung und musste sich beherrschen, nicht vor dem anderen Agenten zurück zu weichen. „Wir müssen erst den Laderaum sehen und die...“

„Die Leichen obduzieren, ja, das sagten Sie bereits.“ Er schwieg einen Moment, einen quälend langen Moment. „Mir gefällt nicht, mit was für Karten Sie mit uns spielen. Ich habe Ihnen eine Kooperation angeboten, doch dafür brauche ich Offenheit und keine halbseiden dahingemurmelten Horrorszenarien. Nennen Sie mir auch nur einen Grund, weshalb ich Ihnen diese Geschichten abkaufen sollte.“

Scully schwieg. Sie hatte keine Antwort auf diese Frage und so wanderten Gibbs Augen weiter zu Mulder. „Lassen Sie es uns beweisen, Agent Gibbs. Alles was wir verlangen ist den Laderaum zu untersuchen und die Leichen zu öffnen. Wenn Sie uns dann immer noch nicht glauben, werden wir gehen. Das verspreche ich.“

„Wie sieht es aus mit Quarantäne?“

Mulder schüttelte den Kopf . „Das Virus überträgt sich nur bei direktem Kontakt. Den hatten wir bislang nicht, also brauchen wir keine Quarantäne. Für die Obduktion der Männer brauchen wir allerdings geeignete Räumlichkeiten. Agent Scully wird sich darum kümmern, sie hat nicht das erste Mal mit einem solchen Fall zu tun.“

Gibbs schien einen Augenblick nachzudenken, ehe er nickte. „Nun gut. Diese eine Chance sollen Sie noch haben, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass das FBI tatsächlich zwei derart durchgeknallte Agenten auf die Öffentlichkeit loslässt. Ich werde unseren Pathologen benachrichtigen, dass er zusammen mit unserer Wissenschaftlerin und seiner Ausrüstung hier her kommen soll.“

„Sir, ich bin selber ausgebildete Gerichtsmedizinerin. Ich benötige keine Hilfe.“

„Dr. Mallard wird Ihnen auch nicht helfen, Agent Scully. Vielmehr werden Sie ihm die nötigen Informationen geben, die er benötigt. Sehen Sie es mir nach, aber in einem solch brisanten Fall werde ich mich ausschließlich auf meine eigenen Leute verlassen. Sie können ihnen dabei helfen auf den richtigen Weg zu gelangen.“

Damit hatte Gibbs ihnen Ketten angelegt, die sie nicht so einfach sprengen konnten. Von jetzt an mussten sie ausnahmslos mit offenen Karten spielen, andernfalls würden sie von den Ermittlungen ausgeschlossen. Und so sehr sie diese Tatsache auch ärgerte, sie konnten jetzt nicht mehr zurück. Nicht nach dem, was sie hier vorgefunden hatten. Hilflos in ihrer Unwissenheit mussten Scully und Mulder dafür sorgen, dass diesem Team die Augen geöffnet wurde. Denn sonst würde ein weiterer Schachzug der im Hintergrund agierenden Regierung, geschützt durch eine Bundeseinrichtung, unbemerkt in Vergessenheit geraten. Und mit welchen langfristigen Folgen mochte sich Mulder nicht einmal im Traum ausmalen.

Ein Sturm zieht auf

o________________O Herrje, ich hab geschrieben wie ne Bekloppte. Sooooo viele Neuzugänge, das was alles andere als leicht. Die grauslige Leichenöffnung habe ich geschickt umschifft (mehehehe), aber wenn ich auf alles noch MEHR eingegangen wäre, wäre es endlos lang und endlos langweilig geworden....

Hmmm, ich bin mit den Charas aber recht zufrieden hier. Hoffe, dass es nicht zu langweilig ist.

Sehr selbst.
 


 

Dichte grau-weiße Rauchschwaden kräuselten sich träge von dem glimmenden Zigarettenstummel zur Decke und hüllten die ohnehin schon unscharfen Bilder des kleinen Fernsehers in Nebel. Um ihn herum standen mehrere Männer, allesamt älteren Semesters und in teure Anzüge gekleidet. Sie verfolgten die Szenen schweigend, doch es war deutlich zu spüren, dass das Gezeigte großes Unbehagen bei den Anwesenden hervorrief.

In kurzen Ausschnitten war die Fundstelle der SeaCrawler zu sehen, das rege Treiben einiger Arbeiter, die mehrere große Feldzelte errichteten und Transporter voller technischer Einrichtungen entluden, und eine mehrköpfige Ermittlergruppe, die sich um einen nachtschwarzen Truck des NCIS scharte und heftig miteinander diskutierte.

Wer auch immer diese Aufnahmen gefertigt hatte, vergrößerte die Einstellung langsam und holte jedes einzelne Mitglied dieser Gruppe bis auf Erkennbarkeit heran. Missbilligend schnaufte der unnatürlich schlanke, ja beinahe schon dürre Mann mit der Zigarette und warf sie achtlos in den übervollen Ascher zu seiner Rechten.

„Mulder!" Der geseufzte Ausruf seines Kollegen machte die Unzufriedenheit laut, die jeder der Anwesenden bei dem Anblick des hochgewachsenen FBI-Agents empfand. „Wir hätten wissen müssen, dass ihn eine Zwangsversetzung in den Innendienst nicht abhalten wird."

„Wir haben es gewusst." Die Zigarette wurde jetzt mit tiefgründiger Genüsslichkeit zerdrückt, der letzte noch aufsteigende Rauch im Keim erstickt. „Mulder ist hier nicht das Problem. Ihn haben wir noch immer in der Hand."

Die Kameraeinstellung schwenkte weiter über die Gesichter einiger junger Agents und blieb dann an dem offensichtlich Dienstältesten hängen. „Er wird uns wesentlich größere Schwierigkeiten bereiten, wenn wir nicht aufpassen. Beim FBI haben wir unsere Leute an den entscheidenden Stellen, die Mulder und Scully an die Kandare nehmen, sollten sie zu aufdringlich werden. Aber er..."

„Wer ist er?"

Ein weiterer der Männer meldete sich zu Wort. Er war untersetzt und sein Haar bereits vollkommen ergraut. „Leroy Jethro Gibbs, Senior-Agent beim NCIS. Wir dürfen ihn auf keinen Fall unterschätzen. Der NCIS hat sich bislang äußerst geschickt unseren Einflüssen entzogen, und noch eine Bundesbehörde zusätzlich zu berücksichtigen macht unsere Aufgabe nur ungleich schwieriger."

„Eliminiert ihn."

Die Männer schienen einen Moment über diese Möglichkeit nachzudenken, doch der Untersetzte erhob Einspruch. „Nein. Wir können ihn unmöglich ausschalten, ohne die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen."

„Aber wir können sie genauso wenig weitermachen lassen!" Die Dringlichkeit dieser Aussage ließ die Stimme des Sprechers forscher klingen als beabsichtigt. „Es hätte niemals so weit kommen dürfen. Der NCIS darf in keinen Fall auch nur im Ansatz erfahren, um was es hier tatsächlich geht."

„Wir müssen handeln, das steht außer Frage. In erster Linie geht es jetzt um Schadensbegrenzung. Alle weiteren Schritte müssen warten."

Schweigen trat wieder ein und die Männer blickten weiterhin gebannt auf die sich wiederholenden Bilder. Der Dürre griff nach seiner roten Schachtel Morleys und zündete sich eine weitere Zigarette an. Tief sog er den heißen Rauch in seine Lungen. „Ich kümmere mich darum."
 

Über dem kleinen Feldlager in Tennessee senkte sich die unbarmherzige Sonne nun langsam gen Horizont und kuschelte sich bereits zur Hälfte in die endlos reichenden Mais- und Kornfelder. Flüssigem Feuer gleich leckten ihre letzten Strahlen und tauchten die ihr zu Füßen liegende Landschaft in unwirkliches Licht. Mit einer nennenswerten Abkühlung für die Nacht war nicht zu rechnen.

Mulder und Scully waren noch einmal zur SeaCrawler zurückgekehrt, um auch aus dem Laderaum Proben für Abby zu besorgen. Der Rest half bei den letzten Handgriffen des Aufbaus.

Tatsächlich waren sämtliche Ebenen der Lagerräume wie verwaist gewesen. Lediglich in einem der Räume hatten sich Anzeichen für erst kürzlich entwendete Ladung befunden und am Boden hatte sich in den Schleifspuren eine Flüssigkeit gesammelt, die zu untersuchen Scully und Mulder aufgebrochen waren.

Der Maschinenraum hatte sich in einem desolaten Zustand befunden und Gibbs hatte bereits die ersten Schritte eingeleitet, um den Kreuzer im Anschluss an ihre Ermittlungen verschrotten zu lassen. Man würde ihn an Ort und Stelle auseinander schweißen müssen. Allein diese Vorstellung brach dem ehemaligen Navy-Gunny das Herz.

Er lächelte schief, als die Zeltplane zurückgeschlagen wurde und ein ebenfalls bereits etwas betagterer Mann hereinkam, den Hut abnahm und sich blinzelnd umsah. „Ducky! Es ist gut, dass ihr es tatsächlich so schnell geschafft habt, hier her zu verlegen." Er half seinem Freund aus dem hoffnungslos verschwitzen Mantel.“Wo ist Abby?"

Der Rechtsmediziner, der einen guten Kopf kleiner war als Gibbs, klopfte sich den Staub aus der Kleidung und nahm dann dankend das angereichte Wasser entgegen. „Oh, sie ist bei Kate und Tony draußen. Hört sich bereits die ersten Neuigkeiten an, vermute ich mal." Er setzte sich.

„Jethro, was um Himmels Willen ist bloß in dich gefahren, uns derart überstürzt hier her zu fordern? Ich hoffe doch mal, du hast einen guten Grund dafür, denn andernfalls sehe ich mich gezwungen dich mit mir nach Hause zu nehmen, damit du meiner Mutter das alles erklären kannst. Du solltest nämlich wissen, sie hat für den heutigen Abend ein gemeinsames Essen organisiert, bei dem ich eigentlich nicht fehlen darf. Dort wird es dann..."

„Ducky." Gibbs lächelte und unterbrach ihn sanft, aber bestimmt. „Wir beide wissen doch genau, dass deine Mutter nicht einmal den Unterschied zwischen einem Kochtopf und ihrem Sonntagsausgeh-Hut erkennen würde. Wie soll es da ein gemeinsames Essen geben? Ganz davon abgesehen das niemand so wahnsinnig ist, um freiwillig einen Abend mit dir und deiner Mutter zu verbringen."

Ducky stellte das Glas zur Seite und stand wieder auf, um zu den Tischen hinüber zu gehen, auf dem sich verhüllt mehrere Körper wölbten. „Du vergisst ihre fünf engsten Vertraute, die japanischen Cockerdackel. Sie hat für sie alle neue Futternäpfe aus Blumentöpfen gekauft und das Geschnetzelte von vor drei Tagen extra im Kühlschrank aufbewahrt. Und das nur für heute Abend. Ich selber habe sogar einen extra großen Blumentopf bekommen. Bis vor kurzem war das noch die Heimat einer stolzen Yucca-Palme gewesen, die sie von ihrer verstorbenen Nachbarin vermacht bekommen hat." Er zuckte mit den Schultern. „Sie hat es nunmal nicht so mit Blumen."

Gibbs lachte leise. Das hieß also nichts anderes, als dass Ducky ihm dankbar war, den heutigen Abend nicht bei seiner Mutter verbringen zu müssen. Er zündete die Petroleum-Lampen im Zelt an und trat dann neben den Mediziner. Die Sonne hatte sich mittlerweile hinter dem Horizont zur Ruhe begeben.

„Nun, was ist diesen wackeren Marines denn überhaupt zugestoßen?" Er schlug das schwere Leinlaken mit Schwung zurück und musterte den nackten Mann mit geschultem Blick. „Du willst mich doch auf den Arm nehmen, oder hast du etwas von heute Abend gewusst, Jethro?" Vorwurfsvoll blickte er über seine Brille hinweg. „Dieser Mann ist offensichtlich erschossen worden."

Der Agent neigte den Kopf zu Bestätigung, hob aber sofort eine Hand, um die Beschwerde seines Gegenübers zu unterbinden. „Du wirst diese Verletzungen bei allen hier Liegenden finden, Duck. Deshalb habe ich dich auch nicht kommen lassen. Ich möchte, dass du dir das Innenleben dieser Männer genau ansiehst und auf alles achtest, was nicht normal ist."

„Naja...tue ich das denn nicht immer?"

Gibbs knurrte. „Ja, aber dieses Mal besonders. Du wirst nicht allein arbeiten. Eine Dame des FBI wird dir zur Seite stehen. Sie hat auch nähere Infos zu dem, was ihr eigentlich sucht." Er hob eine Augebraue. „Wo ist überhaupt dein Assistent?"

„Mr. Palmer ist daheim geblieben, was ihm angesichts der hier herrschenden Hitze als erstrebenswerter erschien. Und außerdem muss doch zumindest einer von uns den Kontakt zur Basis wahren." Er nickte zerstreut und machte sich auf die Suche nach seinen Obduktionswerkzeugen. „Kannst du mir denn erzählen, um was es hierbei geht?" Mit einer Hand fuchtelte er in die grobe Richtung des Navy-Kreuzers. „Das es etwas damit zu tun hat, kann ich mir soweit selbst denken."

„Wir suchen nach Hinweisen auf einen Virus, der die Organe eines Körpers und dessen Zellen angreift und sie langsam Stück für Stück zersetzt."

Überrascht drehten sich Gibbs und Ducky zu der Stimme um. Scully hatte unbemerkt das Zelt betreten. „Sie müssen Dr. Mallard sein, nehme ich an?"

Der Angesprochene rückte seine Brille zurecht und musterte die FBI-Agentin aufmerksam. „In der Tat, der bin ich. Und Sie sind..."

„Agent Dana Scully." Sie lächelte und schüttelte dem Mann, der nicht viel größer als sie selber war, die Hand.

„Dana Scully." Ducky murmelte vor sich hin, als würde ihn dieser Name an etwas erinnern. Dann plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. „Aber sicher doch. Scully! Ihr Vater hat auch bei den Marines gedient, richtig?"

Sie nickte langsam.

„Ich kannte ihn gut, wissen Sie? Ein vorbildlicher Marine, nur leider viel zu sehr in dieser Bestimmung gebunden." Sein Blick wurde traurig. „Es tut mir wirklich ausgesprochen leid, Miss Scully. Es ist eine Schande, dass er so früh von uns gehen musste."

Einen Moment lang schwiegen sie sich unangenehm an, bis Scully sich als Erste aus der Starre befreite und zu den Tischen herüber kam. In der linken Hand schwenkte sie ein durchsichtiges Glasröhrchen. „Hiernach suchen wir. Ich denke nicht, dass wir tatsächlich noch Rückstände finden werden, aber ich hoffe es. Mulder wird die anderen Röhrchen nebenan zur Fornesik bringen, damit wir möglichst bald Vergleichsmaterial haben."

Gibbs klopfte Ducky auf die Schulter und schickte sich dann an zu gehen. Seine Arbeit war hier getan, von nun an würde er nur noch im Weg sein. „Ich denke, ich kann euch beide allein lassen." Vor Scully blieb er allerdings noch einmal stehen und hielt leise lächelnd ihren Blick gefangen. „Bei Dr. Mallard sind Sie in guten Händen. Sollte es dennoch Grund zur Beschwerde geben, können Sie sich jederzeit an mich wenden. Seine Methoden sind nicht jedermann geheuer."

Ducky schnaubte vorwurfsvoll, konnte die Aufmerksamkeit seines Freundes aber nicht auf sich lenken. Scully nickte nur, unruhig von einem Fuß auf den anderen tretend. Um ein Haar wäre sie vor Schreck zusammengezuckt, als sich die Hand des NCIS-Agents um ihre schloss, kurz verweilte, um ihr dann das Röhrchen zu nehmen. „Ich denke, das brauchen Sie nicht mehr. Ich werde es mit zu Abby nehmen." Er ließ von ihr ab und ging hinaus. Nachdenklich folgte ihm Scully mit Blicken.

„Rote Haare." Ducky schüttelte ergeben den Kopf und grinste dann unschuldig, als sich Scully mit hochgezogener Augenbraue zu ihm umwandte.
 

„Spooky Mulder! Ich kann nicht glauben, dass Sie mein bescheidenes Labor mit Ihrer Anwesenheit ehren.“

Verdutzt starrte Mulder auf die zierliche Frau vor sich und versuchte zu verstehen, was sie denn damit wohl meinte. Ohne Zweifel schien sie völlig aus dem Häuschen, ihre Augen strahlten und ihre zwei schwarzhaarigen Zöpfe, die ihr wie Fühler vom Kopf standen, hüpften wild, als sie auf ihn zusprang und ihn voller Übermut umarmte. Hilflos schaute er zu Gibbs, der jetzt hinter ihm im Zelteingang erschien. Dieser grinste ihn jedoch lediglich mit einem Schulterzucken an. „Was habe ich gesagt?“

„Oh man, Gibbs, du hättest mir doch sagen müssen, dass wir so hochrangigen Besuch haben!“ Abby strahlte von einem zum andern und schien den diesmal undefinierbaren Blick, den die Männer wechselten, nicht zu bemerken.

Wortlos hielt er ihr einen Plastikbecher mit tiefbraunem Inhalt vor die Nase. „Hier. Das ist zwar weit entfernt vom Original, aber irgendetwas koffeinhaltiges musste ich dir ja mitbringen.“

Glücklich nahm sie den Becher an sich, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand wirbelnd in dem undurchschaubaren Dschungel aus Technik und Kabeln. „Oh Gibbs, du bist heute so gut zu mir.“

Er schüttelte nur leise lachend den Kopf, obwohl er ob des jetzt vollkommen verwirrt dreinblickenden Mulders laut hätte los lachen können.

Gleich darauf tauchte Abby wieder auf, McGee im Schlepptau, lehnte sich an einen hoffnungslos überladenen Tisch und fixierte Mulder und Gibbs unter ihrem dichten Pony hinweg. „Nun, mein silberhaariger Fuchs, was kann ich heute für dich tun?“

Er reichte ihr das Röhrchen, welches er von Scully genommen hatte. Träge floss die dunkle Substanz am Glas entlang. „Eine genaue Analyse dieses Stoffes. Ich will wissen was das ist und aus was es besteht. Ducky und Agent Mulders Partnerin untersuchen zur Zeit die Leichen der fünf aufgefundenen Marines. Sie werden Material bringen, welches du hiermit vergleichen sollst.“

Abby pfiff durch die Zähne. „Respekt. Und das alles noch in dieser Nach? Dir ist schon klar, dass...“

„...solche Analysen wesentlich mehr Zeit beanspruchen. Abby, ich weiß. Überspring die Zeit einfach, ok?“

Sie schnitt eine Grimasse und nahm die restlichen Röhrchen von Mulder entgegen. „Ich geben mein Bestes.“

Gibbs hielt sie am Arm zurück und sah ihr eindringlich in die Augen. „Nicht ich bin es, der diesmal zur Eile drängt. Aber trotzdem, es gibt kein versuchen. Tu es, Abbs.“

Die junge Frau seufzte tief. „Wenn du mir McGee zur Unterstützung da lässt.“

Mulder räusperte sich im Hintergrund, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. „Ähm...mit diesen Computern...können Sie damit auch von hieraus auf das Internet zugreifen?“

Abby entwand sich dem Griff und strahlte den FBI-Agent an. „Aber sicher doch.“

„Auch über sichere Leitungen?“

Verschwörerisch fuchtelte sie mit den Händen in der Luft herum. „Sei dir sicher, Spooky, dass ich alles habe, um deine verschwörerischen Wünsche zu erfüllen.“

Mulder schien jetzt ernsthaft besorgt, vor allem als er den sauertöpfischen Gesichtsausdruck McGees gewahrte. Es schien ihm kein bisschen zu passen, wie Abby mit dem Agent umsprang. „Dann kann ich Hilfe anbieten. Ein paar Freunde von mir haben bereits zuvor mit diesem Stoff gearbeitet. Wir können ihre Erfahrungen für unsere Untersuchungen nutzen.“

„DAS ist ein Angebot. Aber ich bezweifle, dass ich Hilfe gebrauchen werde.“ Sie zwinkerte, zog sich Einmalhandschuhe über und begab sich zu dem einzig noch freien Tisch.
 

Die Stunden huschten vorbei, während Abby und McGee über den verschiedenen Proben brüteten und Dr. Mallard und Scully die toten Marines nach Spuren und Hinweisen durchforsteten. Der Zeiger der Uhr bewegte sich auf ein Uhr nachts zu, als Scully schließlich erschöpft in das Labor kam, auf den Armen einige kleine Gefäße mit Proben balancierend. Dunkle Ringe zeichneten sich unter ihren Augen ab, aber sie lächelte, als sie zu Abby an den Tisch trat. „Ich bringe die Proben der Obduktion. Sie müssen Abby sein. Dr. Mallard hat eine ganze Menge von Ihnen erzählt, in den letzten Stunden.

Die Schwarzhaarige sah auf und nahm Scully dann vorsichtig die Gefäße ab. „Glauben Sie ihm bloß nicht alles was er erzählt. Er ist ein unglaublich einfallsreicher Kopf, aber manchmal geht es einfach mit ihm durch.“

Scully schmunzelte. Ja, so konnte man es durchaus bezeichnen. Sie wusste jetzt sehr viel mehr über Jethro Gibbs, als diesem vermutlich lieb war. Aus welchen Beweggründen Ducky ausgerechnet bei seiner Person so redselig gewesen war, wusste sie sich jedoch nicht zu beantworten.

„Konnten Sie schon etwas über die Flüssigkeit in Erfahrung bringen?

Abby seufzte und gebot der FBI-Agentin dann mit einer Kopfbewegung, ihr zu folgen. Zusammen mit McGee stand Mulder vor einem von drei PCs und versuchte zu verstehen, was der junge NCIS-Agent da trieb. Auf dem Monitor daneben war ein komplexes Basengebilde zu erkennen. Jedoch keines, was diesen beiden etwas gesagt hätte. Scully aber erkannte es sofort und der Knoten in ihrem Magen zog sich schmerzhaft weiter zusammen.

„Alles was wir sagen können ist, dass es sich bei all diesen Proben um ein und den selben Stoff handelt. Nur bei dieser hier,“ sie hielt das Röhrchen hoch, in der laut Beschriftung die Probe aus der Brücke verschlossen war, „waren noch menschliche Zellen zu finden. Ich bin mir nicht ganz sicher, doch der gesamte Stoff hat starke Ähnlichkeit mit humanoiden Zellen. Allerdings völlig aus deren natürlichem Zusammenhalt gerissen.“

Scully nickte und setzte sich auf einen freistehenden Schemel. Mulder reichte ihr eine Flasche lauwarmen Wassers. Es war noch immer unglaublich schwül. „Die Obduktion der Männer hat gezeigt, dass der Virus nur im Körper des Kapitäns vorhanden gewesen ist. Alle anderen marines waren unberührt.“ Sie rieb sich die müden Augen. „Sein Körper war im Grunde nichts weiter als eine Hülle. All seine Organe hatten sich bereits aufgelöst oder waren in Auflösung zu einer geleeartigen Masse. Er muss furchtbare Schmerzen durchstanden haben.“

Sie spürte Mulders entsetzten Blick auf sich ruhen. „Es ist tot, Mulder. Seien Sie unbesorgt. Dr. Mallard veranlasst zur Zeit die Einäscherung der Leichen. Damit dürfte jegliche Gefahr gebannt sein.“

Neugierig schob sich Abby vor Scullys Augen und Blickte fragend von ihr zu ihrem Partner. „Verzeihung wenn ich dumme Fragen stelle, aber....WAS ist tot?“

„Das Wesen, das sich aus dem Virus heraus entwickelt. Ist es reif, bricht es aus seinem Wirtskörper aus und tötet diesen damit endgültig. Der Kapitän hat uns allen mit seinem Selbstmord das Leben gerettet.“

„WAS?“ Ungläubig starrte sie Mulder an und wandte sich dann hilfesuchend an McGee. Der jedoch winkte lässig ab. „Das erzähl er uns schon den ganzen Tag.“

„Cool.“

Jetzt war es an McGee verstört dreinzublicken. Er konnte nichts an dieser Vorstellung entdecken, was er in irgendeiner Weise als cool bezeichnen würde. Das erinnerte ihn viel zu sehr an die Alien-Filme. Furchtbar.

„Ich würde diese Ergebnisse gerne abgleichen. Zum einen mit dem Gewebe des Kapitäns und zum andern mit den älteren Ergebnissen, die meine Freunde erzielt haben.“

Abby grinste schief. „Aber natürlich, Agent Mulder. Bin schon dabei. Wenn es um die selbe oder aber verwandte Substanzen geht, wird es nicht allzu lange dauern.“ Sie huschte davon, warf dann aber noch einmal einen Blick um die Ecke und zeigte auf McGee. „Alles andere sollten Sie mit Tim besprechen.“

Mulder musterte den blutjungen Agent einen Moment, als wäge er ab, inwieweit dieser vertrauenswürdig war. „Ich brauche eine absolut sichere Leitung.“

McGee begann auf der Tastatur herumzutippen, hielt dann aber kurz inne und schielte zu dem über ihm aufragenden Mulder hoch. „Ähm...und wohin?“

Mulder schrieb ihm die Adresse auf einen kleinen Zettel, den er unmittelbar danach in winzige Schnipsel zerlegte.

Wenig später stand die Verbindung und Mulder war überrascht, als er sogar das hagere Gesicht seines Freundes auf dem Monitor zu sehen bekam.

„Du ahnst es nicht. Sieh an, wer uns da zu nachtschlafender Zeit einen Besuch abstattet. Mulder! Wo in aller Welt steckst du schon wieder? Und wer ist dieses Babyface vor dir?“

Hätte McGee gewusst wie, er hätte die Zähne gefletscht. So aber schaute er nur leicht irritiert und etwas peinlich berührt auf den schmalen Blondling, der ihm das soeben an den Kopf geworfen hatte.

„Langly, hör auf meine Kollegen zu beleidigen und weck die anderen!“

Der Blonde strich sich die langen Haare aus der Stirn und grinste. „Ohh, na wenn das mal nicht wieder nach einem verbotenen Alleingang riecht. Ich dachte du seist jetzt im Innendienst?“

Mulder verdrehte die Augen. „Langly, BITTE. Du bist mit Sicherheit nicht die geeignete Person, um MIR angemessenes Verhalten zu predigen.

Wir schicken euch jetzt ein paar Daten. Sie müssten euch bekannt vorkommen. Ich will, dass ihr sie mit eurer Datenbank abgleicht.“

„Um was geht es?“ Er beobachtete neugierig, wie McGee konzentriert an der Versendung der Probenergebnisse arbeitete und blickte dann, nur wenige Herzschläge später, auf den Monitor unter der Webcam. Seine Augen wurden groß.

„Ich denke, diese Frage hat sich wohl erübrigt.“

Fassungslos wanderte Langlys Blick vom Monitor zu Mulder. „Das... FROHIKE! BYERS! Bewegt eure faulen Ärsche hier her, aber ein bisschen plötzlich.

Sag mal Mulder, wo bist du tatsächlich?“

Der FBI-Agent lehnte sich mit verschränkten Armen an ein Regal. „In Tennessee.“

„Nicht doch. Etwa bei dem verschollenen Navy-Kreuzer?“

„Jetzt ist er ja nicht mehr verschollen.“

Im Hintergrund erschienen die Gestalten der anderen beiden, noch etwas zerzaust vom Schlaf. Sie schienen nicht annähernd so erbaut über die nächtliche Störung, doch das änderte sich schlagartig, als sie Mulder erkannten.

„Wo das Dreamteam jetzt vollständig ist, könntet ihr euch vielleicht mal um meine Bitte kümmern? Ihr werdet verstehen, dass mir das sehr wichtig ist.“

„Mulder, du weißt doch ganz genau was wir da vor uns haben.“ Langly klang fast ein bisschen vorwurfsvoll.

„Aber ich will es schwarz auf weiß vor mir. Wir haben hier nicht die Mittel, um es eindeutig zu identifizieren.“

Der Blonde begann ohne ein weiteres Wort zu verlieren zu arbeiten.

„Wer sind die alle?“ Frohike kratzte sich die wild vom Kopf abstehenden Haare und blinzelte durch seine Brillengläser an Mulder vorbei. Abby, dicht gefolgt von Gibbs, hatte den Sichtbereich der Webcam betreten. Sie wirkte nervös.

„Die Gewebeproben des Kapitäns stimmen soweit mit dem aufgefundenen Stoff überein. Nur scheint er hier bereits komplett mit den menschlichen Zellen verschmolzen zu sein.“ Sie rang mit ihren Händen und schaute unglücklich zu McGee, als könne der ihr helfen. „Eine der Proben kann ich allerdings nicht entschlüsseln. Ich weiß nicht was es ist.“ So etwas war ihr noch niemals zuvor passiert, nicht einmal ein Teilergebnis lag vor.

„Mulder, wer sein die?“ Frohike wiederholte seine Frage, dieses Mal jedoch mit einem verzückten Blick auf die schlanke Wissenschaftlerin.

Abby blinzelte ihrerseits etwas verwirrt zurück, verschränkte dann die Arme vor der Brust und zog herausfordernd eine Augenbraue hoch. „DIE sind vom NCIS. Wir leiten die Ermittlungen hier und arbeiten mit Agent Mulder und Agent Scully zusammen. Dürfte ich nun erfahren wer Sie sind?“

Frohike warf sich stolz in die Brust und antwortete, noch ehe seine Freunde ihn davon abhalten konnten. „Wir sind die Lone Gunmen, Verehrteste. Die Retter in der Not.“ Er zwinkerte zu Mulder.

Für einen Moment schien es, als würde Abby all ihre Beherrschung verlieren. Sie quietschte vergnügt und sprang dann mit wippenden Zöpfen näher an die Webcam heran. „Ist das die Möglichkeit? Ihr seid wirklich die Lone Gunmen? DIE Lone Gunmen?“ Ihr Blick wanderte hinüber zu Mulder, den sie breit grinsend anstrahlte. „Man, das ist wie Weihnachten und Halloween zusammen. Ich sollte mir ernsthaft überlegen für wen ich in Zukunft arbeite.“

Ein unsanfter Klaps auf den Hinterkopf beendete ihre Begeisterungsstürme und sie schaute schuldbewusst zu Gibbs. Normalerweise tat er das bei ihr nie.

Langly schaltete sich ein, bevor diese Diskussion weitergeführt werden konnte. „Du hast gut daran getan, uns die Ergebnisse zu senden, Mulder. Dieser Stoff hat zwar den gleichen Grundstock wie der, den du uns vor ein paar Jahren zugespielt hast. Aber alles andere unterscheidet sich deutlich. Ich kann unmöglich sagen mit welchen Konsequenzen, doch es sieht mir gefährlich danach aus, als sei er mutiert.“

Mulder hatte plötzlich einen schalen Geschmack im Mund.

„Es könnte aber auch sein, dass jemand gezielt an dem Basengefüge herumgedoktert hat.“ Byers schob Langly zur Seite und geriet dabei so dich an die Webcam, dass seine Gesichtszüge absurd verzerrt wurden. „Irgendwer hat versucht den Aufbau zu verändern.“

„Aber mit welchem Ziel?“

„Wir können nur spekulieren. Der ursprüngliche Zweck dieses Stoffes ist der, den Menschen zu einem Wirt zu machen, um als Brutstätte für diese Wesen zu dienen. Früher oder später würde die Menschheit dadurch ausgerottet, wie wir alle wissen.

Vielleicht hat sich irgendjemand dazu berufen gefühlt diese Entwicklung aufzuhalten, indem er das Gefüge des Virus derart verändert, dass es nicht mehr lebensfähig ist.“

Scully brummte unzufrieden. „Das ist ihm aber offensichtlich nicht gelungen.“

Ratlos schwiegen sie, jeder für sich über die Lösung des Rätsels nachgrübelnd.

„Würdet ihr uns vielleicht einen Teil der Probe, die nicht entschlüsselt werden konnte, zuschicken? Möglicherweise kommen wir dem Geheimnis auf diesem Weg auf die Schliche.“

Abby nickte. Sie war plötzlich ganz ernst geworden. „Natürlich. Wir schicken noch heute Nacht einen Boten los.“

Byers nickte. „In Ordnung. Ihr könnt euch auf uns verlassen, wir werden sehen was sich machen lässt.“

„Ich danke euch, Jungs.“ Mulder lächelte schwach.

Frohike schob sich noch einmal vor die Kamera, charmant grinsend und die Haare ordnend. „Vielleicht kommst du uns ja mal wieder besuchen? Bring dann aber diese hübsche Lady mit den schwarze Haaren gleich mit, ja? Ich bin mir sicher zusammen könnten wir...“

Lachend warf Mulder der etwas überrumpelten Abby einen verschmitzten Blick zu, dann unterbrach er die Verbindung, um seinen Freund vor weiteren Peinlichkeiten zu bewahren.
 

Es ging auf halb vier Uhr Früh zu, als endlich Ruhe im Lager eingekehrt war. Der Tag war lang und anstrengend gewesen. Nur Abby bastelte unbeirrt in ihrem Labor, frustriert über den Rückschlag, den sie hatte einstecken müssen, und auch Gibbs strich noch immer schlaflos umher. Er konnte jetzt nicht schlafen, dafür war es viel zu heiß. Zudem schien sein Kopf zu zerspringen und ihm den Dienst zu verweigern, ob dieser sein Weltverständnis erschütternden Erlebnisse der letzten Stunden.

Er ging hinunter zum Fluss, in der Hoffnung dort ein bisschen kühlere Luft zu finden. Der Himmel war sternenklar und der mächtige Schatten der SeaCrawler zeichnete sich unheilvoll gegen das tiefe Blau der Nacht ab.

Mit einem leisen Seufzen ging Gibbs am Ufer in die Hocke und ließ seine Hände in das träge vorüberfließende Wasser gleiten. Für einen Moment schoss er die Augen und entspannte sich.

Wie lange er so dort verweilt hatte wusste er nicht, doch als er sich wieder erhob kribbelten seine Beine. Etwas war seltsam.

Schnuppernd sog er die Luft ein, die eine aufkommende Brise in seine Richtung trug. Sie brachte einen schwachen Geruch nach Feuer mit sich. Alarmiert rannte er die kleine Böschung hinauf, um den Blick auf das etwas abseits liegende Lager werfen zu können. Sein Herz setzte aus. Hell lodernde Flammen reckten ihre vernichtenden Finger anklagend in die schwarze Nacht und hüllten das Zelt, in dem die Leichen der Marines untergebracht waren, bereits vollkommen ein. Und das Feuer drohte auf das Fornesikzelt unmittelbar nebenan überzuspringen. „ABBY!“

Er stürzte los, kam jedoch nicht allzu weit. Jemand trat ihm in den Weg.

„Guten Abend, Agent Gibbs. Oder sollte ich sagen guten Morgen?“ Schwach glomm das Ende einer Zigarette in der Dunkelheit auf, dann kräuselte sich heller Rauch um den Kopf des Mannes.

„Verschwinden Sie!“ Gibbs wollte vorbeigehen, doch ein zweiter und ein dritter Mann tauchten aus der Dunkelheit auf und traten ihm entgegen.

Misstrauisch verharrte Gibbs und knurrte drohend.

„Ein gut gemeinter Rat von einem Freund, Agent Gibbs. Halten Sie sich von Dingen fern, von denen Sie nichts verstehen. Spielen Sie kein Spiel, das Sie nicht gewinnen können. Wenn schon nicht aus Rücksicht für sich selber, so doch zumindest für Ihre untergebenen Agents.“

Die blauen Augen des Agents blitzten auf. „Sie wollen mir drohen?“

„Ich drohe Ihnen nicht. Es liegt ganz bei Ihnen, was Sie aus diesem Rat machen. Sie sind ein weiser Mann, Agent Gibbs, enttäuschen Sie mich also bitte nicht.“

Wut bohrte sich in seinen Magen. Das Feuer hatte mittlerweile übergegriffen und das Zelt mitsamt dem Labor in Brand gesetzt. Das Lager war zum Leben erwacht und nahm die Schlacht gegen die Flamen auf. Rufe schallten leise zu ihnen herüber. Es hatte tagelang nicht mehr geregnet und sie hatten keine Mittel zum Löschen. Sie konnten nicht gewinnen.

Eiskalt richtete sich sein Blick wieder auf den Raucher. „Sie haben das Feuer gelegt, nicht wahr? Sie Bastard, wer sind Sie, dass sie meine Leute in Lebensgefahr bringen?“ Sein Körper spannte sich in Erwartung eines Kampfes. Wenn nötig würde er sich den Weg mit Gewalt frei räumen. Sein Team brauchte ihn.

Wieder stieg Rauch in den Himmel und wurde vom Wind auseinander getrieben. „Ich sehe, dass Ihnen ihr Team am Herzen liegt. Denken Sie also gründlich über das nach, was ich Ihnen eben gesagt habe.“

Halb blind vor Wut und Sorge sprang Gibbs auf den Raucher zu, doch die beiden Männer, die an dessen Seiten Aufstellung bezogen hatten, stießen ihn unsanft zurück, ergriffen ihn an den Armen und hielten ihn eisern zurück. Ein Dritter erschien wie aus dem Nichts und baute sich schützend vor dem Raucher auf.

Einen winzigen Moment lang begegneten sich die Blicke dieses Mannes und des nunmehr wehrlosen Agents, dann schnellte er vor und ohrfeigte Gibbs hart.

Grelle Sterne tanzten vor seinen Augen und so sah er den nächsten Angriff nicht kommen, der sich unmittelbar unter dem Zusammenschluss seiner beiden Rippenbögen in seinen Körper bohrte und ihm den Atem raubte. Der nächste Schlag ließ ihn würgen.

„Das hier ist ein kleines Mahnfeuer. Es liegt an Ihnen, ob es dabei bleibt.“ Der Raucher wandte sich ab und schlenderte langsam davon. Sein Blick glitt dabei zufrieden über das Bild der totalen Zerstörung.

Gibbs versuchte sich mit aller Macht losreißen, doch eine weitere Ohrfeige unterband diesen hoffnungslosen Fluchtversuch. Er spürte, wie ihm sein Blut warm über das Kinn rann. „Sie können mir nicht drohen! Ich werde nicht zulassen, dass Sie Hand an mein Team legen.“ Er konnte den Schmerz nicht gänzlich aus seiner Stimme verbannen, aber seine ungleich heftigere Wut brach sich rücksichtslos Bahn.

Seine Worte schienen den Raucher allerdings nicht einmal mehr zu erreichen, der mittlerweile in den dichten Rauchschwaden des nahen Feuers verschwunden war. Statt dessen starrte er hasserfüllt sein Gegenüber an, der mit einem bösen Grinsen vor ihm stehen geblieben war.

„Vielleicht sollte ich bei der Entscheidungsfindung etwas nachhelfen.“, knurrte dieser mit einer vor perverser Freude ätzenden Stimme. Die Tatsache, dass der Raucher das Feld geräumt hatte, schien ihm äußerst zu gefallen.

Die Faust zuckte vor und schleuderte den Kopf des Agents zur Seite. Dabei beobachtete er verzückt, wie ein dünner Schleier Blut auf das Hemd des Mannes spritzte, der linksseitig sein Opfer festhielt. Er schlug noch einmal zu, diesmal mit einem verächtlichen Lachen.

Gibbs versuchte die aufkeimende Bewusstlosigkeit zurückzudrängen, seine Kiefer mahlten. „Niemals.“ Rüde spuckte er das Blut, dass sich in seinem Mund gesammelt hatte, vor die Füße seines Peinigers und hob herausfordernd den Kopf. „Niemals werde ich mich einer so feigen Bande unterwerfen.“

Die Männer lachten leise. Sie waren sich ihrer Sache unerfreulich sicher und Gibbs musste sich eingestehen, dass er nicht in der besten Ausgangslage war, solche Versprechungen zu machen.

„Nun, wird werden ja sehen.“ Die Zähne seines Gegenübers schimmerten weiß, als er grinste. Er hielt etwas in den Händen, das der Agent in dem diffusen Licht nicht erkennen konnte, aber er würde vermutlich davon ausgehen können, dass es nichts Gutes für ihn bedeutete. Diese Männer hatten ihren Auftrag ganz offensichtlich noch nicht vollendet.

Mit all seiner noch verbliebenen Kraft stemmte Gibbs sich gegen die Umklammerung seiner beiden Wächter, drehte und wendete sich in deren Griff, doch es nutze nichts. Sie unterbanden seine Gegenwehr mühelos, indem einer von ihnen hinter ihn trat und seinen rechten Arm schmerzhaft weit auf den Rücken drehte. Kräftige Finger griffen ihm unsanft ins Haar.

Wutentbrannt bäumte sich der NCIS-Agent auf, doch sein Gegenüber kommentierte diese klägliche Gegenwehr lediglich mit einem belustigten Lachen. „Wir werden sehen. Sie werden sich Ihre Entscheidung wohl überlegen, wenn Sie nicht wollen, dass Ihren Leuten das selbe zustößt wie ihnen, Agent Gibbs. Nicht wahr?“ Gibbs kämpfte wie ein Löwe gegen seine Peiniger an, doch ein Schlag, der ihm übers Gesicht fuhr, raubte ihm um ein Haar das Bewusstsein. Er stöhnte schmerzerfüllt.

„Überlegen Sie es sich gut.“

Er konnte den Mann nur noch verschwommen vor sich ausmachen. Seine Knie gaben nach und er brach lautlos in den Armen seiner Wächter zusammen.

Offenbarungen

Der Morgen verbarg sich trüb hinter tiefhängenden Wolken, welche zwar Regen versprachen, doch keinen einzigen Tropfen der erlösenden Flüssigkeit preisgaben. Weiß-graue Rauchschwaden zogen zäh über die verkohlten Überreste des kleinen Lagers. Beinah schien es, als wollten sie die unglaubliche Tat vor den Blicken der Menschen verbergen.

Konturlose Schemen bewegten sich durch diesen Dunst, verschwanden, nur um an einer anderen Stelle des Platzes wieder aufzutauchen. Einer davon war Mulder, der schweigend inmitten des vom Ruß geschwärzten Gebietes stand und seinen leeren Blick über die Trümmer gleiten ließ. Er registrierte, wie Kate, Tony und Scully im Licht des Tages nach Überresten ihrer Arbeit suchten und die Asche in bodenloser Hilflosigkeit durchwühlten, doch er beteiligte sich nicht an ihren Bemühungen.

Dr. Mallard und McGee kümmerten sich um Abby, die sie im Truck des Gerichtsmediziners untergebracht hatten und ärztlich versorgten. Es glich einem Wunder, dass nicht mehr passiert war. Ein paar oberflächliche Verbrennungen, angesengte Haare und im Falle der jungen Abby eine ausgewachsene Rauchvergiftung.

Sie hatte bis zum Schluss um das verlorene Zelt und ihre Laborausrüstung gekämpft und Mulder und McGee hatten sie unter Aufbietung all ihrer Kräfte in Sicherheit tragen müssen. Andernfalls wäre sie zusammen mit der Ausrüstung Opfer der Flammen geworden. Ihr Zustand war nicht bedrohlich, trotzdem hielt Dr. Mallard seine wachsamen Augen auf die zierliche Frau.

Zudem fehlte von Gibbs noch immer jede Spur. Bislang hatten sie nicht nach ihm suchen können, da die Löscharbeiten bis in die frühen Morgenstunden angedauert und jede helfende Hand gefordert hatten. Sie glaubten nicht, dass er in dem Feuer umgekommen war, doch der nagende Zweifel blieb.

Mulders Zähne knirschten, als sich seine Kiefer aufeinander pressten. Bodenlose Wut und Hilflosigkeit stritten in seiner Brust. Bodenlos im wahrsten Sinne des Wortes, denn er hatte das Gefühl rettungslos in einen Abgrund zu taumeln, den er nur zu gut kannte. Ihm war durchaus bewusst, dass die kleinste Unachtsamkeit bei einer Wetterlage wie sie zur Zeit vorherrschte, zu solch einer Katastrophe hätte führen können. Aber er wusste, dass es keine Unachtsamkeit gegeben hatte. Er wusste, wer für dieses Inferno verantwortlich gewesen war. Und dieses Wissen schien ihn noch tiefer in den Abgrund hinab zu reißen.

Er hätte es wissen müssen. Er hätte aufmerksamer sein müssen. Allein durch seine Nachlässigkeit hatte er nicht nur sein Leben und das von Scully aufs Spiel gesetzt, viel mehr noch die Existenz ihrer unwissenden Partner vom NCIS. Und vielleicht hatte es ihnen tatsächlich den Kopf gekostet.

Mulder erstickte beinah an diesen Gedanken. Schon damals war es genau so abgelaufen, als er und Scully ihre Zusammenarbeit grade erst begonnen hatten und in ihrem ersten gemeinsam Fall ermittelt hatten. Dort hatte ebenfalls ein Feuer all ihre Beweise, all ihre Arbeit und Hoffnung in nur einer Nacht zu Nichte gemacht. Genau so wie jetzt.

Schuldgefühle nagten an ihm. Er hätte den NCIS über den gemeinsamen Feind, das Syndikat, gegen den sie jetzt vorgingen, aufklären müssen. Er hätte sie warnen müssen, auf was sie sich bei diesen Ermittlungen einließen. Er hatte die leise Hoffnung gehegt, dass die Zusammenarbeit mit einer anderen Bundesbehörde das Syndikat beschneiden und zumindest in Teilen handlungsunfähig machen würde. Töricht einen solchen Gedanken überhaupt zu haben. Er hatte sich ganz offensichtlich getäuscht.

Mulder schloss die Augen, seine Gefühle schienen ihn zu überschwemmen.

„Konnte irgendetwas vor den Flammen bewahrt werden?“

Der FBI-Agent fuhr zusammen und wandte sich dann hastig der Stimme zu. Nur um erneut bis ins Mark zu erschrecken, als er in das geschundene Gesicht des Teamleiters blickte. „Agent Gibbs!“ Er trat einen Schritt nach vorn um Gibbs zu stützen, der augenscheinlich nicht allzu viel Kraft besaß, um auf den Beinen zu bleiben. Mit Grauen registrierte er den Zustand des Bundesagenten. „Scully! Ich brauche Sie hier!“

Behutsam drehte er Gibbs in die entgegengesetzte Richtung und bugsierte ihn zu der Stelle,wo der Truck des Gerichtsmediziners stand. Dort würden zumindest seine offenen Wunden versorgt werden können.

Scully tauchte wenig später mit schnellen Schritten aus dem Dunst auf und warf Gibbs zuerst einen erleichterten, dann einen um so entsetzteren Blick zu. Hastig eilte sie an seine andere Seite und half Mulder, ihn zum Truck zu bringen. „Wo sind Sie gewesen? Wir haben uns bereits Sorgen gemacht.“ Ihr Blick glitt forschend über seinen Körper, doch Brandverletzungen konnte sie keine entdecken. Misstrauisch schaute sie ihm ins Gesicht und begegnete seinem noch immer vom Schmerz verschleierten Blick. „Ich habe das Feuer nicht gelegt, Agent Scully.“

Sie fühlte sich ertappt und wandte hastig den Kopf ab. Auch, um dem tadelnden Ausdruck in Mulders Augen zu entgehen. „Wir sind da.“

Gibbs grollte tief, als er sich an den Truck lehnte und darauf wartete, dass Mulder Ducky von Abby fortholte.

Wenig später lag er auf einem notdürftig aufgebauten Feldbett, Ducky und Scully neben sich, die sich besorgt um seine Verletzungen kümmerten. Hemd und Shirt wurden ihm herunter geschnitten und auch seine Hose trennte der kleine Gerichtsmediziner kurzerhand längsseits auf.

„Wo zum Teufel sind Sie hineingeraten?“ Scully musterte erschüttert die roten Striche, die sich zum Teil tief in die Haut gebrannt hatten.

„Ich hatte ein Treffen mit einem netten Freund, der reges Interesse an unseren Ermittlungen gezeigt hat.“ Gibbs stöhnte gequält, als Ducky begann die Wunden zu säubern und zu desinfizieren, und schloss die blauen Augen. Dadurch entging ihm, wie sich Mulder abrupt abwandte, damit niemand der Anwesenden den Hass sah, der sich bei diesen Worten in dessen Blick stahl.

Diese Menschen mussten leiden, weil sie für ihn und seinen kleinen, abstrusen Feldzug arbeiteten. Ihm wurde schlecht. Wie sehr er sich doch getäuscht hatte! „Was wollte er?“ Seine Stimme klang belegt, als er die Frage stellte.

Der NCIS-Agent runzelte die Stirn und bedachte Mulder mit einem langen Blick. Er rang mit sich. Die unverhohlene Drohung des Rauchers noch allzu deutlich vor seinem inneren Auge. Er konnte unmöglich abschätzen, welche Gefahr von diesem Mann und seinen Handlangern letzten Endes tatsächlich für ihn und sein Team ausging. „Sie kennen ihn?“

Scully, die scheinbar erst jetzt anfing zu begreifen, auf was Mulder da hinaus wollte, hielt in ihrer Arbeit inne und starrte ungläubig auf den Rücken ihres Partners, der sich noch immer nicht zu ihnen umdrehen wollte. Als er nicht antwortete, legte sie die grade aufgenommene Mullbinde zurück an ihren Platz und setzte an, um den Tisch zu ihm zu gehen. „Mulder, das...“

Er unterbrach sie unerwartet heftig und als er ihr den Kopf zu wandte, erschrak sie über das, was sie in seinem Gesicht lesen konnte. „Wer soll es denn sonst gewesen sein, Scully? Wer? Sehen Sie sich doch nur einmal mit offenen Augen um. An was erinnert Sie das alles hier? Es hat nie wirklich ganz aufgehört. DIE haben nie aufgehört.“ Seine Hände waren zu Fäusten geballt. „Es gibt niemanden sonst, der so gezielt und so gründlich vorgeht. Und derart rücksichtslos. Das wissen Sie.“

Sie schwieg.

„Alles hat darauf hingedeutet. Wir hätten wissen müssen, dass sie nicht untätig bleiben und still in ihrem Kämmerlein sitzen, während wir an hochbrisantes Material gelangen. Wir hätten zum Teufel noch mal damit rechnen müssen.“

„Aber nichts von all dem ist nach außen gedrungen, Mulder. Alles was die Presse wusste waren die mageren Fakten über einen denkbar ungünstig gestrandeten Navy-Kreuzer. Über die Fracht und unsere Funde im Innern des Schiffes ist nichts bekannt gemacht worden.“ In Scullys Stimme schwang ein schwacher Unterton an Ungeduld mit. Mulders Ausbruch hatte sie erschreckt und tatsächlich auf das scheinbar offensichtliche Einschreiten des Syndikats aufmerksam gemacht. Aber sie konnte nicht dulden, dass diese Erkenntnis sie kopflos machte.

Wütend funkelte Mulder seine Partnerin an. Er nahm es ihr übel, dass sie ihm derart in den Rücken fiel. „Und was sagt uns das? Sie müssen über den eigentlichen Auftrag der SeaCrawler gewusst haben. Sie müssen gewusst haben, was sich hier an Bord befunden hat und was der Mannschaft zugestoßen sein muss. Und das wiederum bedeutet, dass sie eine nicht zu verachtende Mitschuld an diesem grausamen Plan tragen, den dieses Schiff hatte ausführen sollen.“

Bevor sich die beiden FBI-Agenten noch weiter in ihren Streit hineinsteigern konnten, schwang Gibbs die Beine vom Feldbett, packte Mulder am Ärmel und zerrte ihn unsanft zu sich herab, dass er ihm ungehindert in die Augen schauen konnte. Heftiger Schwindel ließ seinen Blick für einige Herzschläge unscharf werden, aber er schüttelte Duckys Hand mit einem drohenden Knurren ab. Was er da soeben mitverfolgt hatte war ungeheuerlich und er verspürte einen nicht zu leugnenden Zwang Mulder für das was er getan hatte, oder mehr noch nicht getan hatte, niederzuschlagen. Wenn er nur einen Funken mehr Kraft besessen hätte. „Soll das heißen, Sie haben von der Gefahr gewusst, in die sich mein Team durch diese Ermittlungen gebracht hat? Und soll das auch heißen, dass Sie uns dieses Wissen absichtlich vorenthalten haben und damit in Kauf genommen haben, dass sich meine Leute in Lebensgefahr bringen, ohne die Notwendigkeit zu sehen, mich davon in Kenntnis zu setzen?“ Die eiskalte Wut in der Stimme des Teamleiters gab Mulder das Gefühl klein und schäbig zu sein und holte die Schuldgefühle, die seine eigene Wut in eine dunkle Ecke seines Geistes verbannt hatte, mit Macht wieder zurück. Er konnte nichts sagen, starrte nur wortlos in die Augen seines Gegenübers, in denen Wut, Sorge, Schmerz und Unverständnis in seinem Blick nach Antworten zu suchen schienen.

Gibbs ließ ihn los, was beinah noch viel schlimmer war, denn Mulder wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als angeschrien oder gar geschlagen zu werden. Aber dieser stumme Vorwurf des NCIS-Agents traf ihn ungleich härter. „Wir haben es nur einem Wunder zu verdanken, dass nicht mehr Menschen zu Schaden gekommen sind. Abby ist in dem Feuer beinah umgekommen!“

Mulder ertrug den Blick nicht länger und entfernte sich einige Schritte von den andern, ehe er stehen blieb. Sein Mund war staubtrocken und wieder bohrte sich Übelkeit in seine Eingeweide. Gibbs hatte recht. Mit allem was er sagte. „Wir hätten diesen Fehler niemals machen dürfen, aber wir hatten geglaubt...“ Er suchte händeringend nach Worten. Aber alles was er jetzt sagte, klang ohnehin nicht besser als eine billige Ausrede. Selbst in seinen eigenen Ohren. „Können Sie den Mann beschreiben, der Ihnen das angetan hat, Agent Gibbs?“

Ducky warf seinem Freund leise vor sich hin murrend eine Decke über die Schultern und setzte sich dann zu Scully, die sich auf dem Fußtritt des Trucks niedergelassen hatte. Er hätte gehen sollen und nach Abby schauen müssen, aber dieses Gespräch schlug eine Richtung ein, die zu brisant war, als dass er sie verpassen wollte. Außerdem war McGee noch immer bei ihr. Sollte er gebraucht werden, würde dieser ihn mit Sicherheit rufen.

„Ich war unten am Fluss und konnte deshalb so gut wie nichts erkennen. Er trat mir zwei weiteren Männern in den Weg, als ich das Feuer bemerkte. Sie waren alle dunkel gekleidet, nur der der mit mir gesprochen hat, rauchte nebenbei eine Zigarette. Er selbst hat allerdings keine Hand an mich gelegt. Dafür hatte er seine fleißigen Helfer dabei.“

Mulder und Scully tauschten einen viel sagenden Blick. Damit war es sicher, dass Mulder mit seinem Verdacht recht hatte. Obgleich ihn die Rücksichtslosigkeit, mit der gegen den NCIS-Agent vorgegangen worden war, erheblich verwunderte.

„Dieser Mann gehört einem Zusammenschluss von Personen an, die wir der Einfachheit halber als Syndikat bezeichnen. Dieses Syndikat verfolgt mich, meine Arbeit und dadurch auch Agent Scully seit Beginn unserer gemeinsamen Ermittlungen an den den X-Akten des FBI.

Sie haben... mich immer nur kleine, unbedeutende Teile eines Ganzen finden lassen, aber jedes Mal, wenn ich der Wahrheit zu nahe gekommen war, haben sie dafür gesorgt, dass sämtliche Beweise unterminiert und der Unglaubwürdigkeit anheim gefallen sind, oder aber sie im Ganzen bis auf das letzte Detail vernichtet wurden.

Normalerweise genügt ihnen das.

Nur jetzt... jetzt müssen wir schlagartig viel zu tief in ihre Geheimnisse vorgedrungen sein, was sie zu derartigen Schritten veranlasst haben muss. Ein Beweis, dass das, was wir hier in der SeaCrawler vorgefunden haben, niemals für fremde Augen bestimmt gewesen ist und niemals hätte entdeckt werden dürfen.“

„Reden wir hier etwa immer noch von hochgeheimen Verschwörungen über außerirdisches Leben?“ Gibbs hatte fürchterliche Kopfschmerzen, die sich bei diesen Gedankengängen nur noch zu verschlimmern schienen. Scheinbar wurde dieser Fall mit jeder fortschreitenden Stunde verwirrender.

Diesmal war es Scully, die ihm antwortete. „Entweder von der Existenz außerirdischen Lebens oder einer ungeheuerlichen, verdeckten Operation unserer Regierung, die durch Gerüchte von Ufos und Aliens gedeckt wird. Ein Vorzeigeschild für die Allgemeinheit, die ohnehin nicht an derartige Dinge glaubt, und die die eigentliche Wahrheit, die erst recht niemand verstehen und nachvollziehen könnte, verschleiern soll.“

Gibbs fuhr sich durch das silberne Haar und schüttelte nur den Kopf. Konnte denn nicht einfach mal etwas eine simple Erklärung haben? Musste denn immer gleich alles eine Verschwörung sein?

„Was wollten die von Ihnen?“

Es dauerte einige Atemzüge, bis sich der NCIS-Agent zu einer Antwort durchgerungen hatte und beschloss, mit offenen Karten zu spielen. Er hatte geschworen, sich nicht von diesen Männern erpressen zu lassen, und so gab es nur einen Weg für ihn. Den direkten Angriff nach vorn. „Er sagte, mein Team und ich sollten uns von Dingen fern halten, von denen wir keine Ahnung hätten und unsere Nasen nicht in Angelegenheiten stecken, die uns nichts angehen. Andernfalls... Das Feuer hat er als ein Mahnfeuer bezeichnet. Eine Warnung ihm nicht ein weiteres Mal in die Quere zu kommen.

Dann hat er seinen Hund von der Kette gelassen, um mir bei der Entscheidungsfindung behilflich zu sein. Weigere ich mich dieser Drohung nach zu kommen, würde er meinen untergebenen Agents das selbe antun wie mir.“

Es war Ducky, der als erster wieder das Wort ergriff. Der kleine, unscheinbare Gerichtsmediziner schien auf merkwürdige Art verändert, als er seinem Freund in die Augen schaute. Der freundliche Ausdruck war gänzlich von seinem Gesicht verschwunden, statt dessen waren seine Züge hart und der Ausdruck seiner Augen bis aufs Äußerste entschlossen. Mulder wunderte sich sachte über diese erstaunliche Wandlungsfähigkeit des Mannes. „Wer auch immer dieser 'gute Freund' sein mag, er hat sich nicht an seinen Teil der Abmachung gehalten. Neben dir ist auch Abby bereits Opfer dieses Syndikats geworden. Ich weiß nicht was oder wem wir hier auf der Spur sind, aber Jethro, du darfst nicht zulassen, dass diese falschen Menschen dich und dein Team in der Hand halten. Er wollte ein Exempel an dir statuieren, aber er kennt dich nicht. Du musst diesem Schweinehund das Handwerk legen. Du und dein Team, ihr habt bereits ganz andere Sachen durchgestanden. Also sag mir nicht, dass du dich einem solchen Unmenschen fügst.“

Gibbs lächelte schwach. „Nein Duck, genau deswegen. Ich weiß nicht ob ich Tony, Kate, McGee, dich und Abby ein weiteres Mal in solche Gefahr bringen kann. Ich denke, dazu habe ich kein Recht.“

„Vielleicht solltest du uns dann eher mal in deine Gedankengänge mit einbeziehen, anstatt uns außen vor zu halten.“ Tony erschien mit Kate an seiner Seite neben dem Truck. Er hatte die Arme trotzig vor der Brust verschränkt, aber der leise Vorwurf wurde durch ein freches Grinsen entschärft. „Ich denke, dass wir ein nicht zu verachtendes Mitspracherecht in dieser Sache haben, was meinst du Kate? McGee?“

Scully konnte sich ein verschmitztes Schmunzeln nicht verkneifen. Selbstverständlich konnte sie die Gründe für die Bedenken, die Gibbs plagten, mehr als gut nachvollziehen. Doch zu sehen, mit welcher Vehemenz das Team hinter seinem Boss stand, rührte sie zutiefst. Und das der sonst so unnachgiebige Mann derart machtlos gegenüber dieser Entschlossenheit seiner eigenen Leute war, amüsierte sie ungleich mehr.

„Trotzdem sollten wir nur mit aller Vorsicht diese Ermittlungen weiterspinnen.“ Mulder schaute forschend von einem zum Nächsten. Er musste wissen, ob es diesen jungen Agents ernst war, oder ob sie im Falle einer scheinbar aussichtslosen Lage aufgeben würden. „Dieses Mal haben wir tatsächlich lediglich einen Warnschuss vor den Bug erhalten. Aber sie alle sollten wissen, dass diese Männer durchaus auch bereit sind, über Leichen zu gehen. Sie haben bereits meinen Vater auf dem Gewissen und eben so Scullys Schwester, die unschuldig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen ist.“ Er warf seiner Partnerin einen langen, intensiven Blick zu. „Und auch Scully selbst wäre beinah Opfer dieses Syndikats geworden, hätte nicht einer von ihnen im letzten Moment noch die Seiten gewechselt.

Ich will ihnen damit nur sagen, dass wir alle über die Maßen vorsichtig sein müssen. Wenn ihr uns tatsächlich helfen wollt, dann müsst ihr auch wissen, mit wem ihr es zu tun haben werdet. Diesen Fehler habe ich einmal begangen... ich werde ihn nicht ein zweites Mal machen.“

Gibbs schnaubte, damit war der weitere Werdegang dieser seltsamen Zweckgemeinschaft wohl eindeutig geklärt. „Also gut. Wir haben allerdings ein kleines Problem, welches unseren Gegnern glücklich in die Hände spielt. Das von ihnen gelegte Feuer hat ganze Arbeit geleistet und all unsere Beweise und Ergebnisse vernichtet. Wir werden...“

„Oh, äh, Boss?“ McGee meldete sich mit strahlendem Gesicht aus dem Hintergrund und lehnte sich gefährlich weit aus dem Truck, um Gibbs besser sehen zu können. Sein Grinsen erstarb schlagartig, als er das erboste Funkeln in den Augen seines Chefs gewahrte. „Ich... also...“

„McGee! Was?“

„Abbys heldenhafter Kampf mit dem Feuer ist nicht umsonst gewesen. Sie hat ihren Laptop retten können. Und meinen ersten Untersuchungen nach zu urteilen, sind die meisten der darauf gesicherten Daten noch verwendbar.“ Er leckte sich nervös über die Lippen, konnte aber seine insgeheime Freude nicht völlig verbergen.

„Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir einen Teil der Fakten zu den Lone Gunmen gesendet haben. Unter anderem auch ein Probe des Stoffes.“ Mulder legte dem älteren Agent die Hand auf die Schulter und lächelte. In diesem Moment fühlte er sich, als könne er es mit jedem Feind aufnehmen,der sich ihnen in den Weg stellte. Es war knapp gewesen und es hätte durchaus auch anders für sie ausgehen können. Aber sie hatten ausnahmsweise einmal ein wenig Glück gehabt und konnten jetzt den vielleicht endgültigen Schritt gegen das Syndikat und deren Machenschaften gehen. „Sie glauben jetzt, dass sie uns unsere Grundlagen genommen haben. Das ist unser Vorteil, und den sollten wir nutzen.“
 


 

Hat etwas gedauert....ich weiß. ^^ Ich hoffe sehr, dass es nicht zu viel Blabla is, was ich aber befürchte. .____.

ICh gelobe, ein wenig mehr Aktion hineinzuzabern, auch wenn es mir noch ein Rätsel is, wie... *drop*

Das Syndikat

Tony setzte die Brille ab und blinzelte gegen die grelle Sonne zu dem gewaltigen Gebäudetrackt hinüber, der sich auf der anderen Straßenseite erhob. Sein Mund fühlte sich staubtrocken an, was nicht allein an der nach wie vor herrschenden Hitze lag. Er fühlte sich unwohl. Und beobachtet. So als seien alle möglichen Augen allein auf ihn gerichtet.

„Tony? Hey, Tony, wie ist die Verständigung?“ Abbys Stimme riss ihn blechern aus den düsteren Gedanken und drang unangenehm laut in sein rechtes Ohr. Er schnitt eine Grimasse und regelte die Lautstärke des kleinen Mikrophons behutsam ein Stück zurück. Dann drehte er sich zu Kate, die neben ihm stand und warf ihr ein bezauberndes Lächeln zu. „Laut und deutlich. Weißt du Kate,“ Er schob seiner Partnerin die unansehnliche Brille ein wenig höher auf die Nase. „Brillen stehen dir ganz und gar nicht. Du hättest dich ein wenig besser beraten lassen sollen, bei dem Preis. Ts.“

Er drehte sich grinsend weg und überquerte gemächlichen Schrittes die vierspurige Fahrbahn, während Kates Blicke ihn von hinten zu erdolchen versuchten.

„Du kannst von Glück reden, dass wir für dich kein passendes Model mehr hatten, sonst sähst du jetzt vielleicht so aus.“ Abby versuchte sich in einem tadelnden Ausdruck, der allerdings gründlich daneben ging. Tony konnte vor seinem inneren Auge deutlich sehen, wie sie genau in diesem Moment über beide Backen grinste. „Ein kleineres Gestell hätte es unmöglich gemacht, die Kamera zu verstecken, also lass sie in Ruhe, ok?“

Sie alle waren nervös. Er müsste lügen wenn er das Gegenteil behaupten würde. Aber einen Weg zurück gab es jetzt nicht mehr. Die finster dreinschauenden Wachposten des unscheinbaren Nebeneinganges hatten ihn und Kate bereits bemerkt und blickten ihnen erwartungsvoll entgegen. Tony straffte seine Schultern, atmete noch einmal tief durch und machte dann seine letzten Schritte auf die Männer zu.

Beinah zwei Wochen waren nunmehr seit dem Brandanschlag vergangen, in denen sie vollkommen stillgehalten hatten und lediglich ihr weiteres Vorgehen geplant hatten. Kein Kontakt zu den Lone Gunmen und nur sehr wenig Kontakt zu den beiden FBI-Agents ausschließlich über verschlüsselte Leitungen. Sie hofften auf diese Weise ihr Gegenüber in Sicherheit wiegen zu können und den Eindruck entstehen zu lassen, dass Gibbs die Warnung des Rauchers ernst genommen und die Ermittlungen an dem Fall eingestellt hatte. Sie mussten noch immer vorsichtig sein, doch zumindest hatte sich schon eine kleine Staubschicht über das Vergangene gelegt, die ihre heute weiterführenden Schritte vor unliebsamen Blicken hoffentlich verbarg.

Sie alle waren sich einig darüber, dass sie mehr Hintergrundwissen über dem Auftrag der SeaCrawler erhalten mussten, um zu wissen, wie weiter vorzugehen war. Mulder zufolge hatten die Gunmen keinen Erfolg gehabt bei ihren Nachforschungen, und so blieb ihnen einzig und allein der gewagte Ausflug in das Archiv, wo mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Einsatzbefehl und die dazugehörigen Fakten aufbewahrt wurden. Tief in den Eingeweiden des Pentagons.

Mulder hatte über die Gunmen zwei täuschend echte Ausweise anfertigen lassen, die Tony und Kate Zugang zu allen wichtigen Ebenen des Gebäudes ermöglichen würden. Des weiteren würden sich die drei Hobbywissenschaftler in das Computersystem des Überwachungsapparates einhacken und so das Vorwärtskommen des zwei NCIS-Agents zum einen überwachen und zum andern, im Falle von Schwierigkeiten, eingreifen. Abby fungierte mit Sitz im Videokonferenzraum des NCIS als Vermittlerin und Gibbs, Mulder und Scully konnten von dort aus das Geschehen mitverfolgen. Zudem sicherten sie sich über diese Vorgehensweise ab, dass im Falle eines Misserfolges keine Verbindung zu den Lone Gunmen zurückverfolgt werden konnte. Der NCIS und das FBI würden keinen nachweislichen Kontakt mit den drei Hackern gehabt haben. Es war die einzige Möglichkeit ihre Spuren zu verwischen.

Der eingeschweißte Ausweis schillerte in der Sonne, als Tony bei den beiden Wachen angelangt war und ihn vor deren Augen hob. „Guten Tag die Herren.“ Er war dankbar, dass seiner Stimme die Nervosität, die in seinem Bauch wütete, nicht anzuhören war. Kate tauchte neben ihm auf. Enrico, sag mir bitte nicht, dass es schon wieder Schwierigkeiten mit den Wachposten hier gibt.“

Tony lächelte die beiden riesenhaften Männer liebenswert an. „Nun, offenbar hat die Neubesetzung dieses Postens den selben Fehler wie ihre Vorgänger, die mittlerweile ohne jegliche Sozialhilfe auf der Straße leben dürften.“ Es war in der Tat von erheblichem Vorteil, wenn man Zugang zu den internen Vorgängen eines Bundesgebäudes hatte. Andernfalls hätte diese Drohung recht blass ausgesehen. Doch tatsächlich waren diese Wachposten erst vor kurzem auf Grund eines dämlichen kleinen Fehlers ausgewechselt worden. „Wissen Sie, Gentleman, dies hier ist ein Nebeneingang. Und weswegen benutzen Personen wie ich und meine Partnerin solche Nebeneingänge? Na? Richtig, weil wir in einem Auftrag unterwegs sind, der nicht unbedingt gleich von jedermann registriert werden muss. Nicht einmal von den, ich sage mal, Empfangsdamen dieses niedlichen Gebäudes. Nur die wenigsten dürfen überhaupt wissen, dass wir hier sind.

Bei Ihnen ist dies nun unumgänglich, aber wenn Sie sich weiterhin aufführen wie zwei ungeschlachtene, zweitrangige Türsteher und nicht die nötige Ernsthaftigkeit haben, welche dieser Job erfordert, werden Sie schneller ihren Vorgängern folgen, als Ihnen möglicherweise lieb ist. Also würde Sie uns bitte passieren lassen, bevor es hier vor Kamerateams nur so wimmelt?“

In jeder anderen Situation hätte der NCIS-Agent jetzt schallend angefangen zu lachen, denn tatsächlich breitete sich Sorge auf den Gesichtern der Männer aus und sie traten ohne ein weiteres Wort zur Seite. Doch er beherrschte sich meisterlich und ging mit versteinerter Mine an ihnen vorbei, entriegelte die Tür und schlüpfte, dich gefolgt von Kate, hindurch. Erst als die Tür hinter ihnen wieder ins Schloss fiel, erlaubte er sich ein triumphierendes Grinsen. „Sehen Sie, Agent Todd, so und nicht anders muss man mit solchen Leuten umgehen.“

„Pass nur auf, dass du nicht zu dick aufträgst. Andernfalls fliegt ihr schneller auf, als dir möglicherweise lieb wäre.“ Gibbs Worte wischten das Grinsen ansatzlos von Tonys Gesicht und zauberten dafür ein hämisches Schmunzeln auf Kates Züge. „Reißt euch zusammen, die Sache ist zu ernst, als dass man sie durch eure Kindereien gefährden könnte.“

„Natürlich, Boss.“ Sie blickten einen langen, ausgestorbenen Gang hinunter, von dem mehrere Durchgänge sowohl nach rechts als auch nach links abgingen. „Abbs, sag uns wo lang.“

„Ihr müsst in die andere Richtung, ungefähr dreihundert Meter weiter geht dann ein Abzweig nach links ab. Dort müsst ihr einbiegen.“

Sie setzten sich in Bewegung und eilten den Gang entlang, ohne vollkommen ins Laufen zu verfallen. An den Türen, an denen sie vorbei kamen, waren keinerlei Zimmernummern oder irgendetwas angebracht, was darauf hinwies, was sich dahinter befand. Und je tiefer Abby sie in das Labyrinth aus Gängen und Türen lotste, desto mehr gelangte Tony zu der Überzeugung, aus eigener Kraft nie wieder hinaus zu finden. Er wusste nicht, ob das für das gesamte Pentagon zutraf, aber hier sah wirklich alles gleich aus. Jeder Flur, jede Tür, jede Treppe.

Die wenigen Personen, denen sie begegneten, eilten ähnlich wie sie zielstrebig durch die Flure und waren zum Teil derart tief in Gedanken versunken, dass sie die beiden Agenten nicht einmal bemerkten.

„Hier möchte ich niemals arbeiten müssen.“ Kate drehte ihren Kopf immer wieder mal hierhin und dorthin, um den anderen im Konferenzraum einen Eindruck vom Innern des Gebäudes zu geben. Sie waren so weit vorgedrungen, dass es nicht einmal mehr Fenster gab. Laut Abby befanden sie sich bereits mehrere Meter unter der Erdoberfläche. „Man kommt sich vor wie in einem überdimensionalen Grab.“

„Ihr kommt gleich zu der ersten Sperre, die ihr mit euren Ausweisen nicht öffnen könnt. Ihr werdet Videoüberwacht, also bewahrt Haltung Leute.“

„Du bist immer so herrlich erfrischend Abby.“

„Danke Tony. Sobald ihr von den Überwachungskameras erfasst werdet, machen sich die Gunmen daran die Tür zu entriegeln. Sie müsste sich öffnen kurz bevor ihr sie erreicht.“

„Und wenn nicht?“

„Tony, hab Vertrauen. Ich soll dir ausrichten, dass du deine Arbeit machen sollst, sie machen die ihre. Es wird schon gut gehen.“

Tatsächlich konnten sie nach der nächsten Biegung eine hier völlig deplatziert erscheinende Tür sehen, die ihnen den weiteren Weg versperrte. Gleich drei Kameras kauerten sich in die Ecken zwischen Decke und Wand, um die Person, die sich dieser Tür näherte, aus allen drei Winkeln erfassen zu können. Die Tür selber bestand aus massivem Stahl und der mächtige Rahmen ließ erahnen, wie stabil diese Durchgangssperre wirklich war.

Den Blick stur auf diese Tür gerichtet schritten Kate und Tony näher. Rechts neben der Tür war ein entsprechender Code-Detektor angebracht. Tony trat an ihn heran und tat so, als würde er einen Berechtigungscode eingeben. Dabei schlug sein Herz bis zum Hals. Jetzt würde es sich zeigen, ob diese drei durchgedrehten Schwachköpfe etwas taugten, oder ob sie wie die Ratten in der Falle saßen.

Ein leises Summen kündigte die Entriegelung der Tür an und sie schwang widerstandslos auf, als Kate behutsam dagegen drückte. Ohne noch eine Sekunde länger zu zögern traten sie hindurch und ließen sie hinter sich ins Schloss fallen.

Es war, als hätten sie nicht nur einfach eine Tür durchschritten, sondern gleich in ein vollkommen anderes Gebäude gelangt. Dieser Flur glich in keinster Weise denen, durch die sie bis eben noch geirrt waren. Hier war alles mit Metall ausgekleidet worden, das Licht kam von einer ganzen Reihe hässlicher Neonröhren, die sich in der Mitte des Ganges entlangzogen. „Abbs? Kannst du mich noch aufnehmen?“

Ein Knacken im Mikrophon bestätigte seine Befürchtung, doch dann erklang die Stimme der Wissenschaftlerin doch noch, wenngleich mit starken Störgeräuschen. „Mit Unterbrechungen, ja. Ihr seid jetzt fast da und du solltest nach Möglichkeit nicht mehr mit mir reden. Es sei denn du führst sinnvolle Selbstgespräche... Ihr werdet ab jetzt auf jedem eurer Schritte von verdeckten Kameras überwacht. Der Vorteil für uns, auch wir können euch auf diese Weise folgen.

Von jetzt an lasst ihr alle weiteren Durchgangsschleusen links liegen und folgt so dem Gang, bis ihr nicht mehr weiter könnt. An dessen Ende befindet sich dann die Tür, die in das Archiv führt. Wir checken zuvor ab, ob sich jemand im Innern befindet.“

Tony nickte nur, denn in diesem Moment kamen ihnen zwei Männer entgegen, die in offensichtlichem Erstaunen die Augenbrauen hoben. „Entschuldigen Sie, Sir. Ma'm. Wir haben nicht erwartet, dass sich außer uns noch jemand in diesem Gebäudetrackt aufhält.“

„Das sollte auch so sein, Mister.“ Kate lächelte herzerweichend und strich sich beiläufig durch das braune Haar. „Unsere Anwesenheit hier darf nur den Wenigsten bekannt sein. Wir handeln in Order eines geheim zu haltenden Auftrages. Um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen sind wir jetzt hier, wo kaum noch jemand in diesem Teil aufhältig ist.“ Sie ließ ihren Ausweis aufblitzen. „Es tut uns leid, wenn Sie darüber nicht informiert worden sind, doch das wird mit Sicherheit seine Gründe haben. Wir bitten Sie, dieses Aufeinandertreffen für sich zu behalten.“

Die Männer wechselten einen nachdenklichen Blick, doch Tony und Kate waren bereits an ihnen vorbei und gingen weiter den Gang hinunter. „Wir werden nachfragen müssen, Ma'm.“

Die Agentin drehte sich im Gehen zu den Männern um, einen wahrhaftig erschreckenden Blick im Gesicht. „Tun Sie, was Sie für richtig halten. Aber wundern Sie sich bitte nicht, wenn Ihnen dann in den nächsten Tagen ein Kündigungsschreiben ins Haus flattert. Ein solch unprofessionelles Handeln kann die Regierung der Vereinigten Staaten nicht hinnehmen. Sie verstehen.“

Tatsächlich schien der Mann um die Nase herum blasser zu werden. Dann bogen sie um eine weitere Ecke und verloren die beiden aus den Augen.

„Und mir wirft man vor, zu dick aufzutragen.“

Sie folgten dem Gang einige Minuten schweigend, ohne noch einmal auf andere Personen zu treffen. Dann erreichten sie die Tür, die sie in das Archiv bringen würde.

„Ok ihr beiden, die Luft ist rein. Wir werden jetzt eine Videoschleife initiieren, die wir über die eigentliche Aufnahme der Überwachungskameras legen. Dann könnt ihr euch frei im Raum bewegen. Wir öffnen, sobald die Vorbereitungen abgeschlossen sind.“

Sie warteten mehrere Herzschläge ungeduldig, dann entriegelte sich das Schloss und Kate und Tony huschten hindurch. „In Ordnung, wir sind drin.“ Er drehte und wendete sich und starrte voller Unglaube auf die unzähligen Reihen an Regalen und Schränken, in denen sich ganze Jahrhunderte von Akten tummeln mussten. „Du meine Güte, könnt ihr auch das sehen was ich grade sehe?“

„Nein, wir haben ab jetzt lediglich noch Funkkontakt. Für eine Bildübertragung ist der Raum zu gut abgeschirmt. Aber ihr müsstet euch einer ganzen Batterie von Aktenschränken gegenüber sehen, richtig?“ Abbys Stimme klang, als würde sie von weit her zu ihm durchdringen und war kaum noch zu verstehen. Das bereitete ihm nicht unbedingt wenig Unbehagen.

„Ja, allerdings.“ Antwortete er gedehnt. „Und ich frage mich, wie wir...“

„Ihr sollt nicht die Blattakten nach den Unterlagen der SeaCrawler durchsuchen. Das würde viel zu lange dauern, Tony!“

„Was du nicht sagst.“

„Rechts von euch befindet sich ein Computer-Terminal. Dort müsst ihr hin. Ihr müsst den Rechner starten, damit sich McGee von hieraus in dessen System einklinken kann. Dann können wir gemeinsam nach den Unterlagen suchen.“

Nur wenige Augenblicke später kauerten sie sich vor den schmalen Arbeitsplatz, der ganz offensichtlich nur für eine einzelne Person bestimmt war, und durchwühlten den Cyberspace. Ohne McGee, so musste sich Tony zähneknirschend eingestehen, hätten sie nichts desto trotz eine kleine Ewigkeit damit verbracht, überhaupt auf die Spur des Kreuzers zu stoßen. Zudem hatten sie auf ihrem Weg gleich eine ganze Bataillon an Passwörtern knacken müssen, was wertvolle Zeit in Anspruch genommen hatte. Doch jetzt hatten sie endlich das vorliegen, weshalb sie dieses Abendteuer überhaupt auf sich genommen hatten.

Sie blätterten durch mehrere Dokumente, die sich lediglich mit den technischen Daten des Kreuzers befassten, ehe sie zu den Einsatzbefehlen gelangten und tatsächlich fündig wurden.

Schweigend überflogen Tony und Kate die Akte und auch Gibbs, Scully und Mulder konnten den Inhalt lesen, den Abby auf einen der Bildschirme in den Videokonferenzraum sandte. Die ersten Zeilen bestätigten das, was Mulder damals bei ihrer ersten Begegnung als Ziel der SeaCrawler genannt hatte. Alles weitere war neu und ließ Gibbs nach und nach immer mehr Farbe aus dem Gesicht verlieren. Hätte er einen Blick zur Seite geworfen, so hätte er festgestellt, dass es den beiden FBI-Agents nicht viel anders erging. Er verstand nicht alles von dem, was dort geschrieben stand, aber verstand durchaus die Konsequenz, die sich daraus ergab.

Die SeaCrawler war in der Tat mit Fässern beladen gewesen, welche das Öl, von dem Mulder erzählt hatte, beinhalteten. Und sie hatte einen Hafen an der Küste Pakistans angesteuert.

Doch den Unterlagen nach zu urteilen, handelte es sich bei diesem Öl um eine besondere, abgewandelte und vollkommen neue Form. Scheinbar hatte man versucht, die Zusammensetzung derart zu verändern, dass sich nach dem Befall statt einer eigenständigen Lebensform, ein beeinflussbarer, durch den Menschen steuerbarer Hybrid entwickeln würde.

Versuche in diese Richtung wurden offenbar bereits seit Jahren praktiziert, um auf diese Weise immun gegen eine bevorstehende Kolonisation zu werden, oder zumindest eine Streitmacht aufstellen zu können, die sich den ursprünglich aus dem Öl entstehenden Lebensformen entgegenstellen konnte.

Erste Versuchsreihen wurden an landeseigenen Streitkräften durchgeführt, schlugen allerdings meist mit hoher Verlustzahl fehl, so dass man komplett von vorn beginnen musste. Um nicht unnötige Aufmerksamkeit auf diese Verluste zu lenken – man konnte unmöglich so viele Scheinkriege führen mit derart hohen Verlusten – verlagerte man das Versuchsfeld letzten Endes von Amerika in den Nahen Osten.

Dort wurden dann Versuchszellen eingerichtet, deren Verluste mit der Begründung, im Kampf gegen den Terrorismus gefallen zu sein, erklärt werden würden. Doch den Terrorismus, wie er heute die Vereinigten Staaten bedrohte, gab es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht.

Die Rechnung ging nicht auf. Die neu entwickelten Hybride waren nicht in dem Maße steuerbar, wie sich die Wissenschaft das erwünscht hatte. Einige von ihnen entwickelten eigene Vorstellungen über ihre Zukunft und wandten sich gegen ihre Schöpfer, wurden zu gefürchteten Terroristen-Führern.

So war der Krieg in Nahost nicht mehr länger nur ein Deckmantel zur Vertuschung der grausamen Versuche, sondern vielmehr ein Krieg zum Niederschlagen der fehlerhaften Hybride. Das Land hatte sich seinen Bedrohung durch Terrorismus selbst erschaffen, denn die fehlerhaften Hybride setzten sich zur Wehr und griffen ihrerseits an.

So war die SeaCrawler der zur Zeit einzige Hoffnungsträger der USA gewesen, beladen mit einer neuen Form des Öls, welches den durch die alten Versuche entstandenen Hybriden überlegen sein sollte. Und diese Hoffnung war nun ganz offensichtlich vernichtet worden. Wie und durch wen konnten allerdings selbst die Verantwortlichen nicht sagen.

Selbstverständlich lag die Vermutung nah, dass der Feind von dem geplanten Gegenschlag erfahren hatte und diesen, augenscheinlich erfolgreich, vereitelt hatte.

Den Unterlagen nach zu urteilen war das nicht das erste Mal passiert. Seit dem denkwürdigen Fehlschlag der Versuchsreihe arbeiteten Wissenschaftler auf Hochtouren an einer Weiterentwicklung des Öls, was der Gegenseite natürlich nicht verborgen blieb.

Und auch die sponn ihre Fäden immer weiter und versuchte ihrerseits in den Vereinigten Staaten Fuß zu fassen, in dem sie unter anderem versuchte, eine Seuche, die ihre Form der Hybride unter den Menschen verbreiten sollte, auszulösen. Bisher hatte das jedes Mal noch verhindert werden können.

Doch zumeist nur mit eklatant hohen Verlusten seitens der Zivilbevölkerung. So war der Anschlag auf das World Trade Center ein unumgänglicher Schritt gewesen. Der Einzige, der eine Ausbreitung der Seuche, welche von dort ausgehend ganz New York erfassen sollte, verhindern konnte. Beide Gebäude waren zu diesem Zeitpunkt bereits betroffen gewesen und die Mehrzahl der dort anwesenden Personen bereits befallen. Es gab keinen anderen Weg, als die vollkommene Zerstörung.

Gibbs hatte nicht einmal gemerkt, wie sich seine Hand beim Lesen dieser Zeilen um den papierenen Kaffeebecher gekrampft hatte und diesen zu einem unansehnlichen Knäul zerdrückte, dass ihm die heiße Flüssigkeit nun träge über die Finger lief. Es war einfach zu ungeheuerlich, was er da las. Diese wenigen Worte hatten ihm mit einem Schlag den Boden unter den Füßen weggerissen und sein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt. Das konnte einfach nicht wahr sein. So etwas gab es nicht. Unmöglich.

Und doch... Sie befanden sich im technischen Programm des Pentagons, nicht auf irgendeiner lausigen Internetseite, zu der jeder Idiot Zugang hatte. Niemand hatte gewusst, dass sie sich auf diesem Weg Wissen über die SeaCrawler beschaffen würden. Ihr Vorgehen wurde perfekt gedeckt, zum einen durch die Lone Gunmen, die die Sicherheitssysteme des Pentagons überwachten, zum anderen durch Abby, die verstand ihre Spuren meisterlich zu verwischen. Sie konnten unmöglich bemerkt worden sein und Opfer eines wahrhaft einfallsreichen Märchenonkels geworden sein.

Der NCIS-Agent setze sich. Mit einem leisen Klappern fiel der Kaffeebecher zu Boden. Es war, als würde die Zeit stillstehen. „Ich will meine Leute zu Hause haben.“

Als ihm niemand antwortete ruckte sein Kopf zu Abby hinüber und er taxierte sie mit einem wahrlich angsteinflößenden Blick. „Kate, Tony. Raus da!“

Fast im selben Augenblick erklang die Stimme Frohikes über den kleinen Lautsprecher neben Abbys Laptop. „Jemand nähert sich dem Archiv. Ich kann mehrere Punkte ausmachen, die aus unterschiedlichen Richtung auf unsere beiden Freunde zukommen.“

„Auf den Schirm!“

Auf dem Hauptmonitor des Raumes erschien eine skizzenhafte Darstellung des Pentagon-Grundrisses. Und in den gekennzeichneten Gängen bewegten sich unübersehbar mindestens fünf rot blinkende Punkte mit hoher Geschwindigkeit auf das Archiv zu. Dem Raum schien plötzlich jeglicher Sauerstoff entzogen worden zu sein.

„Agent Todd, Agent DiNozzo. Wenn sie jetzt zu der Tür laufen, durch die sie auch hineingekommen sind, können sie es noch rechtzeitig zum nächsten Abzweig schaffen. Dort ist eine Tür, durch die sie entkommen können.“ Frohike klang angespannt, doch er verlor ganz offensichtlich nicht den Überblick. Tatsächlich hatten die beiden auf diesem Weg noch den meisten Vorsprung.

Die beiden roten Punkte im Archiv, die für Kate und Tony standen, gerieten in Bewegung und rasten auf die zugewiesene Tür zu. Sie wurde durch die Gunmen entriegelt und gab ihnen so den Weg auf den Flur frei. „Etwa zweihundert Meter, dann links rein. Die Tür steht ihnen offen.“

Sie bogen grade noch rechtzeitig ab, bevor zwei der sich nähernden Personen um die Ecke auf die direkte Grade zum Archiv kamen. Allerdings sahen sie noch die sich schließende Tür, gaben den anderen über Funk bescheid und nahmen die Verfolgung der beiden NCIS-Agents auf.

Gibbs fluchte ungehalten. Er riss McGee den Kopfhörer von den Ohren, über den dieser Kontakt mit den Gunmen hielt, und setzte ihn selber auf. „Holt sie da raus, verdammt. Ihr seid die Einzigen, die ihnen jetzt noch helfen können.“ Er ignorierte die erschütterten Blicke der anderen.

„Wo lang?“ In Kates Stimme schwang überdeutlich ein Anflug von Panik mit. Wen wunderte es, nach allem, was sie soeben erfahren hatten.

„Ihr müsst geradeaus. Immer geradeaus.“

Die zwei Punkte setzten sich wieder in Bewegung, grade als hinter ihnen die Tür aufschwang und ihre beiden Verfolger hindurch ließ. „Frohike, du Idiot!“ Das war Mulder, der sich neben Gibbs aufgebaut hatte, um ihn nicht allein dort stehen zu lassen. „Das nächste Mal verriegelt ihr die Türen gefälligst, sobald die zwei durch sind.“

„Rechts! Nein, halt, ihr müsst rechts ab!“

Tony und Kate wirbelten herum und stürzten in einen weiteren Gang, an dessen Ende eine Treppe nach oben führte. Nach oben war immer gut.

„Diese Treppe führt drei Stockwerke nach oben. Ihr müsst bis zum Ende hinauf, dann seit ihr im Erdgeschoss.“

Tony warf noch einen kurzen Blick zurück, ehe er hinter Kate zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinauf hetzte. „Sie verfolgen uns noch. Wo sind die anderen?“

„Zur Zeit kann ich sie nicht orten. Aber am Ende der Treppe ist eine Tür. Wenn ihr hindurch seid, kann ich sie für eure Verfolger sperren.“

Drei Stockwerke waren verdammt viel, wenn man bedenkt, dass man die anfallenden Höhenmeter im Laufschritt und noch dazu über Stufen bewältigen muss. Die letzten Meter legten sie fast auf allen Vieren zurück, das Dröhnen der Stufen unter ihnen immer deutlich im Ohr. Dann stürzten sie ächzend durch die Tür und warfen sie hinter sich ins Schloss. Es summte und sie verriegelte sich mit einem leisen Klicken.

Erschöpft blieben sie stehen, mit dem Rücken zur Wand, und japsten nach Luft.

„Schlechte Nachricht, aber ihr könnt da jetzt nicht stehen bleiben und zu Atem kommen. Ich kann die anderen Verfolger wieder orten und sie sind auf der selben Ebene wie ihr, auf direktem Weg zu euch. Wenn ihr nicht sofort weiter lauft, schneiden sie euch den Weg ab.“

„Direkter Weg nach draußen?“ Tonys Stimme klang gepresst.

„Ist im Augenblick versperrt, aber ich kann euch zu einem Fenster bringen, durch das ihr entkommen könntet.“

„Könnt ihr etwa auch Scheiben zum bersten bringen über Fernanweisung?“ Trotzdem packte er Kate am Arm und rannte mit ihr im Schlepptau wieder los. Er konnte die Rufe der verschiedenen Suchtrupps bereits hören.

„Wo werden sie rauskommen?“ Gibbs schleuderte den Kopfhörer zur Seite und war bereits auf halbem Weg zur Tür.

„Ich werde zusehen, dass sie auf der Westseite ins Freie kommen.“

„In Ordnung. Abbs, leg die Funkverbindung auf mein Ohrmikrophon um.“

„Wo willst du denn hin?“ Die schwarzhaarige Frau sah ihm mit großen, schreckgeweiteten Augen nach.

„Kate und Tony werden Hilfe benötigen, sobald sie das Gelände des Pentagons verlassen haben. Sie können nicht ewig weiterlaufen.“ Er stürmte aus dem Konferenzraum, dicht gefolgt von Scully, die ihm im letzten Moment noch nachsetzte.

Indes ging die Verfolgungsjagd in den Eingeweiden des Pentagons unbeirrt weiter. Immer und immer wieder mussten sie hakenschlagend von einem Gang zum nächsten und durch die verschiedensten Räume hetzen. Manchmal bekamen sie dabei auch einen kurzen Blick auf ihre Verfolger, die zu ihrem großen Bedauern bis an die Zähne bewaffnet zu sein schienen.

Und sie wurden langsamer. Mit jeder Minute, die diese Verfolgungsjagd andauerte. Nur mit Mühe schafften sie es, mit Hilfe der Gunmen eine winzige Abstellkammer ausfindig zu machen, in der sie sich für einige Augenblicke verkriechen konnten, um zumindest etwas wieder zu Kräften zu kommen. So schafften sie es sogar, ihre direkten Verfolger abzuschütteln.

„Jetzt ist es nicht mehr weit. Wenn ihr aus der Kammer herauskommt rechts ist eine Tür in ein unbenutztes Zimmer. Dort geht ein Fenster hinaus. Dann müsst ihr es nur noch heile über den Hof schaffen.“

Sie machten sich nichts vor, das würde mit großer Wahrscheinlichkeit das Schwierigste an der ganzen Operation werden. Dennoch betraten sie ohne zu Zögern das Zimmer, traten an das Fenster heran und versuchten es zu öffnen. Selbstverständlich funktionierte das nicht.

„Kate, einen Schritt zurück.“

Irritiert folgte sie seiner Anweisung und fuhr dann mit einem erschreckten Schrei zusammen, als Tony seine Waffe zog und kurzerhand die Scheibe zerschoss. „Bist du übergeschnappt? Jetzt weiß jeder Idiot im Umkreis von einer Meile das wir hier sind.“ Wütend funkelte sie ihn an, wie er bereits die Splitter fortfegte und auf das Fensterbrett stieg.

„Hattest du eine bessere Idee? Sobald wir das Gebäude verlassen, wären wir ohnehin von der halben Sicherheitsgarde entdeckt worden, die jetzt schon seit ca. einer halben Stunde an unseren Fersen heftet.“ Er sprang, womit Kate nichts anderes übrig blieb, als ihm zu folgen.

Sie drängten sich tief geduckt in den Schatten der Mauer und huschten an ihr entlang auf ein Zaunteil zu, welches nicht allzu hoch zum Übersteigen war. Den letzten Rest der Strecke mussten sie allerdings ungeschützt zurücklegen. Sie tauschten einen kurzen Blick, dann kratzen sie ihre letzten Kraftreserven zusammen und spurteten über den gepflasterten Platz auf den Zaun zu.

Hinter ihnen erklang das metallische Bersten eines Gewehres, dicht gefolgt von dem dumpfen Dröhnen mehrerer halbautomatischer Pistolen. Instinktiv trennten sie sich und hetzen im Zickzack weiter. Mit lautem Pfeifen zischte ein Querschläger an Kates Auge vorbei.

Tony erreichte als erster den Zaun, wandte sich aber noch einmal zu Kate um, die mit einem beherzten Hechtsprung an seiner Seite landete, und nur knapp der zweiten Salve entging. „Die sind verrückt!“ keuchte sie entsetzt, während sie auf die Beine gerissen wurde und gemeinsam mit Tony den Zaun zu übersteigen begann. Hinter ihnen nahten die ersten Verfolger, die sie auch über den Zaun hinaus jagen würden.

Sie sprangen zu Boden und schauten sich einen Moment suchend um. Wo sollten sie jetzt hin?

„Kate, Tony. Hier her!“

Überrascht wandten sie sich der Stimme zu und entdeckten nur wenige hundert Meter von ihnen entfernt Gibbs, der neben einem noch laufenden Jeep stand. Er hatte sich selbst übertroffen und einen Packt mit dem Teufel geschlossen, um rechtzeitig anzukommen.

Die NCIS-Agents rannten los, beflügelt von der Aussicht auf die nahe Rettung. Sie mussten lediglich eine Straße überqueren, dann wären sie in Sicherheit.

Von rechts bog mit quietschenden Reifen eine schwarze Limousine ein und hielt mit unverminderter Geschwindigkeit auf die beiden Agenten zu, die wie angewurzelt mitten auf der Straße zum Stehen kamen. Kurz darauf kam auch aus der anderen Richtung ein Truck geschossen, mit dem selben Ziel.

Gibbs riss seine Waffe aus dem Holster und feuerte ohne zu zögern auf die Limousine. „Lauft! Los lauft!“ Aufheulend prallten die Geschosse von der Oberfläche des Wagens ab und bohrten sich unkontrolliert in die umliegenden Häuser und Autos. „Haut ab da!“

Der Truck kam schlingend hinter Tony und Kate zum stehen, die Seitentür flog auf und mehrere vermummte Gestalten stürzten auf die Straße und auf die Agenten und zerrten sie unsanft ins Innere des Fahrzeuges. Die Limousine stellte sich quer davor und bot so Deckung.

Gibbs stürzte los und auf die Autos zu, doch noch ehe er sie überhaupt erreichen konnte, krachte die Schiebetür wieder ins Schloss, heulten die Motoren auf und trugen den Truck und die Limousine mit halsbrecherischer Geschwindigkeit davon.

Schlitternd kam Gibbs zum stehen, genau dort, wo sich eben noch seine Agenten befunden hatten, und brüllte in bodenloser Verzweiflung auf.

Licht am Horizont

Geneigte Leser....
 

Ihr werdet mich LYNCHEN!!!! An den Pranger stellen und mit faulen Eiern bewerfen. >____< Ich weiß es genau. *schildwallaufbau*

Ich hänge mich aber auch wirklich mit wachsender Begeisterung immer weiter aus dem Fenster. Mal sehen wie lange es dauert, bis ich abstürtze. *lach*

Aber es macht nunmal so einen SPA? und grade dieses Kapi hat mir wieder sehr viel Freude bereitet. Hach, es gibt soooo viele Irrungen und Wirrungen die man beschreiten kann. Mit welchem Ergebnis??? Das weiß ich meist auch noch nicht. ^^ Aber FFs sind da, um zu experimentieren, oder?? *evilgrin*
 

Lasst euch einfach drauf ein.

Los gehts...
 

Mit einem leisen Schaben glitt der Hobel über das noch unbehandelte Holz und sandte einen dichten Regen aus Holzsplittern zu Boden. Immer und immer wieder, sanft entlang der Maserung. Weder Radio noch Fernseher unterbrachen diesen stillen Frieden, das Telefon, das irgendwo vergraben in einer der Ecken herumstand, war lange nichts anderes mehr als eine Attrappe.

Gibbs blies behutsam den Rest der Späne vom Holz und betrachtete kritisch das noch unfertige Gerippe des kleinen Schiffes. Er versuchte vergeblich, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, seinen Gedanken eine Pause zu gönnen. Aber diesmal schaffte es nicht einmal diese Arbeit, und auch die Becher Gin, die er mittlerweile zu sich genommen hatte, erlaubten ihm keine Ruhe.

Er hatte einen Fehler gemacht, unter dem jetzt Tony und Kate zu leiden hatten. Sie hätten alle zusammen vorsichtiger sein müssen und ihren Gegner mehr ernst nehmen sollen. Aber das hatten sie nicht. Um so deutlicher hallten die Worte des Rauchers jetzt in seinem Kopf nach. Mit einem unerträglich bitteren Beigeschmack. „Sie sollten sich Ihre Entscheidung wohl überlegen, wenn Sie nicht wollen, dass Ihren Leuten das selbe zustößt wie Ihnen.“

Er schloss die Augen und hoffte inständig, dass diese Worte nicht wahr werden würden. Bislang hatte es keinen erneuten Kontakt zu den Männern des Syndikats gegeben. Keine Botschaften, keine Forderungen. Und Gibbs wusste nicht, was ihn mehr beunruhigen sollte. Er brauchte Zeit. Zeit zum Nachdenken und um dieses Mal den richtigen Weg unter all den Irrwegen zu finden. Der nächste Fehler könnte bedeuten, Tony und Kate endgültig zu verlieren.

Seufzend lehnte er die Stirn an das kühle, raue Holz. Er hatte diese Zeit nicht.

Gibbs hatte sehr wohl gehört, dass jemand soeben sein Haus betreten hatte und nun am oberen Absatz der Kellertreppe stand und ihn beobachtete. Er legte den Hobel zur Seite, drehte der Treppe demonstrativ den Rücken zu und Schritt hinüber zu der hoffnungslos zugestellten Werkbank. Er hätte doch abschließen sollen, zumindest dieses eine Mal. Er wollte jetzt keinen Besuch.

„Die Tür war nicht abgeschlossen und Sie haben weder auf meine Anrufe noch auf mein Klingeln gehört.“

Überrascht drehte er sich nun doch um und schaute hinauf in das diffuse Licht, welches durch die noch offen stehende Kellertür hereinfiel. Mit diesem Besuch hatte er nicht gerechnet. „Agent Scully.“

Es schien ihr unangenehm, ohne weiteres hier hereingeplatzt zu sein. „Die anderen sagten mir, dass ich Sie höchstwahrscheinlich hier finden würde.“

Er antwortete nicht und musterte sie nur schweigend, wie sie zögernd die Treppe zu ihm herab stieg.

„Im Grunde wollte ich mich nur darüber vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Ich... Sie haben einfach nicht reagiert und da dachte ich...“ Sie brach ab. Kam sich aus irgend einem Grund grade vollkommen deplatziert vor.

„Nicht ich bin es, um den wir uns zur Zeit Sorgen machen müssen.“

Scully seufzte, lies ihre Handtasche auf einen freien Platz der Werkbank fallen und setzte sich. „Das ist mir durchaus bewusst, Agent Gibbs. Aber Ihren Leuten ist nicht geholfen, wenn Sie sich in Ihr eigenes kleines Schneckenhaus zurückziehen und schmollen.“ Sie schaute zu ihm und wich, seinem vor unverhohlenem Zorn glitzernden Blick, dieses Mal nicht aus. Es war ihr klar, dass sie sich auf sehr dünnem Eis befand. Und um ehrlich zu sich selber zu sein, wusste sie auch nicht so recht, weshalb sie sich derart darum scherte, wie der NCIS-Agent mit der derzeitigen Situation umging. Vielleicht, weil sie insgeheim glaubte, eine Mitschuld an dem Schicksal der beiden Agents zu tragen. Vielleicht, weil ihr und Mulder ähnliches schon früher Wiederfahren war und nun Außenstehende in die Zahnräder, dieses doch eher auf privater Schiene laufenden Konfliktes, gerieten. Mit gegangen, mit gefangen. Sie waren vielleicht von zwei unterschiedlichen Bundesbehörden, die sich unglücklicher Weise auch nicht allzu nahe standen. Aber in dieser Sache saßen sie doch im selben Boot und mussten nun am selben Strang ziehen, wenn sie nicht untergehen wollten.

Zwei Tage waren vergangen, ohne das auch nur irgendetwas geschehen war. Natürlich lief die Fahndung auf Hochtouren. Aber in diesem besonderen Fall musste man mehr tun, als dazusitzen und abzuwarten.

Noch immer starrten sie sich an, versuchten den andern nieder zu zwingen. Aber diesmal hatte Gibbs nicht mehr diese autoritäre Ausstrahlung. Seine Pupillen waren vom Alkohol geweitet und der Blick seiner blauen Augen unstet und verwaschen. Überdeutlich konnte sie jetzt in ihnen lesen, und was sie dort sah, war ihr nur allzu gut bekannt. So wie er da vor ihr stand, hatte er eine beinah unheimliche Ähnlichkeit mit Mulder. Sie kannte diesen Blick. Hilflosigkeit, Zorn, Unverständnis.

„Mulder ist auf dem Weg und versucht an Informationen zu gelangen, die uns die Suche erleichtern könnten.“

Gibbs knurrte und wandte tatsächlich als erster den Blick wieder ab. „Wie will er das anstellen? Ein persönliches Gespräch mit dem Raucher? Ich bitte um Verzeihung, nur wäre ich da gerne selbst mit dabei, um diesem Hurensohn den Kopf von den Schultern zu holen.“ Scheppernd flog ein Schraubenzieher auf die andere Seiten des Tisches.

„Sie sind betrunken.“

„Was Sie nicht sagen.“ Er griff nach der Ginflasche und goss sich einen weiteren Schluck in den bereits arg ramponierten Metallbecher.

Scully hob skeptisch eine Augenbraue. Seltsame Trinkgewohnheiten. „Agent Gibbs...“

„Jethro.“

„Was?“

„Jethro. Nennen Sie mich Jethro, ok?“

„In Ordnung.“ antwortete sie gedehnt. Dieses Zusammentreffen gestaltete sich wahrhaftig äußerst wunderlich. „Sie... du solltest mehr Vertrauen in ihn haben. Ich weiß auch, dass wir euch erst in diese Lage gebracht haben, aber Mulder kennt in der Tat die seltsamsten Wege, um an wertvolle Fakten zu gelangen. Ich weiß, dass er Erfolg haben wird und wir werden euch mit all unseren Mitteln helfen, Kate und Tony wieder nach Hause zu holen. Das verspreche ich dir.“

„Versprich niemals etwas, was du nicht halten kannst.“

„Das tue ich nicht. Das habe ich noch nie getan.“ Sie stand auf und begann in dem kleinen Raum umher zu gehen. Neugierig sah sie sich um. „Ist das dein erstes Schiff, das du baust?“

„Nein. Aber das erste und einzige, das fertig gestellt werden wird.“

Sie berührte das Holz und betrachtete die mühsame Arbeit, mit der die Spanten zusammengehalten wurden. Durch ihren Vater verstand sie ein wenig von Schiffen und Booten und dieses hier würde, wenn es denn tatsächlich fertig werden würde, durchaus seetauglich sein. „Das ist beeindruckend. Wie willst du es hier herausbekommen?“

Gibbs zuckte nur die Achseln, stellte den Becher weg und trat an das Holz heran, um seine ursprüngliche Arbeit wieder aufzunehmen. Darüber würde er sich Gedanken machen, wenn es soweit wäre.

Eine Weile sah sie ihm schweigend bei der Arbeit zu. Beinah kam es ihr so vor, als würde hier eine vollkommen andere Person mit ihr im Raum sein. Ein anderer Jethro Gibbs, der nichts mit dem NCIS-Agent gemein hatte. Schon allein, dass er an einem Boot bastelte, hätte sie ihm nie im Leben zugetraut. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass er in ausgewaschenen Jeans umherlief, mit einem ausgeleiertem Pullover, über den er ein mindestens ebenso ausgewaschenes T-Shirt gezogen hatte. Sie schmunzelte. Was er wohl über sie denken mochte?

Als er zum dritten Mal in Folge mit dem Hobel abrutschte und eine unübersehbare Schmarre im Holz hinterließ, trat sie an seine Seite und stoppte ihn, indem sie eine Hand auf das Werkzeug legte. „Du solltest Schluss machen für heute, sonst ärgerst du dich im Nachhinein nur um so mehr. So wie du im Moment arbeitest, machst du noch etwas kaputt.“ Sie konnte seine innere Zerrissenheit beinah fühlen und nur zu gut nachvollziehen. Ihr selber war es damals kaum anders ergangen, als ihre Schwester Melissa von den Männern des Syndikats erschossen worden war.

Er antwortete nicht sondern hielt einfach nur in der Bewegung inne, scheinbar gedankenverloren auf das Werkzeug blickend. Erst als sie ebenfalls hinsah, bemerkte sie, dass ihre Hand halb auf der seinen lag. Hastig zog sie sie zurück, als hätte sie ein unsichtbarer Schlag getroffen. Zeitgleich machte ihre Körpertemperatur einen Satz, sie konnte nur zu deutlich spüren, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Glücklicherweise gab es hier unten nicht allzu viel Licht.

Gibbs wandte sich ihr zu. Für ihre Verhältnisse stand er viel zu nah vor ihr, aber sie brachte es nicht zu Stande, einen Schritt zurück zu treten. Ebenso wenig wie sie ihm jetzt in die Augen schauen konnte. Was war nur los mit ihr? Warum war sie überhaupt hier her gekommen?

Sie konnte ihn deutlich riechen und konnte nicht leugnen, dass er, neben dem schwachen Alkoholgeruch, einen durchaus angenehmen Eigengeruch hatte, der sie irgendwo tief in ihrem Innern erzittern ließ. Sie spürte seine Wärme, hörte seinen Atem. Viel zu nah.

„Dana, ist das richtig?“

Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter und hob dann doch den Kopf, um ihn ansehen zu können. Seine Augen waren ein offenes Buch, nicht länger hart und unnahbar. Und das beunruhigte sie ungemein, denn was sie in ihnen jetzt las, brachte sie immer mehr in Unsicherheit. Sie nickte zögernd.

„Du scheinst ein wenig von all dem zu verstehen.“ Er ergriff ungefragt ihr Hände und umschloss sie behutsam. Ohne auch nur einen Moment lang den Blick von ihr zu nehmen. Sie spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte und versuchte erneut den Kloß herunter zu schlucken. Vergeblich.

Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen, als er ihre unübersehbar steigende Nervosität bemerkte. Dann hob er den Hobel vor ihre Augen und drückte ihn in ihre Finger. „Das gefällt mir. Es gibt nur wenige Frauen, die wirklich etwas von Handwerk verstehen.“ Er sprach so leise, dass sie sich anstrengen musste, seinen Worten zu folgen. „In dem Falle könntest du mir ja dabei helfen, nicht mehr abzurutschen. Mir hilft diese Arbeit, den Kopf wieder klar zu bekommen und neue Kraft zu sammeln. Vielleicht hilft sie auch dir.“

Sie ließ widerstandslos zu, dass er sie an den Schultern ergriff und vor sich zog, so dass sie nun hintereinander vor dem Bootsgerüst standen. Ihre Hand zitterte, als sie den Hobel auf die Holzlatte setzte und von sich weg nach oben schob. Beinah wäre sie zusammen gezuckt, als er seine Arme um sie legte, um ebenfalls den Hobel zu ergreifen und ihre Bewegungen in die richtigen Bahnen zu lenken. Sie war verwirrt, vollkommen durcheinander. Aber sie konnte nicht behaupten, dass es ihr unangenehm war, den NCIS-Agent derart nah bei sich zu fühlen.

„Ein bisschen mehr Kraft und ein Gefühl für das Holz. Du veränderst das Gefüge des Holzes, versuch dich darauf einzulassen und zu spüren was du veränderst. Dann weißt du, wie weit du gehen darfst.“ Er sprach dich an ihrem rechten Ohr, sein Atem veranlasste die feinen Härchen an ihrer Wange und ihrem Hals dazu sich aufrichten.

Unter anderen Umständen hätte sie diese Lehrstunde wahrscheinlich mit Interesse mitverfolgt, doch grade jetzt war es ihr unmöglich, sich auf das Holz und das Werkzeug in ihrer Hand zu konzentrieren. Für einen Augenblick schloss sie die Augen und gestatte sich, das was sie empfand zu genießen. Es war lange her, dass jemand mit solchem Nachdruck um sie geworben hatte. Scully lächelte. Es gefiel ihr wirklich.

Trotzdem versteifte sie sich erschrocken, als sie seine Lippen plötzlich auf ihrem Hals spürte, ließ den Hobel sinken und wandte sich hastig zu ihm um, das Werkzeug dabei wie eine Waffe zur Verteidigung vor sich haltend. Sie wollte ihn mit einem tadelnden Blick zurückweisen, was angesichts seines verschmitzten Grinsens allerdings gründlich misslang. „Agent Gibbs... Jethro... ich weiß nicht...“ Es war hoffnungslos. Ihre Gedanken gehorchten ihr nicht länger.

Er nahm ihr vorsichtig das Werkzeug aus den Händen, als fürchte er, sie könne ihn damit tatsächlich angreifen, und ließ es achtlos zu Boden fallen.

„Du bist betrunken.“ wiederholte sie hilflos.

Er lachte leise. „Das sagtest du bereits. Aber nicht so betrunken, dass ich nicht mehr weiß was ich hier tue.“ Mit der rechten Hand strich er eine ihrer widerspenstigen Haarsträhnen aus dem Gesicht hinter ihr Ohr und ließ sie dann in ihrem Nacken ruhen.

Scullys Knie wurden weich. Dieser Moment, der sie auf einer Seite so erschreckte, den sie sich aber mit einer unerklärlichen Intensität auch herbeisehnte, zog sich scheinbar endlos in die Länge. Dann endlich zog Gibbs sie sanft an sich, befreite sie von der Spannung, die sie sich selbst auferlegt hatte, und küsste sie. Vorsichtig zuerst, unsicher wie sie diesen Schritt auffassen würde. Dann, als er Scullys stumme Zustimmung spürte, fordernder und leidenschaftlicher.

Für einen winzigen Moment schweiften Scully Gedanken ab, weiter zu Mulder, der jetzt in diesen Minuten händeringend nach einer Spur von den beiden entführten NCIS-Agents suchte, und das schlechte Gewissen schien ihre aufkeimenden Gefühle gegenüber dem Teamleiter zu ersticken. Aber sie konnte ihrem Partner jetzt nicht helfen. Er selber hatte ihr immer wieder gesagt, dass er diese Treffen allein begehen musste, dass es dort keinen Platz für sie gab. Ob er sie damit schützen wollte oder schlicht weg außen vor halten wollte, wusste sie nicht. In jedem Fall müssten sie erst einmal abwarten, mit welchen neuen Informationen er sie und den NCIS im Anschluss versorgen konnte. Dann wären sie auch wieder in der Lage, ihre weiteren Schritte zu planen.

Bis dahin...

Sie lächelte Gibbs an, der ihr einen fragenden Blick zuwarf. Nein, sie war jetzt nicht im Dienst und Mulder nichts schuldig. Warum sollte sie nicht auch einfach mal an sich denken? Sie schlang die Arme um den Hals des NCIS-Agents und berührte nun ihrerseits seine Lippen mit einem leidenschaftlichen Kuss.
 

Die Nacht war kühl und ein unangenehm böiger Wind trieb dünne Regenschleier durch die verschlafenen Wege des Parks. Nach der langanhaltenden Hitze hätte dieser Wetterumschwung eine Erlösung sein sollen, wenn die dadurch entstehenden Unterschiede in Washington nicht immer gleich derart extrem ausfallen würden. Mulder rieb sich die pochenden Schläfen und warf einen genervten Blick auf die erleuchteten Zeiger einer nahen Turmuhr. Er hatte fürchterliche Kopfschmerzen.

Es ging auf Mitternacht zu und die meisten Menschen hatten sich bereits in ihre Wohnungen verkrochen und Fenster und Türen vor der herannahenden Regenfront verschlossen. Diejenigen, die sich jetzt noch draußen aufhielten, waren entweder auf dem Weg nach Hause oder aber sie hatten keinen Ort, den sie als solchen bezeichnen konnten. In jedem Fall konnte er sicher sein, dass ihm heute hier in diesem Park niemand mehr über den Weg laufen würde, der ihm oder seinem Auftrag gefährlich werden könnte.

Fröstelnd zog er sich in einen dicht bewachsenen Arkadengang zurück, der ihn zumindest etwas besser vor dem Wind schützte. Dabei achtete er jedoch peinlich genau darauf, die nahestehende Parkbank und den Weg, der zu dieser hinführte, nicht aus den Augen zu verlieren.

Wieder huschte sein Blick zur Uhr. Er war natürlich viel zu früh, so wie eigentlich jedes Mal. Aber heute war er auch zum ersten Mal seit langem wieder übermäßig nervös. Wenn dieses Treffen keine neuen Erkenntnisse brachte oder aber sein Gegenüber nicht erschien, würde sich die Lage der beiden entführten NCIS-Agents dramatisch verschlechtern. In welche Richtung sie bisher auch ermittelt hatten, sie waren immer wieder in Sackgassen gelandet oder waren Spuren gefolgt, die letzten Endes doch im Sand verlaufen waren. Mit anderen Worten, sie hatten nicht einmal ansatzweise eine Vermutung, wo sich Kate und Tony zur Zeit befanden. Geschweige denn in wessen Gewalt. Auch wenn er von der letzte Frage überzeugt war, eine hundertprozentige Antwort zu wissen.

Schritte auf feuchten Kies veranlassten Mulder, sich umzudrehen und zum anderen Ende des Ganges hinunter zu blicken. Eine blonde, hochgewachsene Frau Anfang Dreißig bewegte sich schnellen Schrittes auf ihn zu, den langen, schwarzen Mantel eng um sich geschlungen. Sie begrüßte ihn lediglich mit einem Nicken, warf einen prüfenden Blick in ihre Umgebung und zog sich dann tiefer in die Schatten der Begrünung zurück. „Was kann es Wichtiges geben, dass Sie mich so überstürzt bei solch einem Wetter treffen wollten?“ Ihr war deutlich anzuhören, dass sie nicht erfreut war über das nächtliche Treffen.

Mulder lachte kühl und betrachtete die Frau vor sich mit einem lauernden Blick. „Hören Sie doch auf mit den Spielchen. Sie wissen ganz genau warum. Eine Entführung von zwei NCIS-Ermittlern auf offener Straße mitten am Tage und wie durch Geisterhand weiß außer einigen wenigen Führungsstellen niemand etwas von einem derartigen Geschehen. Keine Presse, keine Fernsehberichte. Dass es nicht die Frage zum Knacken des Jackpots ist, dass Sie von den Hintergründen Kenntnis haben, sollte uns beiden doch klar sein.“

Marita Covarrubias schürzte einen kurzen Moment missbilligend die Lippen. „Das war verdammt dumm von Ihnen.“

Mulder verschränkte nur die Arme vor der Brust und bedachte sie weiterhin mit finsteren Blicken. Er war nicht in der Stimmung für Spielchen und schon gar nicht für Spielchen ihrer Klasse.

„Wie konnten Sie nur so dumm sein, und so nachlässig vorgehen? Oder sollte ich sagen den NCIS so sorglos ins offene Messer laufen lassen? Sie haben diese Männer doch förmlich dazu genötigt, solch drastische Schritte einzuleiten. Das alles wäre wesentlich harmloser verlaufen, wenn Sie und Ihre Partnerin wie jedes mal unter sich geblieben wären und nur für das FBI ermittelt hätten.“

Wütend funkelte Mulder sein Gegenüber an. „Netter Versuch. Es war doch scheinbar nicht einmal geplant gewesen, dass das FBI an diesem Fall mitarbeitet. Geschweige denn, dass Scully und ich diese Ermittlungen leiten. Es wäre selbstverständlich sehr im Interesse des Syndikats gewesen, wenn sich dieser peinliche Vorfall, auf Grund mangelndem Hintergrundwissens seitens des NCIS, von selbst erledigt hätte.

Wir alle können froh sein, dass dem nicht so ist!“

In dem darauf folgendem Schweigen war deutlich der Wind zu hören, der leise ächzend durch die hohen Bäume des Parks schnitt, die Turmuhr schlug Mitternacht. „Was wollen Sie?“

„Wo sind Agent Todd und Agent DiNozzo?“

„Das kann ich ihnen nicht sagen.“

Wutschnaubend schlug Mulder mit der flachen Hand gegen eine der Metallstreben des Arkandenganges und ließ seine Gesprächspartnerin erschrocken zusammenzucken. „Ich sagte Sie sollen diese Spielchen lassen!“ Seine Stimme klang gepresst vor unterdrücktem Zorn. „Sie wissen es und Sie sagen es mir jetzt auf der Stelle!“

„Wollen Sie mir etwa drohen? Sie sind nicht in der Position dergleichen zu versuchen. Sie wollen etwas von mir, schon vergessen?“ Marita Covarrubias musterte ihn kühl.

Mulder atmete tief durch und schloss für einen Moment die Augen. Sie hatte Recht, er durfte nicht zulassen, dass ihm die Pferde durchgingen. „Es tut mir leid.“ Er öffnete seine Augen wieder und schaute sie geradeaus an. „Aber ich bin mir sicher, dass Sie wissen was mit den beiden NCIS-Agents geschehen ist, und dass Sie auch wissen, was mit ihnen geschehen soll. Ich bitte Sie! Helfen Sie uns.“

Sie schwieg, als würde sie über seine Worte nachdenken. „Sie sind ins Pentagon eingedrungen. Welche andere Begründung bräuchte es noch, um die zwei festzunehmen?“

„Sie und ich, wir wissen beide, dass das keine Festnahme gewesen ist. Schon gar nicht eine vom Pentagon-Sicherheitspersonal. Diese Entführung trägt für meinen Geschmack eindeutig die Handschrift der Männer, die wir nur allzu gut kennen. Also bitte versuchen Sie mich nicht zum Narren zu halten!“

„Was wissen Sie?“

Einen Moment lang zauderte der FBI-Agent, wie viel er ihr von dem, was sie herausgefunden hatten, offenbaren sollte. Sie war nun schon seit ein paar Jahren seine geheime Informantin und er hatte bislang nicht ein einziges Mal Grund zum Zweifeln gehabt. Dennoch musste er vorsichtig sein. So wie immer. Mit knappen Worte setzte er sie über seinen Kenntnisstand ins Bilde.

„Sie erstaunen mich, Agent Mulder.“ Fröstelnd schlang sie die Arme fester um sich und wich noch einen Schritt näher an die dichte Begrünung zurück, um dem Wind zu entgehen. „So war der kleine Abstecher in das Archiv des Pentagons wenigstens nicht umsonst gewesen. Wirklich raffiniert. Und es erklärt die Unruhe, die seit diesem Vordringen in den Reihen unserer Feinde zu bemerken gewesen ist. Und die Schritte, die sie seit dem eingeleitet haben.“

Alarmiert horchte Mulder auf. Der Unterton in Covarrubias Stimme gefiel ihm ganz und gar nicht. „Was für Schritte?“

„Agent Todd und Agent DiNozzo befinden sich seit gestern nicht mehr auf amerikanischem Boden.“

„Was?“ Mulder wollte seinen Ohren nicht trauen.

„Sie sind ausgeflogen worden. Gestern zur Mittagszeit.“

„Und mit welchem Ziel?“ Er hasste es, ihr jedes Detail aus der Nase ziehen zu müssen. Sie musste doch wissen, dass er durch diese paar Sätze beinah platzte vor Fragen. „Hören Sie, es mag Ihnen vielleicht Spaß machen, mich nur mit einigen Brocken anzufüttern. Aber bitte! Sagen Sie mir was Sie wissen. Hier geht es um die Leben zweier Bundesagenten. Wie konnten sie überhaupt so ohne Weiteres...“

Die Informantin hob beschwichtigend die Hand. „Agent Mulder, bitte. Entgegen Ihrer offensichtlichen Meinung macht es mir keineswegs Spaß Ihnen das, was ich zu sagen habe, mitzuteilen. Es ist ernst. Verdammt ernst.

Es ist anzunehmen, dass das Flugzeug Kurs auf den Nahen Osten genommen hat.“

„Geht das auch etwas genauer?“

„Leider nein. Zumindest im Augenblick wissen wir nicht mehr. Wahrscheinlich ist jedoch, dass sie entweder Pakistan, Afghanistan oder den Iran anfliegen werden. Dort befinden sich noch immer Stützpunkte der Amerikaner. Stützpunkte, auf denen nach wie vor Versuche hinsichtlich Alien-Mensch-Hybriden vorgenommen werden.“ Alles Weitere ließ sie unheilvoll in der Luft schweben.

Fassungslos starrte Mulder auf das schmale Gesicht vor sich. Was sie damit andeutete war ungeheuerlich und verschlimmerte die Lage der NCIS-Agents dramatisch. „Wollen Sie damit sagen...“ Er schluckte. „Agent Todd und Agent DiNozzo sollen zu Versuchszwecken in den Nahen Osten gebracht worden sein?“

Sie nickte. „So sieht es im Augenblick aus und so lange wir keine neuen Erkenntnisse haben, müssen wir davon ausgehen.“

Fahrig strich sich der FBI-Agent die braunen Haare aus dem Gesicht. Das, was er da soeben gehört hatte, war um Längen schlimmer, als er sich vorgestellt hatte. „Damit kommen sie nicht durch. Unmöglich. Wenn das bekannt wird...“

„Agent Mulder, die können und sie werden. Es gibt nichts, was sie noch tun könnten.“

„Wir müssen sie da rausholen!“ Seine Augen funkelten drohend im Licht der Straßenlaternen. „Das sind wir ihnen schuldig und ich werde mit Sicherheit nicht tatenlos zulassen, dass sie für diese Experimente missbraucht werden. Und ich weiß, dass ich mit dieser Meinung nicht allein dastehe.

Wir werden ihrer Spur folgen, wo auch immer sie hinführen mag. Und dann werden wir sie da rausholen, haben Sie mich verstanden?“

Einen Moment lang starrten sie sich wütend an, dann hatte Mulder den Trotz seines Gegenübers überwunden und sie seufzte resigniert. „Sie schaufeln sich Ihr eigenes Grab.“

„Mein Grab ist bereits seit Jahren ausgehoben. Aber ich will nicht, dass neben meinem die Gräber anderer zu finden sind.“

„Sie können nicht einfach in das nächstbeste Flugzeug steigen und nach Afghanistan fliegen. Genau darauf warten die, dass Sie und Ihre Partner blind in die Falle tappen.“ Sie sagte das, als sei es das Offensichtlichste überhaupt. Doch sie vergaß darüber, dass es Mulder vollkommen egal war, welchen Widerstand er überwinden musste, solange er nur das drohende Schicksal von den beiden Agents abwenden konnte. Zumal Mulder nicht vor hatte, Kate und Tony aus den Fängen des Syndikats zu befreien, und sich damit zufrieden zu geben. Er wollte das ganze Experiment sabotieren, dem Wahnsinn ein Ende setzen.

„Dann sagen Sie mir, was ich tun muss, um eine Chance zu haben. Wenn Sie es doch wissen, dann zum Teufel sagen Sie es auch!“

Marita Covarrubias biss sich verärgert auf die Lippen. Mulder war wirklich nicht einfach zu handhaben, wenn er erst einmal eine Fährte aufgenommen hatte. „Also gut. Auf Ihre eigene Verantwortung.

Sie überwachen die Grenzen, nutzen die Kriegsabkommen um jedes Schlupfloch zu kontrollieren. Es ist unmöglich direkt nach Pakistan, Afghanistan oder den Iran einzureisen, ohne dass sie davon Kenntnis erlangen. Dasselbe gilt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch für die arabische Halbinsel.“

Während sie ihm das versuchte zu erklären, konnte sie deutlich erkennen, wie sich Ratlosigkeit in seinen Blick schlich. Natürlich. So wie es klang, schien es tatsächlich unmöglich. „Ihre einzige Chance ist, über Afrika anzureisen und dann zu hoffen, dass sie über das offene Meer die Küste Pakistans erreichen. Unbemerkt.“

Mulder knurrte unwillig und starrte missmutig auf seine Füße. Vermutlich hatte sie recht und es brachte gar nichts, kopflos drauf los zu stürmen.

Eine Weile sagte keiner von beiden etwas.

„Sie werden einen Weg finden. Davon bin ich überzeugt.“

Überrascht sah er seine Informantin an, die sich bereits gemessenen Schrittes von ihm entfernte. Solche Töne waren ihm völlig fremd. Bevor sie den Arkadengang gänzlich verließ und hinaus in den Wind trat, blieb sie noch einmal stehen. „Passen Sie auf sich und Ihre Leute auf Agent Mulder. Passen Sie gut auf.“

Dann wandte sie sich ab und verschwand in der Nacht, den nachdenklichen Mulder hinter sich zurücklassend.

Wettlauf gegen die Zeit

Du meine Güte, jaaaa, es hat gedauert. Ich weiß. Und es ist mir in der Tat schwer gefallen weiter zu schreiben. Warum? Weiß der Geier. Die Ideen sind schließlich da.

Ein Brückenkapi und ich hoffe, dass ihr zufrieden seid. mir fällt es etwas schwer das zu beurteilen. Ich hab das gefühl, es ist etwas gestückelt.... Oo

Vielen Dank hierbei an meine zwei treuen Leser, Mado und Karön. *schmus* Was täte ich nur ohne eure lieben Kommis??? ;_______;
 


 

Geräusche. Laute, verwirrende Geräusche drangen in seinen Geist und schienen ihn aus einer tiefen Besinnungslosigkeit zu rütteln. Geräusche, die er nicht einzuordnen vermochte und die sein, noch wie betäubt wirkendes, Unterbewusstsein dazu veranlassten, ihn Angst fühlen zu lassen.

Sein Mund war staubtrocken, den Rest seines Körpers konnte er aus irgendwelchen Gründen nicht spüren. Wo war er?

Vorsichtig versuchte er die Augen zu öffnen, presste die Lider jedoch sofort wieder mit einem schmerzerfüllten Aufstöhnen zusammen, als sich grelle Lichtstrahlen wie zweischneidige Dolche in seinen Schädel bohrten. Jeder weitere Versuch, sich von der Lichtquelle abzuwenden, erwies sich als zwecklos. Das Leuchten schien ihn von allen Seiten zu umgeben.

Die Besorgnis in seinem Innern wurde stärker. Sosehr er sich auch bemühte, es wollte ihm nicht einfallen, was mit ihm geschehen war. Sein Erinnerungsvermögen schien sich vollständig zu weigern, die letzten Stunden aufzurufen. Er musste herausfinden, wo genau er sich befand. Vielleicht kam dann die Erinnerung zurück.

Er wappnete sich gegen den Schmerz und öffnete noch einmal seine Augen. Lediglich einen winzigen Spalt weit, doch es kostete ihn seinen gesamten Willen, sie nicht sofort wieder zu schließen.

Zuerst erkannte er nichts außer dem Gleißen des Lichtes. Doch dann tauchten nach und nach immer mehr Konturen und verschwommene Schatten auf, die scheinbar teilnahmslos an ihm vorüber eilten und nicht die leiseste Notiz von ihm nahmen.

Mühsam bewegte er seine aufgesprungenen Lippen, versuchte etwas zu sagen, um diese Menschen auf sich aufmerksam zu machen. Doch mehr als ein krächzendes Stöhnen konnte er nicht hervorbringen. Seine Stimme versagte ihm den Dienst. Ein Versuch seine Hand zu bewegen, schlug jämmerlich fehl. Er hatte noch immer keinerlei Kontrolle über seinen Körper. Um so deutlicher spürte er die kalte Hand der Panik, die sich um sein schnell schlagendes Herz schloss, ihm das Atmen erschwerte und sich langsam und schleichend in ihm ausbreitete, wie Gift.

Als würde ihm diese Erkenntnis einen ungeahnten Kraftschub verleihen, fuhr ein Zucken durch seine Glieder und er stieß einen gutturalen Schrei aus. Es war nicht richtig. Er dürfte gar nicht hier sein.

Einer der vorbei huschenden Schatten verharrte neben ihm, doch es wollte ihm noch immer nicht gelingen, Worte zu bilden.

Die junge Frau blickte mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen auf den hilflosen NCIS-Agent herab. Sie war in einen olivfarbenen Kampfoverall gekleidet, der jedoch keinerlei Wappen oder Abzeichen aufwies, welches sie einer bestimmten Einheit zugeordnet hätte. Mit gerunzelter Stirn überprüfte sie die Schaltungen des gläsernen Behälters, in dem Tony an Händen und Füßen gefesselt lag und sie aus glasigen Augen anstarrte. Er müsste sich noch immer in tiefer Bewusstlosigkeit befinden, denn eine Fehlermeldung des Systems lag nicht vor.

Sie warf einen letzten, verärgerten Blick auf den Agent, der mit schwachem Zucken gegen die Fesseln aufbegehrte. Sein Blick war verzweifelt, verängstigt. „Bitte...“

Die Offizierin wandte sich ungerührt ab und suchte statt dessen konzentriert den beengten Innenraum des Frachtfliegers ab. Er wachte viel zu schnell auf. „Sir. Es gibt Schwierigkeiten.“

Am Fuß der Laderampe rührte sich der Angesprochene unwillig und drehte sich bedächtig zu der jungen Frau um.

„Sie sollten sich das selber ansehen, Sir.“

Ein letzter, tiefer Atemzug, dann wurde die nicht einmal zur Hälfte aufgerauchte Morleys-Zigarette achtlos auf den Boden geworfen und der Raucher kehrte zurück in den Frachtraum. Der Ärger über diese unplanmäßige Verzögerung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Unwillkürlich wich die Offizierin vor ihm zurück, als er neben sie an den Glasbehälter herantrat. Sie wollte nicht in seiner unmittelbaren Nähe sein. Niemand wollte das. Schon gar nicht, wenn ein naher Wutausbruch zu vermuten war.

Der Raucher schaute mit gelinder Verwunderung auf Tony herab. „Seit wann ist er wach?“ Die letzten Reste kalten Rauchs kräuselten sich aus seiner Nase und seinem Mund und trieben in der Luft langsam auseinander.

„Ich weiß es nicht, Sir. Die Wirkung des Mittels lässt sehr schnell nach, ich vermute nicht länger als ein paar Minuten.“ Ein kurzer Seitenblick des Rauchers ließ sie verstummen. Das war nicht das, was er hatte hören wollen. Das Nachlassen des Wirkstoffes war offensichtlich.

„Habe ich nicht angeordnet, sie sollen unter ständiger Beobachtung bleiben?“ Es war eine rhetorische Frage, auf die er keine Antwort der Frau erwartete. Eine erneute Prüfung des Systems führte zum selben Ergebnis. Es arbeitete einwandfrei. „Sie sind stark, Agent DiNozzo. Ich muss zugeben, dass mich das überrascht.“ Er griff in die Brusttasche seines abgetragenen Jacketts und zog eine schmale Spritze ans Licht, die mit einer klebrig schwarzen Substanz gefüllt war.

Tonys Augen weiteten sich bei diesem Anblick. Er kannte den Mann nicht, der dort im Licht stand und mit ihm redete, als wären sie sich bereits begegnet. Doch der Anblick der Spritze, vielmehr der Anblick deren Inhalts, weckte in ihm eine Erinnerung, die alles andere als angenehm war. Sie entglitt ihm jedes Mal, bevor er sie gänzlich erfassen konnte. Aber er wusste, dass diese Flüssigkeit Unheil bedeutete. Unruhig begann er auf seinem unfreiwilligen Lager umher zu rutschen.

„Ja, in er Tat, Sie sind erstaunlich stark. Haben einen starken Willen. Doch das wird keine weiteren Probleme für uns bedeuten.“ Der Raucher lächelte kalt. „Für das Projekt ist das durchaus ein angenehmer Vorteil. Sie werden uns noch sehr nützlich sein, wenn ich Sie richtig einschätze.“

Er ließ von Tony ab und schaute an ihm vorbei. „Und wie es aussieht Ihre Kollegin ebenso.“

DiNozzo wandte den Kopf so weit er konnte zur Seite und begegnete vollkommen unverhofft dem noch stark verschwommenen Blick von Kate, die in einem baugleichen Glasbehälter lag wie er und grade erst zu sich zu kommen schien. Verwirrt runzelte er sie Stirn, versuchte sich krampfhaft zu erinnern. „Was zum Teufel...“

Sein Kopf ruckte herum, als er hörte, wie sich jemand an seinem Behälter zu schaffen machte und beobachtete mit Grauen, wie der Raucher die Spritze an einen Schlauch anschloss, der über Umwege in seinen rechten Arm führte. Langsam injizierte er die schwarze Flüssigkeit und beobachtete dann mit einem zufriedenen Lächeln, wie sie sich bedächtig den Schlauch hinunter arbeitete. „Das sollte genügen, um ihn für den Rest unserer Reise ruhig zu stellen. Veranlassen Sie, dass Miss Todd die selbe Behandlung erfährt.“ Damit wandte er sich ab und ging.

Auf halber Strecke die Rampe hinab blieb er noch einmal stehen, zündete sich zufrieden die nächste Zigarette an und lauschte den Schreien des NCIS-Agents, der sich voller Panik gegen sein Gefängnis wehrte. Sollte er schreien so viel er wollte. Hier würde ihn niemand hören. Lächelnd verließ er das Flugzeug.
 

„Keine Chance. Ich setze nicht einen Fuß in dieses Teufelsgefährt!“ Der heiße Wüstenwind wehte Mulder die ohnehin wild vom Kopf stehenden Haare aus der Stirn und er schirmte seine schmerzenden Augen vor der Sonne ab, um einen genaueren Blick auf den nachtschwarzen Torso des U-Bottes werfen zu können. Träge dümpelte es auf den Wellen des Hafenbeckens und zupfte unwillig an den Tauen, die es an der Pier hielten. Der FBI-Agent biss sich unglücklich auf die Lippen und verfluchte noch im selben Atemzug die grinsende, schwarzhaarige Wissenschaftlerin, die ihn wohlweißlich in Unkenntnis gelassen hatte, wie die Reise nach ihrer Ankunft in Mogadischu weitergehen würde.

Lange hatten sie über einen geeigneten Weg diskutiert, der sie möglichst unbehelligt hinter die feindlichen Linien bringen würde. Doch wie sollten sie das verwirklichen, was die amerikanische Regierung seit Monaten vergebens versuchte? Und so blieb ihnen letzten Endes nur der weite Weg über Afrika, wollten sie nicht noch mehr Zeit einbüßen.

So waren sie mit einem gewöhnlichen Passagierflugzeug nach Kairo geflogen und hatten von dort eine militärische Frachtmaschine genommen, die sie mit unzähligen Zwischenstopps hier her nach Mogadischu gebracht hatte. Sie waren alle dankbar gewesen, als sie den Flieger endgültig verlassen konnten und wieder festen Boden unter den Füßen spürten.

Doch jetzt, konfrontiert mit ihrem nächsten Transportmittel, wünschte sich Mulder wieder in das Flugzeug steigen zu können.

Scully gesellte sich an seine Seite. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schaute ebenfalls zu dem U-Boot hinüber. „Macht Ihnen unsere nächste Reiseroute etwa Sorgen?“ Sie wandte leicht den Kopf in seine Richtung, doch er musste sie nicht einmal ansehen, um zu wissen, wie sich ihre linke Augenbraue skeptisch hob.

Zerknirscht schob er seine feuchten Hände in die Hosentaschen der rettungslos verstaubten Jeans. Er konnte sich sehr gut vorstellen, dass es ein kleiner Triumph für seine Partnerin sein würde, wenn er ihr seinen nicht nur unbedeutenden Unmut gegenüber Unterwasserfahrzeugen eingestand. Sie selber hatte bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie das Militärflugzeug hinter sich gelassen hatten, Höllenängste durchgestanden. Das war ihm nur zu bewusst. Sie hasste das Fliegen. Sie hatte es schon immer gehasst. Und die Reise mit dieser mittelalterlichen Nussschale hatte ihr alles an Beherrschung abverlangt, was sie zu bieten hatte. Insgeheim bewunderte er sie darum, denn sie hatte sich nicht einen Moment lang beklagt. Das Elend war ihr so oder so deutlich ins Gesicht geschrieben gewesen.

Aber allein die Vorstellung in einem derart beengten Raum hunderte von Metern unter der Wasseroberfläche zu sein, nur umgeben von Wasser und einem unglaublichen Druck ausgesetzt, ließen ihn am ganzen Körper in Schweiß ausbrechen. Er war dankbar, dass es ohnehin unerträglich heiß hier war und jeder von ihnen schwitzte.

„Ach kommen Sie schon, Mulder. So schlimm wird es schon nicht werden.“ Scully genoss es sichtlich, ihren Partner derart in verlegener Bedrängnis zu sehen. „Aus taktischer Sicht gibt es nun einmal leider keinen besseren Weg. Und wenn Sie mit kühlem Kopf darüber nachdenken würden, würde das auch Ihnen einleuchten. Natürlich wäre es kein Problem für uns, nach Afghanistan einzureisen, aber Sie wissen doch ebenso gut wie ich, dass unser Plan, sobald wir die Grenze überschritten hätten, hinfällig wäre. Die überwachen uns auf Schritt und Tritt, soweit es ihnen denn möglich ist, dass muss ich Ihnen denk ich gar nicht erst sagen.“

Mulder knurrte unwillig. Natürlich brauchte sie ihm das nicht zu sagen und es ärgerte ihn maßlos, dass sie sich scheinbar dazu berufen fühlte, ihm diese Tatsachen dennoch brandheiß aufs Brot schmieren zu müssen. Wenn er ehrlich zu sich war, war er sogar angenehm überrascht, was diese Idee anbelangte. Es war ein meisterlicher Einfall von Abby gewesen, zwar mit einigen Ecken und Kanten, die es abzuschwächen galt, aber überaus gewitzt.

Eine dieser Ecken lag nun vor ihnen am Hafenkai und verursachte ihm Bauchschmerzen. Gedanklich titulierte er dieses Gefährt als ein Gegenstück der Militärmaschine von vorhin, nur dass es sich hierbei halt um ein Wasserfahrzeug handelte. Doch der Erbauer schien der selbe zu sein. Vermutlich wäre ihm um einiges wohler gewesen, wenn sie zum Transport eines der Navy U-Boote hätten nutzen können, die ebenfalls hier vor Anker lagen. Doch es leuchtete ihm ein, dass dieser Schritt gleichbedeutend mit einer direkten Einreise gewesen wäre. Er war sich sicher, dass auch diese Schiffe im Aufmerksamkeitsradius des Syndikats lagen.

Also hatte Abby, gemeinsam mit dem in Washington zurückgebliebenen McGee, alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihnen eine Überfahrt zu organisieren, die möglichst unauffällig und ausgefallen sein würde. Sie hatten bis vor ihrem Abflug in Kairo noch keine Nachricht von den beiden erhalten, doch während des Fluges hatte Gibbs einen Anruf des NCIS-Agents bekommen, welcher die nötigen Daten für ihre weitere Reise beinhaltete. Jetzt, wo er hier am Hafenbecken stand, wusste Mulder auch, weshalb Gibbs so herzhaft gelacht hatte, als er das Gespräch beendete. Und es war weise von ihm gewesen, sie über die Fakten im Unklaren zu lassen.

Mulder wandte den Kopf und schaute hinüber zu der Ansammlung heruntergekommener Baracken, in welchen sich die Hafenaufsicht und die Büros diverser Reedereien befanden. Gibbs war dorthinein verschwunden, um Kontakt zu ihrem Kaptain aufzunehmen. Das war vor nunmehr einer halben Stunde gewesen. Seitdem stand er hier mit Scully und kam langsam aber sicher zu der Überzeugung, in den nächsten paar Minuten gar gekocht zu sein. Zugleich führte ihm das allerdings auch schmerzlich vor Augen, wie sehr er das Sonnenlicht auf ihrer nicht unerheblich langen Reise unter Wasser fehlen würde.

Als hätte Gibbs die Ungeduld des FBI-Agents gespürt, trat er endlich in Begleitung eines hochgewachsenen Mannes aus dem stickigen Innern einer der Baracken und kam auf sie zu. Dass es sich bei dem Mann um den Kaptain des U-Bootes handelte, bezweifelte Mulder. Aber die Tatsache, dass sie mit einem Forschungsschiff reisen würden, veranlasste ihn schon dazu, mit vorschnellen Schlüssen vorsichtig zu sein. Mit gerunzelter Stirn schaute er den Männern entgegen.

Etwas war anders. Bereits auf der Reise hier her hatte er dieses Gefühl nicht abschütteln können und obwohl es ihm nicht bewusst war, kreisten seine Gedanken ständig darum. Sein Blick glitt geistesabwesend zu der neben ihm stehenden Scully. Es hatte etwas mit ihr zu tun, dessen war er sich sicher. Nach seinem Treffen mit Miss Covarrubias hatte er immer wieder versucht, seine Partnerin zu erreichen. Vergebens. Sie musste ihr Handy irgendwo gelassen haben, wo sie es nicht hatte hören können. Er war sogar zu ihr nach Hause gefahren und es hatte ihn wirklich überrascht, sie trotz so später Stunde nicht dort anzutreffen. Das war nicht ihre Art, aber er hatte sie nicht finden können.

Eigentlich hatte er sie am nächsten Morgen darauf ansprechen wollen, doch sie war gemeinsam mit Gibbs im NCIS-Headquarter erschienen, und so hatte er sich die Frage verkniffen. Und überhaupt... Ein schmerzhafter Stich war ihm durch die Brust gejagt, als seine innere Stimme ihm einen ungeheuerlichen Verdacht zugeraunt hatte. Er hatte die Augen geschlossen und mit dem Kopf geschüttelt, um diese Stimme zum Schweigen zu bringen. Unmöglich. So etwas würde sie niemals tun. Nicht die Scully, die er schon seit Jahren kannte. Und außerdem ging ihn ihr Privatleben nun wirklich rein gar nichts an. Aber der nagende Zweifel blieb, ebenso wie der latente Schmerz in seiner Brust.

Mulder erwachte aus seinen Grübeleien, als er bemerkte, dass ihn Gibbs und Scully bereits seit längerer Zeit anstarrten. „Mulder, ist alles in Ordnung mit Ihnen?“

Für einen winzigen Augenblick schrie er innerlich auf, warum zum Teufel sie sich um sein Wohlergehen scherte. Dann riss er sich zusammen und nickte schwach. „Wahrscheinlich die Hitze. Wir sollten uns bei nächster Gelegenheit etwas zu Trinken besorgen.“ Er vermied es, Scully ins Gesicht zu schauen, schien dafür aber an Gibbs Blick wie festgeschweißt zu sein. Einen Herzschlag lang maßen sich die beiden ungleichen Männer mit Blicken, Mulder in stummen Zorn, Gibbs scheinbar ohne jegliche Gefühlsregung. Doch Mulder hätte schwören können, dass der Senior-Agent ahnte, was im Kopf des FBI-Agents vor sich ging.

Schließlich unterbrach Gibbs den Blickkontakt und stellte den jungen Wissenschaftler an seiner Seite vor. „Es hat eine Weile gedauert, bis ich ihn gefunden habe, aber das hier ist Mister Jonathan Kingsley, Kaptain des Forschungsschiffes, das uns sicher in die Gewässer Pakistans bringen wird.“ Die FBI-Agenten begrüßten den hochgewachsenen Mann per Handschlag, ohne ihre Skepsis jedoch vollkommen verbergen zu können. „Sie sind sich bewusst, dass es sich hierbei nicht um irgendeine Reise im Auftrag der Wissenschaft handelt, sondern dass es auf unserem Weg durchaus auch zu unvorhergesehenen Gefahren kommen kann?“

Kingsley nickte, für Mulders Geschmack allerdings einen Deut zu enthusiastisch. „Miss Abby war so freundlich mich über ihre Lage in Kenntnis zu setzen, natürlich nur soweit wie Außenstehende befugt sind von ihrem Vorhaben zu erfahren, und ich versichere ihnen, dass sie sicher wie im Schoß ihrer Mutter sein werden, während wir die Tiefsee des Ozeans durchwandern.“ Er lächelte bestechend.

Sie nahmen ihr Gepäck auf und folgten dem Kaptain dann zur Einstiegsluke des U-Bootes. „Ein bisschen weniger theatralisch hätte mir auch gereicht.“ murmelte Scully unglücklich, während sie hinter Mulder die Leiter hinaufkletterte.

Er warf einen amüsierten Blick über die Schulter, freute er sich doch diebisch darüber, dass seiner Partnerin letzten Endes doch noch Zweifel an ihrem Reisegefährt kamen. „Scully, was erwarten Sie von jemandem, der dieses Schiff mit dem Schoß einer Mutter vergleicht?“ Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern schwang sich mit einem letzten wehmütigen Blick auf die Sonne hinab in den Bauch des Schiffes.

Sie versammelten sich an dem Ort, den man vermutlich als Kommandozentrale oder Brücke bezeichnen würde, doch für Mulder machte das keinen allzu großen Unterschied. Er hatte auf den wenigen Metern noch nicht viel von dem Schiff bewundern dürfen, doch in seinen Augen hatten alle Räumlichkeiten eines schon jetzt gemeinsam: Sie waren eng, viel zu dunkel und erweckten in ihm das Gefühl, innerhalb der nächsten halben Stunde an Sauerstoffmangel sterben zu müssen. Sein Herz klopfte unwillig gegen seine Rippen. Wirklich, diese Nussschale erinnerte ihn mehr an die alten Kriegsfilme aus den sechziger Jahren, als an ein Forschungslabor.

Kingsley ging hinüber zu einem riesenhaften Navigationstableau und erweckte es mit nur wenigen Handgriffen zu leuchtendem Leben. Sein Gesicht wurde von dem grünlichen Licht gespenstisch erhellt, während er vornübergebeugt dastand und mehrere Koordinaten in den Computer speiste. „So meine Herrschaften. Ich habe die Hinweise ihrer bezaubernden Wissenschaftlerin berücksichtigt und uns eine Route ausgerechnet, die uns ohne weiteres an der Seewacht der Pakistani vorbeischleusen und uns unbehelligten Zugang zum Festland gewähren wird.“ Er schaute mit einem selbstsicheren Grinsen von seiner Arbeit auf und winkte den drei Agents, näher zu treten. „Ich habe schon hunderte solcher Fahrten erfolgreich geplant und bin selber bei vielen Dutzenden davon mit an Bord gewesen. Sie können sich sicher sein, dass es zu keinen Komplikationen kommen wird.“

Skeptisch musterte Scully den fast eineinhalb Köpfe größeren Mann. „Was Sie nicht sagen. Und aus welchen Gründen haben sie so unglaublich gefährliche Fahrten durchgeführt? Noch dazu in solch unglaublich großer Zahl?“ Natürlich konnte sie sich die Antwort bereits selber geben. Sie hasste solch militante Wissenschaftler, zu denen Kingsley unzweifelhaft gehörte. Schon ihr Vater hatte damals immer von solch halsstarrigen Aktivisten erzählt, wenn er von der See zurückgekehrt war. Und so konnte sie es sich auch nicht so recht erklären, wie ausgerechnet der NCIS dazu kam, sich dieser Leute zu bedienen. Doch es musste einen Grund geben, und wenn es nur der war, unerkannt zu bleiben. Es musste ein wahnsinns Triumph für Kingsley sein.

Diesem war der unverhohlene Spott der FBI-Agentin nicht entgangen und er bedachte sie mit einem herablassenden Blick, während er auf ihre Frage antwortete. „Alles im Namen der Wissenschaft, Miss Scully. Alles. Ich habe bereits Greenpeace-Aktivisten in schwer umkämpfte Regionen geschmuggelt, obgleich die noch zu der harmloseren Fracht gehörten.“ Damit war das Thema für ihn erledigt und er wandte sich wieder dem Tableau zu. „Unser Kurs wird uns auf Nord-Nordost durch den Indischen und den Arabischen Ozean führen. Wir werden die Tiefen des Somalibeckens ausnutzen, um uns den Überwachungsmechanismen des Feindes zu entziehen, werden entlang des arabisch-indischen Rückens weiterziehen, um dann in das Arabische Becken einzutauchen. Die See hat in diesen Breiten eine Tiefe von sechs- bis achttausend Metern und sie werden feststellen, dass dieses kleine unscheinbare Schiffchen tiefer tauchen kann als manches dieser gewaltigen Unterseeriesen.“ Zufrieden sah er von einem zum andern. „Also von mir aus können wir unsere Reise beginnen.“

Gibbs nickte, ohne aber den beiden FBI-Agents vorher noch einmal forschend in die Augen geblickt zu haben. „Wir sollten sofort aufbrechen und keine unnötige Zeit verschwenden. Wir werden lange genug unterwegs sein. Tony und Kate können nicht noch länger warten.“

Der Kaptain neigte zur Bestätigung beinah ergeben das Haupt und erweckte durch ein bloßes Fingerschnippen die gehorsam wartenden Crew der Brücke zum Leben. „Ihr habt gehört was uns erwartet, also los. Bringt uns in die Höhle des Löwen.“ Er wandte sich ein letztes Mal an seine Passagiere. „Sie werden mich nun entschuldigen müssen, aber ich werde gebraucht. Man wird sie zu ihren Unterkünften bringen.“

Und so folgten sie einem schmalschultrigen Jüngling den beengten Mittelgang entlang gen Achtern. Es war auffällig, dass keines der Crewmitglieder wirklich von stattlicher Statur war, mit Ausnahme des Kaptains. Andererseits wurde Mulder bereits nach wenigen Metern klar, dass dieser Umstand durchaus von Vorteil war. Ihr Führer bewegte sich wesentlich geschickter und ungehinderter durch die Luken und Windungen des Schiffes. Er selber hatte sich schon jetzt unzählige Male den Kopf an irgendwelchen herausstehenden Apparaturen gestoßen. Wie kam man nur dazu, so etwas wie ein U-Boot überhaupt zu bauen?

Sie erreichten einen Verschlag, der etwas abseits des Hauptganges lag und durch einen schweren Vorhang vor unliebsamen Blicken geschützt wurde. Der Junge schlug diesen Vorhang zurück und machte den drei Agents Platz. „Nicht unbedingt das, was man unter einer Luxuskabine versteht, doch leider haben wir auf diesem Schiff noch keine abgetrennten Quartiere. Auf diese Weise können sie ihre Privatsphäre zumindest zum Teil wahren.“ Er blickte schüchtern zu Gibbs auf, so als erwarte er einen Wutausbruch seitens des Senior-Agents. Doch dieser legte ihm nur kurz eine Hand auf die Schulter und betrat dann den engen Verschlag. „Es ist in Ordnung, wir werden zurechtkommen.“ Mulder und Scully traten wesentlich zögernder ein.

„Äh...Ma'am?“ Der Junge räusperte sich leise und lächelte unglücklich, als sich Scully zu ihm umwandte. „Wir...ich muss Sie darauf hinweisen, dass wir keine getrennten Sanitäranlagen haben. Aber wir sind nicht mit voller Besatzung unterwegs, es wird sich also mit Sicherheit ein Lösung hierfür finden lassen.“

Scully schluckte, nahm diese Auskunft aber mit heldenhafter Fassung zur Kenntnis, ehe sie sich niedergeschlagen auf ihre Matratze sinken lies. „Ja, schon gut.“

„Dann lass ich sie jetzt allein.“

Als er gegangen war, herrschte noch einige Zeit Schweigen zwischen den Agents. Ein Schweigen, das nach nur wenigen Herzschlägen begann, unangenehm zu werden. Auf so engem Raum für eine Zeit von über einer Woche zusammengepfercht zu sein, fiel keinem von ihnen leicht.

Gibbs war es, der das Schweigen brach und mit einem tiefen Seufzen von seinem Lager aufstand. „Ich werde eine Runde durch das Schiff drehen und diese Schmugglerschüssel etwas genauer in Augenschein nehmen. Sie sollten versuchen, etwas Ruhe zu finden.“ Sein Blick ruhte noch einen Moment lang auf Scully, ehe er den Vorhang zurückschob, um kurz darauf dahinter zu verschwinden.

„Scully?“

Die rothaarige Agentin hob den Kopf und schaute zu ihrem Partner, der das Bett ihr gegenüber bezogen hatte. Er hockte mit angewinkelten Beinen auf der Kante und musterte sie mit einem Blick, den sie zuvor noch nie so an ihm gesehen hatte. Verwundert runzelte sie die Stirn. Konnte es denn sein, dass er etwas von der letzte Nacht wusste? Im Grunde war es ihr ja egal, aber irgendetwas in ihr hielt es für keine gute Idee, ihm das Geschehene mitzuteilen. Sie wollte es nicht, womöglich weil sie sich nichts desto trotz tief in sich schäbig fühlte. Sie fühlte sich schäbig ihrem Partner gegenüber, obgleich sie nichts davon bereute.

Er sah schlecht aus. Das künstliche Licht ließ ihn noch blasser erscheinen, als er ohnehin schon war und hob die dunklen Ringe unter seinen Augen deutlich hervor. Scully seufzte ergeben, stand auf und ließ sich neben ihn auf die Bettkante sinken. „Sie sollten tatsächlich versuchen etwas zu schlafen. Sie sahen auch schon mal besser aus.“

Er lächelte schwach und bedachte sie mit einem kurzen Seitenblick. „Das mag an dem Umstand liegen, dass wir bis jetzt eine alles andere als entspannende Reise hinter uns haben. Und die Aussicht auf diesem Schiff Urlaub zu machen...“

„Ja ich weiß. Wenn unsere Aufgabe nicht so wichtig wäre, hätte ich dieses U-Boot sofort nach der Ansprache von Kingsley wieder verlassen. Dieser widerwärtige Typ hat sich den Rang eines Kaptains doch selbst verliehen.“ Sie zog ihre Tasche zu sich heran und begann in einer der Seitentaschen umherzuwühlen.

„Aber Scully!“ Mulders Lächeln war noch eine Spur breiter geworden.

„Hier, nehmen Sie die. Die werden Ihnen helfen einen ruhigen Schlaf zu finden.“ Sie hielt ihm eine kleine Packung Tabletten unter die Nase und er musste schielen, um die Aufschrift zu erkennen.

„Reisetabletten?“ Ungläubig verzog er das Gesicht. „Scully, ich glaube nicht, dass ich unter Wasser seekrank werde oder unter anderen Reisebeschwerden leide werde. Es ist das Schiff, das mir Kopfzerbrechen bereitet.“

Seine Partnerin drückte ihm die Packung dennoch in die Hand und strafte ihn gleichzeitig mit einem tadelnden Blick. „Wollen Sie etwa die Diagnose einer Ärztin in Frage stellen?“

„Aber... Scully, Sie sind Pathologin!“

Sie seufzte und lehnte ihren Kopf an seine Schulter, ehe sie aufstand und zurück zu ihrem Bett ging. „Mulder, und wenn es nur seinen Placeboeffekt erfüllt. Nehmen Sie die Tabletten und schlafen Sie ein wenig.“

Er schmunzelte. Noch lange nachdem bereits gleichmäßige Atemzüge von ihrem Bett zu vernehmen waren, saß er still da und beobachtete sie nachdenklich.

Gefangen

Die Tage zogen sich zäh und scheinbar endlos dahin, ohne dass sich auch nur eine winzigste Kleinigkeit am Tagesablauf der Agents änderte. Einzig und allein die künstliche Beleuchtung diktierte, wann es an der Oberfläche Tag und wann Nacht war. Hielt man sich in den Bereichen des Schiffes auf, in denen rund um die Uhr Licht brannte, konnte man leicht das Gefühl für Raum und Zeit verlieren.

Mulder hasste diese Tatsache. Jeder von ihnen versuchte für sich, einen Weg durch diese tote Zeit zu finden und sich irgendwie zu beschäftigen. Aber er merkte, dass ihm die nötige Ruhe und Konzentration fehlte, um sich auch nur für irgendetwas zu begeistern. Anfangs hatte er versucht zusammen mit Scully die Möglichkeiten des Forschungsschiffes auszutesten, aber die Wege der Wissenschaft konnten ihn nicht lange fesseln. Zumal er es als ein Gräuel empfand, sich in den Räumlichkeiten aufzuhalten, die einen ungehinderten Blick durch dicke Panzerglasscheiben auf den sie umgebenden Ozean und dessen Bewohner erlaubten. Es machte ihm die Abwesenheit des Sonnenlichtes und das erdrückende Ausmaß des Wassers um sie herum viel zu deutlich und verstärkten sein Unwohlsein unnötig.

Gibbs hingegen hielt sich den Großteil seiner Zeit auf der Brücke auf. Ob aus Misstrauen gegenüber des Captains oder aus welchen Beweggründen sonst konnte niemand so genau sagen. Er verfolgte den Kurs des U-Bootes schweigend und aufmerksam. Anfangs war es Kingsley sauer aufgestoßen, dass der NCIS-Agent so sehr darauf erpicht war, die Vorgänge auf dem Schiff zu verfolgen. Doch er hatte schnell einsehen müssen, dass er damit auf verlorenem Posten stand und Gibbs an jeder seiner Entscheidungen teilhaben lassen musste.

Tatsächlich erhoffte dieser sich dadurch irgendwelche Hinweise auf die Ursache für das rätselhafte Verschwinden und Auftauchen der SeaCrawler zu entdecken. Er behielt jederzeit ein Auge auf den damaligen Kurs des Navy-Kreuzers und lies mancherorts den Meeresboden mit Hilfe des Sonars und der Kameras absuchen. Weshalb verschwieg er Kingsley und machte ihm unmissverständlich klar, dass ihn die Beweggründe des Agents nicht zu interessieren hatten. Das hätte beinah zu einer Eskalation des Streits geführt, da Kingsley auf seinen Rang als Captain des Schiffes pochte und drohte, die Mission abzubrechen. Doch Gibbs hatte ihn schlicht darauf hingewiesen, wer in diesem Spiel der Geldgeber war und mit was für Konsequenzen Kingsley zu rechnen hatte, sollte er das tun. Sowohl der NCIS als auch das FBI waren mittlerweile zu sehr in die sensiblen Geheimnisse des Captains eingeweiht, dass eine derartige Handlung einem wirtschaftlichen Selbstmord gleichkam.

Einen Moment lang hatte es so ausgesehen, als wolle Kingsley seinen Anstand verlieren und Gibbs niederschlagen. Doch er beherrschte sich und wandte sich nur wortlos seinen bisherigen Aufgaben zu.

Seitdem schwelte diese Disharmonie ständig knapp unterhalb einer erträglichen Grenze und führte zu einer allgemein anhaltenden gereizten Stimmung unter Deck. Diese Reise stand unter keinem guten Stern, Mulder hatte es gleich gewusst. Er hieß die Vorgehensweise des Senior-Agents nicht gut, schlug man jemanden doch schließlich nicht derart vor den Kopf, wenn man elementar von ihm abhängig war. Allerdings war ihm auch nur zu bewusst, dass sie gegenüber dem Captain und seiner Crew kein Wort über ihre Mission, und das was sie am Grunde des Ozeans suchten, fallen lassen durften. Nichtsdestotrotz hätte er an seiner Stelle versucht, mehr auf eine, wenn auch auf Geld basierende, Kooperation hinzuarbeiten. Diese Chance war nunmehr vertan.

Allerdings konnte es auch schneller als erwartet geschehen, dass die Crew des U-Bootes doch noch in die Hintergründe ihres Auftrages eingeweiht werden musste. Sie hatten in der letzten halben Stunde den Punkt erreicht, an dem die SeaCrawler damals von den Bildschirmen verschwand und verweilten seitdem mehr oder weniger an einem Fleck. Gesetz dem Fall, sie wurden tatsächlich fündig, kamen sie nicht umhin, Kingsley und seinen Leuten von der Gefahr ihrer Fracht zu erzählen. Denn Neugierde konnte gefährlicher werden als gefährliches Wissen und zu unsachgemäßer Handhabung der Fracht führen. Was das bedeutete, mochte sich keiner der drei Agents wirklich vorstellen.

Auf der Suche nach seiner Partnerin begab sich Mulder letzten Endes doch einmal mehr in die unteren Decks und auf den Weg zum Panoramaraum, wie er ihn gedanklich in Ermangelung eines besseren Wortes nannte. Schließlich hoffte er ebenso wie die andern, etwas zu finden, was Licht in die Dunkelheit um den Navy-Kreuzer bringen konnte. Und wenn dem so war, so wollte er auch dabei sein, wenn es soweit kam. Er öffnete das massive Metallschott, duckte sich geschmeidig unter der niedrigen Zarge hindurch und schaute sich suchend in dem für U-Boot-Verhältnisse recht weitläufigen Raum um. Er fand Scully in der Hocke kauernd vor dem großen Sichtfenster und wollte grade eine entsprechende Begrüßung rufen, als er ein Stück weiter hinten im Raum, an den Schaltpulten für die Außenanlagen, Gibbs gewahrte. Weshalb er daraufhin zögerte den Raum weiter zu betreten, konnte er sich selbst so recht nicht erklären. Doch er spürte, wie sich unterschwellig eine beißende Wut in seinem Bauch ausdehnte, die er so nicht kannte. Konnte er nicht ein einziges Mal allein mit Scully sein? Wann immer er sie suchte, der NCIS-Agent schien nie weit entfernt. Dass er ohnehin von der Gesamtsituation mehr als nur ein wenig gereizt war, machte die Lage nicht besser.

Selbstverständlich hatte Gibbs Mulders steigenden Unwillen bemerkt und reagierte darauf, indem er zusehends versuchte, ihm und Scully ihren Freiraum zu lassen. Die gemeinsame Unterkunft nutzte er lediglich um zu schlafen. Doch das schürte Mulders Zorn auf wundersame Weise nur noch zusätzlich. Es ärgerte ihn, dass Gibbs derart reagierte und es nicht einfach sein ließ, seiner Partnerin nachzustellen.

Leise schloss er das Schott hinter sich und blieb stehen wo er war.

Weißleuchtende Scheinwerfer durchschnitten die Finsternis der Tiefsee und strichen unruhig über den zerklüfteten Meeresgrund. Doch außer entsetzt davonhuschenden Fischschwärmen und undeutlichen Schatten wesentlich größerer Wesen, konnten sie nichts enthüllen, was auch nur annähernd auf die verlorene Fracht der SeaCrawler hinweisen konnte. Das eintönige Geräusch des Sonars verstummte, als Gibbs es mit einem unwilligen Knurren ausschaltete, und das Schaltpult verließ. „Es ist zwecklos. Wir müssten schon verdammt viel Glück haben, um tatsächlich die Stelle zu erwischen, an der das Schiff wirklich...verschwand.“ Ihm war der Unwille, ein solches Szenario zu akzeptieren, deutlich anzuhören. „Und selbst wenn wir richtig sind, kann es sein, dass das Stückgut durch die hier herrschende Strömung bereits abgetrieben worden ist.“ Er stellte sich an Scullys Seite und blickte missmutig hinaus, beide Hände tief in den Hosentaschen vergraben.

„Dann müssen wir entlang der Strömungsrichtung weitersuchen.“ Sie erhob sich aus der Hocke. „Wir können nicht riskieren, dass die Fracht hier am Meeresgrund zurückbleibt und möglicherweise irgendwann aufbricht. Wir könnten eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus dann noch unmöglich verhindern.“

Schweigend malte jeder für sich die Szenen einer solchen Katastrophe in seinen Geist. Gibbs konnte nicht verhindern, dass ihm ein Schauer über den Rücken lief. Das allein diese Möglichkeit vollkommen irreal erschien, ließ er mal dahingestellt. Die Vorstellung das es möglich sein könnte, reichte aus, um das normale Maß an Grauen zu übersteigen. „Aber welcher ist der richtige Weg?“

Er sagte es so leise, als würde er zu sich selbst sprechen. Doch Scully hatte die Worte sehr wohl vernommen. Sie wandte sich ihm zu und lächelte schwach. „Wenn es eine Antwort auf diese Frage gäbe, hätten Mulder und ich diesen Weg schon vor langer Zeit eingeschlagen. Es bleibt uns lediglich zu wählen, welchen der Wege wir am ehesten mit unserem Gewissen vereinbaren können.“ Sie schaute ihm in die eisblauen Augen und konnte darin den Wiederstreit sehen, der sich in ihm abspielen musste. Wenn sie den Kurs änderten, um nach der verschollenen Fracht der SeaCrawler zu suchen, würden sie kostbare Zeit verlieren, die für die entführten NCIS-Agents höchstwahrscheinlich lebenswichtig sein würde. Änderten sie den Kur nicht, stieg die Gefahr, dass die Fracht beschädigt oder durch Unbedarfte aufgefunden wurde, mit jeder verstreichenden Sekunde mehr.

Behutsam strich sie eine widerspenstige Haarsträhne aus seiner Stirn. Wenn sie schon zu keiner eindeutigen Entscheidung finden konnte, wie sollte er es dann? „Jethro, es tut mir leid.“

Mit einem tiefen Seufzen wandte er sich von dem Sichtfenster ab und ging mehrere Schritte auf das Schott zu, ehe er den fast vollkommen im Schatten verborgenen Mulder bemerkte. Er blieb stehen und musterte den Jüngeren mit gerunzelter Stirn.

„Mulder?“ Verstört huschte Scullys Blick von ihm zu Gibbs. Sie hatte nicht erwartet, ihren Partner hier anzutreffen. Hatte er diesen Raum doch bisher wie eine Katze das Wasser gemieden. Wie lange hatte er schon so still dort gestanden?

„Störe ich zufällig?“ Der ungewohnte Sarkasmus in seiner Stimme traf sie wie eine Ohrfeige. Das war nicht der Mulder, den sie kannte.

„Ist es zu einer Ihrer Angewohnheiten geworden, sich unaufgefordert anzuschleichen?“ Gibbs lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf sich und Scully atmete erleichtert auf, den anklagenden Blick Mulders nicht mehr auf sich spüren zu müssen.

Die drei Agents blickten sich mit einer Mischung aus Überraschung und Unbehagen an und Mulder zog es vor, nicht auf die Frage zu antworten. Mein Gott, sie hatte ihn Jethro genannt! Das allein schien vollkommen auszureichen, um seine schwelende Wut noch mehr anzufachen. Seine Kiefer malten, als er sich versuchte zu beherrschen. „Ich bin davon ausgegangen, dass hier wissenschaftlich gearbeitet wird, und nicht...“ Er ließ den Satz unbeendet im Raum schweben und starrte trotzig zurück. Er war ganz und gar nicht in der Stimmung, Gibbs Art und Weise dieses Mal zu akzeptieren. Ganz im Gegenteil.

„Reißen Sie sich zusammen, Mann!“

„Ich war nie bei den Marines und Sie sind nicht mein Gunnery, Agent Gibbs.“

„Mulder, verdammt was soll das?“ Gibbs hob beschwichtigend die Hände. Er war zwar verärgert über die Reaktion des FBI-Agents, konnte aber deutlich in dessen Augen das warnende Glitzern erkennen, dass er schon allzu häufig bei Menschen gesehen hatte, die unter großer seelischer Belastung standen. Und er wusste, dass der Aufenthalt auf einem U-Boot und das Leben in dessen beengten Räumen Menschen verändern konnten. Gefährlich verändern konnten.

Hinzu kam noch, dass Scully ihm erst neulich gestanden hatte sich Sorgen um ihren Partner zu machen. Ernsthafte Sorgen. Und er war nicht erpicht allzu darauf, den zerrütteten Gefühlen Mulders Anlass zum Ausbrechen zu geben. Das war nun wirklich das Letzte, was sie gebrauchen konnten.

Auf der anderen Seite war er jedoch auch nicht gewillt, seinen Platz auf Grund eines eifersüchtigen Partners zu räumen. Schließlich spielte sich dieser Part seines Lebens ganz deutlich im privaten Bereich ab, in dem Mulder nichts verloren hatte.

„Sie wissen ganz genau was hier läuft.“ Mulder ging auf Gibbs zu, bis er nur noch eine handbreit von ihm entfernt war, und funkelte ihn an. „Sie spielen sich auf wie ein machtgieriger Usurpator, wollen alle Fäden in der Hand halten. Dabei haben Sie doch keine Ahnung, um was es hier überhaupt geht.“

Gibbs Blick verfinsterte sich. „Tue ich das? Vielleicht wäre es dann an der Zeit, dass ein vor blinder Eifersucht wirres Zeug redender FBI-Agent diesen Missstand beiseite räumt?“ Es war eine klare Herausforderung. Doch der Senior-Agent war es Leid, diese deutlich vorhandene Rivalität in ihrer derzeitigen Form weiterlaufen zu lassen. Sie musste offengelegt werden, um dann endgültig aus der Welt geräumt zu werden.

Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass Mulder so prompt auf diese Worte reagieren würde. Seine Faust zuckte vor und traf Gibbs unmittelbar unterhalb des linken Wangenknochens.

Aus dem Gleichgewicht gebracht taumelte er mehrere Schritte zurück, versuchte aus Mulders Reichweite zu gelangen. Doch dieser setzte ihm mit einer überraschenden Schnelligkeit nach. Er hatte keine Chance dem erneuten Angriff zu begegnen und konnte sich nur noch an Mulder festklammern, so dass sie gemeinsam zu Boden gingen. Dort rangen sie verbissen mehrere kraftraubende Herzschläge miteinander, ehe es Gibbs gelang, den Jüngeren unter sich zu zwingen.

„Hör auf damit, verdammt noch mal!“ Sie starrten sich kurze Zeit gegenseitig in die Augen, dann ließ Gibbs los und stand auf. Sein Atem ging flach und er wischte sich fahrig über die blutende Nase, fest davon überzeugt, Mulder zur Besinnung gebracht zu haben. Er irrte.

Mulder fuhr aus der liegenden Position hoch und versuchte die Unaufmerksam des anderen zu nutzen, doch sein Vormarsch wurde jäh unterbrochen, als Scully in sein Blickfeld trat.

„Mulder, hören Sie auf!“ Sie hatte das Geschehen mit weit aufgerissenen Augen beobachtet und versuchte nun zwischen die beiden Streitenden zu kommen, um diesen Unsinn zu beenden. Was zum Teufel war nur in ihren Partner gefahren, derart auszurasten? Einen kurzen Moment lang trafen sich ihre Augen und Scully erschrak ob des ungewöhnlichen Flackerns im Blick ihres Partners. Selten hatte sie ihn in einem solch emotional aufgewühlten Zustand gesehen. Dann schob er sie kurzerhand zur Seite und setzte seinen sinnlosen Angriff auf Gibbs fort.

Er riss den Agent an der Schulter herum, stieß ihn rücklings gegen eines der Steuerpulte und hebelte ihn mit ungeahnter Kraft aus dem sicheren Stand. Haltlos stürzte auf die Konsole.

Ein unterdrückter Schmerzenslaut kam über die Lippen des NCIS-Agents, als sich die unzähligen kleinen Tasten in seinen Rücken bohrten. Und der Schmerz nahm zu, als sich Mulders Körpergewicht auf seinen älteren Gegner verlagerte.

„Du mieser Bastard, was sagst du jetzt? Wo ist deine große Schnauze jetzt, wo du unterlegen bist?“

Wütend funkelte Gibbs zu dem anderen Mann auf, unfähig auch nur einen Laut über die Lippen zu bekommen. Mulder hatte seinen Unterarm in unmissverständlicher Drohung gegen seine Kehle gedrängt und machte das Atmen zu einer mühsamen Qual. Seine Lungen reagierten bereits mit heftigem Stechen auf den unfreiwilligen Sauerstoffentzug. Vergebens versuchte er Mulder von sich herunter zu stemmen, der daraufhin den ausgeübten Druck nur noch verstärkte. Mit einem Ruck warf er ihn zurück auf die Schaltfläche, was Gibbs erneut unter Schmerzen aufstöhnen ließ.

„Mulder, bitte!“ Scully ergriff den Arm ihres Partners, um ihn von Gibbs fortzuziehen. Doch der Blick, welchen er ihr daraufhin zuwarf, ließ sie bis ins Mark erschrecken und wieder von ihm zurückweichen. Hastig ließ sie ihn los, als hätte sie sich verbrannt.

Ihre Gedanken überschlugen sich auf der Suche nach einem Ausweg. Sie war viel zu schwach, um sich dem wie toll rasenden Mulder in den Weg zu stellen. Und selbstverständlich war sie hier in keinster Weise bewaffnet. Mit aller Macht versuchte sie den Schreck zu überwinden, der sie innerlich zu lähmen schien.

In dem Moment fuhr ein Ruck durch das Schiff, der das Licht zum Flackern brachte und die gesamte Konstruktion tief und durchdringend Ächtzen ließ. Jeder Einzelne an Bord hielt ob dieses unheimlichen Dröhnens verschreckt in seiner Tätigkeit inne. Nur wenige bange Herzschläge später folgte ein weiterer dumpfer Aufprall und das U-Boot bockte unwillig in den unsichtbaren Strömungen.

„Was zum Teufel war das?“ All der Zorn, den er bis eben noch so deutlich in sich verspürt hatte, war schlagartig verflogen und Mulder richtete sich auf. Wie durch Geisterhand schien nun wieder Furcht in seinem Innern zu wachsen. Mit großen Augen starrte er durch das Panoramafenster nach draußen in die Dunkelheit.

Das Wasser schien zu phosphoreszieren und zu wabern, so als würde es unmittelbar vor dem Siedepunkt stehen. Dann strich ein Licht durch die Dunkelheit auf sie zu und glitt über das Schiff hinweg. Dicht gefolgt von einem weiteren Leuchten.

„Sind wir entdeckt worden?“

Gibbs rollte sich hustend von dem Schaltpult herunter und warf ebenfalls einen verschwommenen Blick nach draußen. Für den Augenblick war er einfach nur dankbar, wieder Sauerstoff in seine Lungen zu bekommen, doch das aktuelle Geschehen sorgte in der Tat dafür, dass die Auseinandersetzung zwischen den Agents erst einmal in den Hintergrund trat. Was hier gerade geschah war alles andere als normal.

Mit zitternden Knien stand er auf und beobachtete eine Weile schweigend die Intervalle, in denen das schillernde Leuchten zurückkehrte. „Kein Schiff besitzt Scheinwerfer mit solcher Leuchtkraft, dass sie uns in diesen Tiefen mit ihnen erfassen könnten.“

Sie tauschten ratlose Blicke.

„Auf die Brücke. Rasch!“

Sie folgten Gibbs ohne Widerworte durch die düsteren Gänge. Das Beben hatte aufgehört, aber die Angst blieb. Sollte ihnen hier unten etwas zustoßen, würde jede Hilfe zu spät kommen.

Im Kontrollraum angelangt, fanden sie Kingsley bereits vollkommen aufgelöst vor den Steuerungen. Ein Blick genügte, um Gibbs in seiner Sorge zu bestätigen. Sie tauchten auf. „Kingsley, wir können jetzt unmöglich an die Oberfläche!“

Der Kapitän blitzte ihn zornig an. „Alles andere wäre Selbstmord, Agent Gibbs. Haben Sie gerade mitbekommen was da unten passiert ist? Wollen Sie, dass man uns nur noch tot vom Meeresgrund bergen kann?“

„Wir befinden uns in feindlichem Gebiet. Wenn die plötzlich ein unbekanntes U-Boot auf ihren Schirmen haben, werden wir die längste Zeit gelebt haben.“ Er zwang sich zur Ruhe. „Hören Sie, wir wissen nicht was uns da eben Wiederfahren ist. Es kann ein Naturphänomen gewesen sein. Aber genau so gut könnte es sich um feindlichen Kontakt gehandelt haben. Wenn wir ohne einen weiteren Gedanken an unsere Sicherheit auftauchen, womöglich noch direkt vor deren Nase...können Sie sich vorstellen was dann mit uns geschieht?“

Kingsley knurrte, verlangsamte allerdings die Geschwindigkeit, mit der sie der Wasseroberfläche entgegenstrebten. „Trotzdem sollten wir einen Blick riskieren. Ich habe sämtlichen Funkkontakt verloren und keine Verbindung mehr zu meinen Leuten in Afrika. Dafür empfangen wir auf Frequenzen, auf denen es gar keinen Funkverkehr mehr geben dürfte. Ein Naturphänomen?“

„Nein. Aber ein weiterer Grund vorsichtig zu sein.“

Nach einigem Zögern willigte der Kapitän ein. „In Ordnung. Ihr habt es gehört Jungs, wir tauchen auf Periskoptiefe auf. Wollen mal sehen, ob wir einen Blick riskieren können.“ Er warf Gibbs noch einen letzten Blick zu. „Das werden Sie mir wohl kaum verbieten, nicht wahr, Agent?“

Nein, dass würde er tatsächlich nicht. Es war brandgefährlich, aber anders würden sie nicht herausfinden können, was an der Oberfläche geschah.

Eine drückende Stille legte sich über die Kommandozentrale, in der jeder Einzelne im Raum angespannt das Tiefenbarometer beobachtete.

„Alle Maschinen auf Stopp, ich will keinen Mucks mehr hören!“ Kingsley griff über sich und zog die Spähmaske des Periskops zu sich herab. „Periskop ausfahren.“

Zuerst schien er nichts ungewöhnliches entdecken zu können, zumindest entspannte sich seine Körperhaltung sichtlich. Doch dann fuhr er mit einem unterdrückten Schreckensausruf von der Vorrichtung zurück. „Unmöglich!“ Seine geweiteten Augen richteten sich auf Gibbs und die beiden verwunderten FBI-Agenten.

Als keine weitere Reaktion folgte, schob Gibbs ihn kurzerhand ganz zur Seite und warf seinerseits einen Blick durch das Auge. Es dauerte einen Moment, bis er das, was den Kapitän so erschreckt hatte, ebenfalls ins Blickfeld bekam.

Sein Herz machte einen Satz und schien sich für einen winzigen Augenblick überschlagen zu wollen. Was er da betrachtete war ganz und gar unmöglich, Kingsley hatte Recht. Aber es war unverkennbar da.

Hastig zog er das Periskop herum, ließ seinen Blick über die Geschützaufbauten des Kreuzers bis zum Bug gleiten und blieb wie gebannt an dem strahlend weißen Namenszug hängen. Fassungslos starrte er die SeaCrawler an.

Wie um die Anwesenheit des Kriegsschiffes zu bestätigen, erscholl das unheilvolle Echo des Sonars im gesamten Schiff.

Gibbs bekam eine Gänsehaut. Mit einem Ruck klappte er die Spähvorrichtung ein und rammte sie nach oben in ihre Halterung. „FEINDKONTAKT! Sofort abtauchen. SOFORT!“ Er packte den noch immer wie gelähmt dastehenden Kapitän am Kragen und schüttelte ihn unsanft aus der Starre. „Kingsley, wachen Sie auf! Wir brauchen Sie jetzt.“

Doch er Mann starrte ihn nur aus glasigen Augen an, als verstehe er nicht, was Gibbs von ihm wollte.

„Verdammt.“

„Lassen Sie ihn! Er wird schon wieder zu sich kommen.“ Der junge Mann hinter dem Steuerpult versuchte sich in einem recht gequälten Lächeln. Gibbs hatte ihn bereits bei der Begrüßung an Kingsleys Seite bemerkt, so das er wohl auf diesem Schiff den Rang des 1.Offiziers innehaben würde, wäre es ein Kriegsschiff. Doch das waren sie nicht. Entsprechend hatten sie dem Sonar und den Torpedos des Navy-Kreuzers nichts entgegen zu setzen.

„Einen Nottauchgang schaffe ich auch ohne ihn.“ Er begegnete den offenkundigen Zweifeln der drei Agents mit festem Blick. „Vertrauen Sie mir. Und jetzt sollten Sie zusehen, dass Sie in den Bug dieses Schiffes gelangen. Und zwar so schnell wie es Ihnen möglich ist. Los jetzt!“

Ohne auf eine weitere Aufforderung zu warten, drehten sie sich um und hasteten davon. Nur dass Mulder, der an erster Stelle lief, nicht allzu weit kam. An der ersten Weggabelung blieb er stehen und sah sich mit klopfendem Herzen um. „Verdammt, in welche Richtung?“

Scully, die bei seiner abrupten Bremsung unsanft gegen ihn gerannt war, schob ihn mit einem leisen Murmeln zur Seite und stürmte an ihm vorbei. „Folgen Sie mir! Und sehen Sie zu, dass Sie nicht den Anschluss verlieren.“

Entsetzt drehte sich Mulder zu dem NCIS-Agent hinter sich um. Es war alles so düster, die Gänge so eng und unübersichtlich, dass er keinen Schimmer hatte in welche Richtung er sich überhaupt bewegte. Und ständig hallte das Echo des Sonars durch das gesamte Schiff. Er konnte fühlen, wie ihm am ganzen Körper kalter Schweiß ausbrach. Warum war Scully nur weggerannt? Und warum konnte er sich nicht mehr bewegen?

Gibbs verpasste ihm einen harten, doch wohl kalkulierten Schlag auf den Hinterkopf, so dass sich der unstet umherhuschende Blick des Jüngeren auf ihn richtete. „Mulder, durchatmen. Los, holen Sie tief Luft. Ja, so ist es gut. Und nun drehen Sie sich um und laufen los. Sie sehen den Gang vor sich? Gut. Nur immer geradeaus, ich werde direkt hinter Ihnen sein und Ihnen sagen, wenn wir abbiegen müssen.“ Er legte dem anderen beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Sie schaffen das.“

Dann schubste er ihn sanft an und scheuchte ihn den düsteren Gang hinunter, beinahe dankbar sich um den anderen Agent kümmern zu müssen. So konnte er seine eigenen Sorgen ausblenden und einen kühlen Kopf bewahren. Das Geräusch des Sonars war wirklich beängstigend und dass sie zur Zeit nur auf Notstrom fuhren verbesserte die Lage um keinen Deut.

Der Rumpf des Schiffes begann sich in einem unangenehmen Winkel zu neigen und sie stolperten die Gänge eher entlang als dass sie liefen. Immer häufiger kamen sie viel zu schnell viel zu nahe an die Schotts heran, so dass sie das ein und andere Mal ungebremst mit den Zargen zusammenstießen. Der Druck auf den Ohren hatte ein schmerzhaftes Ausmaß angenommen, was sie verbissen zu ignorieren versuchten. Wie konnte dieses Schiff plötzlich so unmöglich lang sein?

Dann endlich hatten sie den vordersten Raum erreicht und kauerten sich neben den Rest der Mannschaft zusammen. In vollkommener Stille, mit Ausnahme des gepressten, heftigen Atmens der letzten Läufer. Jetzt konnten sie nur noch stillhalten, abwarten und hoffen, dass das Kriegsschiff ihre Position nicht entdeckte.

Trügerische Sicherheit

Wie lange sie dort eng auf eng in der Dunkelheit ausharrten, konnte später niemand mehr so genau sagen. Fakt war, dass es eine gefühlte Ewigkeit dauerte und ihrer aller Nerven auf eine harte Zerreißprobe stellte.

Die Maschinen des Unterseebootes schalteten sich ab, als sie auf maximale Tiefe herabgesunken waren und eine gespenstische Stille kehrte ein, die nur von dem anhaltenden Ton des Sonars unterbrochen wurde. Nicht ein Mucks war von den versammelten Menschen zu hören, die kaum wagten zu atmen. Im diffusen Licht der roten Notleuchten waren ihre Umrisse kaum auszumachen und der kleine, beengte Raum wirkte surreal verzerrt.

Scully wandte ihren besorgten Blick zu Mulder, der mit angezogenen Knien zwischen ihr und Gibbs kauerte und mit weit aufgerissenen Augen durch den Raum spähte. Sein Atem hatte sich nach dem Sprint durch die schmalen Gänge noch immer nicht beruhigt und ging flach und mühsam. Auf seinem Gesicht schimmerte Schweiß.

Sie alle schwitzten, keine Frage. Sei es auf Grund des eiligen Aufbruchs, der steigenden Raumtemperatur oder aus Furcht. Alle Systeme des Schiffes waren für den Moment offline und so war es unvermeidbar, dass die Temperatur in einem solch kleinen Raum voller Menschen anstieg. Doch als sie Mulder behutsam ihren Handrücken gegen die feuchte Schläfe drückte, war der Schweiß kalt. Kein gutes Zeichen.

Der FBI-Agent zuckte vor der unerwarteten Berührung zurück, so als hätte er Scully neben sich zuvor gar nicht bemerkt und schaute seine Partnerin einen Herzschlag lang irritiert an.

„Mulder, ist alles in Ordnung bei Ihnen?“, wisperte sie leise und fing sich prompt einen strafenden Blick ihres Nebenmannes ein. Niemand redete in einer solchen Situation. Die leisesten Geräusche konnten durch das Wasser laut genug werden, um von dem Kreuzer über ihren köpfen wahrgenommen zu werden.

Scully war sich dieser Gefahr durchaus bewusst, sie war nicht dumm. Aber sie erkannte die ersten Anzeichen einsetzender Panik bei ihrem Partner und wenn sie nichts unternahm, um ihn wieder zu beruhigen, würde von Stille hier nicht mehr lange die Rede sein.

Sie hatte gehofft, dass er sich an die Enge und die nun einmal unumgänglichen Gegebenheiten auf einem U-Boot früher oder später gewöhnen würde. Zusammen mit Gibbs hatte sie nichts unversucht gelassen, um ihn von seiner latenten Furcht abzulenken. Was im Falle des NCIS-Agents ja auch scheinbar geglückt war, wenn sie sich an das unsanfte Zusammentreffen von vorhin zurückerinnerte. Sie schnitt eine Grimasse. Mit ein bisschen Pech tat diese unplanmäßige Ausnahmesituation nun ihren Rest, um diese bisher mühsam beherrschten Emotionen in Mulder überborden zu lassen.

Sie kannte Mulder so nicht und musste sich eingestehen, dass es sie erschütterte ihn so hilflos seinen inneren Dämonen gegenüber zu sehen. Allerdings hatten sie sich auch noch nie zuvor in einer solchen Lage befunden. Die menschliche Psyche gab oftmals Rätsel auf und als Ärztin würde sie nicht dulden, dass die ihres Partners Schaden nahm. Wenn es keinen anderen Weg gab, würde sie diese Operation abbrechen müssen. Nichts war so wichtig, dass man einen geistigen Schock riskieren musste.

Das Murmeln und leise Wimmern, mit dem sich Mulder an ihrer Seite quälte, wurde lauter und als sie nach ihm Griff, um ihn wenigstens still an seinem Platz zu halten, schüttelte er ihre Hand unwirsch ab.

Er konnte nicht still sitzen bleiben und abwarten, was als nächstes passieren würde. Er konnte nicht hierbleiben. Die Schatten aus den Ecken krochen bereits näher und die Wände rückten aufeinander zu. Nicht mehr lange und sie würden ihn und all die anderen Menschen in diesem Raum zwischen sich zerquetschen.

Mulder griff sich mit einem tiefen Stöhnen an den Kopf. Er hatte den Eindruck jeden einzelnen Kubikliter Wasser zu fühlen, der auf dieses kleine, zerbrechliche Schiff presste. Er meinte zu sehen, wie sich die metallenen Wände unter dem unfassbaren Druck wölbten. Sie würden zerquetscht wie eine reife Frucht in der Faust eines Riesen. Er durfte nicht noch mehr Zeit verlieren und machte Anstalten aufzustehen. Er musste fort von hier, raus aus diesem Schiff und hinauf zur Sonne.

„Mulder!“ Scully bekam ihren Partner gerade noch am Ärmel gegriffen und versuchte ihn daran zu hindern, vollständig auf die Füße zu kommen. Allerdings wehrte er sich heftig dagegen und zerrte und zappelte in dem vergeblichen Bemühen frei zu kommen.

„Lassen Sie mich los, Scully. Lassen Sie mich gehen.“

„Mulder....“

„Ihr sollt mich loslassen!“ Den letzten Satz hatte er fast geschrien und Scullys Magen zog sich voller Furcht zusammen. Verzerrt hallte sein Schrei von den glatten Wänden des Schiffes wider.

„Kann jemand diesen Mann zur Raison bringen? Er bringt uns noch allen den Tod.“

Scully hatte keine Ahnung von wem diese Worte kamen, zu sehr war sie damit beschäftigt den zappelnden Mulder in Schach zu halten. Wenn er sich losriss und den Raum verließ, fürchtete sie in der Tat um ihrer aller Sicherheit.

Mulders Stimme klang rau, als er mit etwas gesenkterer Stimme weitersprach: „Wir sind bereits tot, wenn wir hier nicht sofort verschwinden. Ich muss raus hier. RAUS!“

„Er muss verdammt noch mal ruhig sein!“

„Mulder. Bitte beruhigen Sie sich.“ Doch der Agent schien Scully überhaupt nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen.

In seinem Rücken erhob sich Gibbs indes beinah lautlos auf die Knie und zwei weitere schattenhafte Gestalten kamen hinzu, um Mulder notfalls mit Gewalt ruhig zu stellen. Etwas das der NCIS-Agent gerne vermeiden würde. Noch hatte Mulder keinen sicheren Stand, hatte sich noch nicht vollständig aufrichten können. Mit etwas Geschick würde sein Gleichgewicht leicht zu brechen sein.

So ergriff er den Jüngeren also von hinten an den Schultern, drehte seinen Oberkörper ruckartig und zog ihn dabei zurück gegen die Wand. Und die Rechnung ging auf.

Strauchelnd kämpfte Mulder noch einen Moment mit seinem Gleichgewicht, dann fiel er schwer und mit einem dumpfen Dröhnen zurück auf seinen Platz. Die weiteren Versuche sich wieder aufzurichten, wurden von Gibbs Hand auf seiner Schulter unnachgiebig unterbunden und nach einer Weile des zwecklosen Aufbegehrens, stellte er seinen Widerstand schließlich ein. Er schloss ergeben die Augen und ein leises, brunnentiefes Schluchzen entrang sich seiner Kehle.

Es war erschütternd, was Angst aus einem Menschen machen konnte und Gibbs schauderte unbewusst. Jeder der Anwesenden wusste nur zu genau, dass genau der gleiche Dämon in einem selbst lauerte. Wartete, dass der Mensch die Nerven und damit die Beherrschung verlor. Niemand war davor gefeit Opfer der Angst zu werden.

„Wird er still sein?“

Der NCIS-Agent sah zu dem Mann auf, der noch immer neben ihm stand und feindselig auf Mulder herabstarrte, so als warte er nur darauf, dass dieser erneut Ärger machte und ihm damit einen Anlass gab, die angestaute Spannung an ihm auszulassen. In seiner Stimme war deutlich das zarte Vibrieren zu vernehmen, welches die tiefe Furcht des Sprechers verriet. Sie mussten Mulder beruhigen, andernfalls riskierten sie, dass seine Panik auf andere übersprang. Und dieser Mann würde einer der Ersten sein.

„Er wird, darum kümmern wir uns.“ Gibbs erhob sich und trat zwischen den Mann und Mulder, um den Blickkontakt zu brechen. Mit einem sanften Druck versuchte er sein Gegenüber dabei zurück zu seinem Platz zu bugsieren. „Bitte setzen Sie sich wieder.“

Als der Mann keinerlei Anstalten machte seinen Worten Folge zu leisten, zogen sich Gibbs Brauen drohend zusammen. Seine Augen blitzten. „Setzen Sie sich!“

Nur widerstrebend gehorchte er und der NCIS-Agent konnte aufatmen. Zumindest für den Moment war die Lage unter Kontrolle. Mit einem leisen Seufzen sank er nun seinerseits zurück zu Boden und warf einen prüfenden Blick in Richtung des Sorgenkindes.

Das unruhige Zappeln und leise Wimmern war abgeklungen und er kauerte an Scullys Seite, die einen Arm um ihn geschlungen hatte. Schützend an sich gedrückt, raunte sie leise, beruhigende Worte und tatsächlich schien sich der Agent langsam zu entspannen. Sein Atem wurde tiefer.

Die Nase in das zerzauste, braune Haar ihres Partners gewühlt, erwiderte Scully Gibbs Blick mit einem dankbaren Blinzeln. Sie beide wussten wie knapp es gewesen war.

Dennoch war es befremdlich die beiden so vertraut miteinander zu sehen und es versetzte Gibbs einen scharfen Stich. Man musste schon blind sein, um zu übersehen, dass diese beiden FBI-Agents mehr verband als der Dienst oder simple Freundschaft.

Er erwiderte Scullys Blick mit einem schwachen Nicken und drückte Mulders Schulter kurz aufmunternd. Dann schloss er die Augen und lauschte mit an die Wand gelehntem Kopf dem noch immer hallenden Ton des Sonars. Es war nie unterbrochen worden und hatte die Szenerie als unheilvolle Hintergrundmusik die ganze Zeit über begleitet. Ansonsten war die Stille in den kleinen Raum zurück gekehrt.
 

Er musste eingeschlafen sein, zumindest für einen kurzen Moment, denn als er aus seiner denkbar unbequemen Haltung hochschreckte, hatte er für einige kurze Herzschläge ein beklemmendes Gefühl der Orientierungslosigkeit. Sie stellte sich als unbegründet heraus und rührte vermutlich daher, dass um ihn herum schwärzeste Dunkelheit herrschte.

Durch diese Dunkelheit erklang das Rascheln und Schnaufen der anderen unerwartet laut, Unruhe war aufgekommen und als Gibbs sich fragte weshalb, gewahrte er das Fehlen des Sonartons.

Alarmiert richtete er sich auf: „Wann hat es aufgehört?“

„Vor ein paar Sekunden.“ Scullys Stimme klang dumpf und verriet die selbe Sorge, die der NCIS-Agent verspürte. „Es brach urplötzlich ab, als habe man einen Stecker aus der Leitung gerissen. Ganz merkwürdig.“

„Und warum ist das Licht aus?“

Darauf konnte sie ihm nicht antworten, aber eines der Crewmitglieder schien eine Taschenlampe bei sich zu führen, deren weißer Lichtkegel jetzt prüfend über die Metallwände leckte. Das Licht verdrängte die niederdrückende Präsenz der Finsternis und die Spannung in dem kleinen Raum legte sich wieder ein Stück weit.

„Haben wir es überstanden?“

Scully und Gibbs tauschten einen kurzen Blick. Sie alle lauschten noch immer angestrengt, so als erwarteten sie das durchdringende Geräusch des Sonars jeden Augenblick wieder zu hören. Oder aber das unheilvolle Rauschen eines Torpedos unmittelbar vor dem Einschlag. Aber es blieb still.

„Für den Moment scheint es so.“ Gibbs kam auf die Füße und schritt hinüber zu der bordinternen Sprechanlage neben dem Schott. Beinah befürchtete er, dass diese Nussschale von U-Boot den Tauchgang nicht unbeschadet überstanden hatte, doch aus dem kleinen Lautsprecher drang ein widerliches Knarzen, als er die Sprechtaste betätigte. „Kingsley, wie ist unser Status?“

Statt des Kapitäns kam die Stimme des ersten Kommandanten unter starkem Rauschen durch die Leitung und es war keinem der Anwesenden möglich, irgendetwas zu verstehen.

Gibbs knurrte. Also doch Beschädigungen. Er hatte nichts anderes erwartet und so ließ er das marode Gerät links liegen und wandte sich an die zwei FBI-Agents hinter sich. Mulder schien sich wieder einigermaßen unter Kontrolle zu haben, auch wenn er recht mitgenommen aussah. „Kommen sie, gehen wir zur Brücke. Irgendetwas ist mächtig faul an dieser Sache.“

Schweigend durchschritten sie die dunklen Flure, die durch das unstete Licht der Taschenlampe noch viel verwinkelter und schmaler erschienen. Gibbs hatte dem unglücklichen Crewmitglied kurzerhand die Lampe abgenommen und Scully war nicht undankbar für das wenige Licht. Das U-Boot selbst war nicht sehr groß, aber so verworren, dass sie den Weg zur Brücke im Dunklen wohl kaum gefunden hätten.

Dort angekommen herrschte ebensolche Dunkelheit wie auf dem gesamten Rest des Schiffes. Eine Ausnahme bildeten nur einige wenige Instrumente, von denen ein schwaches Glühen abstrahlte. Es herrschte geschäftiges Treiben.

„Was ist passiert?“

Der Kommandant blickte von seinem Steuerpult auf und kam dann auf die Agents zu. Er wirkte abgekämpft, aber seine Augen waren wachsam. „Wir wissen es nicht sicher, Agent Scully, aber ein Großteil unserer Hauptstromversorgung ist plötzlich zusammengebrochen. Erklären kann ich es mir nicht, aber in wenigen Minuten werden wir zumindest wieder Saft auf den Primärsystemen haben. Auftauchen ist dann wieder möglich.“

Gibbs musterte den jungen Mann scharf von der Seite. „Was ist mit der 'SeaCrawler'? Ist sie noch immer dort oben?“

„Sir, ohne Instrumente ist es mir unmöglich diese Frage zu beantworten. Ich vermute es, ja. Aber unter den gegebenen Umständen kann ich nicht verantworten länger unter Wasser zu bleiben.“

Mit einem unwilligen Summen erwachte in diesem Moment der Notstrom zu neuem Leben und Licht kehrte in die Räume und Flure zurück. Sofort begann die Crew mit den Vorbereitungen zum Auftauchen. Es war gefährlich, solange sie nicht wussten ob der Navy-Kreuzer noch immer an der Wasseroberfläche auf sie lauerte, doch der Kommandant hatte Recht. Unter Wasser zu verbleiben war für den Moment mindestens genau so gefährlich. Ein Dilemma.

Gibbs lächelte böse. Warum sollte auch irgendetwas mal leicht sein? „Seien Sie vorsichtig. Ich denke, dass es keiner von uns schätzt, wenn wir unmittelbar nach dem Auftauchen einen Torpedo in der Flanke haben. Und wo überhaupt ist Kingsley?“

„Ich habe ihn in sein Quartier geschickt.“ Der Kommandant sah nicht von seiner Arbeit auf, doch seine Gesichtszüge verhärteten sich. Es war offensichtlich, dass er sich über seinen Vorgesetzten ärgerte. „Kingsley ist ganz groß wenn es darum geht, Reden zu schwingen. Aber wenn es drauf ankommt, wenn er wirklich gebraucht wird, ist er ein Feigling.

Diese Geschichten die er immer so gerne erzählt, von abenteuerlichen Guerrillafahrten mit Greenpeace-Aktivisten und so, ich bezweifle dass auch nur die Hälfte von ihnen wahr ist.“

Scully seufzte leise und rollte dann mit den Augen, als sie den selbstzufriedenen Blick ihres Partners auffing. Warum musste er mit seiner Einschätzung auch immer Recht behalten?

Ein Beben lief durch das Schiff und der Bug hob sich in einen sanften Winkel, leitete das Auftauchen ein. Die Mannschaft verstand ihr Handwerk gut und als das U-Boot auf Periskoptiefe angekommen war, unterbrachen sie das Auftauchen. Niemand wollte unvorbereitet direkt vor den Geschützen der 'SeaCrawler' erscheinen.

„Sie ist noch immer da, einige hundert Meter steuerbord von uns.“ Der Kommandant konnte die Niedergeschlagenheit kaum verbergen und machte Platz, um Gibbs durch das Auge sehen zu lassen. Mulder und Scully tauschten einen unglücklichen Blick.

Auch der NCIS-Agent grollte verärgert bei dem Anblick des Navy-Kreuzers. Im Grunde war das vollkommen unmöglich. Entweder hätte die Besatzung der 'SeaCrawler' das kleine Forschungsschiff entdeckt – und in diesem Falle hätten sie nie und nimmer so lange Ruhe gehabt – oder aber das Kriegsschiff wäre weiter seinem Zielhafen entgegen gefahren. Dass es aber tatenlos an Ort und Stelle verblieb, hatte er noch nie erlebt.

Aufmerksam beobachtete er die Decks des Schiffes und warf einen kurzen, prüfenden Blick auf die Anzeigen der Instrumente des U-Bootes. Etwas war seltsam und er runzelte die Stirn. „Wenn ich mich nicht täusche, hat sich die 'SeaCrawler' seit unserem letzten Aufeinandertreffen kaum vom Fleck bewegt, richtig?“

Der Kommandant ließ kurze Berechnungen durchlaufen und nickte dann. „Sie haben Recht. Nur wenige Grad Abweichung und das...“, er prüfte die Daten erneut. „Es sieht fast so aus, als würde sie entlang der Strömung treiben.“

Verwundert und ratlos schwiegen sie. Warum sollte ein Kriegsschiff so etwas tun? Das machte einfach keinen Sinn.

Mulder trat nun seinerseits an das Periskop heran und spähte hindurch. Lange beobachtete er die 'SeaCrawler', ehe er sich mit nachdenklicher Mine wieder zu den anderen umwandte. „Sie scheint unbemannt.“

„Was?“

„Sie hat keine Mannschaft. Sie ist ein Geisterschiff. Sehen Sie selbst.“

Scully ließ sich nicht zwei Mal bitten und tatsächlich kam es ihr ungewöhnlich vor, niemanden an Deck ausmachen zu können. Bestürzt ließ sie vom Periskop ab: „Was hat das zu bedeuten?“

Ihr Partner grinste wölfisch. „Nun in erster Linie heißt das wohl, dass wir gefahrlos auftauchen können.“

Scully bedachte ihn mit einem finsteren Blick.

„Was auf der 'SeaCrawler' geschehen ist können wir aber vermutlich nur enträtseln, wenn wie an Bord gehen.“

„Sie sind doch..“ Scully verbiss sich den Rest von dem, was sie hatte sagen wollen. Schließlich war es Fox Mulder mit dem sie hier gerade debattierte. „Aber das Sonar. Mulder, wir haben es alle gehört, es war da. Und es schaltet sich nicht einfach wie von Geisterhand ein und wieder aus.“

„Scully ich kann Ihnen nicht erklären wie das alles zusammenhängt. Aber ich bin mir sicher, dass wir Antworten finden werden, wenn wir auf den Kreuzer übersetzen.“ Seine dunklen Augen strahlten in kindlicher Begeisterung. Der Schatten seiner tief sitzenden Furcht war verschwunden. Das war genau die Art von Ablenkung die er benötigte. „Und wahrscheinlich finden wir sogar noch ein paar mehr Antworten auf offene Fragen. Wir dürfen diese Gelegenheit nicht verpassen.“

Skeptisch und ein wenig unangenehm berührt sagte keiner etwas darauf. Erst der Kommandant rettete die Situation mit einem sarkastischen Unterton: „Nunja, wir werden ohnehin einige Zeit brauchen, bis all unsere Systeme wieder laufen und wir herausgefunden haben, was genau uns lahm gelegt hat. Wenn sie also einen kleinen Ausflug zur Überbrückung der Zeit machen wollen, nur zu.“

Gibbs musste unweigerlich schmunzeln, aber Mulder schien diese Spitze keinesfalls lustig zu finden: „Spotten Sie nur. Wir haben immerhin das erste Ziel unserer Operation erreicht. Aus diesem Grund sind wir doch überhaupt erst aufgebrochen.“ Eindringlich blickte er Gibbs und Scully in die Augen. Sie mussten herausfinden was mit der hochgefährlichen Fracht der 'SeaCrawler' geschehen war und er hoffte, dass er diesen Umstand nicht noch einmal extra deutlich machen musste.

Mit einem ergebenen Nicken lenkte der NCIS-Agent schließlich ein. „Also gut. Nutzen wir die Zeit, ein paar Ermittlungen einzuholen. Es würde mich wirklich brennend interessieren, wie Sie mir erklären wollen wie ein marines Kriegsschiff an zwei Orten gleichzeitig sein kann.“ Er wusste nicht was er tun sollte, stellte sich tatsächlich heraus, dass die 'SeaCrawler' verwaist war. Das war einfach zu verrückt, aber er konnte nicht von der Hand weisen, dass die Indizien für sich sprachen.

„Ich werde ihnen einige meiner Männer mitgeben, die sie sicher hinüber bringen werden. Mit etwas Glück bekommen wir den Funk wieder zum Laufen, dann können wir uns auf diesem Weg verständigen.“ Der Kommandant sah nicht allzu überzeugt aus, doch die Geschäfte seiner Auftraggeber gingen ihn nuneinmal nichts an. „Sobald wir Funkkontakt zu Ihren Leuten haben, Agent Gibbs, lasse ich es Sie wissen.“

Die drei Agenten verabschiedeten sich und folgten dem Crewmitglied, das ihnen den Weg zum Beiboot weisen würde. Einen Weg ins Ungewisse.

Das Geisterschiff

Regen schlug ihnen ins Gesicht und das Meer hatte die Farbe stählernen Graus angenommen, in welcher die 'SeaCrawler' beinah unsichtbar wurde. Die düsteren Wolken hingen tief am Himmel, entluden ihre ungezähmte Wut auf das schutzlose Schlauchboot. Es wurde von den Wellen hart umhergestoßen, doch es kämpfte sich unbeeindruckt seinen Weg durch die aufgewühlte See und auf das Kriegsschiff zu. Es würde ein äußerst schwieriges und nicht ungefährliches Unterfangen werden, unter diesen Umständen an Bord zu gehen, doch die Agents hatten sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen lassen, trotz aller Bedenken der sie begleitenden Mannschaft.

Während Gibbs Anweisungen gab sich im Windschatten der steil aufragenden Bordwand zu nähern, musterte Mulder mit nachdenklicher Mine den vom Sturm gezeichneten Horizont. Seine braunen Augen huschten unruhig, als erwarte er etwas Bestimmtes zu entdecken, und jeder andere an Bord hätte das seltsame Flimmern in der Ferne vermutlich auf das nahende Unwetter geschoben. Doch Mulder wusste es besser. Zwar entging selbst ihm nicht, dass es ein wahres Monster von Unwetter war, das sich ihnen näherte und schon allzu bald direkt über ihnen sein würde. Nicht die besten Rahmenbedingungen für ein Vorhaben wie ihres. Aber darauf durften sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Sie schwebten in Gefahr und das nicht allein des Sturmes wegen.

Der unsanfte Aufprall gegen die Bordwand der 'SeaCrawler' unterbrach seine Gedanken jäh. Das motorisierte Schlauchboot wurde von dem massiven Stahl zurückgeworfen, ehe es sich aufheulend erneut gegen das erheblich größere Schiff presste. Steigleitern wurden mit Hilfe von Luftdruckpistolen hinauf zur Reling geschossen, wo sie sich verhakten und hängen blieben. Welch Ironie, dass man seine eigenen Schiffe mit den Tricks der Piraten betreten musste.

Sie alle erlebten in den darauf folgenden Minuten einen ganz eigenen persönlichen Alptraum, als sie an den vom Sturm gepeitschten Strickleitern das schwankende Schiff emporkletterten. Der Regen tat das Übrige, um Griff- und Trittsicherheit zu minimieren, aber sie erreichten das Deck, wenngleich vollkommen außer Atem.

Ohne zu zögern folgten Mulder und Scully dem NCIS-Agent, der im Laufschritt die freie Fläche querte und dem Schutz des Geschützturms entgegen strebte. Als die schwere Tür dann endlich hinter ihnen ins Schloss fiel, erstarb das Brüllen des Windes und der Regen wurde ausgesperrt. Tropfnass und keuchend standen sie da, versuchten erst einmal wieder zu Atem zu kommen und blickten sich um.

Der schmale Gang, welcher sich rechts und links von der Tür ausdehnte, lag in vollkommener Dunkelheit und nur am äußersten Ende war ein schwacher Schimmer von Tageslicht auszumachen, das durch eines der wenigen Fenster fiel. Bei den draußen herrschenden Wetterverhältnissen war selbst das allerdings nicht allzu viel. Aber immerhin ein Anhaltspunkt, in dessen Richtung sie sich orientieren würden.

Auf ihrem Weg durch den schmalen Flur war jeder Einzelne von ihnen froh darüber, dass sie ihre Waffen mit auf diese Erkundungstour genommen hatten. Das vertraute Gewicht war tröstend und beruhigend zugleich. Nachdem Gibbs seine Waffe gezogen hatte, gab er den FBI-Agents mit einem knappen Nicken zu verstehen das Selbe zu tun.

Niemand musste ihnen sagen, dass sie sich bei ihrer Suche leise verhalten sollten. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht und noch konnten sie nicht einmal raten, was dem Kreuzer zugestoßen sein mochte. Möglich, dass feindliche Truppen das Schiff geentert und in ihre Gewalt gezwungen hatten und in diesem Falle mussten sie höchst aufmerksam sein. In jeder einzelnen Sekunde.

Beinah lautlos schritten sie hintereinander den Gang hinunter. Gibbs übernahm ein Mal mehr die Führung, die Waffe im Anschlag und den Strahl seiner Taschenlampe nach vorn gerichtet. Hinter ihm folgte Scully und Mulder bildete den Schluss. Sein Licht war auf die Bereiche in ihrem Rücken gerichtet. Er würde sie warnen, sollte sich ihnen jemand von dort aus nähern.

Doch schon bald wurde klar, dass diese 'SeaCrawler' ebenso verwaist war wie die im Maisfeld von Tennessee. Allerdings fehlten die katastrophalen Beschädigungen und auch sonst war dieser Kreuzer in einem weniger desolaten Zustand. Aber wo war die Mannschaft?

So sehr diese Frage die drei Agents auch beschäftigte, Gibbs schlug zu Mulders Erleichterung zuerst den Weg zu den tiefer gelegenen Decks ein. Zu den Frachträumen. Zwar wusste der NCIS-Agent nach wie vor dieses ominöse schwarze Öl nicht so recht einzuordnen, doch immerhin war es nicht von der Hand zu weisen, dass all die mysteriösen Umstände, die sich um die 'SeaCrawler' rankten, damit in enger Verbindung standen.

Und so erreichten sie nach einiger Verwirrung – das Licht der Taschenlampen konnte trügerisch sein – den Frachtraum, im welchem sie in Tennessee die Rückstände des Öls und die fehlenden Fässer bemerkt hatten. Vorsichtig, ihre Waffen im Anschlag, öffneten sie die schmale Tür.

Der kleine Raum dahinter war nicht leer. Bis zur Decke stapelten sich unbeschriftete, schlicht graue Fässer und Mulder konnte nicht verhindern, dass ihm ein angeekeltes Knurren entwich.

„Sind sie das?“ Gibbs versuchte die Menge der hier gelagerten Fracht abzuschätzen, aber er konnte unmöglich sagen, wie groß dieser Raum wirklich war. Das Licht der Taschenlampen konnte die gesamte Ausdehnung kaum erfassen.

Scully schob sich an ihm vorbei. „Es sieht ganz danach aus. Ja.“ Prüfend strich ihr Blick über die nichtssagende Oberfläche der Behälter. Sicher würden sie sich nur sein können, wenn sie den Inhalt von ihnen überprüften. Aber das grenzte an Selbstmord und kam nicht in Frage. Die Art der Fracht, diese Fässer ohne Aufschrift, war ihnen nur allzu vertraut und so hegte sie keinen Zweifel, dass gefunden zu haben, wonach sie gesucht hatten.

„Hier ist also unsere verschwundene Ladung noch nicht verschwunden. Wirklich merkwürdig.“ Das Licht ihrer Lampe leckte weiter über die Reihen der Fässer und sie wollte sich bereits wieder abwenden, als sie den Strahl von Mulders Lampe über eine umgestürzte Sektion gleiten sah. „Mulder, warten Sie! Leuchten Sie noch einmal nach links. Dort in die Ecke.“

Sowohl Mulder als auch Gibbs kamen ihrer beängstigend dringlichen Aufforderung nach und enthüllten das Dilemma, welches Scully nur flüchtig hatte sehen können. Gut, dass sie es überhaupt bemerkt hatte.

Mehrere Behälter aus den oberen Reihen waren umgestürzt und zu Boden gefallen. Und mindestens eines von ihnen war dadurch leckgeschlagen. Deutlich konnten die Agents in dem Licht die zähflüssige Substanz ausmachen, die sich zwischen den Fässern ausgebreitet hatte.

„Zurück! Raus hier, sofort!“ Scully stolperte rückwärts aus der Tür, ohne dabei den Blick ihrer weit aufgerissenen Augen von dem schwarzen Tod zu nehmen. Und sie hätte schwören können, dass die ersten Ausläufer sich bewegt hatten. Sich auf sie zu bewegt hatten, gleich träge fließendem Blut. Kalte Furcht saß ihr im Nacken und sie schauderte.

Kaum dass sie durch die Tür war, schlug Gibbs das Schott zu und Mulder verriegelte es mit fliegenden Fingern. Eine sinnlose Vorkehrung, doch zumindest versperrte es den Blick und beruhigte das Gewissen und löste so Scullys allzu lebhafte Horrorszenarien. Die drei Agents wichen von der Tür zurück.

„Ich schätze, wir haben ein Problem.“

Mulder und Scully blickten den NCIS-Agent wortlos an. Das hier ein Problem zu nennen war bestenfalls eine maßlose Untertreibung, doch Gibbs schien etwas anderes zu meinen. Seine blauen Augen zuckten unruhig.

„Jemand war bereits vor uns hier und hat den Lagerraum betreten. Jemand der weniger vorsichtig gewesen ist als wir. In der Flüssigkeit waren Eindrücke eines Schuhprofils.“

Den FBI-Agents war es unmöglich das Entsetzen zu verbergen. Sie beide hatten die Spur auch gesehen, waren gedanklich aber ganz woanders gewesen, als dass sie die Konsequenzen sofort hätten erfassen können. Gibbs hatte Recht und das war furchtbar.

„Ich kann mir immer noch nicht ganz vorstellen, was dieses Zeug einem Menschen antut.“ Seine Hand schloss sich fester um den Griff seiner Waffe. Plötzlich wirkte die Stille dieses Schiffes nicht länger friedlich. Er konnte fühlen, wie sich die feinen Härchen in seinem Nacken aufrichteten. „Aber gemessen an dem, was sie beide mir und meinem Team berichtet haben, sollten wir zumindest den Grund für das Verschwinden der Crew gefunden haben.“

„Ob sie wirklich verschwunden sind ist die Frage.“ Es klang sarkastischer als Mulder beabsichtigt hatte. Auch er spürte den schleichenden Terror der Furcht in sich aufsteigen und konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, hektisch in der Gegen herum zu funzeln. „Wir sind hier nicht länger sicher. Wir müssen das Schiff in Brand setzen und dann schleunigst verschwinden.“

Belustigt schnitt Gibbs eine Grimasse „Immer hübsch langsam, Agent. Haben Sie überhaupt eine Ahnung von was sie da reden?“ Er beäugte den Jüngeren zweifelnd von der Seite. „Ein Kriegsschiff in Brand setzen? Das braucht ein bisschen mehr als nur ein Feuerzeug.“

„Aber es ist die einzige Möglichkeit, mit welcher diese Substanz zerstört werden kann.“ Mulder musste sich beherrschen, um nicht zu schreien. Sie hatten jetzt verdammt noch Mal keine Zeit für dieses Kompetenzgerangel. „Wenn wir verhindern wollen, dass noch mehr geschieht als 'nur' der Verlust dieses Navy-Kreuzers, wenn wir verhindern wollen dass noch mehr Menschen von dem Virus befallen werden als nur die Crew auf diesem Schiff, dann müssen wir alles hier verbrennen. Die Mannschaft ist bereits verloren. Der Tod wird eine Gnade sein.“

Beschwichtigend ließ Scully ihre Hand auf den Unterarm ihres Partners sinken. „Ich denke, Agent Gibbs versteht die Notwendigkeit sehr wohl, die 'SeaCrawler' zu vernichten. Seine berechtigte Frage ist bloß wie wir das anstellen wollen?

Aber verstehe ich Sie richtig? Mulder, gehen Sie wirklich davon aus, dass die infizierte Mannschaft sich noch an Bord befindet?“

Mulder hielt ihrem forschenden Blick einen Moment lang stand. Dann flackerten seine Augen zurück in die Dunkelheit, voll unverhohlener Sorge. „Ich habe keine fehlenden Rettungskapseln entdecken können. Sie etwa?“

Bestürzt tauschten Gibbs und Scully einen schnellen Blick. Wenn das stimmte... Die Lichtkegel ihrer Taschenlampen huschten in die abzweigenden Flure, scannten ihre unmittelbare Umgebung nach Hinweisen, dass man sie bemerkt hatte. Doch noch herrschte Ruhe, auch wenn ihre Einbildung ihnen schon jetzt vorgaukelte, entfernte Schritte zu hören. Es konnte genau so gut der Regen sein, den der Sturm gegen die Außenhülle des Schiffes warf.

„Wir brauchen einen Plan und zwar schnell.“ Mulders Stimme klang fremd und dumpf zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen.

„Einen Plan brauchen wir, da stimme ich Ihnen zu. Mit der Schnelligkeit werden wir allerdings Schwierigkeiten bekommen.“ Gibbs lächelte schief. Er hatte bereits eine wage Idee, aber es würde nicht einfach werden. Zumal die Systeme der 'SeaCrawler' offensichtlich offline waren. Das würde mit etwas Pech bedeuten, dass sie sich trennen mussten.

Der NCIS-Agent schauderte. Er war kein ängstlicher oder gar schreckhafter Mensch, aber der Gedanke durch ein totes Schiff zu rennen, auf welchem einem jederzeit seltsame Hybridwesen begegnen konnten, ließen selbst ihn Furcht verspüren. Bislang hatte er Scullys und Mulders Theorien noch immer für schlecht erzählte Märchen gehalten. Aber hier, eingepfercht mit eben diesem Märchen, erschienen es in einem vollkommen anderen Licht.

Entschlossen drängte er diese Gedanken zur Seite. Er hatte Wichtigeres zu bedenken, schließlich ging er nicht davon aus, dass Mulder ihn belog was die Gefährlichkeit dieses Virus anbelangte. Das FBI würde wohl kaum solche Anstrengungen unternehmen, wenn es nicht wichtig wäre. Und in diesem Fall gab er Mulder Recht: Der schnellste Weg wäre die Vernichtung des Kriegsschiffes, so sehr es ihn auch schmerzte.

„Wir müssen einen Weg finden die 'SeaCrawler' zu zerstören, ihre Systeme gegen sie zu wenden. Unser Forschungsschiff besitzt nichts, mit dem es einem Kreuzer dieser Klasse gefährlich werden könnte.“ Seine Augen wanderten von Mulder zu Scully, wachsam und erwartungsvoll. „Und es muss etwas sein, das uns die nötige Zeit einräumt weit genug fort zu kommen, um den Auswirkungen der Zerstörung nicht auch zum Opfer zu fallen.

Ich sage wir versuchen unser Glück im Maschinenraum und sehen, was wir durch Sabotage erreichen können.“

„In jedem guten Film haben diese Dinger einen Selbstzerstörungsmodus.“ Mulder ließ kurz seine Zähne aufblitzen als Zeichen, dass er es ironisch meinte. „Diese Erfindung sollte wirklich einmal überdacht werden.“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, setzten sie sich wieder in Bewegung. In der gleichen Formation wie zuvor. Dieses Mal wussten sie, dass hinter jeder düsteren Ecke ein Hinterhalt lauern könnte und so bemühten sie sich noch leiser und noch schneller ans Ziel zu kommen.

Zwar bewegte sich Gibbs mühelos und zielsicher durch dieses finstere Labyrinth aus Fluren und Treppenschächten, aber die Crew der 'SeaCrawler' würde dennoch weit im Vorteil sein. Sie befanden sich in einem Bereich, in welchem die Mannschaft sich seit Wochen, vielleicht sogar seit Monaten aufgehalten hatte. Sie kannten die Gegebenheiten des Schiffes blind und das machte es für die drei Agents nicht unbedingt leichter.

Keiner von ihnen fühlte sich sonderlich wohl, wenn sie die unübersichtlichen Treppen nacheinander hinunter steigen mussten oder einer nach dem anderen geduckt durch enge Schleusenbereiche kriechen mussten. Aber Gibbs hatte beschlossen, den direkten Weg zu meiden in der Hoffnung, dass die Crew ihre Orientierung und ihr Wissen über das Kriegsschiff unterschätzte. Zwar entspannten sie sich ein wenig, als nach mehreren Minuten noch immer nichts darauf hindeutete, dass man sie bemerkt hatte, geschweige denn verfolgte. Doch sie blieben wachsam.

Unbehelligt erreichten sie dann auch das Level, auf welchem sich die Maschinenräume aneinander reihten. Unter normalen Umständen war es unerträglich laut hier unten, doch jetzt, wo alle Systeme ruhten, herrschte eine gespenstische Stille. Sie passierten die Bereiche der gigantischen Antriebskolben, die zusammen mit den mächtigen Schwungrädern bizarre Schatten an die gewölbten Wände projizierte. Sie verzerrten sich im Vorbeigehen und narrten die Wahrnehmung des Trios mehr als ein Mal. Nervös flimmerten die Lichtstrahlen ihrer Taschenlampen in die verborgenen Ecken, unfähig die kriechende Dunkelheit ganz zu vertreiben.

Es passierte, als sich Gibbs unter dem niedrigen Türsturz hindurch duckte, der sie in einen der zahlreichen Kontrollräume führen würde, als unsichtbare Finger aus der Dunkelheit rechts und links neben der Tür hervorzuckten, ihn ergriffen und von den Füßen holten. Seines Gleichgewichts beraubt, rollte er sich nach vorne ab, konnte aber nicht verhindern, dass ihm beim Aufprall auf den Boden die Lampe aus der Hand geprellt wurde. Das Licht verlosch schlagartig.

Noch am Boden rollte er sich auf den Rücken, zurück in Richtung der Tür, durch die noch immer das schwache Licht von Mulders und Scullys Taschenlampen herein fiel. Er hörte sie rufen, aber sie blieben in weiser Voraussicht auf der anderen Seite in Deckung.

Am äußersten Rand der Lichtkegel konnte er hastige, verstohlene Bewegungen ausmachen. Schattenhafte Gestalten, die sich erschreckend schnell und seltsam eckig bewegten. Der NCIS-Agent knirschte mit den Zähnen. Nichts, womit er nicht fertig werden konnte. Behutsam erhob er sich in die Hocke, bemühte sich dabei einen möglichst großen Bereich seiner Umgebung im Auge zu behalten und steckte seine Waffe weg. Er wollte in diesem diffusen Licht nicht versehentlich einen seiner beiden Begleiter treffen oder einen Querschläger riskieren. Ihre Angreifer schienen zu schnell für einen sicheren Schuss zu sein.

Innerlich bereits auf einen weiteren Angriff vorbereitet, erkannte Gibbs die schattenhafte Bewegung aus dem Augenwinkel gerade noch rechtzeitig, um sich mit einer schnellen Körperdrehung abzuwenden. Trotzdem wurde er hart an der Schulter getroffen und stürzte erneut.

Augenblicklich waren sie über ihm, gleich ausgehungerten Wölfen, und Chaos brach los. Gibbs spürte, wie unzählige Hände nach ihm griffen, Finger, die ihn mit unmenschlicher Kraft an Armen und Beinen packten und eisern festhielten. Mit aller Macht versuchte er sich loszureißen, drehte und wendete sich und konnte die Griffe doch nicht lösen. Vielmehr gruben sich die Finger noch schmerzhafter in seine Muskeln und er bäumte sich mit einem wütenden Knurren auf.

Verschwommen sah er, wie Mulder durch das niedrige Schott sprang, um ihm zu helfen, nur wenige Schritte trennte die zwei Agents noch voneinander. Aber Gibbs wurde trotz erbittertem Widerstand in die Knie gezwungen. Jemand war in seinem Rücken, er konnte den heißen Atem in seinem Nacken spüren, als sich ein sehniger Arm um seinen Kopf legte, seine Augen bedeckte und ihn unsanft zur absoluten Bewegungslosigkeit verdammte. Fest im Griff des unsichtbaren Gegners hätte er laut fluchen mögen, als er noch zusätzlich den Lauf seiner eigenen Waffe am Hals spürte.

„Keinen Schritt weiter, oder ich töte ihn auf der Stelle.“ Die raue Stimme wies einen deutlichen südwest-amerikanischen Tieflanddialekt auf, klang dabei aber seltsam verzerrt und entstellt. Als hätte der Sprecher zu viel Wasser in der Lunge. „Stehen bleiben, habe ich gesagt!“

Gibbs vernahm das bedrohliche Klicken eines zurückschnappenden Schlagbolzens und hielt entsetzt den Atem an. Nur eine winzige, unbedachte Bewegung seines Widersachers und der tödliche Schuss würde brechen. Blind wie er war, konnte er Mulder und Scully zwar nicht sehen, doch schienen sie innezuhalten, denn auch der Mann in seinem Rücken entspannte sich wieder ein wenig.

„Die Waffen auf den Boden und dann will ich die Hände hinter den Köpfen sehen. Na wirds bald?“

Nach einigem Zögern war das metallene Klappern der niedergelegten Pistolen zu hören, direkt gefolgt vom Tappen schneller Schritte und dem wütenden Knurren Mulders. Noch immer herrschte tiefe Dunkelheit, mit Ausnahme des schwachen Lichts der fallen gelassenen Taschenlampen, aber dieses Zwielicht genügte den FBI-Agents zu erkennen, wer ihre Gegner waren. Scully konnte ein Schaudern nicht unterdrücken.

Der Mann, der Gibbs in eisernem Griff hielt, trug noch immer die Uniform des ersten Kommandanten und seine Gestalt war noch immer die eines Menschen. Aber die Schatten seiner Gesichtszüge straften diesen Eindruck Lügen. Sie hatten etwas animalisches, knochiges, und die Augen starrten aus pechschwarzen Pupillen auf die Gefangenen, in denen das Weiß vollständig verschluckt worden war.

Zu sehr von diesem Anblick erschüttert, ließen sich Mulder und Scully widerstandslos die Hände auf den Rücken binden und folgten der schweigenden Prozession anschließend zurück auf die oberen Decks. Niemand ihrer schattenhaften Begleiter verlor ein Wort und auch als sie ihr Ziel erreicht zu haben schienen, setzte sich dieses Schweigen fort.

Bleib nur die Hoffnung, dass in diesen Kreaturen noch eine Spur Mensch zurückgeblieben war und damit vielleicht ein paar der brennenden Fragen beantwortet... oder aber nie gestellt werden würden.

Das Philadelphia-Experiment

Sie befanden sich jetzt in der Schiffsmesse und durch mehrere Fenster sickerte das diffuse Tageslicht. Regen perlte an den Scheiben herab und verriet, dass das Unwetter draußen noch an Heftigkeit zunahm.

Mulder und Scully wurden angewiesen, am Boden Platz zu nehmen und nachdem man auch Gibbs die Hände gebunden hatte, ließ der Kommandant von ihm ab und stieß ihn zu ihnen herüber. Stolpernd konnte der NCIS-Agent den drohenden Sturz nicht mehr abfangen und fiel schwer vor die Füße seiner Gefährten. Gebunden wie sie waren, konnten sie ihm nicht helfen und so blieb Gibbs unverrichteter Dinge liegen. In brennendem Zorn über diese Demütigung funkelte er zu dem Fremden auf.

Einige Herzschläge lang musterten sich die ungleichen Parteien abschätzend. Die groteske Fremdartigkeit der Männer verschlug den Agents die Sprache. Neben dem Kommandanten waren noch knappe zwei Dutzend weitere Mannschaftsmitglieder anwesend und sie alle schienen in unterschiedlich fortgeschrittenen Stadien einer Metamorphose zu sein, welche ihre Menschlichkeit mehr und mehr verwischte.

Es war Mulder, der das Schweigen schließlich brach und seine Worte bedacht an den Kommandanten vor sich richtete. Die offenbarten Entstellungen schienen ihn am wenigsten zu erschüttern. Vielmehr erweckte er den Anschein von morbider Faszination. „Also ist die 'SeaCrawler' keinesfalls ein Geisterschiff, wie anfangs vermutet. Die Besatzung lebt noch.“

Die Züge des Kommandanten verhärteten sich. „Was bringt Sie zu dieser Annahme? An Ihrer Stelle wäre ich mir dessen nicht so sicher.“ Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich vor die drei Agents. Voller Argwohn musterte er sie. „Die 'SeaCrawler' ist ein Geisterschiff. Ein Teil der Mannschaft mag noch am Leben sein, aber wir alle sind dazu verdammt früher oder später dem Tod ins Auge zu sehen. Sie hätten dieses verfluchte Schiff nicht betreten sollen.“

Nachdenklich beobachtete Mulder, wie der hagere Mann von heftigen Krämpfen geschüttelt auf dem Stuhl zusammensackte, ehe er sich mit sichtlicher Mühe wieder in die Gewalt bekam. Täuschte er sich, oder hatten sich gerade Knochen unter der dünnen Haut verschoben?

„Mein Name ist Fox Mulder, ich bin vom FBI. Meine Partnerin Dana Scully und Agent Gibbs vom NCIS. Wir waren auf der Suche nach Ihrem Schiff, seitdem es von unseren Satelliten verschwand. Und noch mehr, als eben dieser Kreuzer in einem Maisfeld in Tennessee auftauchte. Ohne eine Spur seiner Besatzung und... ohne einen Hinweis auf den Verbleib seiner hochgefährlichen Ladung.“

Wieder im Vollbesitz seiner Kräfte, flammte Zorn in den Augen des Kommandanten auf. Ein ungeahnter Hass, der Mulder erschrocken zurückzucken ließ. „Dann sind Sie also Kettenhunde der gleichen, verschwörerischen Regierung, die uns das hier angetan hat.“ Er sprang auf und versetzte Gibbs einen Tritt, der ihn gepeinigt stöhnen ließ. „FBI und NCIS. Das ich nicht lache. Was kommt ihr jetzt, wo alles zu spät ist? Ihr solltet uns schützen! Statt dessen kommt ihr hier her um zu sehen, wie sich euer schmutziges Experiment entwickelt. Ob der Plan auch vorschriftsmäßig läuft.“

Seine schwarzen Augen schienen sich auszudehnen und jegliches Licht in dem Raum zu schlucken. Unter den Anwesenden wurde mürrisches Wispern laut. „Aber noch sind wir im Vollbesitz unserer geistigen Fähigkeiten. Noch können wir eigenständig denken und ich verspreche Ihnen: Sie werden nicht in den Schoß dieser Verbrecher zurückkehren, um ihnen Bericht zu erstatten.“

Er zog mit einem scharfen Klingen sein Kampfmesser und sank neben Gibbs auf ein Knie, doch Mulder reagierte geistesgegenwärtig und trat den Kommandanten von dem wehrlosen Agent fort. Ungerührt hielt er dem funkelnden Blick des Mannes stand: „Es wäre mir ein Vergnügen zu eben dieser Regierung zurückzukehren, mit all dem Wissen, das wir hier errungen haben. Um damit an die Öffentlichkeit zu treten. Seit Jahren schon suche ich nach einem handfesten Beweis der es mir möglich macht, die Verderbtheit unserer Regierung bloß zu stellen. Tötet uns und dergleichen wird nie geschehen. Tötet uns, und Eure Kameraden sind umsonst gestorben.“

Unschlüssig hielt der Kommandant inne. Seine unmenschlichen Augen flackerten. „Sie können uns nicht helfen. Niemand kann das, es ist zu spät. Wir können hier nicht mehr weg und sie, die sie mit uns auf diesem Schiff sind, auch nicht.“

„Wir haben ein anderes Schiff. Ein U-Boot. Es liegt ganz in der Nähe und wir müssen nur all ihre Kameraden hinüber schaffen. Wie sonst hätten wir sie denn finden sollen?“

Das trockene Lachen des Mannes unterbrach Mulder. „Sind Sie wirklich so naiv? Wissen Sie, was mit mir und meinen Männern geschieht? Vermutlich nicht, denn sonst würden sie ein solches Angebot nicht äußern. Was immer uns befallen hat, es würde auf Sie und die Mannschaft ihres Schiffes übergehen.“

Ein erneuter Krampf schüttelte ihn und es bereitete ihm große Mühe, fortzufahren: „Ich weiß nicht, wie lange wir noch in der Lage sein werden, uns zu beherrschen. Ein Teil von uns ist bereits dem Wahnsinn anheim gefallen. Den Großteil von ihnen konnten wir töten, bevor sie zu viel Schaden anrichten konnten, aber einige Wenige streifen noch frei durch das Schiff. Wenn das Selbe auch mit uns geschieht, ist niemand mehr sicher.“

Betreten schwiegen die Agents.

„Wir hatten keine Ahnung, welcher Natur unsere Fracht war, als wir in See stachen. Niemand sprach mit uns darüber, nicht einmal der Kapitän selbst. Es war uns verboten, die Frachträume zu betreten. Dass wir alle auserwählt waren, Teil dieses Experiments zu werden, ahnten wir nicht.

Ich weiß nicht, wann damit begonnen wurde diesen verfluchten Kampfstoff Personen zu injizieren. Auf jeden Fall lief es nicht so wie geplant. Ich persönlich glaube, dass die Testpersonen zu willenlosen, fremdgesteuerten Kreaturen gemacht werden sollten, nur dass die Sache mit dem Willenlos nicht funktionierte.

Die Katastrophe nahm seinen Lauf, als wir in die feindlichen Gewässer vor Afrika einliefen. Zu dem Zeitpunkt war vielen der Mannschaft der Stoff bereits verabreicht worden und womöglich führte das zu dem Unglück, dass uns hier stranden ließ.“ Verbittert mahlten seine Zähne, aber für den Augenblick schien er kein Interesse mehr daran zu haben, einen von ihnen umzubringen. „Haben Sie schon einmal von dem Philadelphia-Experiment gehört?“

Mulders und Scullys Augen wurden groß und selbst Gibbs konnte ein ungläubiges Starren nicht unterdrücken. Das war nicht möglich. Das Philadelphia-Experiment war ein Mythos.

„Dieses Projekt trug den offiziellen Codenamen 'Rainbow' und wurde im zweiten Weltkrieg von der US Marine auf der USS Eldridge getestet.“ Mulder war der Erste, der sich von dieser Ungeheuerlichkeit erholte und mühsam nach dem verstaubten Wissen über dieses Projekt nachsann. „Es sollte eigentlich dazu dienen Schiffe gegen magnetzündende Torpedos zu schützen, aber Gerüchte behaupten, dass das Schiff unsichtbar wurde und hunderte Seemeilen entfernt im Hafen von Norfolk/Virginia erschien. Die Regierung dementiert, dass es sich um eine neue Antiradartechnologie gehandelt habe, die katastrophale Fehlwirkungen verursachte.“

Der Kommandant nickte. Er schien weit fort zu sein mit seinen Gedanken, als er weiter sprach: „Leugne alles. Unsere Regierung war schon immer gut in diesen Dingen. Fakt ist, dass weiterhin an diesem Projekt geforscht wurde. Der damals entstandene Nebeneffekt der Unsichtbarkeit war zu wertvoll für die Kriegsmaschinerie, als dass man ihn hätte missachten können. Wir wussten nichts davon, dass die 'SeaCrawler' diese neue Technologie an Bord hatte, um sie als erstes Kriegsschiff überhaupt in den umkämpften Gewässern des Nahen Ostens zu testen.

Der Kapitän gestand es mir wenige Augenblicke bevor er starb. Man habe ihm versichert, dass die Fehler von einst ausgeräumt und die Technologie tadellos funktioniere. Aber natürlich war das nicht richtig. Es ging wieder schief, mit verheerenden Folgen für Schiff und Besatzung.

Erst im Nachhinein wurde mir klar, weshalb die Regierung so viel Wert darauf gelegt hatte, die 'SeaCrawler' unerkannt nach Pakistan zu senden. Es war dieser Kampfstoff, der aus uns Menschen wilde Bestien macht. Ich habe keine Ahnung, was sie damit im Kriegsgebiet bewirken wollten. Aber es ist gut, dass wir unseren Zielhafen nie erreichen werden.“

Während Mulder noch in nachdenkliches Grübeln versunken war, wurde in Scully die alte Gewohnheit wach nach Schwachstellen in diesem abenteuerlichen Bericht zu suchen. „Aber kein Schiff kann gleichzeitig an zwei Orten sein. Selbst wenn ein wahrer Kern an dem Mythos des Philadelphia-Experiments dran sein sollte, folgt man dieser Aussage, so hat die USS Eldridge einen Sprung durch den Raum gemacht. Aber hier...“

„Diesmal ist es nicht allein der Sprung durch den Raum, sondern vielmehr noch ein Sprung durch die Zeit.“ Scullys wie immer recht resolute Weise, Dinge die sie nicht für plausibel erachtete vor zu bringen, hatte Mulders Aufmerksamkeit von seinen eigenen Gedanken abgelenkt. Die Idee war genial, ja geradezu bahnbrechend. Wenn das wirklich möglich wäre... „Erinnern Sie sich daran, in welchem schlechten Zustand die 'SeaCrawler' war, als wir sie in Tennessee betreten haben? Sie muss Jahrhunderte überbrückt haben.“

An den Kommandanten gewandt fuhr er fort, und man konnte das begeisterte Schimmern in seinen Augen nur schwer übersehen. Scully seufzte. Was hatte sie schon anderes erwartet? „Sie sagten eben, dass die Methode des Philadelphia-Projekts überarbeitet worden sei. Wäre es dann nicht möglich, dass auch dessen Auswirkungen wesentlich weitgreifender ausfallen könnten?

Wenn ich es mir recht überlege, sieht es so aus, als wäre durch das Aktivieren der Technologie unser Raum-Zeit-Gefüge zerrissen. Wir befinden uns demnach hier in einer Nische unserer Raumzeit, einer anderen Dimension, wenn man so will. Es ist eine Irritation, verursacht durch die angewendete Antiradartechnologie. Die 'SeaCrawler' ist darin gefangen, ein Zeitparadox dessen räumlicher Zwilling meilenweit durch Raum und Zeit geschleudert wurde, um in Tennessee aufzutauchen. Das ist unglaublich!“

Perplex starrten die Anwesenden auf den fast schon kindlich erfreuten FBI-Agent. Selbst Scully wurde das Gefühl nicht los, einen gigantischen Knoten in ihrem Hirn zu haben, nach all diesen hanebüchenen Vermutungen. Ihr Partner war sich nie zu schade für abenteuerliche Spekulationen, aber das hier setzte seinem Wahnsinn die Krone auf. Im Umkehrschluss musste sie sich jedoch eingestehen, keine gescheitere Erklärung für diese aberwitzige Situation zu finden. Verrückt.

„Und was bedeutet das jetzt für uns?“

„Nunja...“, Mulder rutschte ein wenig unsicher auf seinem Platz herum. Das war nun wirklich keine erfreuliche Nachricht, aber es machte keinen Sinn, diese Männer zu belügen. „Wenn ich Recht habe, ist die 'SeaCrawler' verloren. Wir können sie dieser Anomalie nicht mehr entreißen. Niemand weiß, was für Kräfte dafür benötigt würden. Wir können nur versuchen, Sie und Ihre Männer zu bergen.“

Der Kommandant schnitt eine Grimasse. „Und da das auch nicht möglich ist, sitzen wir hier ebenso fest und warten auf den Tod. Es wäre besser, wenn Sie uns alle auf der Stelle töten würden.“

Bestürzt schwiegen sie. Die schreckliche, nackte Wahrheit dieser Worte war schauderhaft, aber so sehr sie sich auch den Kopf zerbrachen, es gab keine Lösung für dieses Dilemma. Entsprachen die Worte des Kommandanten der Wahrheit, und wurden die Menschen der Besatzung unter der Wirkung des Öls tatsächlich zu Bestien, so war es vermutlich tatsächlich am gnädigsten, ereilte sie ein schneller, schmerzloser Tod.

Und da gab es noch immer eine weitere Gefahrenquelle, die beseitigt werden musste. Es war ein grauenvoller Gedanke, aber irgendwer musste die Frage schlussendlich aussprechen. „Kann die 'SeaCrawler' zerstört werden?“

Der Kommandant musterte Gibbs einen Herzschlag lang argwöhnisch, ehe er verstand, worauf der Agent hinaus wollte. Seine Augen weitete sich kurz vor Schrecken, dann fügte sich sein Geist dem Unvermeidlichen. „Sie kann, Sir.“

„Dieser Kampfstoff befindet sich noch immer hier an Bord und selbst wenn Sie und Ihre Männer schon lange tot sind, könnten andere wie wir kommen und dieses Öl finden. Es darf nicht in die falschen Hände geraten.“

Die Dringlichkeit hinter den Worten des Senior-Agent verfehlte ihre Wirkung nicht und der Kommandant bestätigte dies mit einer gefassten Traurigkeit. „Mit Verlaub, dieser Stoff darf in gar niemandes Hände gelangen, Sir. Es ist ein Werk des Teufels, das zerstört gehört. Und so haben meine Männer und ich wenigstens die Chance, einen ehrenvollen Tod zu sterben.“

An der Tür der Schiffsmesse entstand plötzlich Unruhe und die Anwesenden drehten sich noch gerade rechtzeitig dem Lärm zu, um zwei der Männer tot zu Boden stürzen zu sehen, die bis eben noch an dem Durchgang gewacht hatten. Die Agnets konnten kaum erkennen, was sich dort am gegenüberliegenden Ende der Messe abspielte, aber allen Anschein nach hatte sich eine kleine Gruppe von sechs Männer Zutritt erzwungen und griff nun die am nächsten Stehenden an. Es musste sich bei ihnen demzufolge um die Crewmitglieder handeln, von denen der Kommandant zuvor gesprochen hatte. Die Männer, deren Tod unabdingbar für die Sicherheit der 'SeaCrawler' war.

Wie auf einen stummen Befehl hin, wandten sich die Untergebenen des Kommandanten gleichzeitig zum Kampf und ein beispielloses Hauen und Stechen begann. Männer schrien in Schmerz und Wut, doch ihre Stimmen hatten nichts menschliches mehr. Dem Schrei einer Großkatze nicht unähnlich, fauchten sich die Gegner an, belauerten sich und gingen mit einer ungeheuerlichen Brutalität aufeinander los. Jeder normale Mensch wäre vermutlich unter diesen Attacken in kürzester Zeit gefallen, aber diese Kontrahenten kämpften mit ähnlichen Voraussetzungen. Klaffende Wunden wurden gerissen und Knochen gebrochen, und trotzdem setzten die Verletzten ihren Kampf fort, als wäre nichts gewesen. Purer Instinkt und Adrenalin hielt sie aufrecht.

Verzweifelt an ihren Fesseln zerrend, versuchten sich die drei Agents aus der unmittelbaren Gefahrenzone zurück zu ziehen. Sie wären einem Angriff vollkommen wehrlos ausgesetzt und verspürten nicht den Wunsch, diese genmanipulierten Wesen aus nächster Nähe zu sehen. Mulder und Scully, die bereits zuvor ähnliche Experimente zu Gesicht bekommen hatten, hatten ihre Erschütterung ob der seltsamen Körperformen der Neuankömmlinge im Griff, doch Gibbs starrte mit blankem Entsetzen auf die seltsamen Silhouetten.

Hatte er jemals daran gezweifelt, dass es Außerirdische gab, so konnte er sich von nun an zumindest erklären, woher dieser Aberglaube stammte. Denn diese Männer glichen den Beschreibungen der Klatschpresse beinah bis aufs Haar. Sie hatten langgliedrige Arme und Beine, ihre Köpfe wirkten überproportional groß und wenn sich das schwache Licht der wenigen Lampen in ihren Augen spiegelte, so schienen sie riesig zu sein. Was hatte man diesen Menschen bloß angetan? Wenn es wirklich das schwarze Öl war, das diese Veränderungen hervorrief, was geschah dann gerade mit seinen Agents? Mit Tony und Kate? Ihm wurde übel und er musste sich abwenden. Die Vorstellung war zu grausam.

Jemand näherte sich schnellen Schrittes ihrer Position und Mulder, Scully und Gibbs rechneten schon damit, mit Füßen und Zähnen um ihre Freiheit kämpfen zu müssen, als sie in dem Schatten den Kommandanten erkannten. Er sank neben ihnen in die Hocke und zerschnitt mit geübten Händen ihre Fesseln.

„Sie sind hier nicht länger sicher. Ich fürchte, man hat uns belauscht und will unser Vorhaben, das Schiff zu zerstören, vereiteln. Wir müssen uns beeilen, wenn wir erfolgreich sein wollen.“ Er half Scully auf die Füße und überreichte ihr die entwendete Pistole. Auch die anderen bekamen ihre Waffen wieder. „Wir werden sie aufhalten solange es irgend geht, während ein Teil von uns die nötigen Schritte für die Selbstzerstörung einleitet. Ich bedaure das sagen zu müssen, aber ich muss Sie Ihrem eigenen Geschick überlassen, von der 'SeaCrawler' herunter zu finden und kann Ihnen nur ans Herz legen, sich zu beeilen. Ich kann niemanden zu ihrem Schutz entbehren, es wird schon so schwer genug werden. Geht jetzt und denkt nicht schlecht von uns.“

Ergriffen schüttelten sie sich zum Abschied die Hände, wobei die dramatischen Auswirkungen des Kampfstoffes auf den menschlichen Körper nur zu deutlich wurden. Die Finger des Kommandanten waren knochig und klauenhaft. Eher die Krallen eines Tieres als eines Menschen, und seine Haut war ledrig und dunkel. Er lächelte traurig, als er Scullys fassungslosen Blick gewahrte und drückte ihr dann eine kleine Flasche in die Hand. Fragend musterte die Agentin das gläserne Gefäß.

„Passen Sie gut darauf auf. Uns nutzt es nicht mehr. Es war zu wenig für jeden von uns, wo wir das Schiff doch ohnehin nicht verlassen konnten. Aber Ihnen kann es vielleicht in ihrem Kampf gegen diese Bastarde helfen.“

Entgeistert starrte Scully den Kommandanten an. „Soll das heißen, das hier ist ein Gegenmittel?“

Er nickte und kam ihren ungläubigen Ausrufen zuvor. Sie hatten nicht die Zeit, jetzt über diese Dinge zu sprechen. „Ich weiß, was Sie denken. Wir hatten nicht die Mittel, es zu strecken oder gar zu reproduzieren. Wir wären trotz allem gestorben. Der Kapitän händigte mir dies aus. Es war für den Notfall vorgesehen, damit die wichtigsten Personen an Bord einen Unfall wie diesen überleben konnten. Nun... der Tod fand sie auf anderem Weg und ich glaube fest, dass es bei ihnen nicht die Falschen traf. Nehmen Sie es und verwenden Sie es mit Weisheit.

Und nun geht, die Zeit läuft gegen uns. Semper Fi.“

„Semper Fi, Kommandant.“ Trauer stand in Gibbs Augen, als er den Gruß aufrichtig erwiderte, dann wandte er sich entschlossen von den Todgeweihten ab und leitete Scully und Mulder im Schutz des noch immer herrschenden Tohuwabohus hinaus in die Korridore, welche sie direkt in das Brüllen des rasenden Taifuns führen würden.

Der Weg ins Ungewisse

Die gedämpften Stimmen der Männer drangen als ein stetiges, monotones Murmeln zu ihr, ohne dass sie ernsthaft auf die Bedeutung der Worte hörte. In ihren noch immer klammen Fingern hielt sie ein wahres Monster von Teetasse und genoss die Wärme, welche durch den dicken Ton langsam in ihre Hände sickerte. Sie fror noch immer erbärmlich, aber wenigstens war sie endlich trocken.

Sie hatte es abgelehnt in ihrer behelfsmäßigen Kammer zurückzubleiben, nachdem Mulder und Gibbs aus ihrem Schlaf der absoluten Erschöpfung erwacht waren und nach einigem hastigen Suchen nach trockener Kleidung, Richtung Brücke aufgebrochen waren. Sie wollten möglichst bald mit dem neu gewonnenen Wissen an die bisherigen Ermittlungen anschließen.

Aber nur weil sie eine Frau war, war sie nicht weniger belastbar als ihre Partner, deren Sorge in allen Ehren, und so war sie ihnen gefolgt. Sie wollte ebenso dringend wissen wie es weiterging und nicht abgeschottet irgendwo versauern. So starrte sie jetzt also missmutig auf die unzähligen Lichter und Leuchten der Konsolen der Brücke und fragte sich, ob es den Männern wohl irgendwann gelingen mochte, Kontakt mit Washington aufzunehmen.

Noch immer war es ihr ein Rätsel, wie sie diesem Albtraum von Sturm und diesem Gruselkabinett von Schiff hatten entfliehen können. Das Unwetter über der 'SeaCrawler' hatte sich während ihres kurzen Aufenthaltes an Bord zu einem ausgewachsenen Taifun gewandelt und hatte an dem Navy-Kreuzer sowie an dem kleinen Forschungs-U-Boot gerüttelt und gezerrt.

In Erinnerungen versunken zog Scully die dicke Wolldecke fester um ihre Schultern und unterdrückte ein Schaudern. Sie war dankbar, dass sie mittlerweile die Oberfläche des Meeres verlassen hatten und wieder auf Tauchfahrt waren. Hier war die See ruhiger, sanfter, und das beängstigende Schlingern des Schiffsboden hatte aufgehört. Und, was daran beinah das Wichtigste für sie war: Sie hatten diese Anomalie, diesen grauenvollen Ort weit hinter sich gelassen.

Gibbs hatte sie und Mulder auf ihrer Flucht zielsicher durch das Labyrinth aus Gängen und Treppen geleitet. Schnell und ohne unnötiges Zögern. Schon bald war ihnen allerdings klar geworden, dass man sie verfolgte und dass es dieses Mal nicht die freundlich gesonnenen Mannschaftsmitglieder waren, und sie waren gerannt so schnell es die Enge und das unwillige Bocken des Schiffes denn zugelassen hatten.

Scully hatte sich bislang noch auf jedem Schiff heimisch gefühlt, doch auf der 'SeaCrawler' war es etwas völlig anderes gewesen. Hier hatte sie zum ersten Mal einen Anflug der Klaustrophobie verspürt, die Mulder auf dem U-Boot so überwältigt hatte. Sie war nur dankbar dafür gewesen, blind dem NCIS-Agent folgen zu können, ohne ihre rasenden Gedanken auch noch mit der Suche nach einem Weg belasten zu müssen.

Dann, nur wenige Schritte bevor sie das rettende Schott nach draußen erreicht hatten, war das Feuer auf sie eröffnet worden. Eine Kakophonie unsagbaren Lärms war über ihnen hereingebrochen und Scully hatte in hilflosem Schrecken die Hände vor die Ohren geschlagen und war stolpernd der rettenden Tür entgegen geeilt. Wenn sie diesem Chaos lebend entkommen wollten, dann nur durch eben dieses Schott.

Querschläger waren funkensprühend ganz in ihrer Nähe eingeschlagen und mit einem klagenden Heulen nur wenige Finger breit an ihr vorbei gejagt. Noch jetzt empfand sie es als ein wahres Wunder, dass niemand von ihnen bei diesem Feuergefecht ernsthaft verletzt worden war.

Mulder hatte als Erster das Feuer erwidert, nachdem er Scully vor sich her und in die relative Sicherheit hinter seinem und Gibbs Körper bugsiert hatte. Sie wollte protestieren, aber man hätte sie ohnehin in dem Lärm nicht gehört.

Dem NCIS-Agent hatten sie hierbei die nötige Zeit verschafft, die rettende Tür zu entriegeln und zu öffnen. Die nackte Gewalt des Sturms, die daraufhin in den Flur geschlagen kam, war beinah ebenso vernichtend gewesen wie die Kampfgeschosse ihrer Verfolger. Dennoch war Scully die Erste, die unter der niedrigen Zarge hindurch getreten war, hinein in den sintflutartigen Regen. Gibbs und Mulder feuerten noch weiterhin blind auf ihre Verfolger, sich gegenseitig Feuerschutz gebend, ehe sie sich ebenfalls auf das Außendeck retteten und die schwere Tür zurück ins Schloss werfen konnten.

Es war keine Zeit geblieben, sie wieder zu verriegeln. In dem gehetzten Blick ihres Partners hatte Scully deutlich erkennen können, dass ihre Waffen gegen derartige Feinde nicht wirkungsvoll genug waren. Er hatte annähernd ein halbes Magazin auf eine einzige Kreatur verschwenden müssen und trotzdem war sie weiterhin auf ihn zu gekommen. Dabei hatten sie lediglich das bisschen an Munition, das sie bei sich trugen.

So hatten sie der Tür den Rücken zugekehrt und waren über das Achterdeck zur Reling geflohen, sich mühsam aneinander festhaltend, um nicht von den kreischenden Windböen fortgerissen zu werden. Binnen Sekunden waren sie alle drei nass bis auf die Haut gewesen und immer wieder waren sie ins Straucheln geraten, wenn der Untergrund zu schlüpfrig wurde. Die 'SeaCrawler' kämpfte sich durch die Wogen und hatte sich immer wieder unberechenbar aufgebäumt, wenn sie einen Wellenkamm hinauf schoss, um nur wenig später ins schier Bodenlose zu stürzen. Niemand kam lebend von diesem Schiff, das war ihr in diesen Momenten nur allzu klar gewesen.

Dass sie es im Endeffekt doch noch geschafft hatten, grenzte an ein Wunder. Scully war sich sicher gewesen, dass der Tod ihr bereits aus dem tiefschwarzen Wasser des aufgewühlten Ozeans entgegen gegrinst hatte. Und vermutlich hätte sie niemals den Mut aufbringen können, über Bord zu springen, hätten sich nicht ihre Verfolger ein Mal mehr bedrohlich genähert.

Sie waren aus verschiedenen Richtungen auf sie zu gerannt, vorsichtig, berechnend. Ihren Silhouetten nach waren es noch immer Menschen, aber ihre Bewegungen konnten die Wahrheit nicht verbergen. Sie bewegten sich zu schnell, zu sicher in dieser unwirtlichen Witterung. Und sie trugen Waffen. Kriegswaffen, die ihren kleinen Einhandwaffen weit überlegen waren.

Scully hatte das Mündungsfeuer aufflammen sehen, noch bevor sie Mulder neben sich schreien hörte, und doch hatte sie nicht mehr rechtzeitig reagieren können. Sie hatte das Blut an seinem Arm und den Schreck in seinen Augen mit kaltem Entsetzen wahrgenommen. Er war getroffen und Gott allein wusste, dass der nächste Treffer besser gezielt sein würde.

Dann brach dicht neben ihr ein Schuss und sie war erschrocken zusammengezuckt, als Gibbs sie mit der freien Hand zu Mulder hinüber gestoßen und über die Reling hinaus auf die offene See gewiesen hatte. Er wollte, dass sie sprang und dass sie Mulder mitnahm, während er selbst ihre Gegenüber mit Sperrfeuer behakte. Doch ihr Körper hatte sich geweigert, auch nur einen Meter näher an diese tobende Hölle aus Wasser heranzutreten.

Ein weiterer Querschläger war an ihrem Ohr vorbei geheult, dann noch einer und wieder war Mulder neben ihr vor Schmerz zusammengefahren. Dieses Mal mit einem Streifschuss am Ohr. Wie auch immer man es drehte und wendete, das Verweilen an Deck wäre mindestens ebenso tödlich gewesen wie der Sprung in den Ozean.

Gibbs hatte ihr etwas entgegen geschrien, doch seine Worte waren von dem Brüllen des Taifun schlichtweg verschluckt worden. Mit Schrecken hatte sie dann allerdings begriffen, dass er keine weiteren Schuss mehr über hatte, ebenso wie Mulder, der seine Magazine schon zuvor verbraucht hatte. Damit war ihnen ihr Feuerschutz genommen und der Feind konnte ungehindert aufholen. Die Schlinge, die um ihrer aller Kehlen lag, hatte sich zugezogen.

Also hatte sie einen wilden Blick hinaus aufs Meer geworfen, um nach der Silhouette des U-Boots zu suchen. Es war der blanke Wahnsinn, einmal im festen Griff der Wellen würden sie sofort die Orientierung verlieren und von der Strömung fortgerissen werden. Ein Vordringen bis zu dem Schiff war aussichtslos. Aber da hatten ihre tränennassen Augen etwas entdeckt, ganz in der Nähe der Bordwand. Näherte sich dort nicht das Schlauchboot, mit welchem sie an der 'SeaCrawler' gelandet waren? Waren die wackeren Matrosen wirklich so lebensmüde?

Anscheinend, denn das Schlauchboot war tatsächlich näher gekommen und die paar Männer an Bord winkten und gestikulierten hektisch in ihre Richtung. Sie hatten lange Leinen und Bojen in den Händen, welche sie ihnen entgegen werfen würden, kaum dass sie im Wasser aufkamen. Eine bessere Chance würden sie nicht bekommen.

Noch während sie dort gestanden hatte und darüber nachsann, war sie plötzlich von hinten ergriffen, angehoben und über das hüfthohe Geländer geworfen worden. Ihr war nicht einmal mehr Zeit geblieben, um zu schreien, da hatte sich die eisige Faust des Wassers über ihrem Kopf bereits geschlossen.

Alles was hiernach geschehen war, wusste sie nur noch aus verschwommenen, undeutlichen Erinnerungen. Ihr Kreislauf war eingebrochen und sie war für die nächsten langen Minuten immer nahe des gähnenden Abgrundes einer Ohnmacht entlanggetaumelt. Sie wusste nicht, wer sie über Bord befördert hatte, auch wenn sie davon ausging, dass es Gibbs gewesen war. Sie meinte sich dunkel zu erinnern, Mulder neben sich bemerkt zu haben, heftig nach Atem ringend und Wasser tretend.

Irgendwann später hatte sie dann starke Hände gespürt, die sich in ihre durchnässte Kleidung gekrallt und sie aus dem eisigen Wasser gehoben hatten. Das Brüllen des Sturms blieb und auch das wilde Auf und Ab der Wellen. Aber da war Mulder gewesen, der sie schützend in seinem Arm geborgen und von dem ärgsten Griff der Kälte abschirmte, und Gibbs, der ihnen beiden ein müdes, aber erleichtertes Lächeln zukommen ließ. Sie waren tatsächlich dem tödlichen Zugriff der Hybriden entkommen, hatten die 'SeaCrawler' lebend verlassen. Unfassbar.

Mit Hilfe der Matrosen hatten sie es geschaffte, an der glatten Außenhaut des U-Bootes hinauf bis zur Einstiegsluke zu klettern, zitternd vor Kälte und Schwäche. Scully konnte sich dabei noch genau an die raue Stimme des NCIS-Agents erinnern, wie er - kaum dass er sicher hinter der Reling des Turmes stand - der Mannschaft zubellte, sie mögen umgehend die Maschinen starten und so viel Abstand wie möglich zu dem Kreuzer gewinnen. Er hatte den ihm am nächsten stehenden Matrosen beinah die Leiter hinunter geworfen, als dieser ihn verständnislos angestarrt hatte und nur der Kommandant war besonnen genug gewesen, um die entsprechenden Befehle durchzusetzen. Vermutlich hatte er geahnt, welche Warnung sich hinter Gibbs rüden Worten verbarg.

So hatte das Forschungsschiff schnell an Fahrt aufgenommen und war wie ein Korken über die riesenhaften Wellen gejagt. Dankbar hatten die Drei die sich vergrößernde Entfernung beobachtet, voller Zuversicht, dass sie rechtzeitig dem Gefahrenbereich entkommen würden.

Keiner von ihnen hatte es derweil in Erwägung gezogen, hinab in die trockene Wärme des Schiffsbauch zu gehen, solange ihre größte Furcht nicht aus der Welt geräumt war. Die Tatsache, dass sie auf ihrer Flucht lediglich den feindlich gesinnten Hybriden begegnet waren, hatte in ihnen die Sorge laut werden lassen, dass es dem Rest der Mannschaft nicht gelungen sein mochte, die Einleitung der Selbstzerstörung zu vollenden. Wenn das der Fall war, würde das schwarze Öl für jeden Zugänglich hier warten und sie hatten zumindest im Augenblick keine Möglichkeit, etwas daran zu ändern.

Schulter an Schulter hatten sie also auf den kleiner werdenden Navy-Kreuzer geblickt, Scully noch immer zitternd und mit den Zähnen klappernd dich an Mulders Seite gedrängt, Gibbs vollkommen reglos und mit versteinerter Mine. Sie ahnte, welch widerstreitende Gefühle jetzt in seiner Brust miteinander kämpfen mussten.

Wie die beiden FBI-Agents betete er, dass die 'SeaCrawler' in den nächsten Augenblicken vor ihren Augen starb. Doch das Wissen, dass mit dem Kreuzer auch die letzten Menschen an Bord, die letzten Marines ihr Leben ließen, musste ihm schwer zu schaffen machen. Niemand opferte leichtfertig die Leben seiner Männer. Und Gibbs war ein Marine, so wie es die tapferen Männer der 'SeaCrawler' gewesen waren.

Dann endlich war ein Zittern durch das Kriegsschiff gelaufen. Es hatte sich wie eine buckelnde Katze in der Mitte aufgebäumt, im Grunde ein Ding der Unmöglichkeit bei all dem massiven Stahl. Dann war eine blendende Feuersäule in den sturmgezeichneten Himmel geschossen und setzte einem mahnenden Finger gleich ein Zeichen, welches niemals wieder aus ihrer Erinnerung verschwinden würde.

Das Dröhnen der Detonation war wenige Herzschläge später an ihre Ohren gedrungen, gefolgt von weiteren, kleineren Explosionen, die den Schiffsrumpf aufrissen und die 'SeaCrawler' entstellten. Es war eine Kettenreaktion, welche sich wohl durchdacht durch alle wichtigen Decks zog und einen irreparablen Schaden verursachte. Der Kreuzer hatte sich noch einmal aus dem Wasser gehoben, zerbrach beim Aufschlag auf die tobenden Wellen und war versunken. Einige Zeit konnte man den Schein von Feuer noch erkennen, dann war auch dieser verloschen und ließ nichts als Dunkelheit zurück.

Benommen hatten sie noch einige Herzschläge auf die brodelnde See geblickt, ehe sie dem behutsam vorgebrachten Befehl des Kommandanten gefolgt und hinab in die wohltuende Wärme gestiegen waren. Alle drei hatten sie es willkommen geheißen, die unruhige Oberfläche des Ozeans zu verlassen, um in die friedliche Stille der Untersee zu fliehen. Eine ihrer Aufgaben war erfüllt, jetzt hieß es auch die Zweite erfolgreich zu Ende zu bringen und die entführten NCIS-Agents sicher nach Hause zu holen. Zeit zur Trauer würde es geben, wenn dieser Wahnsinn irgendwann ein Ende fand.

Schlotternd und tropfnass hatte man sie ihrem Quartier zugeführt und obwohl sie alle unruhig waren und darauf brannten das neue Wissen in das Puzzle der Ermittlungen einzuarbeiten, war die Erschöpfung zu groß gewesen. Als der junge Maat ihnen dann auch noch schüchtern erklärte, dass die Kommunikationstechnik weiterhin einige Zeit brauchen würde, ehe sie wieder vollkommen nutzbar wäre, hatten die Agents nachgegeben und die unfreiwillige Pause genutzt. Scully hätte schwören können, dass sie kein Auge zutun konnte, so sehr schien ihr Innerstes von den jüngsten Ereignissen aufgewühlt zu sein, doch sie war eingeschlafen, noch ehe ihr Kopf das Kissen berührte.

Und jetzt saß sie hier, noch immer unglaublich müde und durchgefroren, und wartete wie die anderen, dass die Techniker eine sichere Leitung nach Washington aufgebaut bekamen. Dabei versuchte sie vergebens, ihre pochenden Kopfschmerzen zu ignorieren und kämpfte darum, die Augen offen zu halten. Sie würde die Erkältung ihres Lebens bekommen, da war sie sich sicher.

Man hatte Kingsley aus seinem Quartier geholt, damit er die Techniker bei ihrer Arbeit unterstützen konnte und er war es auch, der über das größte Wissen und die beste Erfahrung verfügte, was die feindlichen Gewässer vor der Küste Pakistans anbelangte. Aber er stand unter dem wachsamen Auge seines ersten Kommandanten und so war er außergewöhnlich still und mürrisch. Ihm war klar, dass er sich vor den Bundesagenten und seiner gesamten Mannschaft blamiert hatte. Niemand würde ihm jetzt noch vertrauen, es sei denn man musste es.

Scully schreckte aus ihrem Dämmerzustand auf, als Mulder neben ihr ein erleichtertes Schnauben von sich gab und sich erhob, um an Gibbs Seite zu treten. Der NCIS-Agent hatte die ganze Zeit über wie in Stein gemeißelt hinter den Technikern gestanden und deren Arbeit mit finsterer Mine verfolgt, was den armen Wichten nervösen Schweiß auf die Gesichter getrieben hatte.

Der Senior-Agent hatte sich mehrfach dabei ertappt, wie er sich selbst dafür verfluchte, nicht McGee mitgenommen zu haben. Wenn er das planlose Hantieren dieser Männer beobachtete, wurde er fast wahnsinnig vor Ungeduld. Mit McGees Hilfe wären sie schon lange wieder online. Aber er musste sich beherrschen, es half niemanden, wenn er die Mannschaft des Forschungsschiffs seine innere Unruhe spüren ließ. Und so wartete er zähneknirschend. Wie konnte Zeit so zähflüssig dahinfließen und gleichzeitig so schnell verrinnen?

Wenigstens schienen sie jetzt endlich doch Erfolg zu haben, denn der Monitor des Laptop, über welchen die Verbindung nach Washington laufen sollte, zeigte nicht mehr länger den eintönigen Schneesturm aus Pixeln, sondern eine Anzeige die bewies, dass auf Antwort gewartet wurde. Und tatsächlich zeigte sich nur wenige Herzschläge später das vertraute Gesicht Abby Sciutos auf dem Bildschirm, dicht umdrängt von den drei Lone Gunmen. Die Übertragung flackerte noch immer und die Lautsprecher knisterten und knackten, aber die Verbindung stand. Sowohl Mulder als auch Gibbs konnten sich ein flüchtiges Schmunzeln nicht verkneifen, als alle Vier gleichzeitig begannen, aufgeregt durcheinander zu reden.

„Langly, Frohike, Byers, ich bitte euch! Ihr lasst uns ja keine Chance zu Wort zu kommen.“ Der FBI-Agent grinste und trat zur Seite, um Scully Platz zu machen, damit auch sie die betretenen Gesichter der drei ungepflegt aussehenden Männer genießen konnte. Sie sahen äußerst übernächtigt aus und Mulder nahm an, dass sie keine ruhige Minute verbracht hatten, seit der Kontakt mit dem Forschungsschiff abgebrochen war.

„Geht es euch gut? Seid ihr verletzt?“ Abbys große dunkle Augen flackerten von Scully über Mulder zu Gibbs und zurück, nervös einen ihrer Zöpfe um den Finger zwirbelnd. Auch sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und trotzdem zappelte sie vor überschäumender Neugier. Es war ihr anzusehen, dass sie sich nur schwer mit Fragen zurückhalten konnte.

„Wir sind in Ordnung, Abby. Sei unbesorgt.“ Ruhig berichtete Gibbs von den zurückliegenden Stunden, von ihren Entdeckungen auf der 'SeaCrawler' und den Worten des Kommandanten bezüglich des Philadelphia-Experiments. Die ungeteilte Aufmerksamkeit aller war ihm hierbei sicher, selbst die der mitanwesenden Mannschaft des kleinen Forschungsschiffs, welche jetzt zum ersten Mal von all dem hörte, und lediglich Byers und Langly unterbrachen den Bericht für kurze Zwischenfragen. Ihre Minen schienen sich zu verdüstern, mit jedem weiteren Wort des Agents.

„Das ist interessant und äußerst beunruhigend, Agent Gibbs. Es passt zu dem, was wir bislang über das schwarze Öl herausfinden konnten. Zu dem Geheimauftrag der 'SeaCrawler', den Erreger unbemerkt in die umkämpften Gebiete in Pakistan und Afghanistan zu befördern, um dort die aus der Kontrolle der Vereinigten Staaten geratenen Hybride niederzuschlagen.“ Byers tauschte besorgte Blicke mit seinen Gefährten. „Ich höre allerdings aus Ihren Worten, dass Sie nicht so recht glauben, was Ihnen vom Kommandanten der 'SeaCrawler' als Wahrheit aufgetischt wurde. Dass es diese Operation 'Rainbow' wirklich gegeben haben soll. Sie wissen, dass wir bereits zu Beginn dieses Falls die Vermutung hatten, dass es sich hier um etwas Ähnliches handeln könnte und wir können Ihnen versichern, dass es eine solche Operation tatsächlich gegeben hat. Und auch, dass die Forschung an diesem Projekt weitergeführt wurde. So wie der Kommandant berichtet hat.

Ein gewisser Dr. Morris Jessup hatte zu seiner Zeit die Hintergründe des sogenannten Philadelphia-Experiments erforscht. Er war eigentlich Astronom und Selenograph und beschäftigte sich mit den Absonderlichkeiten des Bermuda-Dreiecks und der UFO-Forschung. Erscheinungen, die den fragwürdigen Nebeneffekten des Philadelphia-Experiments nicht unähnlich sind. Dieser Dr. Jessup bekam einen mysteriösen Brief von einem gewissen Carlos Miguel Allende zugesandt, der damals Augenzeuge der Operation 'Rainbow' gewesen sein soll. Dieser Brief weckte das Interesse von Jessup, der daraufhin Kontakt mit dem Office of Naval Research aufnahm, um die Echtheit des Briefeverfassers zu klären.

Gemeinsam mit dem ONR begann Jessup Nachforschungen in Washington zu betreiben. Welcher Art ist bis heute nicht bekannt, aber er wurde später als wissenschaftlicher Berater für weitere, gleichgelagerte Experimente gefordert. Jessup lehnte jedoch aus Furcht vor den katastrophalen Folgen einer weiteren Versuchsreihe ab und kam wenig später auf mysteriöse Art und Weise ums Leben.“

Ernüchtertes Schweigen folgte auf diese abenteuerliche Geschichte, Verwirrung und Ratlosigkeit und so setzte Langly die Ausführungen seines Partners fort: „Man sagt, Jessup habe Selbstmord begangen, in dem er sich in seinem eigenen Wagen vergasen wollte. Aber wir glauben, dass er beseitigt wurde, nachdem er seine weitere Unterstützung gegenüber dem Militär verweigert hatte, um zu verhindern, dass etwas von diesem ungeheuerlichen Vorhaben an die Öffentlichkeit dringen konnte. Im Stillen wurden die Experimente trotzdem weitergeführt.

Was Sie uns also eben berichteten, liegt durchaus im Bereich des Möglichen und in Anbetracht unserer gesammelten Erkenntnisse macht es auf erschreckende Weise sogar Sinn.“

Alarmiert horchte Mulder auf. „Was meint ihr damit?“

„Na aber das ist doch ganz offensichtlich!“ Abby verschaffte sich mit einigen unsanften Ellenbogenstößen wieder Platz vor der Kamera und erwiderte die brüskierten Blicke der anderen mit einem tadelnden Augenaufschlag. „Gibbs, siehst du es denn nicht? Es ist doch logisch, dass sie dieses Verfahren wieder aus der Mottenkiste gekramt haben, bei einer solch heiklen Operation. Wie wir wissen, war es den feindlichen Rebellen nicht unbekannt, dass die USA weiterhin unter Hochdruck an etwas arbeiteten, das ihre Feinde und deren Widerstand aufhalten sollte. Deshalb wurde der Krieg doch auch vom Nahen Osten in die Grenzen der Vereinigten Staaten getragen, da die Rebellen diese Bemühungen vereiteln wollten.

Wenn die also wissen, dass es Bemühungen und damit wahrscheinlich auch Fortschritte gibt, die ihnen gefährlich werden könnten, wäre ihre Aufmerksamkeit da nicht so groß, dass es unmöglich sein würde das geeignete Mittel zu deren Bekämpfung heimlich und wirkungsvoll einzusetzen und zu verbreiten? Sei es in Form dieses öligen Rohstoffs oder durch bereits generierte Hybride. Also braucht man etwas, das diese Handlungen tarnt, damit der Feind nichts davon mitbekommt. Und was ist schon besser dafür geeignet als ein getarnter Kreuzer, der mit solch einer Menge dieses Kampfstoffs beladen ist und bereits die ersten Testpersonen beherbergt, dass ein einziger Offensivschlag ausreichen würde, um die Widerstandszelle ein für alle Mal zu zerschlagen?“

„Das Militär muss derart versessen auf den Sieg gewesen sein, dass ihnen die Konsequenzen dieser Operation im Falle eines Fehlschlags vollkommen gleich gewesen waren. Die Leben so vieler wackerer Männer leichtfertig zu opfern, obwohl man doch hätte wissen müssen, wie gefährlich dieser Auftrag sein würde...“ Mulder fand es immer wieder erschreckend, wie gleichgültig die Regierung mit ihren Schutzbefohlenen umsprang. Es war immer und überall das Selbe.

„Ein Fehlschlag kam überhaupt nicht in Betracht, Mulder.“ Frohikes zerknittere Züge zogen sich noch weiter zusammen, als er grimmig die Stirn runzelte. „Bush muss derart verzweifelt gewesen sein, dass er alles auf eine Karte setzte in dem vergeblichen Bemühen, diesen jahrelangen Fauxpas endlich zu bereinigen. Dass es schief gehen könnte, konnte man sich gar nicht erlauben anzunehmen.“

„Aber irgendwer muss weiter gedacht haben als er, denn nicht alles der ursprünglich hergestellten Menge des Kampfstoffes wurde auf die 'SeaCrawler' verladen.“ Irgendwo aus den Tiefen des chaotisch unaufgeräumten Büros der Lone Gunmen erschien plötzlich McGee und sein übernächtigtes Gesicht zeigte deutlich das Strahlen eines kleinen Triumphs. „Ich konnte feststellen, dass eine kleine Menge, ungefähr ein Fass vermutlich, von der ursprünglichen Lieferung abgezweigt wurde, ehe die Fracht in dem Navy-Kreuzer verladen werden konnte. Unmöglich zu sagen, wer sich dieses Fasses bemächtigt hat, aber es dürfte genügen, um weiterhin damit zu forschen.“

Alle Augen richteten sich auf den jungen Agent und es war deutlich genug, dass selbst die Lone Gunmen bisher nichts davon gewusst hatten. Entrüstet drehte sich Langly zu ihm um: „Wann meintest du denn, uns das mitteilen zu wollen, du Hans Wurst?“

Konsterniert schürzte McGee die Lippen, für den Moment ernsthaft verunsichert, aber Gibbs unterbrach, ehe Langly sich in seine empörte Entrüstung hineinsteigern und damit den armen NCIS-Agent vollkommen aus dem Konzept bringen konnte: „Unwichtig. Was zählt ist, dass wir es überhaupt bemerkt haben. Wer könnte einen Vorteil daraus gewinnen den Virus für sich zu haben?“

„Nun, da gibt es in der Tat viele.“ Die Gunmen tauschten einige vielsagende Blicke, doch es war Mulder, der den Gedanken weiterführte. Seine Züge waren gezeichnet von einer tiefen Sorge. „Ich würde die Rebellen ausschließen. Wenn sie die Chance gehabt hätten, einen Teil des Kampfstoffs zu erlangen, dann hätten sie sich nicht mit einem Fass zufrieden gegeben. Das wäre nicht zweckdienlich. Es wäre mit Sicherheit viel mehr versucht worden, die gesamte Produktion zu vernichten. Ich befürchte eher, dass auch hier unser alter Feind die heimlichen Fäden zieht.“

„Und mit 'altem Feind' meinen Sie das Syndikat, verstehe ich das richtig?“ Gibbs Augen blitzten. Er hatte keinesfalls die Worte des Rauchers vergessen, die Warnung, und in der Tat war es naheliegend, dass diese ominöse Verbindung ränkespielender Männer hinter der verschwundenen Ladung steckte. Mulder und Scully hatten mehr als ein Mal angedeutet, dass sie in der Vergangenheit immer wieder in Konflikte mit diesen Männern geraten waren. Vor allem immer dann, wenn es sich um dieses verdammte Virus drehte. Wer auch immer hinter diesem Syndikat steckte und welche Ziele sie auch immer verfolgen mochten, Gibbs schwor sich, deren Treiben ein Ende zu setzen, sobald Kate und Tony wieder sicher zu Hause waren. Man forderte ihn nicht ungestraft heraus. Warum das FBI über all die Jahre nichts gegen diese Verbindung unternommen hatte, war ihm schleierhaft, aber er würde nicht so schnell klein beigeben.

Mulder, der nichts von den aufgewühlten Emotionen des Älteren ahnte, nickte. „Ich fürchte ja. Sie hatten schon immer ein gesteigertes Interesse an dieser Art der Forschung und sind der eigennützigen, widerwärtigen Überzeugung berufen zu sein, die Geschicke zum Wohle aller zu lenken. Ich bin davon überzeugt, dass die Operation der 'SeaCrawler' auch auf ihr Konto geht und dass die fehlende Menge keineswegs eine unbeabsichtigte Abzweigung war. Sie waren schon immer gerissener als andere und halten Pläne für alle nur erdenklichen Eventualitäten vor.“ Er schnitt eine Grimasse. „Das muss man ihnen lassen. Vermutlich führen sie ihre ganz eigenen Untersuchungen durch, während wir hier noch miteinander reden.“

„Und sie haben Tony und Kate!“

Sie alle wussten nur zu gut, was Abby damit andeuten wollte. Man war nicht davor zurückgeschreckt, an den Männern der US-Navy die Wirkung des Erregers zu testen. Folglich würde es auch keine Skrupel geben, Bundesagenten als Versuchskaninchen zu missbrauchen.

„Gibt es eine Möglichkeit den Weg des abgezweigten Fasses zu verfolgen, Agent McGee?“ Scullys Stimme klang belegt und sie hätte es gern auf ihre einsetzenden Halsschmerzen geschoben, aber sie wusste genau, dass Furcht ihre Aussprache veränderte. Aus leidvoller Erfahrung wusste sie, wie schnell dieser Erreger wirkte und wie wenig Zeit blieb, um das Gegenmittel beizubringen. Tony und Kate lief die Zeit davon. Sie mussten sich beeilen, wollten sie die Leben dieser beiden Menschen nicht sinnlos opfern, zumal Scully befürchtete, dass Gibbs in diesem Falle in seinem berechtigten Zorn in sein eigenes Verderben laufen würde. Er wusste nichts von der Macht des Syndikats und würde bei seinem wirkungslosen Kampf gegen diese Verbindung lediglich seinen Tod finden. So wie viele andere vor ihm. Die Verantwortung gegenüber dem NCIS-Team, welche auf ihren und auf Mulders Schultern lastete, wog demnach noch um einiges schwerer als anfangs vermutet.

Auf der anderen Seite des Monitors hatte sich McGee derweil einen Platz an der Computersteuerung erkämpft und ließ dem Server des U-Boots mit fliegenden Fingern Datenpakete zukommen. „Den Weg des Fasses selbst nicht, nein. Er verliert sich rasch, nachdem die Ladung den Verantwortungsbereich des Militärs verlassen hat. Aber schließlich wussten wir bereits sicher, dass sich das Hauptaugenmerk dieser Testreihen auf das Territorium des Nahen Ostens konzentriert. Also habe ich nach allem gesucht, das in irgendeiner Form auffällig und ungewöhnlich erschien, sowohl in den lokalen öffentlichen wie auch den nicht öffentlichen Nachrichtendiensten vor Ort. Zusätzlich wussten wir, dass die 'SeaCrawler' einen Zielhafen in Pakistan anlaufen sollte, also habe ich dort mit der Suche begonnen und bin auch tatsächlich über einige fragwürdige Dinge gestolpert.“

Er blinzelte verunsichert zu Gibbs und schien das Vorhaben zu verwerfen, im Detail auf diese Dinge einzugehen. Die Zeit drängte und was zählte war schließlich nur das Ergebnis. „Was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass die Vereinigten Staaten bereits seit einer geraumen Zeitspanne eine Forschungseinrichtung im Hingol Nationalpark betreiben. Dieser liegt unmittelbar an der Makran-Küste, in der Provinz Baluchistan. Es ist ein wenig umkämpftes Gebiet, das vom Krieg weitestgehend verschont geblieben ist.

Diese Forschungseinrichtung beschäftigt sich laut offiziellen Angaben mit der Erforschung der landesüblichen Flora und Fauna, aber die inoffiziellen Berichte weichen extrem von dieser Meinung ab. Ein Großteil des Nationalparks ist beherrscht von einer kargen Küstenhalbwüste, welche in recht schroffes Bergland übergeht, je weiter man ins Landesinnere vordringt.“

„Keine Gegend, in denen viele Menschen leben.“, bemerkte Gibbs mit einem dünnen, freudlosen Lächeln. „Niemand, der ungewollte Aufmerksamkeit auf die Forschungen richten könnte und ein Gebiet, in welchem man sich gut verbergen und das man gut gegen Feinde verteidigen kann. Ein geeigneter Ort für einen Stützpunkt geheimer Operationen. Gut gemacht, McGee.“

Der junge Agent grinste kurz. Ein Lob von Gibbs war selten genug. „Ich schicke euch die GPS-Daten, an denen sich die Forschungseinrichtung befinden soll. Keine Garantie, dass sie auch tatsächlich stimmen, aber es ist ein Anfang. Wenn wir richtig liegen bin ich mir sicher, dass wir dort auch Tony und Kate finden werden.“ Es war eine vage Hoffnung aber die Einzige, die sie im Augenblick überhaupt hatten. Zusammen mit dem Können der Lone Gunmen dürfte es kein Zufall gewesen sein, dass sie über dieses Forschungsprojekt gestolpert waren.

Die GPS-Daten wiesen auf ein ödes Gebiet etwas abgesetzt von der Küste und versprach eine durchaus beschwerliche und gefährliche Reise durch das Naturschutzgebiet. Ein Flusslauf führte grob in die Richtung und sie würden zumindest nicht Gefahr laufen zu verdursten, sofern das Bett überhaupt Wasser führte. Aber es war Sommer, Zeit des Monsunregens. Nebenher würden die Temperaturen umso unerträglicher sein.

Außerdem bedeutete ein menschenfeindliches Klima nicht automatisch, dass es dort tatsächlich auch keine Menschen gab. Gerade in den unwirtlichen Gebieten des Nahen Ostens hatte Gibbs, in seiner Zeit als aktiver Soldat, immer wieder Splittergruppen kleinerer Volksstämme erlebt, welche seit Generationen in diesen Klimazonen eigenständig lebten. Und wenn es Eingeborene konnten, dann konnten es auch Terroristen und andere fanatische Freiheitskämpfer. Sie würden aufpassen müssen.

Gibbs hatte keine Zweifel, dass er – auf sich allein gestellt – ohne größere Schwierigkeiten in das feindliche Gebiet vordringen könnte. Für derlei Operationen war er ausgebildet worden. Aber mit Mulder und Scully an seiner Seite, von denen er nicht wusste wie sie mit diesem Klima und diesen widrigen Gegebenheiten umgehen würden und auf die er als Marine der Vereinigten Staaten Acht geben musste, war der Verlauf einer solchen Aktion nicht abzusehen.

Grimmig zog er die Brauen zusammen. Es würde keine Fehltritte geben, schließlich ging es um die Leben von Tony und Kate. Er würde seine beiden Agents und auch Mulder und Scully sicher wieder nach Hause bringen und, mit ein bisschen Glück, dabei die Pläne dieses mysteriösen Syndikats durchkreuzen, um ihnen das Handwerk zu legen.

Der Blick seiner blauen Augen richtete sich entschlossen auf Abby und McGee. „Wir melden uns, wenn wir die Küste Pakistans erreicht haben. Anschließend werden wir für längere Zeit nicht in der Lage sein, Kontakt mit euch aufzunehmen. Wenn ihr nach sieben Tagen nichts von uns gehört habt, ist die Operation vermutlich gescheitert.“

Beklommen nickten die beiden und selbst Frohike, Langly und Byers wirkten besorgt. „Wir werden sehen, was wir von hier aus noch für euch tun können. Vielleicht gelingt es uns ja, die Server der Forschungseinrichtung zu hacken oder Tony und Kate zu finden.“

Der NCIS-Agent nickte dem langhaarigen Blonden zu, ein schwaches, dankbares Lächeln auf den Lippen. „Möge das Glück auf unserer Seite sein.“

Pakistan

„Scully, erinnern Sie mich daran, dass ich mich niemals wieder über die Hitze eines amerikanischen Sommers beklage.“ Verstimmt zupfte Mulder an dem leinernen Tuch herum, das sich auf - für seinen Geschmack - lächerliche Weise um seinen Kopf wandt. Jegliche Diskussion war zwecklos gewesen, Gibbs hatte sich nicht erweichen lassen und darauf bestanden, dass sie alle drei die traditionelle Tracht der ansässigen Bevölkerung trugen. Natürlich war Mulder klar, dass diese Kleidung wesentliche Vorteile bot im Vergleich zu ihren an gemildertes Klima angepassten westlichen Klamotten. Aber Teufel, er musste aussehen wie ein schlecht abgehangenes Bettuch.

Die Sonne brannte erbärmlich von einem wolkenlosen Himmel und zeichnete ihre langen Schatten scharf umrissen auf die ausgedörrte Erde, so als sei es ihre einzige, boshafte Absicht allem Lebenden die rettende Flüssigkeit zu entziehen. Mulder konnte schon jetzt den nagenden Durst in seiner Kehle spüren und den unangenehmen Druck bevorstehender Kopfschmerzen. Es würden ein paar erheiternde Tage werden, die ihnen da bevorstanden.

Jetzt, wo sie den Fluss hinter sich gelassen hatten, wurde die quälende Intensität des hier herrschenden Klimas erst richtig deutlich. Wie konnte überhaupt irgendjemand ernsthaft in Erwägung ziehen, in diesem Glutofen einer Hölle zu leben? Mulder wusste es nicht, aber Gibbs hatte ihm nur mit einem spöttischen Lächeln erklärt, dass es mehr Einwohner in dieser kargen Öde geben würde, als ihnen lieb sein konnte. Trotz der landesüblichen Tracht würden sie sofort als Fremde erkannt werden und das konnte unter Umständen zu ernsthaften Schwierigkeiten führen. Besser also, sie mieden den direkten Kontakt zu den Einwohnern dieses Landstreifens.

Den einzigen, zwangsläufigen Kontakt hatten sie gehabt, als sie an der Mündung des Mashkai das Forschungsschiff verlassen hatten und nach viel hin und her eine Passage auf einem kleinen Handelsschiff erworben hatten, welches sie flussaufwärts bringen würde. Allein dies hatte sie ein halbes Vermögen gekostet. Die Schiffseigner, ein Ehepaar weit über das Alter eines Methusalem hinausgewachsen, hatten das Geld eingestrichen und fortan keine weiteren Worte mit ihren Passagieren gewechselt. In einem kriegserschütterten Land wie Pakistan vermied man es, nach den Angelegenheiten anderer zu fragen, wollte man Ärger aus dem Weg gehen.

Später hatten sie dann noch ein Mal ein Vermögen opfern müssen, um die nötigen Dinge für den bevorstehenden Feldeinsatz zu erstehen. Das Paar konnte ihnen sowohl mit Ausrüstung wie auch mit Essensvorräten dienen, aber sie verlangten für diese Güter einen unverschämten Preis und die drei Agents verbrauchten annähernd ihr gesamtes Bargeld.

Jetzt entfernte sich das baufällige Hausboot langsam von der Furt, an welcher Gibbs, Scully und Mulder von Bord gegangen waren, und Mulder rückte die ungewohnte Last seines großen Rucksacks mit einem unwilligen Schulterzucken zurecht. Von hier also begann der schwierige Teil ihrer Reise durch Pakistans Wildnis und es kostete dem FBI-Agent all seine Selbstbeherrschung, nicht im Angesicht der rohen Wildheit dieser Landschaft den Mut zu verlieren. Er wäre mehr als nur ein bisschen dankbar gewesen, wenn sie einen oder zwei der kleinen, sandfarbenen Esel als Packtiere hätten mitnehmen können, die es hier wie Sand am Meer zu geben schien, aber dafür hatten ihnen schlicht und ergreifend die finanziellen Mittel gefehlt. Sie würden auf ihren eigenen Füßen die Kilometer in Richtung des majestätischen Bergmassivs zurücklegen müssen, welches sich gegen den flirrenden Horizont abzeichnete. Und Gott allein wusste, wie weit dieser Weg wirklich sein mochte.

Scully neben ihm, die bis eben noch mit düsterer Mine dem Boot des blutsaugenden Ehepaars gefolgt war und vollkommen in ihrer hellgrauen Tunika verschwand, klammerte sich an das GPS-Gerät und kehrte dem Wasser entschlossen den Rücken. Sie hatten alles was sie für ihre Reise benötigten, keinen Grund also länger zu zögern. Sie konnte die Unruhe ihres Partners sehr gut nachvollziehen, aber sie würde sich nicht davon anstecken lassen oder gar beirren lassen. Sie ließ ihm ein kurzes, sarkastisches Lächeln zukommen und setzte sich dann in Bewegung, um Gibbs in die Hitze der Wüste zu folgen. Mulder brummte und heftete sich an ihre Fersen.

Wie selbstverständlich hatten sie auch hier dem NCIS-Agent die Rolle ihres Führers überlassen. Zwar trug Scully das GPS und würde so ein wachsames Auge auf ihre Route haben, doch Gibbs war vertrauter mit dem Terrain und den damit verbundenen Gefahren. Seine blauen Augen schienen rastlos über ihre Umgebung zu schweifen. Er war verschlossen wie eh und je und bis auf die hitzigen Preisverhandlungen an Bord des Handelsschiffs, hatte er sich in beharrliches Schweigen gehüllt. Weder Scully noch Mulder wagten es, ihn in diesem grimmigen Brüten zu stören und beobachteten es mit Sorge, ohne wirklich etwas für den Agent tun zu können. Er würde sich ohnehin nicht helfen lassen und vielleicht, so hofften sie, würde dieser brennende Ingrimm sie sicher durch die bevorstehenden Widrigkeiten führen.

Er legte ein schnelles Tempo vor und machte ihnen damit unmissverständlich klar, dass er – solange sie sich noch auf ebenem, recht anspruchslosen Terrain befanden – Strecke machen wollte. Später, wenn sie in das Gebirge vordrangen, würden sie noch genügend Zeit für Pausen und langsame Aufstiege einplanen müssen. Demnach beschwerten sie sich nicht, auch als ihnen das Atmen zu einer mühsamen Qual und die Beine schwer wurden.

Jeder von ihnen wusste, dass die Zeit drängte und Mulder und Scully vertrauten Gibbs, welche andere Wahl hatten sie auch? Sie waren hier auf Tod und Verderben auf seine Kenntnisse im Feldeinsatz angewiesen und würden ohne ihn vermutlich keine drei Tage überstehen. Es war eine ernüchternde und zugleich erschütternde Erkenntnis, welche unweigerlich Unwohlsein heraufbeschwor. Doch es beruhigte die FBI-Agents, dass Gibbs offensichtlich wild entschlossen schien, dieser hohen Erwartung auch gerecht zu werden.

In stummem Vertrauen – Mulder konnte nicht sagen, wann diese erzwungene Partnerschaft in aufrichtige Akzeptanz umgeschlagen war, aber die Bande zwischen ihnen waren andere als noch zu Beginn ihrer Ermittlungen – folgten sie dem Älteren tiefer in den Nationalpark. Jeder Weg, und mochte er auch noch so beschwerlich sein, begann mit einem einzelnen Schritt. Mulder fragte sich stirnrunzelnd, ob diese Odyssee ihn schlussendlich noch zu einem Philosophen machen würde.

Die Hitze hingegen war eine kaum zu ertragende Last und mit jedem nahenden Abend wurden ihre Schritte unsicherer und das Sehen unscharf. Trotzdem ihre Köpfe verhüllt waren wie bei einem Beduinen und sie lediglich einen schmalen Spalt zum Sehen offen ließen, brannten ihre Augen und ihre Haut zeigte bald die ersten Anzeichen beginnenden Sonnenbrands. Die wabernde Luft narrte ihre Sinne und die Hitze des zerrissenen Bodens, auf dem kaum mehr als verkrüppeltes Buschwerk und scharfkantiges Gras gedieh, fraß sich durch die Sohlen ihrer Schuhe in ihre Füße.

Jeden Abend waren sie dankbar, wenn das Gleißen der Sonne hinter den fernen Wolkenbänken versank, die zwar Regen versprachen, aber niemals näher zu kommen schienen. Die Nacht kam dann schnell und mit ihr die Kälte. Es war paradox, aber nur kurze Zeit nachdem die Sonne verschwunden war, verschwand auch die Wärme aus dem Land und ließ die drei Agents frierend zurück. Dann drängten sie sich in ihre Decken gehüllt um das kleine Feuer, welches sie aus dem wenigen brennbaren Material das sie finden konnten entzündeten und teilten sich die kargen Essensrationen. Um etwas Warmes zu kochen, und sei es auch nur eine wärmende Suppe, fehlte es ihnen an Wasser und so schliefen sie oft trotz allem mit knurrenden Mägen ein.

Scully fehlte das warme Essen besonders und am dritten Abend in Folge murrte sie verärgert darüber, dass die Regenwolken scheinbar am Horizont festgewachsen waren und sie nur verhöhnen wollten, indem sie ihnen das dringend benötigte Wasser vorenthielten. Grimmig späht sie in die vollkommene Dunkelheit der Nacht. „Ich dachte es sei Regenzeit? Ich muss gestehen, dass ich nicht undankbar wäre, wenn wir zur Abwechslung mal einen Tag durch strömenden Regen statt durch einen brennenden Glutofen laufen würden.“

Mulder nickte kläglich, pingelig darauf bedacht Salbe auf seine verbrannte Haut aufzutragen, aber Gibbs, der mit geschlossenen Augen schweigend auf dem Rücken lag, dementierte diesen Wunsch mit einem bösen Lächeln: „ Pass auf was du dir wünschst. Es könnte erhört und wahr werden.“

„Was wäre schon so schädlich daran?“ Scully war gereizt und sie hatte keine Lust auf tiefenpsycholgisches Gefasel. Doch Gibbs meinte seine Wort ganz anders.

„Wenn es tatsächlich beginnen sollte zu regnen, dann hoffe ich, dass wir bereits in der Nähe der Berghänge sind, damit wir dort Zuflucht finden können. Erwischt uns ein sommerlicher Regen hier auf freiem Feld, wirst du dir wünschen niemals einen solchen Wunsch geäußert zu haben. Es wird dann nicht einfach nur regnen, Dana.“

Seine Stimme war sanft und trotzdem fühlte sich Scully getadelt wie ein Schulmädchen. Natürlich wusste sie, dass Gibbs Recht hatte, aber sie sehnte sich so sehr nach kühlem Wasser! Ärgerlich funkelte sie den Agent über die Flammen hinweg an.

„Wer schon einmal in einen echten Monsunregen geraten ist, will es nicht noch einmal riskieren. Nicht ohne vorher Schutzmaßnahmen getroffen zu haben. Es wird leichter, wenn wir erst das Gebirge erreicht haben und ich bin zuversichtlich, dass das in den nächsten zwei Tagen der Fall sein wird.“ Er blinzelte mit einem Auge zu der rothaarigen Agentin, ehe er sich wieder zurücklehnte.

Tatsächlich hatte sich die Silhouette der Berge in der letzten Zeit zu einem beängstigenden Massiv aufgetürmt, welches das Land zu seinen Füßen mit langen Schatten bewarf, doch Scully war so elend zumute, dass sie diese Aussicht nicht erfreuen konnte. Berge bedeuteten klettern und das bedeutete vermutlich noch mehr Anstrengungen als jetzt schon. Und im Augenblick wollte sie einfach nur hier am Feuer sitzen und ihren Unmut kund tun. Nichts konnte in ihren Augen schlimmer sein als diese gnadenlose Hitze, die ihr die Haut von den Knochen zu pellen schien.

Zu allem Überfluss traf sie heute Nacht auch noch das Los der ersten Wache und so knabberte sie missmutig an einem Stück Trockenfleisch herum und schwieg. Es war ihr schleierhaft, wie Menschen in dieser unwirtlichen Umgebung überleben konnten, doch sie hatten in den zurückliegenden Tagen immer mal wieder versprengte Gemeinschaften aus der Ferne beobachtet, baufällige Hüttchen und Zelte, kaum mehr als ein Flickenteppich auf dem hellen Sandsteinboden. Niemals waren ihnen die Menschen nahe gekommen, dafür hatte Gibbs ihre Route zu umsichtig gewählt, aber wer wusste schon, ob nicht einer seinen Weg des nachts in ihr Lager finden mochte, angelockt durch den Feuerschein?

Aber auch diese Nacht verlief ereignislos monoton und sie brachen in der angenehmen Kühle des frühen Morgens wieder auf. Ein weiterer Tag, angefüllt von Durst, Schmerz und Selbstzweifel. Allein die Sorge um Kate und Tony hielt sie beisammen.

Am fünften Tag nach verlassen des Mashkai erreichten sie endlich die Ausläufer des Bergmassivs und in den Schutz einer schwindelerregenden Flanke geschmiegt lag ein kleines Bergdorf. Ihre Vorräte waren bereits knapp und ihr Wasser kaum mehr genießbar, also einigten sie sich darauf, das Risiko einzugehen und das Dorf zu betreten. Es gab zwar nicht viele Touristen in diesem Nationalpark, doch unwahrscheinlich war es nicht und sie mussten einfach darauf hoffen, dass man sie als solche ansah und entsprechend behandelte.

Scully indes hielt sich zurück. Tief in ihre Tunika gehüllt überließ sie es Gibbs und ihrem Partner mit dem Inhaber des einzigen verstaubten Lädchens zu feilschen, wohl wissend welchen Stand eine Frau in diesem Land bekleidete. Doch sie konnte nur schwer ein mehr als nur erleichtertes Seufzen unterdrücken, als Mulder mit viel Überredungskunst zusätzlich zu den Essensrationen noch eine überdachte Übernachtungsmöglichkeit aushandelte. Wohl bemerkt mit einer Möglichkeit zum Waschen inbegriffen.

Für einen kurzen Moment schien es zwar, als wolle Gibbs Einspruch erheben, aber nach einem langen Blick auf den staubbedeckten und müden FBI-Agent verbiss er sich die Worte. Trotz aller Furcht hier in ein Wespennest getreten zu sein und dem inneren Drang, schnell voranzukommen, musste er doch eingestehen, dass sie ausnahmslos alle eine Rast bitter nötig hatten. Er selbst fühlte sich zerschlagen und dem Ende seiner Kraft nahe. Er war kein junger Soldat mehr.

Also folgten sie den Anweisungen des Verkäufers zu einem kleinen Seitengebäude, in dem das Vieh der wenigen Bauern untergebracht war, und versuchten sich so gut es eben ging auf dem Heuboden über den Stallungen ein Lager zu errichten. Zwar roch es aufdringlich nach den Tieren im Untergeschoss, aber wenigstens waren sie hier vor dem aufkommenden Wind geschützt, welcher seit den Mittagsstunden den feinen Sand und Gesteinsstaub vor sich her trieb. Mit etwas Pech würde er sich zu einem ausgewachsenen Sandsturm steigern und sie saßen hier länger fest als geplant.

Mit grimmig zusammengebissenen Zähnen lauschte Gibbs auf das zischende Geräusch des Sandes, der um die Häuserecken wischte, dann machte er sich auf den Weg das zuvor bezahlte Essen aus dem Laden zu holen und riet seinen beiden Begleitern, die Wartezeit zum Waschen zu nutzen. Keiner von ihnen konnte sagen, wie lange sie hier ungestört sein würden. Es konnten Tage sein, aber vielleicht auch nur ein paar Stunden.

Scully nahm sich das Recht heraus und kletterte als Erste hinunter zu der kleinen Nasszelle, die sich in den hinteren Teil der Stallungen quetschte. Es war nicht viel Platz und bestenfalls zweckgerecht, aber Scully hütete sich vor Klagen. Es war das erste frische Wasser seit Tagen und da der Ort offenbar durch einen kleinen Quellbach aus den Bergen versorgt wurde, brauchte sie nicht allzu sehr mit dem kühlen Nass haus zu halten. Kurzerhand entschloss sie sich dazu, auch ihre Kleidung vom Staub und Dreck der vergangenen Tage zu befreien und atmete glücklich auf, als sie sich anschließend in trockene, wohl riechende Wechselkleidung hüllte.

Zufrieden und mit nassem Haar kletterte sie die Leiter wieder hinauf und ließ dem erschöpft am Boden kauernden Mulder ein gelöstes Lächeln zukommen. Er zauste sich sein dunkles Haar und verzog das Gesicht bei dem Sand, welcher ihm daraufhin in die Augen rieselte. „Mulder, Sie werden es lieben. Versprochen.“

Mehr als ein zweifelndes Brummen ließ er sich nicht entlocken, doch er kämpfte sich auf die Beine und verschwand auf der Leiter. Auch seine Laune würde sich bessern, wenn er erst wieder ohne ständiges Kratzen in sauberen Kleidern steckte.

Da das Essen bereits neben ihren Rucksäcken stand, Scully spürte ihren Magen schmerzhaft knurren, musste auch Gibbs wieder in den Stall zurückgekehrt sein, aber sie konnte ihn nirgends in dem diffusen Licht ausmachen. Besorgt und ein wenig misstrauisch sah sie sich in dem durch gestapelte Kisten unübersichtlichen Raum um und fuhr mit einem leisen Schrei und erhobenen Händen herum, als er sie unerwartet ansprach: „Es ist nicht ratsam, wenn wir uns alle hier einzeln bewegen. Dadurch machen wir uns nur unnötig angreifbar. Ich habe ein Auge auf die Nasszelle, um deine Frage zu beantworten.“

Scullys rechte Braue wanderte in stummem Vorwurf nach oben und ein schwaches Lächeln huschte über die Züge des NCIS-Agents. „Es liegt mir fern hier an etwas Unanständiges zu denken, glaube mir. Hier ist kein Platz für verklemmtes Schamgefühl, dazu ist es einfach zu gefährlich. Vergiss das niemals.“

Scully spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss und wandte sich hastig zu ihren Sachen um. Es mochte ja stimmen, was er da sagte, aber das gab ihm doch noch lange nicht das Recht... „Du bist auch allein gegangen. War das etwa nicht leichtsinnig?“, warf sie ihm in einem spöttischen Ton vor die Füße.

Gibbs zuckte mit den Schultern, verließ seinen Posten über der Nasszelle und trat zu ihr. Scully fiel auf, wie müde er wirklich aussah. Sein Gesicht war gezeichnet von den Anstrengungen und Sorgen der letzten Tage. Seine Augen waren dunkel umrandet, seine Lippen rissig und auf Nase und Wangen prangte ein nicht zu übersehender Sonnenbrand. Trotzdem lag noch immer eine verbissene Entschlossenheit in seinen blauen Augen, die Scully nur bewundern konnte.

„Das ist etwas anderes. Im Gegensatz zu euch weiß ich, wie ich mich hier verhalten muss, um keinen Ärger zu bekommen.“ Er musterte sie eindringlich. „Vielleicht befinden wir uns hier lediglich in einem verschlafenen, harmlosen Bergdorf voller gutmütiger Eingeborener. Die Pakistani an sich sind nicht boshaft. Aber vielleicht sind wir auch mitten in eine verborgene Terrorzelle gestolpert. Alles ist möglich und ich werde erst ruhiger sein, wenn wir diesen Ort wieder verlassen haben. Wenn sie uns feindlich gesinnt sind und Verdacht schöpfen, wer wir sind, sind wir hier nicht mehr länger sicher. Und ich werde nicht noch zwei Agents in diesem Fall verlieren.“

Scully tat das Herz weh ob dieser schlichten Aufrichtigkeit und gab dann dem Impuls nach, den NCIS-Agent in die Arme zu ziehen und festzuhalten. Einige Herzschläge blieben sie so, Trost findend in der Nähe des anderen, dann hörten sie Mulder auf der Leiter und trennten sich.

„Wir werden sie finden und niemand sonst wird dabei verloren gehen, Jethro.“

Er neigte nur leicht den Kopf als Zeichen seiner Dankbarkeit, dann verschwand er, um seinerseits dem Dreck der Straße zu entkommen.
 

Tatsächlich schien Gibbs Sorge unbegründet. Das Dorf blieb friedlich und niemand kam, um sie in ihrer Ruhe zu stören. Das Essen war ausgesprochen gut nach den kargen, geschmacklosen Reiserationen und jeder von ihnen genoss es, nach so langer Zeit wieder frisches, warmes Fleisch zu sich zu nehmen. Derart gesättigt, mit dem guten Gefühl sauber und von dem draußen heulenden Wind geschützt zu sein, fielen alle drei schon bald in einen tiefen, erschöpften Schlaf. Der Vorsatz, Wachen für die Nacht einzuteilen, war vergessen.

Nächtliche Schrecken

Er träumte. Oder zumindest hoffte er, dass es nicht anderes als ein böser, wiederkehrender Albtraum war. Ein Traum, voll wachsender Verzweiflung, Einsamkeit, Schmerz und knochentiefer Furcht, welche sein Herz zwingen wollte mit dem Schlagen aufzuhören. Wann immer er seine brennenden Augen öffnete, jedes Mal waren es die selben steril gefliesten Wände ein und des selben Raums, die ihn umschlossen. Eine vernietete Tür ohne Schloss und eine unerreichbar hohe Decke, in der eine blinde Glaskuppel als einzige Orientierung diente, ob es Tag oder Nacht war. Neben dem harten Bett teilten sich auch noch eine Toilette den kleinen Raum, ein verschmutztes Waschbecken und ein gesprungener Spiegel. Und dieser Spiegel war es, der dieses alles verschlingende Grauen immer wieder von Neuem in ihm wach rief.

Er konnte sich nicht erklären was mit ihm geschah. Sein Kopf fühlte sich so seltsam an und es fiel ihm schwer, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Ja sich überhaupt an seinen Namen zu erinnern. Wer war er und warum war er hier?

Mühsam richtete er sich aus der liegenden Position auf und kam auf die Füße, begleitet von dem stets gleich bleibendem Schmerz in seinen Muskeln. Er schwankte leicht und hatte Mühe sein Gleichgewicht zu halten. Dann, als er wieder Gewalt über seine Bewegungen hatte, stolperte er mit steifen Beinen hinüber zu dem Waschbecken. Ja, der Spiegel verursachte ihm Grauen, aber es war wie ein Zwang dem er sich widersetzen konnte, hinzugehen und hinein zu blicken.

Das Herz klopfte laut in seiner Brust, pulste das Blut heiß durch seine Venen und trotzdem hob er den Blick, um auf das mit Rissen durchzogene Ebenbild seines Selbst zu schauen. Wer war er und aus welchem Grund hielt man ihn wie ein Tier gefangen?

Weil du ein Tier bist.

Erschüttert starrte er auf das Gesicht im Spiegel, auf die verhärmten, ausgezehrten Züge. Das sollte er sein? Das war ein Monster! Ich bin ein Monster... Diese Augen, die ihn anklagend anblickten, waren nicht einmal mehr menschlich. Aber war er denn überhaupt ein Mensch? Ölige Schwärze zerfraß das Weiß um seine Pupillen, die Augen lagen in tiefen Höhlen und schwarze Linien, wie verseuchte Adern, liefen aus ihnen heraus und verzweigten sich in einem grotesken Netz auf seinem Gesicht.

Furcht schnürte ihm die Luft ab und erstickte den Schrei in seiner Kehle. Das war nicht er! Das Ding in dem Spiegel hatte nicht mal die entfernteste Ähnlichkeit mit ihm. Oder doch zumindest auf eine solch grausame, abstoßende Weise, dass es ihm beinah den Verstand raubte. Nein, das war nicht er!

Ich bin Anthony DiNozzo und nicht diese Kreatur dort. Ich bin Tony! Verzweifelt klammerte er sich an diese Erkenntnis, so wie seine schweißnassen Hände das Waschbecken umklammerten. Weiß traten seine Knöchel unter der Haut hervor, seine Muskeln spannten sich, als wollten sie unter den Krämpfen, die seinen Körper wie ausgehungerte Wölfe überfielen, zerreißen. Es riss ihn auseinander, versengte ihn von innen heraus und er machte sich mit letzter Kraft von diesem Bild des Grauens los.

Seine Hände fuhren an seinen Kopf, von dem er überzeugt war, dass er gleich zerspringen werde. Und dann endlich löste sich der Schrei aus seiner gepeinigten Kehle. Hallte von den sterilen Fliesen wider und erfüllte den kleinen Raum mit seinem Leid. Ein nicht enden wollender Schrei, langgezogen und klagend.
 

Keuchend fuhr Gibbs auf seinem provisorischen Lager in die Höhe. Finsternis umgab ihn und für einen kurzen Moment fehlte ihm jeglicher Orientierungssinn. Zitternd stieß er den angehaltenen Atem wieder aus und schloss die Augen. Sein Herz schlug fast schmerzhaft hart in seiner Brust und kalter Schweiß rann seinen Rücken hinab. „Gütiger Gott...“

„Jethro? Ist alles in Ordnung?“ Scullys Stimme klang gedämpft und verscheuchte die letzten, klebrigen Fäden des Schlafs und der Furcht, allein zu sein. Sie tastete sich zu dem NCIS-Agent vor und ließ ihre kundigen Hände prüfend über ihn hinweg gleiten. Deutlich vernahm sie dabei seinen flachen Atem, sein Puls flog dahin, als wäre er soeben von einem Kurzstreckensprint zurückgekehrt. Besorgt nahm sie sein Beben zur Kenntnis und rückte näher. „Was ist passiert?“

Fahrig wischte er sich das feuchte Haar aus der Stirn und entzog ihr seine Hand. Nur langsam gewann er die Gewalt über seine aufgewühlten Emotionen zurück. Es war eine berechtigte Frage. Was war überhaupt passiert? Er hätte einfach behaupten können, schlecht geträumt zu haben, doch das allein war es nicht. Er litt nicht mehr unter Albträumen seit seiner Kindheit und wenn doch, so rankten sich diese doch ausschließlich um den Tod von Shannon und Kelly. Dieser Traum aber war anders als alles, was ihm bis dato widerfahren war.

„Jethro, Himmel, rede mit mir!“ Scully ließ sich von seiner abweisenden Haltung nicht einschüchtern. Bislang war der NCIS-Agent immer die sichere Konstante in diesem Fall gewesen und Scully hatte angenommen, dass ihn so leicht nichts aus der Fassung zu bringen vermochte. Was für Rückschläge sie auch immer hatten einstecken müssen, Gibbs blieb eisern wie ein Bluthund auf seiner Fährte. Dass ihn jetzt mitten in der Nacht etwas derart aus dem Gleichgewicht warf, war für sie kein Grund zur Freude.

In der Dunkelheit ergriff sie sein Gesicht und blickte ihm forschend in die schwach erkennbaren Züge. Langsam, ganz langsam normalisierte sich sein Herzschlag wieder.

„Ein Traum.“, knurrte er leise.

Keine Frage, es behagte ihm nicht darüber zu sprechen. Dennoch bohrte Scully behutsam weiter. „Aber nicht irgendein Traum, nicht wahr?“

Sie fühlte sein Kopfschütteln eher als dass sie es sah. „Wir haben nicht mehr viel Zeit, um Kate und Tony das Gegenmittel zu bringen. Tony...“ Er erschauerte und Scully fragte sich bestürzt, was Gibbs gesehen haben mochte. Er hatte mit einer solchen Überzeugung gesprochen, dass es ihr Gänsehaut verursachte.

Gleich darauf spürte sie, wie sich der NCIS-Agent unter ihren Händen schüttelte und sich ein Mal mehr gegen seine Schwäche verhärtete. Fast tat es ihr leid, dass er diesen Schutzpanzer dauerhaft aufrecht zu halten suchte. Glaubte er wirklich, sie würde sich über ihn lustig machen?

„Wie dem auch sei, es war nur ein Traum. Keiner von uns kann sagen, in welchem Zustand Kate und Tony zur Zeit sind und ein Traum bleibt ein Traum. Wir sollten versuchen zu schlafen, um morgen wieder bei Kräften zu sein. Es war vermutlich nur eine Verbildlichung meiner eigenen Ängste. Vergessen wir es.“

Stirnrunzelnd blieb Scully noch einen Moment an seiner Seite hocken, obgleich sich Gibbs bereits demonstrativ wieder ausgestreckt und von ihr abgewandt hatte. Wollte er ihr etwa sagen, dass es Tony oder Kate gewesen waren, die ihn im Schlaf aufgesucht hatten? Ahnte er etwas von ihrem Zustand?

Mulder hätte seine helle Freude an dieser Theorie und würde vermutlich sogar behaupten, dass solche Traumahnungen durchaus existent waren. Sie selbst glaubte nicht an diese Dinge, aber Gibbs Verhalten hatte sie nachdenklich gestimmt.

Nur widerwillig kroch sie zurück auf ihr Lager. Unwahrscheinlich, dass Gibbs ihre Nähe in dieser Nacht dulden würde. Vermutlich würde sie jetzt ohnehin kein Auge mehr zu tun und sich den Rest der Nacht den Kopf zerbrechen.

Doch wenig später driftete sie bereits wieder in tiefen Schlaf.
 

So kam es, dass niemand die sich verstohlen huschenden Gestalten im Schutz der Dunkelheit bemerkte, die sich den still daliegenden Stallungen näherten. Es gab niemanden, der ihr Kommen bemerken und den Schlafenden eine Warnung zukommen lassen könnte. Lautlos öffneten sie das Tor, hinter denen sich die wenigen Tiere verschlafen aneinander drängten und leise blökten. Andere kletterten über die raue Fassade auf das Dach des Gebäudes.

Scully wusste nicht, wie lange sie jetzt wieder geschlafen hatte, aber ihre Glieder fühlten sich noch immer bleischwer an und ihr Kopf war träge von der Müdigkeit, so dass sie annahm, dass es noch nicht allzu lange gewesen sein konnte. Es war noch immer stockfinster und nur durch einige wenige verschobene Dachpfannen sickerte das fahle Licht des Mondes, der sich ab und zu hinter den schnell vorbeiziehenden Wolken hervorwagte.

Ein Geräusch hatte sie geweckt, dessen war sie sich sicher, und so blieb sie reglos in der Dunkelheit liegen und lauschte angestrengt. Sie hörte Mulder und Gibbs ganz in ihrer Nähe ruhig atmen, so dass sie ausschließen konnte, dass einer von ihnen zum Pinkeln fortgegangen war. Gänsehaut überzog ihre Arme. Waren das nicht Schritte unter ihnen? Leise, verstohlene Schritte, die auf dem Streu zwischen den Boxen raschelten?

Mit klopfendem Herzen drehte sie sich zu ihrem Partner und betete, dass keine der altersschwachen Dielen knarren möge. „Mulder! Mulder, wachen Sie auf!“ Sie griff mit der rechten Hand nach dem undeutlichen Haufen seiner Decken und versuchte zeitgleich einen Blick durch die Lücken in den Bodendielen zu erhaschen. Doch erfolglos. „Mulder, verdammt!“

Er blinzelte träge, was sie nur an dem schwachen Schimmer in seinen Augen erkennen konnte und wollte offenbar gerade seinen Mund öffnen, um sich ärgerlich über die Störung in der Nacht zu beschweren, da erschien ein undeutliches Schemen in Scullys Rücken und er riss mit lautlosem Entsetzen die Augen ganz auf.

„Scully!“ So schnell es der verwickelte Stoff seiner Decken erlaubte, kam der FBI-Agent auf die Füße und stürzte gleich wieder schwer der Länge nach hin, als jemand von hinten auf seinen Rücken sprang und ihn versuchte, mit starken, sehnigen Armen zu umfangen. Keuchend entwich ihm der Atem aus den Lungen. Es war so verteufelt finster hier, er konnte nichts, aber auch gar nichts erkennen und die Unwissenheit, ob seine Partnerin die Gefahr in ihrem Rücken rechtzeitig bemerkt hatte, ließen ihn ungeahnte Kräfte entwickeln.

Er stemmte sich auf alle Viere, wollte gerade nach der Last auf seinem Rücken fassen, da verschwand das Gewicht unerwartet und gab ihn frei. In dem schwachen Licht sah er Scully, einen verwegenen, wilden Ausdruck auf ihren Zügen und ihren schweren Rucksack wie eine Waffe schwingend. Der Schwung trug sie jedoch aus seinem Blickfeld und er sah zu, dass er die wenigen Meter zu Gibbs Lager überbrückte, um diesen zu wecken. Wenn der NCIS-Agent auch nur annähernd so erschöpft wie er selbst gewesen war, würde sein Schlaf vermutlich felsenfest sein.

Doch Gibbs war bereits auf den Füßen und hätte Mulder um ein Haar niedergeschlagen, als dieser sich ihm näherte. Kurzerhand ergriff er den Jüngeren am Arm und zerrte ihn mit sich in den relativen Schutz gestapelter Kisten. „Ein Hinterhalt, ich hätte es mir denken können. Wir müssen zusehen, dass wir hier so schnell wie möglich herauskommen, sie sind auch auf dem Dach.“

Mulder spähte besorgt in die tiefe Dunkelheit des Spitzbodens, konnte jedoch nichts erkennen. Nur das verräterische Knarren der Querbalken bewies, dass sich jemand im Verborgenen auf ihnen bewegte. „Holen wir unsere Sachen und dann raus hier.“

Gibbs nickte, doch schon im nächsten Moment bohrte sich ein schimmerndes Messer nur wenige Zoll neben dem Kopf des Agents in das Holz einer Kiste und beide erstarrten für einige Herzschläge vor Schreck. Ihr Angreifer, ein hochgewachsener, für einen Pakistani unfassbar muskelbewehrter Mann, baute sich vor ihnen auf und Mulder hätte schwören können, den säuerlichen Atem auf seinem Gesicht zu spüren. Der Mann grinste gehässig, beugte sich vor und dabei fiel für einen kurzen Moment das blasse Mondlicht auf sein Gesicht.

Mulder hörte Gibbs an seiner Seite scharf die Luft einziehen und er selbst hatte Mühe, nicht aus blankem Entsetzen aufzuschreien. Die Augen ihres Widersachers waren definitiv nicht menschlich. Schwarze, matt glänzende Sehorgane starrten auf sie nieder, in denen sich die Schwärze wie waberndes Öl zu bewegen schien. Dunkle Linien zogen sich über das ausgezehrte Gesicht.

Dann war der Mond wieder hinter den nächsten Wolken verschwunden und Finsternis kehrte zurück. Eine gnädige Finsternis.

Instinktiv duckten sich beide Agents in Erwartung einer erneuten Attacke zur Seite und verließen ihren Posten bei den Kisten. Dann war Gibbs hinter ihrem Angreifer und sandte ihn in einem Moment der Überraschung zu Boden. Zumindest eine kurze Chance zum Durchatmen. „Los, holen Sie Scully. Wir haben schon zu lange getrödelt.“

Der FBI-Agent ließ sich das nicht zwei Mal sagen und hastete auf den Lärm zu, welcher ohne Frage von einem Gerangel zwischen seiner Partnerin und einem weiteren Angreifer stammen musste. Zu seinem eigenen Schrecken waren es sogar zwei Gestalten, gegen die sich Scully in verzweifelter Vehemenz zur Wehr setzte, und er ergriff den ihm am nächsten Stehenden und riss ihn von den Füßen. Ein unsanfter Tritt Mulders gegen die Schläfe raubte ihm endgültig das Bewusstsein.

Gemeinsam mit Scully schaffte er es anschließend den verbliebenen Gegner zurückzutreiben, so dass dieser zu ihrem Glück in seinem Zurückweichen schließlich fehl trat und durch die Leiteröffnung zurück in das Untergeschoss stürzte. Keuchend vor Anstrengung lehnten Mulder und Scully Schulter an Schulter am Kopf der Leiter und blickten auf die reglose Gestalt hinab.

„Gut, und jetzt unsere Sachen.“ Dicht beieinander bleibend tasteten sie in der Dunkelheit nach ihren Rucksäcken. Gar nicht so einfach mit zitternden Händen und halb wahnsinnig vor Angst. Diese Finsternis raubte einem wirklich den letzten Nerv und Mulder war froh, dass sie vor dem Schlafen noch darauf geachtet hatten, alles reisefertig zu verpacken. Nicht auszumalen was wäre, wenn sie jetzt noch zusehen müssten, alles Lebensnotwendige zu packen.

Gepolter zu ihrer Rechten verriet ihnen, dass Gibbs noch immer mit seinem Angreifer beschäftigt war und sie beeilten sich, das Gepäck zu schultern und ihm zur Seite zu eilen. Sie fuhren erschrocken zusammen, als das helle Bersten von Holz durch die Schwärze kreischte und blinzelten dann verwundert, als es endlich ein Stück weit heller wurde. Offenbar hatte der NCIS-Agent seinen Widersacher gegen die morsche Ladeluke des Heubodens gestoßen, welche dem unerwarteten Gewicht nicht standgehalten hatte und aufgesprungen war. Jedenfalls hingen die Türen nur noch notdürftig an ihren Angeln in der Luft und gaben den Weg nach draußen frei.

Vorsichtig traten die drei Agents an den Rand heran und spähten hinaus. Gibbs Angreifer lag mit unnatürlich verrenkten Gliedern vier Meter unter ihnen am Boden und ein unterarmdickes Tau baumelte träge vor ihnen im Wind. Es war an einem wenig vertrauenserweckenden Holzausleger befestigt, an welchem zur Erntezeit die Heuballen in das Obergeschoss des Stalls geschafft wurden. Skeptisch beäugten sie die abenteuerliche Konstruktion.

„Wird es uns halten?“

Mulder schnaubte, konnte aber nicht leugnen, dass er ebenso wenig Lust verspürte es auszuprobieren wie seine Partnerin. „Scully, welche andere Wahl haben wir denn? Durch das Haupttor hinausschreiten damit alle sehen, dass wir mit dem Leben davongekommen sind?“ Diese Luke lag dem Dorf abgewandt und blickte auf offenes Feld. Mit etwas Glück konnten sie sich also davonstehlen, ehe ihr Verschwinden vom Rest der Dorfbewohner bemerkt wurde. Oder von denen die vorgaben Dorfbewohner zu sein.

Entschlossen angelte er nach dem Tau, holte es zu sich heran und vertraute sein Gewichte dann der Tragfähigkeit des Auslegers an. Das Holz knarrte zwar, aber es hielt. „Gibbs, halten Sie die Umgebung im Auge, während ich hier herumhänge, ja?“ Damit machte er sich vorsichtig an den Abstieg.

Als nächstes sollte Scully hinunter klettern. Gibbs würde bis zum Schluss ein wachsames Auge auf ihre Flucht haben und ihnen wenn nötig den Rücken decken. Aber Scully dachte nur mit grimmigem Hohn an ihre weit zurückliegende Schulzeit, in welcher sie wie ein nasser Sack an einem Seil gehangen hatte und keine handbreit daran hinaufgeklettert war. Nun, hier musste sie wenigstens nur nach unten, nicht nach oben. Sie war sehr froh, als sie dann mit brennenden Handflächen und weichen Knien neben Mulder am Boden ankam und schwor sich, dergleichen nicht so schnell wieder zu machen. Ein Wunder, dass sie sich nicht die ganze Haut vom Fleisch gezogen hatte.

Nur wenig später war auch Gibbs bei ihnen und nachdem sie sich vergewissert hatten, dass keiner der Einwohner sie hier entdeckt hatte, ließen sie gemeinsam die Häuser des kleinen Dorfes hinter sich zurück und flohen in die Feldhänge.

Auf der Flucht

(Verzeiht, dass es ein wenig dauerte, bis dieses Kapitel fertiggestellt war. Aber Heiraten und Haus kaufen sind wirklich zeitraubende Vorhaben. XD Danke fürs Verständnis und viel Spaß beim Lesen.)
 


 

Die Nacht war finster, unfassbar dunkel, auch wenn der Mond sich immer wieder in kurzen Momenten hinter den schweren Wolken blicken ließ und den Fliehenden zumindest eine Ahnung zuteil werden ließ, über was für Terrain sie liefen. Aber wenn man die hellen Lichtverhältnisse einer Großstadt gewohnt war, konnten diese kurzen Momente der Helligkeit das Auge trügen und verwirren. Allerdings deckte diese Dunkelheit auch ihren überstürzten Aufbruch und die drei Agnets waren dankbar für jeden Umstand, der ihnen die unbemerkte Flucht aus dem Dorf ermöglichte. Zwar biss der Sand ihnen noch immer in die Augen, obgleich der Wind schwächer geworden war, aber das akzeptierten sie schweigend.

Leise bewegten sie sich entlang der wenigen Baracken am Ortsrand und Gibbs verharrte nur ein einziges Mal, um sich zu orientieren und angestrengt in den Wind zu lauschen. So dunkel wie es war konnte man selbst das mächtige Felsmassiv nur schwer gegen die tiefhängenden Wolken ausmachen. Und es wäre nicht ratsam, wenn sie ihrem Feind in die offene Wüste davonlaufen würden. Da ihnen ein Aufstieg der naheliegenden Steilwand nicht möglich war, welche sie bei ihrer Ankunft in der Nähe des Dorfes erblickt hatten, schlug der NCIS-Agent den Weg nach Norden ein. Wenn er sich recht erinnerte, würde sie dieser Weg ebenso in das Bergmassiv führen, allerdings über einen langgestreckten, hügeligen Anstieg.

Stolpernd und zu einem unbequemen Trab zwischen Laufen und Gehen gezwungen, entfernten sich die Gefährten von dem Dorf. Man konnte kaum die Hand vor Augen sehen, wenn der Mond sich nicht zeigte, und Scully konnte die nagende Furcht, unverhofft in eine Felsspalte zu treten, nur schwer bezwingen. Ihre Augen waren fest auf den Boden direkt vor ihren Füßen gerichtet und so stieß sie auch ungebremst gegen Gibbs, der für sie ohne ersichtlichen Grund plötzlich zusammengekauert angehalten hatte und zurück zu den Hütten starrte. Eine zwecklose Angelegenheit, da man die Gebäude nicht mehr auf der trostlosen Ebene ausmachen konnte und Scully war bereits drauf und dran, ihn rüde darauf aufmerksam zu machen, als sie ein fernes Motorengeräusch vernahm. Beklommen hielt sie die Luft an und versuchte durch das leise Wispern des Windes zu lauschen. „Was ist das?“

Weder Mulder an ihrer Seite, noch Gibbs antworteten ihr und um bei der Wahrheit zu bleiben mussten sie es auch gar nicht. Der FBI-Agentin war durchaus bewusst, was durch das Rauschen des Windes an ihre Ohren drang. Kaltes Entsetzen ließ ihre Glieder bleischwer werden. Woher hatten diese einfachen Leute Fahrzeuge?

Als hätte Gibbs ihre Gedanken gelesen, knurrte er: „Also doch kein verschlafenes, harmloses Bergdorf.“, und ergriff Mulder und Scully an den Armen, um sie hinter sich her zu ziehen. Fort von der Kuppe, auf welcher sie für jedes mittelmäßige Nachtsichtgerät klar erkennbar sein würden. „Das sind Geländejeeps und wenn wir nicht schleunigst zusehen, in unwegsameres Gelände zu kommen, sind wir die längste Zeit auf der Flucht gewesen.“

In der allumfassenden Dunkelheit sahen sie sich an, niedergeschlagen und mutlos. Jedem von ihnen fiel es schwer, nicht in Anbetracht dieser Umstände zu kapitulieren. Welche Chance hatten sie denn schon gegen motorisierte Verfolger, die sich in diesem Gelände blind zurecht fanden und noch dazu mit Technik ausgestattet sein mochten, welche ihnen das Aufspüren der Fliehenden erleichterte? Sollten sie wirklich so nah vor ihrem Ziel wieder einmal gestoppt werden? Mussten sie denn jedes Mal zum Scheitern verurteilt sein?

Das schrille Aufheulen eines Motors erklang ganz in ihrer Nähe und Mulder und Scully konnten spüren, wie Gibbs an ihrer Seite zusammenfuhr. Ein unflätiger Fluch kam über seine Lippen. „Motorräder.“

Kaum hatte er es ausgesprochen, als auch schon die schlanke Gestalt einer Crossmaschine über die Ebene auf sie zu raste, kaum mehr als ein Schemen im fahlen Mondlicht. Als wolle der blasse Himmelskörper die Agents verhöhnen, badete er das näher kommende Fahrzeug in seinem Licht und die Zielgenauigkeit ließ sie alle drei entsetzt Luft holen. Wer auch immer sich auf ihre Fährte gesetzt hatte, diese Männer verstanden ihr Handwerk.

„Versucht zusammen zu bleiben aber rennt so schnell ihr könnt. Wenn wir uns verlieren, versteckt euch. Ich werde euch schon finden.“ Gibbs sprang auf und schubste Mulder und Scully unsanft vor sich her. „Los jetzt.“ Sie durften nicht noch länger in Schockstarre verharren. Ihre einzige Chance bestand jetzt allein darin, in Bewegung zu bleiben und die Verfolger zu verwirren und zu täuschen.

Und als hätte sich dadurch ein Bann gelöst, begannen ihre Beine wie von selbst zu laufen. Vergessen war die Furcht einen Fehltritt zu machen. Sie mussten alles auf eine Karte setzen wenn sie ihren Häschern entkommen wollten und Mulder fühlte einen grimmigen Willen in sich wachsen, nicht wieder das Nachsehen in diesem dubiosen Spiel zu haben. Sie hatten sich genug an der Nase herumführen lassen und er würde sich nicht wieder so kurz vor dem Ziel aufhalten lassen.

Das tiefe Röhren der Jeeps und das helle, nervenaufreibende Kreischen der Motorräder im Rücken, kämpften sie sich stolpernd weiter. Mittlerweile konnten sie auch die Lichter der Suchscheinwerfer sehen, die über die nächtliche Ebene leckten und ihnen gefährlich nahe zu kommen schienen. Schatten von Felsen und Büschen, manchmal auch ihre eigenen Schatten, zeichneten sich in verzerrten Scherenschnitten auf den unebenen Untergrund.

Es machte keinen Sinn zu tricksen. Wenn sie es nicht rechtzeitig in das Vorgebirge schafften, wo ihnen weder Jeep noch Motorrad hin folgen konnten, würde ihre Flucht bald zu Ende sein. Und so rannten sie in gerader Linie auf die schwache Silhouette des Gebirges zu, Deckung außer Acht lassend und nur noch auf Geschwindigkeit konzentriert. Sie spürten ein unangenehmes Kribbeln in ihrem Nacken, gleich einer bösen Vorahnung jeden Moment einen Schuss brechen zu hören und zu fallen. Doch nichts dergleichen geschah. Noch hatten sie einen Vorsprung, auch wenn dieser rasant dahinschmolz.

Scully verlor Mulder kurze Zeit aus dem Blick, als dieser neben ihr stürzte und sich überschlagend einen kleinen Abhang hinab rollte. Als er wieder auf die Füße kam, war eines der Motorräder fast bei ihm. Nacktes Grauen zog ihr die Eingeweide zusammen. „MULDER!“ Sie sah ihn noch einmal stolpern, dieses Mal in dem verzweifelten Versuch der Crossmaschine auszuweichen. Er duckte sich wie ein Kaninchen, ließ die viel zu schnelle Maschine an sich vorüber rutschen, die daraufhin gefährlich ins Schlingern geriet, und nutzte die Chance zur Seite zu springen und hinter einigen Felsen außer Sicht zu kommen. In deren Schutz hetzte er weiter, frei für den Augenblick, und Scully konnte ihn nur hören, nicht aber sehen: „ Scully, laufen Sie! Verschwinden Sie hier!“

Tatsächlich erschien in diesem Moment ein weiteres Motorrad auf der Kuppe des hinter ihr aufragenden Hügels und Scully begann wieder zu rennen. Unheilvoll zeichneten sich die Umrisse des Verfolgers gegen den sturmgezeichneten Himmel ab, dann wandte Scully die Augen ab, als das grelle Gleißen eines Suchscheinwerfers über sie hinweg glitt.

Hatten sich ihre Augen doch gerade erst mühsam an die tiefe Dunkelheit gewöhnt, so verursachte das Licht des Scheinwerfers jetzt bunte Punkte auf ihrer Retina. Das Licht blendete sie, die darauf folgende Dunkelheit hingegen war so tief, dass sie nur noch blind weiterlaufen konnte. Hin und wieder konnte sie in dem Licht die undeutlichen Gestalten von Mulder oder Gibbs vor sich erkennen und orientierte sich an ihnen. Ihr Puls raste unter dem drängenden Griff der Verzweiflung, als wolle er ihr das Herz aus der Brust reißen, aber sie zwang sich eisern, nur nach vorn zu blicken und weiter zu laufen. Was auch geschah, sie wollte nicht von ihren Gefährten getrennt werden.

Als Gibbs schließlich schwer atmend einen Blick über die Schulter warf konnte er erkennen, wie Mulder in einem irrwitzigen Sprint vor dem ihm verfolgenden Motorrad entfloh. Keine Frage, der FBI-Agent war schnell und schlug Haken, welche die Crossmaschine in ernsthafte Schwierigkeiten brachte. Aber lange würde er dieses Tempo nicht aufrechterhalten können und so änderte Gibbs kurzentschlossen seinen Kurs.

Keinen Augenblick zu früh. Das zweite Motorrad holte Mulder ein, hüllte ihn ein eine dichte Staubwolke und kam vor ihm mit heulendem Motor zum Stehen. Nur mit purem Glück konnte der Agent dem darauf brechenden Schuss ausweichen. Er rollte sich geistesgegenwärtig zur Seite, kroch flink vor den grobstolligen Reifen fort und suchte Deckung hinter einer Abbruchkante.

Dort hätte ihn der Fahrer des zweiten Motorrades spielend in der Falle gehabt, doch Gibbs erreichte zeitgleich mit der Maschine den Vorsprung und sprang. Sich überschlagend stürzte er zu Boden, die Finger eisern in die Kleidung des Fahrers gekrallt und mit sich reißend. Undeutlich konnte er noch den Schatten des Motorrades über sich hinweg fliegen sehen, ehe es mit einem berstenden Krachen an einem Felsen zerschellte, dann wurde ihm für einige Herzschläge schwarz vor Augen. Er konnte nur hoffen, dass die Maschine Mulder verfehlt hatte.

In seiner direkten Nähe hörte er den Motorradfahrer auf arabisch Fluchen und war sich der Gefahr, in welcher er sich noch immer befand, dumpf bewusst, aber sein Körper verweigerte ihm den Gehorsam. Ihm blieb nur die schwache Hoffnung, dass sein Gegner bei dem Sturz seine Waffe verloren hatte. Sein Kopf schmerzte zum verrückt werden.

Mühsam um sein Bewusstsein kämpfend, hörte Gibbs die schnellen Schritte zu seiner Linken zu spät und der Tritt traf ihn hart auf die ungeschützten Rippen, riss ihn herum und beförderte ihn noch näher an den Rande einer Ohnmacht. Zähneknirschend verbiss er sich einen Aufschrei. Er musste irgendwie auf die Füße kommen, doch nach zwei weiteren Treffern in die Seite fehlte ihm schlichtweg die Kraft dazu. Statt dessen drehte er sich seinem Widersacher entgegen, als sich dieser zu siegessicher zu ihm herabbeugte, versetzte diesem einen schlecht gezielten Fausthieb gegen die Schläfe und versuchte ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Tatsächlich ging die Rechnung auf, aber noch immer war der Mann über ihm, wenngleich auf Händen und Knien, und ein stummes Ringen begann.

Schnell musste der NCIS-Agent jedoch eingestehen, dass er dem jüngeren und größeren Mann unterlegen war. Er hatte keine Chance, sich dessen schmerzhaftem Griff zu entwinden. Seine Rippen brannten und erschwertem ihm das Atmen ohnehin schon, zusätzlich lastete das Gewicht des Motorradfahrers schwer auf ihm und so gewahrte er das matte Schimmern einer Klinge aus dem Augenwinkel fast zu spät, um noch rechtzeitig darauf reagieren zu können. Er riss seinen linken Arm frei, umschloss das Handgelenk seines Gegners und fälschte den Stoß ab.

Der darauf folgende, beißende Schmerz raubte ihm den Atem, schien seinen Widerstand endgültig einbrechen zu lassen, doch genau das Gegenteil war der Fall. Der Schmerz weckte seinen sturen Widerstand, weckte die Erinnerung an längst vergangene Tage, und Gibbs reagierte. Er reagierte instinktiv, ohne einen überflüssigen Gedanken ans Nachdenken zu verschwenden. Am Rande seines Bewusstseins gewahrte er die verblüffte Überraschung seines Gegners, nutzte dessen unwillkürliches Zurückweichen und hebelte ihn aus.

Offenbar wurde sich der Mann bewusst, dass er sich plötzlich in einer nicht erwarteten Gefahr befand und dass er den Älteren gefährlich unterschätzt hatte. Gibbs Reaktionen waren schnell, schlafwandlerisch sicher, und auch wenn er nicht verhindern konnte durch das Messer verletzt zu werden, so blockte er die Angriffe doch wirkungsvoll, ohne Rücksicht auf den damit verbundenen Schmerz. Schnell sah sich der Motorradfahrer in die Defensive gedrängt, verlor an Boden und musste schlussendlich zulassen, dass ihm das Messer aus der Hand geschlagen wurde.

Furchtsam starrte er den Agent an, Gibbs blaue Augen funkelten in kaltem Zorn. Dann schnellte er vor, packte den Araber am Kopf und brach ihm mit einem schnellen Ruck das Genick.

Erschöpft blieb Gibbs unter dem erschlafften Körper liegen und rang nach Atem. Ihm schwindelte und jede noch so kleine Bewegung schien eine Welle rotglühenden Schmerzes zu entfachen. Er hörte, dass sich erneut ein Motorrad näherte, mit ein bisschen Glück hielt man ihn bereits für tot. Jemand hob das Gewicht des toten Arabers von ihm, er roch den scharfen Geruch nach Benzin und Motoröl. Dann rüttelte jemand unsanft an seiner Schulter.

„Ist er am Leben?“

„Eine böse Kopfverletzung, aber er atmet. Ich... Jethro?“

Es waren Scullys und Mulders Stimmen, wie auch immer sie es fertig gebracht hatten in den Besitz eines Motorrades zu kommen, aber wenigstens bestand jetzt kein Grund mehr, sich länger still zu verhalten. Gibbs zwang seine schmerzenden Glieder, sich aufzusetzen und begegnete Scullys angstgeweiteten Augen. Hinter ihr saß Mulder auf einer gekaperten Maschine und grinste. „Ich fürchte, Stahl zerbricht leichter als unser Gefährte vom NCIS, Scully. Können Sie fahren?“

Mit Scullys Hilfe kam Gibbs wieder auf die Füße. Übelkeit griff nach ihm, aber er bezwang sie eisern. Noch waren sie nicht außer Gefahr, er konnte das Röhren der näherkommenden Jeeps deutlich hören. „Ich werde mich halten können. Los, fahren wir.“

Zu dritt quetschten sie sich auf das schmale Gefährt, dann spritzten Sand und Gestein auf und Mulder trieb die Maschine an. Der Motor kreischte unwillig und natürlich war sie wesentlich langsamer und weniger wendig unter diesem Gewicht, aber alles war besser, als weiterhin zu Fuß fliehen zu müssen. Zumal sie jetzt immer häufiger vereinzelte Regentropfen ins Gesicht trafen. Es begann zu regnen.

Ein Blick zum Himmel zeigte, dass die Sturmwolken von schweren, schwarzen Regenwolken verdrängt worden waren, die kaum noch einen Strahl des blassen Mondlichts hindurch ließen. Das Rauschen des Windes wurde ersetzt von dem stetig anschwellenden Geräusch fallenden Regens.

Dann öffneten sich die Schleusen des Himmels und eine wahre Sintflut ergoss sich über die Landschaft, durchnässte die Agents in kürzester Zeit bis auf die Knochen. Scully keuchte entsetzt, hatte sie doch noch nie zuvor die entfesselte Macht eines losbrechenden Monsuns am eigenen Leib erlebt. Und es war ehrfurchtgebietend.

Der ausgedörrte Boden war nicht in der Lage, die plötzlich auftretenden Wassermassen aufzunehmen und so bildeten sich Pfützen und Rinnsale, die rasch zu kleinen Seen und schnell dahinsprudelnden Strömen heranwuchsen. Mulder musste heftig kämpfen, um nicht die Gewalt über die Maschine zu verlieren, die unruhig unter ihnen schlingerte und immer wieder den festen Boden zu verlieren schien.

Undeutlich waren die Umrisse der sie verfolgenden Jeeps durch die Regenschleier auszumachen, drei an der Zahl. Einer befand sich zu ihrer Rechten, der andere zu ihrer Linken. Der letzte befand sich irgendwo direkt hinter ihnen und hetzte das kleine Motorrad vor sich her. Gleich einer Meute fiebernder Jagdhunde trieben sie die Fliehenden weiter.

Verzweifelt versuchte Mulder schneller zu sein, ein Wahnsinn bei diesen Bedingungen, aber er verbot sich intensiver darüber nachzudenken, sondern alles zu riskieren. Er spürte, wie sich Scully in seinem Rücken zitternd klein machte, in kalter Furcht die Hände in sein Hemd krallte, um nur nicht heruntergeschleudert zu werden. Er wünschte, er bräuchte sie diesem Horror nicht auszusetzen und konnte nur beten, dass Gibbs, der hinter Scully kauerte, wohl auf war.

Der Weg vor ihnen wurde stetig steiler und unwegsamer, Regenwasser strömte ihnen entgegen und spülte und gurgelte über die Felsen und Spalten. Lange würden sie nicht mehr auf diesem Untergrund weiterkommen und offenbar war dieser Gedanke auch ihren Verfolgern gekommen, denn sie versuchten näher an das Motorrad zu gelangen und die Verfolgung zu beenden, indem sie das kleinere Fahrzeug abzudrängen versuchten. Es forderte Mulders ganzes Geschick, diesen Fallen immer wieder zu entgehen. Zwei Mal fürchtete er, einer Kollision mit einem der Jeeps nicht ausweichen zu können, kam ihm so nah, dass die Männer auf der Ladefläche bereits nach ihnen greifen wollten, doch er entrann ihnen gerade noch rechtzeitig. Mit grimmiger Entschlossenheit zwang er das Motorrad weiter bergauf.

Dann übersah der Jeep zu ihrer Rechten einen ausgespülten Fuchsbau und brach sich die Vorderachse, eröffnete Mulder so ungewollt mehr Spielraum, welchen die verbliebenen zwei Verfolger vergeblich einzudämmen versuchten, dann endlich fielen auch sie hinter ihnen zurück und brachen die Verfolgung ab. Mulder sah sie im Regen verschwinden und fühlte Erleichterung wie lähmendes Wachs durch seinen verkrampften Körper strömen. Euphorie und verzweifelte Freude schüttelten ihn, aber er beherrschte sich und zwang seine Konzentration weiter auf den Weg vor ihnen. So lange sie fahren konnten, würde er fahren und hoffen, dass sie irgendwo einen Unterschlupf finden würden, der ihnen ausreichenden Schutz vor diesem wahnsinns Regen spendete.

In Feindeshand

Scully schreckte aus ihrem Delirium der absoluten Erschöpfung auf, als Mulder die Crossmaschine auf dem schmalen Grat eines Bergrückens stoppte. Hoch waren sie entlang des Felsmassivs emporgeklettert und so gab es nur wenig, das sie hier oben vor dem scharfen Wind hätte schützen können, welcher den Regen mit ungebrochener Kraft peitschte. Er klagte entlang der zerklüfteten Hänge und Scully fragte sich dumpf, weshalb ihr Partner ausgerechnet hier Halt machte. Eine halbe Ewigkeit, so zumindest schien es ihr, waren sie über übelkeiterregende Steige gefahren, kaum breiter als das Motorrad selbst, immer im Schatten des abweisenden Gebirges. Ständig war die Strecke unter den zu Tal stürzenden Wassermassen verschwunden, doch Mulder hatte seinen Weg unbeirrt fortgesetzt. So hatte Scully irgendwann ihren Blick von diesen Todeshängen abgewandt und sich nur noch darauf konzentriert, ihre Atmung und ihre Kräfte in Zaum zu halten. Ihr Magen protestierte mit einem flauen Drücken auf die ungewohnte Bewegung und die zunehmende Höhe.

Jetzt, als sie die Stimme ihres Partners undeutlich über die heulenden Fallwinde hinweg vernahm, zwang sie den latenten Schwindel zurück und hob ihren Kopf wieder, um entlang Mulders ausgestreckten Arms hinunter in ein verwildertes, von Nebelschwaden verhangenes Tal zu spähen. Bei diesen Wetterverhältnissen konnte sie unmöglich schätzen wie weit unter ihnen die Talsohle liegen mochte, aber sie begriff, weshalb Mulder angehalten hatte.

Weit unter ihnen schimmerten Lichter durch die dichten Nebel- und Regenschleier. Schwach nur, aber schon so deutlich erkennbar, dass es sich bei der Lichtquelle selbst nur um Elektrizität handeln konnte. Etwas befand sich in diesem Tal und was auch immer es sein mochte, es musste weit fortgeschrittener sein als jedes einzelne der ärmlichen Dörfer, an denen sie in den letzten Tagen vorbeigekommen waren. Mulder musste der gleiche Gedanke gekommen sein wie Scully jetzt: Sie hatten die Forschungseinrichtung gefunden. Nur wie sie dort hinuntergelangen sollten, war zu diesem Zeitpunkt unmöglich zu sagen.

Scully drehte ihren Kopf leicht, um nach Gibbs zu sehen. Er lehnte schwer auf ihrem Rücken, den Kopf auf ihrer Schulter, und schien kaum zu etwas anderem fähig, als sich auf dem bockenden Motorrad zu halten. Selbst wenn das Wetter ihnen einen Abstieg ermöglicht hätte, der NCIS-Agent würde diese zusätzliche Anstrengung in seinem gegenwärtigen Zustand nicht verkraften.

Scully unterdrückte einen Fluch, welcher all die Unleidlichkeiten der letzten Stunden einbezogen hätte. Was sie auch taten, nichts lief so wie sie es geplant oder benötigt hätten. Eine unglückliche Entwicklung folgte der nächsten und es war zum verrückt werden. Zähneknirschend wandte sie sich zurück an Mulder, einen letzten, bedauernden Blick auf das verheißungsvolle Licht werfend. Fluchen würde ihre Situation jetzt auch nicht zum Guten ändern und konnte über die dringende Notwendigkeit, einen trockenen Ort für die Nacht zu finden, nicht hinwegtäuschen.

„Mulder wir können dort nicht hinunter. Nicht jetzt und nicht bei diesem Wetter. Versuchen wir uns diesen Ort einzuprägen, um bei besseren Bedingungen wiederzukehren, in Ordnung?“ Sie wusste selbst wie unsinnig diese Idee klingen musste und konnte an den versteinerten Zügen ihres Partners nur zu deutlich ablesen, dass auch er das dachte. Der Wunsch, auf dem schnellsten Weg dort hinunter zu kommen, spiegelte sich unverkennbar in seinen Augen.

„Mulder, lassen Sie es gut sein. Wir würden nicht lebend dort ankommen. Vermutlich erwarten sie uns sogar bereits. Wir müssen einen Plan erstellen und ich muss mich um Gibbs Verletzungen kümmern.“ Behutsam ergriff sie Mulder an der Schulter und drückte sie leicht. Verdammt sie konnte doch nachvollziehen, was jetzt in seinem Kopf vorgehen musste, aber sie mussten vernünftig bleiben.

Tatsächlich entspannten sich die Züge des FBI-Agents langsam und schließlich wandte auch er den Blick von den Lichtern ab. Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht, traurig und dankbar zugleich, dann trieb er das Motorrad erneut an. Vernunft und Verstand mussten dem unerträglichen Druck der verstreichenden Zeit standhalten, andernfalls würden sie früher oder später Fehler machen, die nicht nur ihre eigenen Leben kosten konnten.

Als würde ein unbekannter guter Geist Mitleid mit ihnen empfinden, stießen sie nach nicht allzu langer Suche schließlich auf eine schmale, natürliche Felsöffnung, hinter welcher sich eine beengte, aber trockene Höhle ausdehnte, die ihnen allen genügend Platz zugestand. Es gab vereinzelte Spuren menschlichen Lebens, eine kalte Feuerstelle und halb verrottetes Reisig, doch sie waren alt und schienen nicht regelmäßig in Anspruch genommen zu werden.

Während Mulder mit dem Reisig und den wenigen Zweigen die er hatte finden können, versuchte ein Feuer zu entfachen, beugte sich Scully besorgt über den halb bewusstlosen NCIS-Agent. Zwar hatte die Wunde am Kopf zu bluten aufgehört, doch sie bereitete der ausgebildeten Ärztin noch immer Kummer.

Gibbs brummte gequält, als sie behutsam seinen Kopf abtastete und wandte unwillig den Kopf ab, als sie ihm auch noch in die Augen sehen wollte. Selbst das schwache Licht des langsam heller werdenden Feuers tat seinen Pupillen unsagbar weh.

Scully beherrschte ihre Sorge entschlossen, ignorierte seinen schwachen Widerstand und machte sich daran, den Agent zu versorgen. Er würde zumindest die nächsten Stunden nicht reisefähig sein, möglicherweise sogar die nächsten Tage, wenn sich die Gehirnerschütterung als schwerwiegend herausstellen sollte, und Scully schluckte den schalen Geschmack der Verzweiflung hinunter, der mit diesem Zugeständnis unweigerlich verbunden war. Es gab nichts was sie daran jetzt noch ändern konnten und sie mussten zusehen, wie sie mit diesem neuen Status Quo weiterkamen.

Mulder beobachtete die routinierte Arbeit seiner Partnerin indes mit einem beklemmenden Gefühl der Schuld. Gibbs hatte ihm mit diesem schnellen und selbstlosen Handeln womöglich das Leben gerettet und hätte leicht selbst tödlich verletzt werden können. Es war pures Glück, dass sie alle dieser Situation mehr oder weniger lebend entkommen waren. Während dieser Ermittlungen waren er und Gibbs keinesfalls Freunde gewesen und Mulder war sich durchaus bewusst, dass er sich unmöglich benommen hatte, wo der NCIS-Agent nur höflich hatte sein wollen. Jetzt bedauerte er das zutiefst.

Seufzend wandte er sich von dem unschönen Bild ab. Er konnte weder Gibbs noch Scully jetzt behilflich sein und überhaupt gab es zur Zeit nichts, was er hätte tun können. Es nagte an ihm der Wunsch hinaus in den strömenden Regen zu treten und einen Weg hinunter in das Tal zu suchen, aber er beherrschte sich mühsam. Seine Partnerin hatte Recht, auch wenn es ihm in seinem derzeitigen Gemütszustand nicht leicht fiel das einzugestehen, aber so unüberlegt vorzugehen würde ihm vermutlich tatsächlich nur den Tod bringen. Noch pulsierte das Adrenalin der zurückliegenden Hetzjagd durch seinen Körper und hielt ihn wach und unruhig. Aber er spürte bereits, wie es abzuflauen begann und dann würde nichts als niederschmetternde Erschöpfung zurück bleiben. Die letzten Stunden waren für sie alle hart gewesen, das bisschen Schlaf, welches sie in dem Bergdorf hatten genießen können, hatte die verlorenen Kräfte nicht wiederherstellen können. Sie mussten rasten. Sowohl in Gibbs Sinne, als auch in ihrem eigenen Interesse.

Nach einem letzten, sehnsüchtigen Blick in die vor Nässe triefende Dunkelheit vor der Höhle, ließ er sich schwerfällig neben dem ärmlichen Feuer nieder. Müde rieb er sich das sonnenverbrannte Gesicht, seine Augen schmerzten protestierend von dem Wind, dem Sand und dem Regen, denen sie ausgesetzt gewesen waren. Er würde versuchen ein bisschen Schlaf zu finden und dann zusehen, dass er so schnell wie möglich einen Weg auskundschaftete, der sie hinunter zu dem Forschungsprojekt bringen würde. Ausgeruht würden ihn auch anstehende Kletterpartien nicht abschrecken. Für den Moment von diesem Plan zufrieden gestellt, driftete er langsam in einen unruhigen, traumlosen Schlaf.
 

Aber die erzwungene Pause wurde länger als Mulder sich an diesem Abend noch gedacht hatte. Der Regen hielt hartnäckig an und der FBI-Agent fand sich in einem Kreislauf aus träger Müdigkeit und tiefem Schlaf wieder. Sein geschundener Körper forderte ein, was er ihm in den vergangenen Tagen vorenthalten hatte und ihm fehlte schlichtweg die Kraft, sich dagegen aufzulehnen. Sein Kopf schien in Watte gepackt und verweigerte ihm zu intensives Nachdenken. Scully behauptete, dass dies von der für sie ungewohnten Höhe hier in den Bergen stammte und Mulder machte sich gedanklich eine Notiz, dass er Bergregionen in Zukunft meiden würde.

Am Morgen des zweiten Tages jedoch schien der Regen ein wenig nachzulassen und Scully scheuchte ihn hinaus, um irgendwie nach weiterem Feuerholz zu suchen. Gibbs schien es durch die erzwungene Ruhepause besser zu gehen, allerdings wurde er noch immer von zeitweiligem Schwindel und von Kopfschmerzen geplagt und schlief viel. So nahm Mulder die Gelegenheit dankend an, den beengten Raum zu verlassen und nahm sich vor, die Suche nach Brennholz mit der Suche nach einem geeigneten Weg zu verbinden.

Er streckte seine schmerzenden Glieder, als er die gedrungene Höhle verließ und hob sein Gesicht dem warmen Regen entgegen. Keine Frage, er würde schneller bis auf die Haut durchnässt sein als ihm lieb sein konnte, aber für den Augenblick genoss er die Frische und das angenehme Vorbeistreichen des Windes. Zeitgleich fragte er sich verdrossen, wie Scully allen Ernstes von ihm erwarten konnte Brennmaterial für das Feuer aufzufinden. Nichts was hier draußen dem beharrlichen Dauerregen ausgesetzt war würden sie nutzen können, ohne gleichzeitig an Rauchvergiftung zu verenden.

Er machte sich dennoch auf den Weg und entfernte sich bei seiner Suche unbemerkt immer weiter von der kleinen Höhle. Unbewusst verfolgte er den Weg zurück, welcher sie zuvor hier hinauf geführt hatte, und tatsächlich erreichte er schließlich eine windumtoste Felsnase, von der er hinab in ein weitläufiges Tal blicken konnte. Es regnete zwar noch immer stetig, aber bei weitem nicht mehr so heftig wie die vergangenen Stunden und das Tageslicht tat das übrige, damit er den weitläufigen Komplex auf der Talsohle entdecken konnte. Sein Herz machte einen freudigen Sprung, die Lichter gehörten tatsächlich zu einer modernen Gebäudeeinheit und er wischte sich mit zitternden Fingern das nasse Haar aus der Stirn, um besser sehen zu können.

Es konnte sich bei den Gebäuden unmöglich um etwas anderes handeln als die Forschungseinrichtung, nach welcher sie suchten. Gedrungen duckte es sich in den Schutz der massiven Berghänge, unscheinbar aber aus Materialien erbaut, welche in diesem entlegenen Winkel Pakistans niemals erhältlich sein würden. Schon gar nicht in dieser Menge. Beinah wirkte es futuristisch, wie ein Geschwulst in der sonst so unberührten Umgebung. Hohe Zäune, gekrönt mit blitzenden Spiralen aus Stacheldraht, säumten dass ausufernde Territorium und ließen keinen Zweifel, dass Besuch unerwünscht war. Mulder konnte vereinzelte Figuren ausmachen, die in Abständen an dieser Grenzlinie entlang patrouillierten.

Er grinste wölfisch, ein boshaftes Glitzern in den braunen Augen. Hatte die Entfernung die Nacht noch unwahrscheinlich groß ausgesehen, so wurde jetzt deutlich, dass das Tal nicht allzu schwer zu erreichen war und dass ein Marsch von nicht einmal einem halben Tag sie vor die Tore der Forschungseinrichtung führen würde. Praktisch ein Katzensprung.

Vergessen war der Auftrag, frisches Brennholz zu besorgen. Statt dessen keimte in dem FBI-Agent der wilde Entschluss, sich näher an den Komplex heran zu schleichen und herauszufinden, wie sie die Sicherheitseinrichtungen unterlaufen und in die Gebäude eindringen konnten. Sie hatten bereits zu lange gezögert, auch wenn ihnen tatsächlich keine andere Wahl geblieben war, aber mit einem Mal brach die Unruhe und Rastlosigkeit wieder über ihm zusammen und machte es ihm unmöglich, diese Chance ungenutzt verstreichen zu lassen.

Kurzentschlossen verließ er seinen Posten auf der Felsnase und machte sich daran, einen Abstieg entlang der schattengeschützen Felsflanke zu finden. Er fühlte sich frisch und ausgeruht und so brachte Mulder schnell einige Höhenmeter hinter sich. Der Untergrund war schmierig von den ausgiebigen Regenfällen und das blanke Gestein trügerisch und bremste sein Vorankommen, sehr zu seinem Verdruss. Aber nachdem er mehrfach unbedacht einen Schritt gesetzt und beinah jeglichen Halt verloren hatte, besann er sich und kletterte langsamer.

Die Sonne wanderte hinter den bedrohlich tiefhängenden Regenwolken gen Westen, tauchte die Bergflanke in dunkle Schatten und schon bald wurde es empfindlich kalt auf dem schmalen, kaum erkennbaren Pfad, welchem der FBI-Agent folgte. Dennoch begann er zu schwitzen und sein Puls schlug kräftig und hart in seiner Brust. Scully hatte Recht, die Höhe machte ihm merklich zu schaffen und er sah sich zwischendurch immer wieder gezwungen innezuhalten, um wieder zu Atem zu kommen. Neben dieser ungewohnten Anstrengung ließ aber auch seine eigene innere Ungeduld und die Aussicht, schon bald einen genauen Blick auf den Feind werfen zu können, sein Herz schneller schlagen. Irgendwo in seinem Unterbewusstsein war ihm bewusst, in was für eine wahnwitzige Gefahr er sich hier gerade begab, aber er ignorierte das Stimmchen in seinem Kopf stur.

Seine Knie bebten und seine Hände waren wund, als er nach einem kräftezehrenden Abstieg endlich den Fuß der Bergflanke erreichte und sich im Schatten der Felsen aufmerksam umsah. Die Fläche vor dem ausgedehnten Gebäudekomplex schien unüberwindbar in seiner vegetationsarmen Ödnis und Mulder fragte sich ernsthaft, wie er es ungesehen zum Zaun, geschweige denn darüber schaffen sollte. Er warf einen letzten Blick den Hang hinauf zu der Felsnase. Er musste blinzeln und schirmte seine Augen gegen das Licht ab. War da nicht eine Bewegung über ihm gewesen? Er konnte es nicht erkennen und so zog er sich tiefer in den Schutz der Felswand zurück. Er würde entlang dieses Hanges den Komplex umrunden, soweit es denn möglich war, und nach einer geeigneten Stelle zum Überqueren des Zauns suchen müssen. Es würde ihn noch mehr Zeit kosten, aber nun war er schon bis hier gekommen, er würde jetzt nicht einfach kehrt machen und diesen ganzen Teufelspfad wieder hinaufklettern. Zwar nagte das schlechte Gewissen schon ein wenig an ihm, dass er Scully mit dem verletzten Gibbs so lange allein ließ und der Bitte seiner Partnerin nicht nachkam, aber seine egoistische Neugier war wie immer stärker.

So bewegte er sich in einem lockeren Dauerlauf in südlicher Richtung, als plötzlich das Geräusch von Motoren und der Klang lauter, rauer Stimmen seine Aufmerksamkeit ablenkte. Auf dem Freigelände vor den Gebäuden querte eine kleine Kolonne von Militärfahrzeugen die Strecke von einem für ihn nicht sichtbaren Ort zu einem kuppelförmigen Seitentrakt. Ein Tor öffnete seine gewaltigen Flügeltüren, um diesen Konvoi einzulassen und in dem durch elektrisches Licht erhellten Raum im Hintergrund meinte Mulder das Licht auf den unterschiedlichsten Gegenständen reflektieren zu sehen.

Kalt strich ein Schauer über seinen schweißnassen Rücken. Wenn er sich nicht täuschte, waren dort in dieser Kuppel unzählige Tanks aufgereiht. Tanks wie er sie schon einmal gesehen hatte. Tanks, in denen Menschen in einer Nährlösung gehalten wurden. Oder diejenigen, die einstmals menschlich gewesen waren und im Rahmen dieses Forschungsprojekts zu tödlichen Chimären gemacht wurden.Das musste er genauer wissen!

Darauf hoffend, dass die Aufmerksamkeit der Patrouillen auf den Konvoi konzentriert war, rannte Mulder geduckt und so schnell ihn seine vom Abstieg noch zitternden Beine trugen, hinüber zu dem zwei Mann hohen Metallzaun. Beinah auf allen Vieren huschte er daran entlang und kauerte sich in einer flachen Bodenwelle nieder. Es musste einen Weg geben, diesen Zaun zu überwinden. Und wenn er sich die zerklüftete Steppe betrachtete, kam ihm auch eine vage Idee. Vorsichtig spähte er zu dem keinen Meter entfernten Zaun und suchte dessen Linie nahe des Bodens ab. Da!

Schnell erhob er sich, rannte geduckt die paar Meter und warf sich direkt vor dem Zaun zu Boden. Der Untergrund war normalerweise hartbackenes Erdreich, zwischen dessen Steinblöcken und verfestigten Erdschollen immer wieder Mulden mit losem Sand vorkamen. Nach den Regenfällen versank Mulder allerdings mehrere Zoll in den aufgeweichten Boden und der sonst so feine Sand hatte sich zu einer zähen, klumpigen Masse verdichtet. Und genau diesen galt es zu entfernen.

Mulder ignorierte den Schmerz seiner wunden Handflächen, als er mit beiden Händen zugriff und das lose Erdreich zur Seite zu räumen begann. Er arbeitete schnell und verbissen und hatte nach nur wenigen Minuten einen passablen Tunnel unter dem Zaun ausgehoben. Seine Finger schmerzten, doch Mulder konnte nur den Weg ins Innere sehen. Dich an den Boden gepresst schob er sich in den schmalen Durchlass. Er hatte es geschafft. Er war drinnen und das entschädigte ihn für seine durchnässte und schlammbedeckte Kleidung. Ein triumphierendes Grinsen huschte über seine Züge, dann wandte er sich von dem Zaun ab und spurtete an ihm entlang in die Richtung des mysteriösen Kuppelgebäudes.

Die Sonne sank bereits hinter die ersten Gipfel und sandte lange Schatten über das Gelände. Und mit der Dunkelheit nahm auch der Regen wieder zu. Ebenso wie der Wind. Mulder schon sein wachsendes Unbehagen entschlossen in den Hintergrund. Mochte sein, dass er heute nicht mehr in das gemeinsame Lager zurückkehren konnte, doch was er hier zu finden erhoffte, würde diesen Umstand in Gold aufwerten. Dessen war er sich sicher.

Unbehelligt erreichte er den Seitenflügel des seltsam konstruierten Bauwerks, erklomm einige übereinander geschichtete Truhen und riskierte einen behutsamen Blick durch die verdreckte Scheibe.Es waren wohl einmal Lüftungsschlitze gewesen, welche gegen das Eindringen von Sand abgedichtet worden waren, und gestatteten dem Agent nur einen beschränkten Blick ins Innere. Mit angehaltenem Atem wischte er den Schmutz von der behelfsmäßig eingelassenen Scheibe. Der Eindruck hatte nicht getäuscht, das Gebäude war voll von diesen grotesken Tanks, eine Reihe hinter der nächsten. Mulder hätte nie gedacht, dergleichen noch einmal zu Gesicht zu bekommen. Die Lichtverhältnisse waren zu schlecht, als das er hätte erkennen können was sich in den Tanks befand. Die schwachen Umrisse, welche er zu erkennen vermochte, waren durchaus menschlicher Gestalt, aber er würde jede Wette halten, dass der Schein trügte.

Sein Atem kondensierte auf der Scheibe, während er gebannt durch den schmalen Schlitz spähte und so bemerkte er nicht, dass sich sein unverschämtes Glück gefährlich dem Ende näherte. Eine Patrouille aus zwei Männern kam langsam auf seinen Standort zu. Noch unterhielten sie sich und achteten wenig auf ihre Umgebung und möglicherweise hätten sie den FBI-Agent sogar übersehen, hätte dieser nicht durch die Verlagerung seines Gewichts die Kisten unter sich zum Knarren gebracht. Mulder konnte gerade noch rechtzeitig zu Boden springen, als auch schon die ersten Geschosse genau dort einschlugen, wo er eben noch gestanden hatte. Heulend wurden sie von der massiven Stahlwand abgewiesen.

Den unflätigen Fluch noch auf den Lippen, sprang der Agent zurück auf die Füße und wandte sich kurzerhand vom Zaun ab, um tiefer in den weitläufigen Komplex hinein zu laufen. Über den Zaun würde er es niemals rechtzeitig schaffen, aber vielleicht gelang es ihm seine Verfolger zwischen den Gebäuden abzuschütteln.

In seinem Rücken öffneten sich die Tore des kuppelgleichen Gebäudes derweil erneut und gaben den Weg für ein weiteres Kommando an Wachleuten frei. Diesmal fluchte Mulder laut. Wie hatte er annehmen können hier so einfach hineinspatzieren zu können? War er denn völlig von Sinnen? Wieder einmal hatten ihn sein Ehrgeiz und seine unzähmbare Neugier in eine Falle gelockt. Scully würde schäumen vor empörter Wut ob dieser Dummheit und im Augenblick wünschte sich der FBI-Agent nichts mehr, als sich dieser Wut aussetzen zu müssen, statt den beiden Wachkommandos zu entkommen.

Aber natürlich war der Versuch sinnlos. Seine Häscher waren sowohl zahlenmäßig als auch Konditionell besser aufgestellt. Sie holten ihn mit Leichtigkeit ein, schnitten ihm jeden weiteren Fluchtweg ab und warfen ihn zu Boden, wo er von groben Händen abgetastet und schließlich gefesselt wurde. Jegliches Winden und Aufbäumen war fruchtlos und verschlimmerte seine Situation lediglich, bis er den Schatten eines vermummten Hünen über sich gewahrte und den Steintrümmerer von Faust, welche zu diesem Riesen von Mann gehörte. Gleich darauf schwanden ihm auch schon die Sinne.

Die Macht der Angst

(Hat ein bisschen gedauert mit der Fortsetzung, sorry. ^^' Aber die Kapitelaufteilung hat mir einige Nerven gekostet. So passt es jetzt wenigstens einigermaßen. Viel Spaß beim Lesen! :D)
 

„Dieser unglaubliche Idiot!“ Erschüttert ließ Scully den kleinen Feldstecher sinken. Es war eine glückliche Errungenschaft aus den Gepäcktaschen des gekaperten Motorrads, aber in diesem Augenblick wünschte Scully, sie hätte nicht mitansehen müssen, wie ihr Partner in sein eigenes Unglück lief. Sie widerstand dem Drang, das Fernglas den Anhang hinunterzuwerfen. Sie würden es noch brauchen und schließlich trug der Gegenstand keine Schuld an Mulders Wahnsinn. Aber Scully verfluchte es trotzdem.

Einen Augenblick blieb sie noch an ihrem Aussichtsposten hocken und starrte ohne die Hilfe des Feldstechers in das bereits dunkel werdende Tal. An den Hängen zogen die ersten abendlichen Nebel auf und schon bald würde sich das Licht vollständig aus dem Tal zurückgezogen haben. Wie konnte er das nur machen? Wie konnte er sie in eine solche Situation bringen? Sie bebte innerlich und schaffte es nur mit Mühe, sich zur Ruhe zu zwingen. Tief durchatmen, wieder und wieder. Zwecklos.

Noch immer wutentbrannt stand die Agentin schließlich auf und wandte dem Tal entschlossen den Rücken zu. Hier gab es für sie nichts mehr zu tun. Zumindest für den Augenblick nicht. Sie hatten schon vorher schlechte Karten gehabt. Ihre Chancen waren lächerlich gering gewesen. Doch mit diesem schwachsinnigen Alleingang hatte Mulder jetzt alles gefährdet. Was zum Teufel hatte er sich dabei nur wieder gedacht?

Scully unterließ es, sich diese rethorische Frage selbst zu beantworten, während sie sich ihren Weg über die zerklüfteten Pfade suchte. Schließlich kannte sie ihren Partner mittlerweile lange genug um zu wissen, dass seine Wege nicht immer für andere nachzuvollziehen waren. Aber verdammt, er hatte sie alle damit einer unglaublichen Gefahr ausgesetzt. Und was noch viel schlimmer war, er zwang sie zum Handeln.

Gestein geriet unter ihren fahrig gesetzten Schritten ins Rutschen und Scully knurrte verärgert und trat den widerspenstigen Felsen aus dem Weg. Ein missmutiger Blick zum wolkenverhangenen Himmel bewies ihr außerdem, dass sie es nicht mehr bei Tageslicht zurück zur Höhle schaffen würde. Als hätte sie nicht schon genug Sorgen, welche ihr mehr und mehr die Luft zum Atmen zu rauben schienen.

Als sie ihre Unruhe nicht mehr hatte bändigen können und Mulder einfach nicht zurückkehrte, war der Tag bereits weit fortgeschritten gewesen. Sie hätte schon viel eher auf den Gedanken kommen müssen, dass ihr Partner wieder einmal auf merkwürdigen Pfaden wandeln könnte, aber so hatte sie Gibbs schon viel zu spät schweren Herzens schlafend zurückgelassen und hatte sich auf die Suche nach ihrem Partner begeben. Natürlich hatte sie da bereits geahnt, in welche Richtung sein Weg führen würde. Und sie hatte Recht behalten.

Mulder hatte den Fuß des Berghanges bereits erreicht gehabt, als sie ihn mit Hilfe des Feldstechers endlich gefunden hatte und für einen Moment hatte sie sogar geglaubt, dass er sie erkannt habe. Doch dann war er davon gelaufen, direkt auf den Zaun zu. Dieser Wahnsinnige. Angespannt bis in die Haarwurzeln hatte Scully also seinen weiteren Weg verfolgt und hätte ihn selbst über diese große Distanz am liebsten angeschrien, als er dann auch noch unter dem Zaun hindurchkroch.

Hilflos hatte sie also mit ansehen müssen, wie sich die Patrouille seinem Standort näherte und wie sich das Netz schließlich um ihn schloss. Es hatte sie innerlich zerrissen nichts gegen diese Katastrophe tun zu können. Zu entsetzt, um den Feldstecher zur Seite zu legen, hatte sie mitangesehen, wie man Mulder fesselte und schließlich bewusstlos schlug.

Ihr Magen war selbst jetzt noch ein harter Stein zwischen ihren Rippen und sie konnte nur mühsam die aufsteigende Übelkeit zurückdrängen. Sie fühlte sich schrecklich, auch wenn ihr durchaus bewusst war, dass sie nichts für Mulder hätte tun können. Wütend rieb sie sich den Regen aus den Augen und setzte ihren Weg mit verbissener Entschlossenheit fort.

Wie vermutet war die Nacht bereits hereingebrochen und dichte Nebelschwaden kräuselten sich über dem Boden, als sich Scully schließlich durch den Felsspalt in die kleine Höhle zwängte. Der beengte Raum wurde kaum noch durch die niedergebrannte Glut des Feuers erhellt und Scully konnte kaum etwas erkennen. Tiefe Schatten lauerten in den Nischen und so stieß sie einen schrillen Schrei aus, als sie aus dem Augenwinkel eine schattenhafte Gestalt auf sich zukommen sah. Schnell und präzise. Hatte man ihren Unterschlupf etwa in so kurzer Zeit schon ausfindig machen können?

Doch der erwartete Zusammenprall blieb aus und so blinzelte Scully vorsichtig über ihren erhobenen Arm. Der vermeidliche Angreifer war niemand anders als Gibbs. Natürlich. Wie konnte sie erwarten, dass er sich nicht gegen mögliche Feinde verteidigte? Er schwankte leicht und musste sich an den Felsen abstützen. Offenbar hatte ihm die schnelle Bewegung einen erneuten Schwindelanfall beschwert. Grimmig wie eh und je blickte er die Agentin an. „Verdammt noch mal Dana, hör auf dich hier anzuschleichen wie ein Strauchdieb!“

Fahrig strich sie sich das feuchte Haar aus der Stirn. Der Marsch durch den Regen hatte ihre Gedanken zumindest ein Stück weit klar werden lassen. Doch jetzt, wo sie Gibbs gegenüberstand und das Geschehene noch einmal Revue passieren lassen musste, kehrte die niederschmetternde Angst um ihren Partner zurück. „Es tut mir leid, ich war... in Gedanken.“ Als sie Gibbs neugierigen Blick hinaus bemerkte, zwang sie sich das unvermeidliche auszusprechen. „Mulder wird nicht kommen.“

Wortlos richtete sich der stechende Blick des NCIS-Agents auf sie, verärgert, bestürzt und... besorgt. „Was?“

„Er wird nicht kommen. Ich bin ihm zu spät gefolgt. Er war bereits an der Forschungsstation angekommen. Sie haben ihn festgenommen.“

Zu erschüttert um irgendetwas zu sagen, blickten sich die beiden in stummem Entsetzen an. Jetzt wo sie es ausgesprochen hatte, schien die Angst um Mulder noch um vieles größer zu werden. Erneut stieg Übelkeit in Scully auf und ungewollt traten ihr Tränen in die Augen, die sie sofort wütend fortblinzelte. „Dieser Idiot wurde wieder von seinem eigenen Wahrheitsstreben ins Unglück gerissen und ich konnte nichts anderes tun als so schnell wie möglich hier her zurück zu kommen. Jethro, wir müssen ihn da herausholen. Ihn und Tony und Kate. Wir können jetzt nicht mehr länger zögern.“

Gibbs nickte schweigend. Es war offensichtlich, dass er noch immer Schmerzen litt, allerdings veränderte sich sowohl seine Haltung als auch sein Blick. Es war Scully fast ein bisschen unheimlich. „Wie weit ist es von hier zur Forschungseinrichtung?“

„Weit genug.“ Scully suchte ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und tat es damit dem NCIS-Agent gleich, sich reisefertig zu machen. „Draußen ist es so finster wie in der tiefsten Hölle und Nebel steigt auf. Der Abstieg ist machbar, bei diesen Bedingungen allerdings kaum als leicht zu bezeichnen. Das Motorrad können wir nicht nutzen, wir müssen es zurücklassen.“

„Es würde uns ohnehin nur verraten.“ Dicht hinter Scully verließ Gibbs den gemeinsamen Unterschlupf. Er verharrte kurz an der Grenze zum trockenen Eingang und der drückenden Schwüle der Nacht und starrte in den Nebel. Sein Atem kondensierte vor seinem Gesicht in der feuchten Luft. „Unsere einzige Chance besteht jetzt noch darin, unauffällig zu sein und leise. Der Nebel ist vielleicht gefährlich, aber heute Nacht wird er unser Freund sein und unser Kommen decken. Wer weiß, vielleicht eröffnet sich uns so ein Weg hinein.“

Sie würden auf diesen gefährlichen Optimismus vertrauen müssen. Wo Scully eine fast lähmende Verzweiflung in sich verspürte, schien Gibbs von einer unglaublichen Entschlossenheit beseelt zu sein. Sie hatte diesen Zug an ihm schon früher erkannt und leise bewundert. Doch jetzt, geschwächt und ausgelaugt von den zurückliegenden Tagen, empfand sie tiefen Respekt vor dieser Willensstärke. Und es gab ihr die nötige Zuversicht, um nicht vor dieser scheinbar unlösbaren Aufgabe zurückzuweichen.

„Zeige mir den Weg.“

Schweigend verschmolzen die beiden Agents mit dem Nebel.
 

Gleißender Schmerz biss in Mulders Schädel, als er benommen versuchte seine Augen zu öffnen. Um ihn herum herrschte unerträglich helles Neonlicht und von irgendwoher klangen Stimmen an sein Ohr. Es waren weder Gibbs noch Scullys Stimmen und nur langsam kamen die Erinnerungen an sein Eindringen auf das Gelände der Forschungseinrichtung zurück. Er hatte es wieder getan und er war wieder einmal gescheitert. Scully würde ihm die Haut abziehen.

Verwundert stellte er fest, dass seine Hände und Füße nicht gefesselt waren. Er lag auf einer Pritsche, einen knappen Meter über dem Boden. Die Grenzen seiner kleinen Zelle wurden durch bodentiefe Glaswände umrissen. Wenn ihm nur der Kopf nicht so unsagbar wehtun würde. Plötzlich konnte er sich gut vorstellen, wie es Gibbs in den letzten Tagen ergangen sein musste.

Eine Bewegung zu seinen Füßen weckte seine Aufmerksamkeit und Mulder versuchte, den bleischweren Schädel ein wenig von der Pritsche zu heben. Sofort verschwamm sein Blick und sein leerer Magen gab ein protestierend Zucken von sich.

„Sie sollten sich jetzt besser noch nicht bewegen, Agent Mulder. Es wird eine Weile dauern, aber bald schon wird es Ihnen besser gehen.“

Mulder folgte dem Rat und verharrte mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, bis die Umgebung aufhörte sich um ihn zu drehen. Er kannte die Stimme. Irgendwie. „Wo zur Hölle bin ich hier?“

„Das wissen Sie doch bereits. Sie befinden sich im Innern der Forschungseinrichtung, die sie zusammen mit Agent Scully und Agent Gibbs gesucht haben. Sie befinden sich in einem ihrer Laborräume.“ Bedauern und tiefe Trauer färbten die verzerrte Stimme des Redners zu einem rauen Krächzen, aber Mulder war sich sicher, dass er sie nicht zum ersten Mal hörte. Wenn ihm das Erinnern nur leichter fallen würde.

Er rieb sich die schmerzenden Augen. „Seltsame Laborräume haben die hier.“

„Sie hätten nicht herkommen sollen, Agent Mulder. Es wäre besser gewesen, wenn ihr uns einfach vergessen hättet.“

Nun zwang Mulder sich doch dazu, den Kopf zu heben. Natürlich kannte er die Stimme, aber sie war jetzt annähernd zur Unkenntlichkeit verzerrt. Mühsam setzte er sich auf, beide Hände fest um die Kante der Pritsche gekrallt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Ich hätte ein bisschen mehr Freude erwartet von Ihnen und Ihrer Kollegin, Agent DiNozzo.“ Seine Augen hatten Mühe das Bild des NCIS-Agents vor sich scharf zu stellen. Teufel, seine Sehfähigkeit musste in der Tat mächtig unter dem Schlag auf den Kopf gelitten haben.

Ein bellendes Lachen wurde von den glatten Wänden zurückgeworfen. „Freude? Worüber denn? Ich bin ein Monster Agent Mulder, so wie Kate eines ist. Und Sie es bald sein werden. Es gibt keinen Grund um Freude zu empfinden.“ Große Augen starrten den FBI-Agent anklagend an. Augen die von einer öligen Substanz überzogen schienen und so annähernd Schwarz wirkten. Es war beunruhigend zu beobachten.

Mulder wusste nichts zu erwidern. Er wusste nicht einmal, was genau er in diesem Moment, da er Agent DiNozzo zum ersten Mal seit Wochen wieder gegenüberstand, empfinden sollte. Der markerschütternde Schrecken bei dem sich ihm bietenden Anblick ließ den FBI-Agent erneut schwindeln.

„Ich habe auch nicht erwartet, dass Sie in Freude ausbrechen werden, Agent Mulder. Also tun sie sich keinen Zwang an. Ich habe mich daran gewöhnt, dass die Menschen bei meinem Anblick die Augen abwenden.“

„Nein, das ist es nicht. Bitte Tony...“, Mulder zwang sich dem jungen Agent ins Gesicht zu sehen. „Ich habe dergleichen bereits viel zu oft zu Gesicht bekommen, als dass mich der damit verbundene Schrecken noch ängstigen könnte. Aber es ist eine Sache, eine fremde Person von diesem Virus befallen zu sehen, eine ganz andere einen Bekannten und Kollegen zu sehen. Es tut mir leid, dass wir so lange gebraucht haben.“

Der NCIS-Agent erwiderte nichts darauf und Mulder fiel es schwer überhaupt eine Emotion in dem verhärmten Gesicht zu lesen. Der Jüngere hatte sich ein schlichtes Tuch in ritueller Weise um den Kopf geschlungen, als wolle er sein Äußeres vor unliebsamen Blicken schützen. Nur die Augenpartie war deutlich zu erkennen, aber Mulder brauchte auch nicht mehr zu sehen. Er wusste, wie schlecht es um DiNozzo tatsächlich stand.

Er versuchte das Thema auf etwas anderes zu lenken. „Wie steht es um Miss Todd?“

„Sie lebt noch. So wie ich.“

„Ist sie hier?“

Tony nickte nur. Er schien nicht sonderlich erpicht darauf zu sein, über sich oder seine Kollegin zu sprechen. Von dem schmierigen Humor, welchen Mulder als so unfassbar abstoßend empfunden hatte, war nichts mehr übrig. Zu viel Schmerz war an diese Gedanken gebunden, wie Mulder vermutete. Statt dessen fixierte Tony sein Gegenüber mit einem undefinierbaren Blick, ohne auch nur einmal zu blinzeln.

Mulder fiel dabei etwas ganz anders auf. „Sie können sich frei in dieser Einrichtung bewegen?“

„Natürlich. Es gibt nichts wohin wir hätten fliehen können.“ Ätzende Bitterkeit schlug sich in der rauen Stimme nieder. „Wir sind Junkies, abhängig von einer Droge die einen langsam und quälend tötet und die dafür sorgt, dass das eigene Ich stirbt, ersetzt von einer manipulativen Bestie. Trotzdem erscheinen wir Tag für Tag pünktlich an der Ausgabestelle, um den Qualen eines vorzeitigen Todes noch ein paar Tage länger zu entgehen.“ Ein schwaches Beben überzog den Körper des NCIS-Agents.

„Zu welchem Zweck?“

„Zu welchem Zweck wir uns immer wieder in unser Schicksal fügen oder zu welchem Zweck diese Dinge taugen? Was haben Sie in all der Zeit überhaupt angestellt, in der Kate und ich hier festgehalten wurden?“

„Wir vermuten, dass in dieser Forschungseinrichtung Versuche an Menschen durchgeführt werden, mit dem Ziel, einen perfekten Hybriden zu erschaffen. Eine Kreuzung aus Mensch und Außerirdischem, eine Kampfmaschine die trotz ihrer übernatürlichen Kraft steuerbar und manipulierbar bleibt.“ Mulders Augen wurden schmal, als er Tony genauer betrachtete. „ Sind Sie ein solcher Hybrid?“

DiNozzo zuckte und Mulder fürchtete bereits, dass der andere Agent ihn schlagen würde. Doch Tony beherrschte seine Wut. „Noch habe ich den Widerstand nicht aufgegeben, Agent Mulder.“

„Warum sind Sie dann hier? Warum sprechen Sie mit mir? Um mich zu verhöhnen? Ich glaube kaum, dass Sie mir einen Weg nach draußen zeigen werden, habe ich recht?“ Mulder forderte den Jüngeren absichtlich durch harsche Worte heraus. Nur so würde er feststellen könne, wieviel von dem NCIS-Agent noch in der Seele dieses Wesens verblieben war.

„Glauben Sie mir, wenn es eine Möglichkeit gäbe, Sie hier raus zu schaffen, würden wir es tun. Aber die beobachten uns. Die ganze Zeit. Ich will nur wissen, warum Sie hier sind.“ Wieder zitterte der Agent schwach.

Verwundert runzelte Mulder die Stirn. „Um Sie und Kate nach Hause zu holen. Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Fühlen Sie sich nicht wohl?“

Herrisch wischte Tony diese Fragen beiseite, das Gesicht dabei schmerzverzerrt. „Und darum lassen Sie sich wie eine Motte vom Licht einfangen? Ich habe Sie für klüger gehalten.“

Der FBI-Agent knirschte mit den Zähnen. „Ich habe einen Fehler gemacht. Aber noch ist nichts verloren. Scully und Gibbs sind noch immer frei dort draußen. Sie werden einen Weg finden.“

DiNozzo erwiderte nichts darauf als ein leises Stöhnen. Unmittelbar darauf wurde er erneut von einem Krampf geschüttelt. Mulder war nicht entgangen, dass sein Gegenüber scheinbar mühsam gegen einen inneren Schmerz ankämpfte. Doch dieses Mal schien der Schmerz stärker, der Krampf heftiger zu sein. DiNozzo fiel auf die Knie.

„Tony!“ Er bezwang seinen eigenen Schwindel und eilte zu dem Jüngeren hinüber. Es waren die gleichen Symptome wie bei der Besatzung der 'SeaCrawler' und sie versetzten ihn in Angst. Sollte der Virus im Körper des NCIS-Agents bereits so weit fortgeschritten sein? Die Schultern des Mannes bebten und Mulder musste sich beherrschen, nicht die stützenden Hände von ihm zu nehmen, als er die wellengleichen Muskelkontraktionen unter der Kleidung spürte. Leise knirschten die Knochen. „Tony, halte durch, verdammt.“

Mit verzerrten Zügen schaute DiNozzo zu Mulder auf, seine Zähne klapperten. „Spritze.“

„Was?“

„Spritze. In... meiner Hosentasche.“

Hektisch tastete Mulder über den sich schüttelnden Körper DiNozzos und fand die Spritze auch. Aber es gelang ihm erst das filigrane Gerät aus den Falten der Kleidung zu befreien, als er Tony mit seinem eigenen Körpergewicht am Boden fixierte. Sein Kopf drohte ihm dabei zu platzen.

„Halt still, verdammt noch mal, du brichst sonst noch die Spitze ab.“ Zitternd vor Anstrengung hielt er den linken Arm des NCIS-Agents fest und rammte ihm die Kanüle in die Armbeuge. Er hasste sich dafür, dass er den Körper des anderen freiwillig dem öligen Virus aussetze, aber er ahnte, dass ihm der Agent unter den Fingern sterben würde, enthielt er ihm die Substanz jetzt vor.

Tatsächlich ebbten die Krämpfe kurze Zeit später ab und ließen Tony und Mulder atemlos zurück.

„Verstehen Sie jetzt, dass wir keine andere Wahl hatten, Mulder?“ Tonys Stimme war nicht viel lauter als ein Flüstern. „Wir sind keine Feiglinge, das müssen Sie uns glauben. Aber wir haben keine andere Wahl.“

Erschüttert blieb Mulder neben dem zusammen gekrümmten Agent hocken, der offenbar sofort in einen tiefen, erschöpften Schlaf sank. Die Hände auf der Schulter des Jüngeren, als müsse er sich darüber vergewissern dass dieser weiter atmete, wachte er über diesen Schlaf und schürte dabei seinen Hass gegen die Verantwortlichen dieser Folter. Wütend schwelte er in seinem Unterbewusstsein. Nichts rechtfertigte solche Maßnahmen. Sie mussten diesem Wahnsinn ein für alle Mal einen Riegel vorschieben.

Er schloss verbittert die Augen. Man hatte ihm Tony also nicht ohne Grund geschickt. Er hatte sehen sollen, was geschah. Und was auch ihm in naher Zukunft bevorstehen sollte. Eine reine, grausame Machtdemonstration. „Bitte Scully, Gibbs, beeilt euch.“

Director Shepards Entscheidung

„McGee!“

Erschrocken fuhr der Angesprochene aus seiner mehr als nur ein bisschen unbequemen Haltung über der Computertastatur hoch. Er war vor dem flimmernden Bildschirm eingeschlafen und blinzelte nun eulengleich in das unangenehm helle Licht. Ein stechender Schmerz schoss von seinem Nacken bis in seinen Kopf und seinen oberen Rücken und bestrafte ihn umgehend für diese ungesunde Schlafposition. Verstimmt warf er einen Blick auf die Digitaluhr an der Wand. Es war kurz nach Mittag, nicht unbedingt eine typische Zeit um zu schlafen, aber seit Gibbs mit den beiden FBI-Agents fortgegangen war, hatten sie alle nur sehr wenig Schlaf finden können. Ächzend richtete er sich zur vollen Größe auf und suchte die Verursacherin für diesen unliebsamen Weckgruß.

Abby rannte irgendwo in seinem Rücken auf und ab, er konnte es deutlich an dem dumpfen Aufschlag ihrer Plateauschuhe hören. Im Grunde war an diesem ruhelosen Umherwandern nichts besonderes, er selbst litt in letzter Zeit gehäuft unter diesem Zwang, doch irgendetwas war heute anderes als sonst. War es ihr Blick? Ihre Haltung? „Gibt es Neuigkeiten?“

„Nein!“

McGee zuckte unter der heftigen Antwort zusammen und Abby seufzte ergeben, blieb vor dem Flachbildschirm an der Wand stehen. „Und genau das ist der Punkt. Wir haben nichts. Keine Nachricht, keine Lebenszeichen, einfach nichts. Tim, da stimmt etwas nicht.“

„Abby...“

„Nein, hör auf mich andauernd vertrösten zu wollen. Damit muss jetzt Schluss sein. Ich spüre es. Etwas stimmt nicht, wir müssen endlich etwas tun!“ Ihr Zöpfe flogen, als sie sich erneut in Bewegung setzte und mir grimmiger Mine das Wandern wieder aufnahm.

McGee seufzte nun seinerseits und rieb sich die übermüdeten Augen. „Und was sollen wir deiner Meinung nach tun? Abby, es stinkt mir doch genau so hier nur herumzusitzen und nicht zu wissen, was am anderen Ende der Welt vor sich geht. Aber...“

„Sie hat Recht.“ Byers erschien wie aus dem Boden gewachsen im hinteren Teil des Labors. McGee hatte schon beinah vergessen, dass sie den drei Lone Gunmen Unterkunft im NCIS-Hauptgebäude gestattet hatten. Abbys Idee, natürlich.

Die Mine des dunkelhaarigen Mannes war genau so von Sorge gezeichnet wie das von Abby. „Mulder hätte sich längst irgendwie bemerkbar gemacht und sich mit uns in Verbindung gesetzt, wenn alles in Ordnung wäre.“

„Was Sie nicht sagen.“ McGee runzelte verstimmt die Stirn. „Und Agent Gibbs hätte uns in diesem Fall einfach vergessen, wie? Mulder, Scully und Gibbs haben sich sieben Tage erbeten, erst dann...“

„Das ist aber Unsinn.“

McGee hasste es wirklich, ständig unterbrochen zu werden. Aber anscheinend schienen alle anderen das heute für eine gute Idee zu halten.

„Wenn seit ihrer Anlandung tatsächlich keinerlei Probleme aufgetaucht wären, müssten sie die Forschungseinrichtung schon längst erreicht haben. In diesem Fall hätte sich Mulder gemeldet.“ Frohike bedachte den jungen Agent mit einem tadelnden Blick. „Sie sind überfällig, Junge.“

„Niemand behauptet, dass es keine Probleme geben könnte.“ McGee wurde langsam wirklich ungehalten. Glaubten die anderen denn er sei zu dämlich um diese Sorge zu verstehen? „Es würde mich viel mehr wundern, wenn es keine gegeben hat. Aber wir können nicht...“

„Tim, wir müssen etwas tun! Spürst du es denn nicht?“

Er starrte entgeistert auf die schwarzhaarige Wissenschaftlerin vor sich. Sie meinte es absolut ernst. Und die drei Gunmen ganz offensichtlich auch. „Wenn wir noch länger zögern, könnte die Hilfe zu spät kommen. Sollte es sich wirklich als unnötig herausstellen, nehme ich das schon irgendwie auf meine Kappe, aber wir müssen tätig werden.“

Das Schlimme war, dass er ihre Argumente absolut verstehen konnte. Und dass sie Recht hatte. Mit jedem einzelnen Wort. McGee schürzte die Lippen. „Also gut. Was sollen wir also deiner Meinung nach tun? Die Kavallerie losschicken?“

„So ähnlich, ja.“ Unruhig trat sie von einem Fuß auf den anderen. Wenn sie weiterhin so extrem ihre Zöpfe um ihren Zeigefinger wickelte, würde sie bald einen Lockenkopf haben. „Wir müssen es Direktor Shepard sagen.

McGee beschränkte sich auf fassungsloses Starren.

„Tim, schau nicht so. Sie ist die einzige, über die wir jetzt noch Hilfe bekommen können.“

„Sie wird uns auf der Stelle aus dem Haus werfen, wenn nicht sogar schlimmeres. Abby, sie hat keine Ahnung!“ Er lachte freudlos. „Wir beherbergen hier die drei gefürchtetsten Hacker des Landes,“ , Langly, Byers und Frohike schauten synchron von ihrer Arbeit auf und fixierten den jungen Agent mit finsteren Blicken, doch McGee ließ ihnen keine Zeit zu protestieren, „Gibbs ist mit dem FBI auf einem Himmelfahrtskommando im Kriegsgebiet im Nahen Osten und Kate und Tony sind von einem nebulösen Syndikat entführt worden, um zu Aliens gemacht zu werden und von all dem weiß Direktor Shepard nichts.“

„Dann änderst du das eben.“

„Ich?“

„Natürlich. Du bist hier jetzt der leitenden Agent, wo Gibbs und Tony nicht hier sind. Wer sonst sollte die Direktorin also ins Bild setzen?“

McGee wurde blass um die Nase. Wenn Abby das so dahersagte, klang es durchaus plausibel. Aber er wollte nicht. Nein, er wollte ganz und gar nicht.
 

Kurz darauf blickte Jenny Shepard von ihrem Schreibtisch auf, als unerwartet die Tür zu ihrem Büro geöffnet wurde und McGee den Raum betrat. Langsam wanderte ihre Augenbraue nach oben, als sie die bunte Riege von Personen musterte, die dem jungen Agent anschließend folgte.

„Dirktor, wir müssen mir Ihnen sprechen.“

„Was Sie nicht sagen, Agent McGee. Ich wüsste auch nicht, dass ich zum Kaffee geladen habe.“ Die zierliche Frau lehnte sich in ihrem Sessel zurück und beäugte den nervösen McGee mit einem mühsam unterdrückten Lächeln. Wahrlich, diese Truppe vor ihrem Schreibtisch war bemerkenswert. Ihr Blick strich forschend über die drei fremden Männer und blieb schließlich an der leichentuchblassen Abby hängen. Schlagartig erlosch ihr Lächeln. „Was ist los?“

McGee schöpfte tief Atem und kratzte die letzten Reste seiner Courage zusammen. „Wir haben ein Problem. Ein... gigantisches Problem.“

In den folgenden Minuten lauschte die Direktorin den Ausführungen der kleinen Gruppe mit wachsender Fassungslosigkeit. Ihre Mine blieb dabei verschlossen, auch als sie erfuhr, um wen es sich bei den Lone Gunmen handelte. Aber sie duldete, dass Frohike den Bildschirm in ihrem Büro zur bildlichen Darstellung der Lage nutzte. Mit keinem Wort ließ sie dabei verlauten, was in ihr vorging und sie schwieg auch, als die Gruppe endlich zum Ende ihres Berichts kam. Es waren zu viele und zu chaotische Informationen auf einen Schlag gewesen, als dass sie unmittelbar darauf hätte reagieren können.

Sie seufzte tief, als sie ihre schlanken Finger auf dem Tisch verschränkte. „Jethro hat mir in unserer gemeinsamen Zeit schon einiges zugemutet. Viele unglaubliche Dinge. Aber das?“ Sie hob den Blick von ihren Händen und fixierte McGee mit klaren, harten Augen. „Warum ist er damit nicht zu mir gekommen? Warum seid ihr nicht zu mir gekommen? Dachtet ihr wirklich, ich würde es nicht erfahren?“

Verlegen wandte McGee den Kopf ab. Es gab nichts, was er darauf hätte erwidern können.

„Ihr sagt, Gibbs sei mit dem FBI in Pakistan. Wissen die wenigstens davon?“

„Nein. Und wir wären Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn es vorerst auch dabei bleiben würde.“

Misstrauisch musterte die Direktorin den dunkelhaarigen Fremden. „Das erscheint mir mehr als seltsam, Mister...“

„Byers.“

„Also Mister Byers. Zwei FBI-Agents die ohne die Zustimmung und ohne das Wissen ihrer Behörde handeln und gleich ein ganzes Team von mir mit in diese Geschichte hineinziehen und niemand darf etwas davon erfahren. Nennen Sie mir auch nur einen Grund, warum ich sie nicht auf der Stelle festnehmen lassen und Agent McGee und Miss Sciuto entlassen sollte?“

Abby und McGee öffneten gleichzeitig ihre Münder, um gegen diese Drohung zu protestieren, doch es war Byers, der ihnen zuvorkam. Er lehnte sich entspannt auf die polierte Tischplatte der Direktorin und begegnete ihrem Blick furchtlos. „Glauben Sie mir mein hübsches Reh, Sie sind nicht die Erste und werden auch nicht die Letzte sein, die versucht uns einzuschüchtern. Wir wollen Ihnen und Ihren Agents nichts Böses. Wir sind keinen Terroristen. Aber Ihr Agent Gibbs befindet sich zusammen mit Agent Todd und Agent DiNozzo in der Gewalt von echten Terroristen. Sie brauchen uns, um sie dort wieder sicher herauszuholen.“ Er lächelte charmant. „Und natürlich brauchen Sie auch Agent McGee und dieses hübsche Ding von Wissenschaftlerin.“

Finster starrte die Direktorin den kleinen Mann vor sich an. Sie hatte nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, ihre Drohungen wahrzumachen. Aber die Frechheit dieser Kröte ließ sie doch kurz überlegen. Nun, wenn die Gefahr tatsächlich so groß war wie hier behauptet, hatten sie keine Zeit für Machtspielereien. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte sie sich zurück. „Also? Habt ihr einen Plan?“
 

Verärgert warf McGee einen Blick über seine Schulter, als er zum dritten Mal in Folge von dem Augenscanner weggestoßen wurde, welcher ihnen den Zutritt zum Videokonferenzraum ermöglichen sollte. Der Grund für sein Missfallen war niemand anderes als Langly, der unmittelbar in seinem Rücken stand. Er strahlte über das ganze Gesicht und stieß unablässig entweder Byers, Frohike oder Abby an. Nur um sie darauf aufmerksam zu machen, wie ungemein euphorisch er der Chance entgegensah, den 'geheimen' Videokonferenzraum des NCIS betreten zu dürfen. „Das ist unglaublich! Jungs, ist euch klar dass das etwas Einmaliges ist? Niemals würde man uns freiwillig Zutritt zu solchen Räumen gewähren. Ha!“

Ein Wunder, dass er nicht wie ein Flummi auf der Stelle herumsprang. „Und vermutlich tut man auch nur gut daran. Benehmt euch da drinnen gefälligst, ok?.“ McGee seufzte und versuchte das vierte Mal sein Glück und tatsächlich konnte er lange genug stillhalten, damit der kleine Laser ungehindert über seine Iris streichen konnte. Sofort stieß der Agent die Tür auf und floh in den abgedunkelten Raum dahinter. Er würde mehrere Kreuze gleichzeitig schlagen, wenn er diese drei Irren endlich wieder los war. Es war unglaublich wie chaotisch Wissenschaftler sein konnten. In seinem Rücken murmelte der blonde Gunmen noch immer begeistert.

Mehrere Stufen führten entlang der Wand hinunter zur Operationsebene, vorbei ein mehreren Reihen gepolsterter Sitze. Die kleine Gruppe folgte dem Agent die Stufen hinunter und nur Langly blieb fasziniert am Kopf der kleinen Treppe stehen, um den Ausblick wortlos von oben zu genießen. „Fantastisch. Satellitenübertragungen auf Großleinwand.“

McGee rollte entnervt mit den Augen und setzte seinen Weg fort. Ein wenig erinnerte ihn dieser Raum immer an ein kleines Kino. Die Längsseite des Raumes wurde durch einen riesenhaften Monitor eingenommen und vor diesem stand zur Zeit die Direktorin, im Gespräch mit irgendeinem hochdekorierten Kapitän.

„Ich habe mit dem Generalsekretär gesprochen. Er sicherte mir zu, dass der Befehl schnellstmöglich per Fax an Sie weitergeleitet wird.“

Der Kapitän nickte und sortierte einige Blätter auf seinem Schreibtisch. „Das Fax ist vor wenigen Minuten hier eingetroffen, Ma'am. Ich habe bereits Anweisungen gegeben, die 'USS Ronald Reagan' in den Gewässern vor der Küste Pakistans zu stationieren. Wir drehen bei.“

Abby und McGee tauschten mit großen Augen einige schnelle Blicke mit den neben ihnen stehenden Gunmen. Sie hielten sich aus der Reichweite der Bildübertragung und ließen sich schließlich leise in der vordersten Sitzreihe nieder. Die Direktorin hatte sich nach ihrem Gespräch einige Bedenkzeit auserbeten und hatte sie nun hier in den Videokonferenzraum beordert. Dass sie bereits tätig werden würde, hatten zwar alle gehofft, aber dass sie einen Flugzeugträger für diese Operation rekrutiert bekam, machte sie allesamt sprachlos.

„Ich danke Ihnen, Kapitän. Die Operation unterliegt der Geheimhaltung und ich erwarte, dass Sie diesen Umstand in Ihren Befehlen an die Mannschaft berücksichtigen. Das Leben meiner Agents hängt davon ab.“

Der Mann, dessen wettergegerbtes Gesicht von einem Leben voller Sorge und Ernsthaftigkeit geprägt war, lächelte verschlagen in die Webcam seines Labtops. „Direktor Shepard, wann immer sich amerikanische Bürger in den Händen des Feindes befinden bin ich froh, wenn ich etwas zu ihrer Rettung beitragen kann. Diese Operation wird im Vertrauen ausgeführt werden, seien Sie unbesorgt. Ich schätze wir werden die Küste bei voller Fahrt in knappen zwei Tagen erreicht haben. Das gibt auch dem Geschwader der Hubschrauberstaffel Zeit genug zu uns zu stoßen.“

„Hubschrauber?“ Frohike strich sich entgeistert das wirre Haar aus der Stirn und ächzte dann leise, als Abby ihm einen mahnenden Ellenbogen in die Seite stieß:„Still!“

„Das freut mich zu hören. Lassen Sie es mich bitte wissen, wenn Sie in Stellung sind und die Operation gestartet werden kann.“

„Natürlich Ma'am.“

Die Webcam des Kapitäns schaltete ab und statt dessen erschien eine Bildübertagung von dem Begleitschiff der 'USS Ronald Reagan'. Es übertrug die Live-Aufnahmen, wie das imposante Kriegsschiff beidrehte und die Wogen mit seinem Kiel weißschäumend zerteilte, sich auf den Weg machte, um Gibbs, Scully, Mulder, Kate und Tony zur Hilfe zu eilen.

„Direktor?“ McGee starrte weiterhin ehrfürchtig auf den Bildschirm. „Ein Geschwader der Hubschrauberstaffel?“

Jenny Shepard bedachte den jungen Agent mit einem kurzen, eisigen Blick. Statt zu antworten gab sie dem Kommunikationstechniker an der seitlichen Konsole einen Wink. Das Bild auf dem Monitor teilte sich und so konnte die kleine Gruppe mitverfolgen, wie eine Staffel von insgesamt fünf Helikoptern von einem der amerikanischen Stützpunkte in Südafrika startete und ihren Weg zum Flugzeugträger aufnahm.

„Ist das Ihr Ernst?“ Byers Stimme war flach vor Unglaube und spiegelte nur zu deutlich wider, was sie alle beim Anblick der Übertragung empfanden. In perfekter Synchronisation hob die Fliegerstaffel ab und hielt in Formation auf das in der Ferne glitzernde Meer zu. Flankiert wurde das Geschwader von zwei Höllenteufeln in Schwarz. „Bedeutet das wirklich, dass zwei Black Hawks an dieser Operation teilnehmen?“

Die Direktorin verschränkte die schlanken Arme vor der Brust, den Blick fest auf die Bildübertragung gerichtet. McGee wusste, dass sie damit ihren unterschwelligen Zorn und ihr Missfallen ausdrückte, dass derartige Manöver überhaupt erst nötig werden mussten. „Ich will meine Leute sicher wieder zu Hause haben, Mister Byers. Unterschätzen Sie niemals die Möglichkeiten des NCIS.“, war alles, was sie auf die Frage antwortete.

Der Weg in die Hölle

Es, schien, als würde das feuchtigkeitsgeschwängerte Erdreich Nebel atmen. In dichten Schwaden kräuselte er sich entlang unsichtbarer Luftströmungen, dämpfte die nächtlichen Laute und verwandelte die unwirtliche Landschaft in ein gespenstisches Schattenreich. Gibbs kauerte reglos im Schutz dieses Nebels und wartete. Nicht weit von ihm und Scully entfernt befand sich ein kleiner, weniger gut bewachter Seiteneingang, welchen sie für ihr Vorhaben sorgsam ausgewählt hatten. Es lagen lange Stunden stillen Beobachtens hinter ihnen. Stunden, die unerträglich an ihrer beider Geduld gezerrt hatten, aber nicht vermeidbar gewesen waren. Und selbst diese kleine Schwachstelle entlang des hermetisch abgeriegelten Komplexes würde nicht leicht zu überwinden sein. Ein Trupp von vier bewaffneten Männern wachte über diesen Eingang.

Gibbs wusste, dass er noch mehr Geduld haben musste. Geduld, dass die Aufmerksamkeit der Männer in einem kleinen Augenblick nachließ. Geduld, um auf den richtigen Zeitpunkt zu warten. Und Geduld, den geeigneten Plan zu ersinnen. Denn noch hatte er nur eine schwache Vorstellung, wie sie die Schutzvorkehrungen aushebeln konnten. Also verharrte er bewegungslos, den Blick unverwandt auf den schmalen Durchlass gerichtet.

Scully zitterte leicht an seiner Seite. Sie war müde bis zum Umfallen und erschöpft. Der mühsame Abstieg hatte ihnen beiden alles abverlangt und so fror sie trotz der schwülwarmen Feuchtigkeit in der Luft. Die unumgängliche Auseinandersetzung mit dem Wachtrupp und die nagende Sorge um Mulder zehrten zusätzlich noch an ihrer inneren Ruhe, ließen ihre Nerven blank liegen und Gibbs, der ihren wachsenden Unmut deutlich spürte, konnte es ihr nicht einmal verübeln. Auch er rang mit dem wachsenden Druck der Sorge, doch Scully war im Gegensatz zu ihm nicht für solche Situationen ausgebildet worden. Sie war nicht in der Lage, ihre Emotionen mit der gleichen kalten Entschlossenheit zu beherrschen wie der NCIS-Agent.

Nichts gab ihnen einen Anhalt dafür, wie viel Zeit während dieses zermürbenden Wartens verstrich und schließlich gab Scully ihrer inneren Stimme nach, die ihr entgegenschrie, endlich etwas zu tun. Für sie war es unbegreiflich, wie es Gibbs gelang so vollkommen still zu bleiben. Als der Agent einen kurzen, mahnenden Blick in ihre Richtung warf, beschloss sie der Warterei ein Ende zu setzen.

Vorsichtig rückte sie näher an die Seite des NCIS-Agents, darauf vertrauend, dass der Nebel den Klang ihrer Worte dämpfen würde: „Jethro, so erreichen wir rein gar nichts. Diese Männer werden in ihrer Wachsamkeit nicht nachlassen.“ Eindringlich starrte sie Gibbs an. Sie hoffte, dass ihm das Selbe aufgefallen war wie ihr, nämlich dass etwas an diesen Männern anders war. Etwas, das sie nicht so recht erfassen konnte, aber deutlich zu bemerken war, wenn man sie eine Zeit lang beobachtete.

Die Art wie sie in die Nacht schauten, wie sie sich bewegten und sich durch kleine Gesten verständigten. Durch den Nebel und in dem fernen Licht der Scheinwerfer konnte sie nicht so recht etwas erkennen, aber es genügte ihr, besorgt zu sein. Vielleicht war sie paranoid. Vielleicht hatte ihre schlechte Erfahrung ihre Einbildung beflügelt. Aber der böse Verdacht, dass auch die Wachen genmanipuliert sein könnten, durfte nicht außer Acht gelassen werden. Es machte ihr Vorhaben ungleich schwieriger und jagte ihr Angst ein. Konnten sie solche Wachen denn überhaupt überwinden?

Sie beantwortete sich diese Frage schnell und schonungslos. Sie mussten. Sie würden. Sie würde Mulder dort drinnen nicht sterben lassen. Diese Entschlossenheit konnte die Angst zwar nicht verdrängen, doch sie überschattete sie wenigstens in sofern, dass ihre Gedanken klar blieben und sie handlungsfähig blieb.

Gibbs seufzte leise neben ihr. Er verlagerte sein Gewicht ein Stück weit, verließ die zusammengekauerte Haltung und reckte vorsichtig seine verhärteten Muskeln. Er hatte gehofft einen anderen Weg zu finden, dass sich ihnen hier eine Gelegenheit eröffnen würde, die sie nicht hätten voraussehen können. Aber das war nicht der Fall, also würde sein ursprünglicher Plan genügen müssen. Scullys Befürchtung war nicht von der Hand zu weisen und sie mussten schließlich hinein. Und das schnell.

Behutsam zog er die FBI-Agentin an sich, grub seine Nase in ihr durchnässtes Haar und erläuterte ihr wispernd seinen Plan. Es war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, um romantischen Gefühlen nachzuhängen, aber er konnte sich ein Lächeln dennoch nicht verkneifen, als er Scully in seinen Armen erschauern fühlte.

Nur wenige Herzschläge später gab er sie frei und richtete sich zur vollen Größe auf. Die weite Kapuze des Mantels zog er sich über den Kopf. Es war Zeit zu gehen.
 

Die Wachen unmittelbar vor der kleinen Durchgangsschleuse versteiften sich, als sie Schritte aus dem Nebel vor sich näher kommen hörten. Misstrauisch hoben sie ihre Waffen und spähten in die Dunkelheit, konnten aber nichts erkennen außer dem unsteten Wirbeln des Nebels. „Wer ist da?“

Scharf hallten die arabisch gesprochenen Worte durch die Stille der Nacht, doch es folgte keine Antwort. „Tretet mit erhobenen Armen vor und gebt euch zu erkennen.“

Statt einer Antwort erschienen zwei Gestalten im Lichthof der Scheinwerfer, welche den unmittelbaren Bereich um das Durchgangstor erhellten. Das metallene Schnappen der entriegelten Sicherungen der Maschinengewehre ließ sie im Näherkommen zaudern.

„Stehen bleiben!“

Gibbs war dankbar für die weite Kleidung des einheimischen Wüstenvolks, die er noch immer trug und die ihn nun vor den zu neugierigen Blicken der Soldaten schützte. Sie verbarg seine angespannte Haltung und verdeckte gleichzeitig Scullys Arme.

Die Agentin ging dicht vor ihm und gab vor die Hände auf dem Rücken gefesselt zu haben. Eine Hand auf ihrem Handgelenk konnte er spüren, wie sie bei dem Geräusch der durchgeladenen Waffen zusammenzuckte, doch im Gegensatz zu ihm durfte sie ihre Furcht offen zeigen. Sie trug ihre westliche Kleidung, hatte den einheimischen Mantel zurückgelassen und war auf diese Weise sofort als Eindringling gebrandmarkt. Als der Feind.

„Ich bringe eine Gefangene. Senkt die Waffen!“ Die Wache hatte arabisch gesprochen, doch die Beobachtung zuvor hatte Gibbs gezeigt, dass sich die Männer untereinander auch der englischen Sprache bedienten. Andernfalls hätte er keine Chance gehabt, sich verständlich zu machen. Er bemühte sich, seiner Stimme einen herrischen und bestimmten Ton zu verleihen und hoffte, dass sich der kleine Trupp durch ein bisschen Machtgehabe verunsichern ließ. Er stieß Scully vor sich her, direkt in das Licht der Scheinwerfer und sorgte dafür, dass die Wachen sie deutlich erkannten. „Sie hat versucht am Westtor auf das Gelände zu kommen. Ich bin ihr gefolgt, als sie versuchen wollte zu fliehen.“

Aus schmalen Augen musterten sie die kleine Agentin. Noch senkten sich ihre Waffen nicht und Gibbs knirschte frustriert mit den Zähnen. Es gefiel ihm nicht, Scully einer derartigen Gefahr auszusetzen und wollte dieser Situation so schnell es ging entkommen.

„Bist du ihr allein gefolgt?“

„Nein. Ein Teil meiner Patrouille hat mich begleitet. Nachdem wir sie stellen konnten ist der Rest gegangen, um in der Umgebung nach weiteren Fremden zu sehen. Zwei Sabotageversuche an einem Tag sind ungewöhnlich, wir müssen davon ausgehen, dass jemand einen Angriff auf das Forschungslabor plant.“ Er gab seiner Stimme einen ätzenden Unterton, versuchte den Anschein zu erwecken, dass er herablassend auf die scheinbare Dummheit der Wachen reagierte. „Ihr tut gut daran heute Nacht wachsam zu sein.“

Die vier Männer tauschten kurze Blicke und schnaubten verächtlich. Sie hatten den Köder noch immer nicht geschluckt. Also warf ihnen Gibbs seinen letzten Trumpf entgegen. „Werft einen Blick hier drauf, wenn ihr mir nicht glauben wollt.“

Linkisch fing der Soldat das schwarze Lederetui auf und klappte es auf.

„Sie ist vom FBI. Eine Amerikanerin. Hier. Genau so wie der Fremde, der heute Nachmittag unsere Sicherheitsvorkehrungen unterwandert hat.“

Mühsam zwang sich Scully zur Ruhe, als die Wache ihren Ausweis prüfte und sie daraufhin aufmerksam musterte. Seine Augen brannten in einem für sie unverständlichen Hass. Es waren Momente, die sich wie zäher Sirup dahinzogen. Nichts würde sie hier vor einer Gefangennahme bewahren wenn der Bluff fehlschlug. Nicht einmal Gibbs, dessen Tarnung bislang noch undurchschaut blieb.

So starrte sie mit einer Mischung aus Trotz und Angst zurück, die sie nicht einmal künstlich darstellen musste. Sie hatte weiche Knie und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Aber Gibbs Hand auf ihrer Schulter gab ihr Halt. Die Hoffnung gab ihr Halt. Mulder wartete und zählte auf sie. Tony und Kate zählten auf sie. Sie würde nicht wanken.

Endlich, nach schier unendlicher Zeit, senkten sich die Waffen und die beiden Wachen vor dem Tor traten zur Seite, gewährten ihnen Durchlass. Ohne weiteres Zögern schob Gibbs die FBI-Agentin unter dem stacheldrahtbewehrten Zaun hindurch und Scully zuckte noch einmal zusammen, als sich das Tor in ihrem Rücken mit einem elektronischen Summen wieder schloss. Sie waren drinnen. Sie waren gefangen. Jetzt gab es keinen Weg mehr zurück.

Sie blickte zurück und stellte mit nicht geringem Schrecken fest, dass eine der Wachen sie offensichtlich begleiten würde. Schnell riskierte sie einen Blick auf Gibbs, der nur ganz schwach mit dem Kopf schüttelte und darauf wartete, dass der Soldat zu ihnen aufschloss. Mit nichts verriet er, ob er über diesen Umstand besorgt war oder nicht. Er zog Scully lediglich ein Stück näher an sich, gab vor sie fester an den nicht vorhandenen Fesseln zu greifen und verhinderte so, dass der Fremde Hand an sie legte. Allerdings musste sie zulassen, dass man ihr einen weiten Schal um den Kopf band, welcher ihr die Sicht vollständig nahm. Furcht ließ sie erzittern und nur Gibbs Nähe in ihrem Rücken verhinderte, dass sie kopflos wurde und sich den Schal wieder herunterriss und damit ihre Tarnung zerstörte.

Dann traten sie schweigend ihren Marsch in den Forschungskomplex an. Ihr Weg führte sie über staubige Außenpfade, nicht wie Gibbs erwartet hatte in das Innere der vielen verschachtelten Gebäude. Sie kamen an den unterschiedlichsten Bauten vorbei, hell erleuchtet und durchdrungen von dem sonoren Vibrieren unzähliger Generatoren. Hin und wieder kreuzten Patrouillen ihren Weg, doch es wurden keine Worte gewechselt.

Verstohlen hielt der NCIS-Agent Ausschau nach den Überwachungskameras, welche in unregelmäßigen Abständen wie Krähen auf Metallpfosten aufgestellt worden waren und einen Großteil des Außengeländes abdeckten. Er beobachtete sie, versuchte ihren weiteren Weg vorauszuahnen und hielt die Augen nach blinden Flecken offen. Sie mussten die Wache loswerden und das möglichst bald und möglichst unbemerkt.

Die Chance eröffnete sich ihm, als sie hinter einem weiteren Gebäude in dessen Schlagschatten eintauchten. Natürlich. Wo es viel Licht gab, gab es auch Schatten. Tiefe Schatten, die eine auf Licht ausgerichtete Kamera nicht würde durchdringen können. Gibbs reagierte.

Er stieß die überraschte Scully von sich, fort von dem Gefahrenbereich des Maschinengewehrs, und riss der vor ihm gehenden, überraschten Wache die Waffe aus den Händen. Er unterband den Warnschrei des Mannes mit einem brutalen Schlag mit dem Griffstück des Gewehrs auf dessen halb geöffneten Mund und sandte ihn zu Boden. Der spuckte Blut und offenbar auch einen Teil seiner Schneidezähne, schien ansonsten aber unbeeindruckt von der Attacke. Wie Scully befürchtet hatte, war etwas anders an diesen Wachen.

Gibbs fluchte. Der Schlag hätte den Mann lähmen sollen, orientierungslos und hilflos machen sollen. Doch das war nicht der Fall. Flink wie eine Katze kam er wieder auf die Beine und griff nun seinerseits an.

Scully, die durch den unerwarteten Stoß gestürzt war, schaffte es endlich sich von dem erstickenden Schal zu befreien und sah gerade noch, wie das Maschinengewehr mit einem erschreckend lauten Knall gegen die Außenwand des Gebäudes prallte. Mit einer unglaublichen Gewandtheit hatte die Wache den Arm des NCIS-Agents schmerzhaft auf den Rücken verdreht, so dass dieser die Waffe hatte loslassen müssen, raubte ihm auf diese Weise das Gleichgewicht und schleuderte ihn zu Boden.

Gibbs Hand fuhr dabei geistesgegenwärtig zu dem Gewehr, das nicht weit von ihm an der Wand ruhte, doch die Wache war wieder schneller. Sie trat ihm auf den Unterarm und ohrfeigte ihn mit einem heftigen Rückhandschlag. Scully keuchte entsetzt.

Der NCIS-Agent verbiss sich einen Aufschrei, kämpfte gegen den Schwindel. Verschwommen sah er, wie sich sein Gegner bückte, um das Gewehr aufzuheben, griff nach dessen Bein und riss ihn von den Füßen. Staub wirbelte auf.

Ein kurzes aber heftiges Gezerre um die Waffe folgte, was Gibbs dazu nutzte näher an den Mann heranzukommen. Auf Distanz würde er gegen einen solchen Widersacher nicht bestehen können. Dann löste er schlagartig seinen Griff, nutzte die kurze Verwirrung ddes Soldaten und brach ihm mit einer schnellen Bewegung das Genick. Es knirschte ekelerregend, dann war es vorbei.

Schwer atmend blieb Gibbs neben der Leiche liegen. Die Stirn auf den sandigen Untergrund gepresst konnte er für einen Moment nichts anderes als den Schmerz in seinen Gliedern fühlen. Nein, er war wirklich noch nicht vollständig wieder bei Kräften.

Er schlug die Augen wieder auf, als Scully neben ihm auf die Knie sank und unterdrückte ein Husten. Der Staub hing noch immer wie ein feiner Schleier in der Luft. „Es geht schon. Lass mir nur einen Moment um wieder zu Atem zu kommen.“ Mit einem leisen Knurren richtete er sich auf, das schmerzhafte Pochen hinter seinen Augen wurde nur langsam schwächer. Er sah sich um.

Scully hatte die Leiche bereits ein Stück zur Seite gezerrt, wo sie einem zufällig Vorbeikommenden nicht sofort ins Auge springen würde. Das Maschinengewehr hielt sie indes mit einer Hand umklammert. „Kannst du aufstehen?“

Der NCIS-Agent nickte verdrossen, gefror dann aber mitten in der Bewegung, als ferne Stimmen an sein Ohr drangen. Irgendwo klappte eine Tür.

Schnell zogen sich die beiden Agents an die Gebäudewand zurück, vor unliebsamen Blicken durch den Schatten versteckt, und spähten um die Ecke. Eine hell erleuchtete Eben erstreckte sich zwischen den einzelnen Komplexen und eine Gruppe von sechs Personen hatte soeben eines der Nebengelasse verlassen und steuerte nun auf das Hauptgebäude zu. Scully zuckte unwillkürlich zusammen. „Mulder!“

Der Nebel war hier zwischen den Gebäuden nicht ganz so dicht, trotzdem zogen vereinzelte Fäden aus weißer Feuchtigkeit wie Spinnenweben über den Boden und erschwerten die Sicht auf die kleine Gruppe. Der hochgewachsene FBI-Agent hob sich allerdings deutlich von den anderen Männern in traditioneller Kleidung ab. Man hatte ihm seine ursprüngliche Bekleidung weggenommen und sie gegen eine schlichte Hose und Hemd ausgetauscht.

Leise holte Gibbs den Feldstecher hervor, den er zu Beginn ihrer Rettungsmission von Scully ausgehändigt bekommen hatte. Mulder wurde von insgesamt vier Soldaten begleitet, allesamt bewaffnet. Die fünfte Person, die sich mit einer für Menschen unnatürlichen Eleganz fortbewegte, konnte er nicht identifizieren. Auf jeden Fall schien Mulder keinerlei Fesseln zu tragen und Gibbs vermochte nicht zu bestimmen, ob das ein gutes oder ein schlechtes Omen war.

Er überlegte fieberhaft, während er den Feldstecher wieder verstaute. Sie mussten dieser Gruppe folgen, aber um das möglichst unauffällig zu bewerkstelligen blieb ihnen nur eine Möglichkeit. Frustriert knirschte Gibbs mit den Zähnen. „Es tut mir leid, Dana, aber ich befürchte, dass deine Rolle als mein Faustpfand noch nicht beendet ist.“ Seine blauen Augen funkelten in dem indirekten Licht der Scheinwerfer, als er Scully neben sich besorgt musterte. Er hatte gehofft, den gleichen Trick nicht noch einmal anwenden zu müssen. Eine Taktik zwei Mal zu verwenden war niemals weise. Aber mit der FBI-Agentin als vermeindliche Gefangene würden sie die besten Chancen haben bis zu den anderen Gefangenen vorzudringen. Zu Mulder, Kate und Tony.

Mit undeutbarer Mine reichte Scully das Maschinengewehr an Gibbs weiter. Dann griff sie nach dem Schal und wickelte ihn sich mich entschlossener Bestimmtheit wieder um den Kopf. „Beeilen wir uns lieber, um nicht noch den Anschluss an die Patrouille zu verlieren.“ Ihre Stimme klang gedämpft unter all den Lagen aus Stoff, aber das leichte Zittern darin konnte sie dennoch nicht verbergen.

So schnell es Scullys erzwungene Blindheit erlaubte folgten sie Mulder also. Der verschwand gerade in dem Moment mit seinen Begleitern im Innern des Hauptgebäudes, als Gibbs mit seiner Gefangenen um die letzte Ecke bog. Leise fluchend strebten sie der Doppelflügeltür entgegen und trafen dort auf die nächsten Wachtposten. Sie versperrten Gibbs mit finsteren Minen den Weg, auch sie trugen Waffen. Mit einiger Ironie merkte der NCIS-Agent an, dass diese Einrichtung für ein Forschungsprojekt wirklich erstaunlich gute militärische Ausrüstung innehatte.

Wütend blitzte er den vor sich stehenden Soldaten unter der weiten Kapuze hervor an. Er hatte jetzt weder die Zeit noch die Geduld, das gleiche Schauspiel im Detail noch einmal zu durchlaufen. „Lasst mich passieren! Ich muss die andere Patrouille einholen.“

Er wollte sich an den beiden Männern vorbeidrücken, wurde allerdings unsanft wieder zurückgestoßen. Herablassend schnaubte die Wache. „Warum?“

Wieder zog Gibbs den Schal von Scullys Gesicht, als wäre das Erklärung genug. Scharf fuhr er sein Gegenüber an: „Weil sie die Partnerin des Mannes ist, der hier soeben von der anderen Patrouille vorbeigeführt wurde. Falls es bis hier noch nicht vorgedrungen ist: Sie hat versucht am Westtor auf das Gelände zu kommen. Wir müssen davon ausgehen, dass diese Stellung in Gefahr ist, also lasst mich passieren!“ Ihm war nur allzu bewusst, dass er sich auf gefährlichem Boden bewegte, wenn er die Wache derart heftig anging. Aber seine Rechnung ging auf.

Verunsichert tauschten die beiden Soldaten einen schnellen Blick, dann endlich öffneten sie die Tür. „Den Flur nach rechts und dann hinauf in die dritte Ebene. Dort will sich der Boss mit dem FBI-Agent treffen.“

Gibbs horchte auf, ließ sich aber ansonsten in keiner Weise anmerken, wie sehr ihn diese Information überraschte. Sie würden also dem Kopf dieses wahnsinnigen Projekts persönlich gegenübertreten. Wie überaus interessant.

„Ich werde Sie und die Fremde voranmelden müssen.“

„Nein.“ Gibbs biss sich auf die Unterlippe und ermahnte sich zur Ruhe. „Überlasst das ruhig mir. Ich werde mich beeilen die Patrouille noch rechtzeitig einzuholen, dann ist die positive Überraschung für den Chef ungleich angenehmer.“ Welch schwache Begründung, aber die Soldaten schienen zufrieden damit.

Schnell durchquerten Scully und Gibbs die Tür und waren kurz darauf allein in dem dahinter liegenden Flur. Beide atmeten sie hörbar auf. „Also nach rechts.“

Dieses Mal rannten sie. Leise und jederzeit darauf gefasst, zurück in ihre Rollen als Soldat und Gefangene zu schlüpfen, doch niemand kreuzte ihren Weg. So folgten sie den Hinweisschildern, die ihnen den Weg zur dritten Ebene wiesen, mehrere Treppen nach oben. Sie kamen an unzähligen geschlossenen Türen vorbei, die allesamt mit binären Sicherheitsschlössern versehen waren. An einigen befanden sich für die beiden Agents undefinierbare Aufschriften, andere wiederum waren verglast und gaben den Blick auf dahinter liegende Laboratorien oder Behandlungsräume frei. Ein bisschen kamen sie sich wie in einem Krankenhaus vor. Aber einem militärischen Krankenhaus.

Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm, nirgends wurde gespart und nur die teuersten und neuesten Materialien waren verbaut worden. Wozu zum Teufel brauchte man eine Tür aus Aluminiumkarbon?

Gibbs ließ seinen Blick über die freiliegenden Rohrleitungen an der Decke gleiten. Unzählige Kameras begleiteten ihren Weg, aber keine von ihnen schwenkte herum, um sie länger als nötig im Fokus zu behalten. Das ließ zumindest die Hoffnung zu, dass sie bislang noch niemandes besondere Aufmerksamkeit errungen hatten. Sie hätten den Kameras ohnehin nicht ausweichen können und noch hielt ihr Bluff stand.

Scully fand das erstaunlich, empfand sie ihre Tarnung und Taktik doch mehr als nur ein bisschen durchschaubar. Aber vermutlich rechnete bloß niemand damit, dass jemand tatsächlich so leichtsinnig sein würde diese Forschungsstation freiwillig zu betreten. Ihr Glück.

Das Gefühl der Dringlichkeit wuchs beängstigend, während sie ihren Weg durch die endlosen Flure fortsetzten. Von der Patrouille fehlte jede Spur, nicht einmal Schritte waren zu hören, aber sie eilten weiter. Wenn die Wachen sie absichtlich auf eine falsche Fährte gelockt hatten, konnten sie daran nichts mehr ändern. Und wo sie letztlich mit ihrer Suche nach den anderen begannen, war im Grunde egal.

Sie erreichten die dritte Ebene ohne irgendwelche Zwischenfälle und traten am Kopf der letzten Treppe hinaus auf eine weit geschwungene Galerie. Zu ihren Füßen dehnte sich eine kreisrunde Freifläche aus und von dort drangen Stimmen zu ihnen herauf. Scully und Gibbs duckten sich hinter das geschmackvoll gearbeitete Geländer und schauten hinunter.

Offenbar befanden sie sich hier im Herzen der Einrichtung. Der Saal wurde von einer atemberaubenden Glaskuppel überspannt und der metallene Boden wies ein unregelmäßiges Mosaik auf. Wo die Einrichtung vorher an ein Krankenhaus erinnert hatte, mutete es hier eher an ein Museum an. Unterschiedliche Exponate der abscheulichen Genforschung standen hier in gläsernen Vitrinen ausgestellt. Große Bilder an den Wänden schienen Diagramme und Darstellungen der verschiedenen Entwicklungen wiederzugeben. Es war ein Horrorkabinett.

Und mitten zwischen diesen Vitrinen und Schautischen stand die Patrouille mit Mulder. Gibbs grollte tief, als er sah wer Mulder und seinen Wächtern gegenüberstand. Rauch kräuselte sich über der passender Weise grau gekleideten Person und ein kratziges Lachen hallte zu ihnen hinauf.

Der NCIS-Agent umschloss das Gewehr fester, seinen tödlichen Hass nur mühsam im Zaum haltend. Wie sehr er dieser Kreatur den Tod wünschte! Sein Finger krümmte sich behutsam um den Abzug der Waffe, ein stummes Versprechen. Dann wartete er.

Wieder vereint

Hasserfüllt starrte Mulder dem Raucher entgegen: „Ich hätte nicht gedacht, dass sie sich selbst die Finger schmutzig machen und hier auftauchen.“ Er zitterte vor unterdrücktem Zorn. Die Hände zu Fäusten geballt, dass seine Knöchel weiß hervortraten, versuchte er dem beinah übermächtigen Zwang zu widerstehen, die Zigarette zu nehmen und im Auge des verhassten Feindes auszudrücken. Ihm wurde körperlich übel wenn er in dieses graue, vom Leben gezeichnete Gesicht blickte und damit all das Leid in Verbindung brachte, was er in den letzten Tagen zu sehen bekommen hatte. Und gleichzeitig die lähmende Ohnmacht, die mit seinem Auftauchen verbunden war. Er war so nah an der Wahrheit gewesen. Wieder einmal so unglaublich nah. Und wieder erschien dieser Krebskandidat, um ihm seinen Erfolg streitig zu machen.

Wie zu erwarten kümmerte den Raucher die Reaktion des FBI-Agents wenig. Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und lächelte falsch. „Agent Mulder, warum so rebellisch? Ich habe ein bisschen mehr Respekt und Neugierde von Ihnen erwartet, nachdem ich Ihnen Agent DiNozzo geschickt habe, um Ihnen von unserer Arbeit hier zu berichten. Wo ist Ihr Drang, die Wahrheit zu erfahren?“ Genüsslich stieß er den weißen Rauch zur Decke hin aus. „Sie waren doch immer auf der Suche nach der Wahrheit, nicht wahr? Nun, jetzt liegt sie vor Ihnen. In greifbarer Nähe und ich war überzeugt, dass es Sie interessieren würde selbst zu erfahren, wie es ist. Die Wahrheit in ihren ganzen Facetten zu erfassen.“ Achtlos ließ er den noch glimmenden Stummel zu Boden fallen und missachtete den missbilligenden Blick des neben ihm stehenden Wissenschaftlers mit der üblichen Überheblichkeit. Seine Aufmerksamkeit war ganz und gar auf Mulder fixiert.

Schnaubend vor Verachtung schüttelte der den Kopf. Wie verblendet musste dieser Mann sein, ihm ein solches Angebot zu machen und dann auch noch zu erwarten, dass er darauf eingehen würde? „Was für eine Wahrheit würden Sie mir schon präsentieren?“

Ungerührt setzte der Raucher sein Starren fort und zündete sich dann eine weitere Zigarette an. Wie ein Gespenst umfloss der weiße Rauch seine Gesichtszüge. „Alles, Mulder. Alles was Sie in all den Jahren gewünscht haben zu verstehen und vergebens gesucht haben.“ Sein Blick glitt von Mulder zu dem neben ihm stehenden DiNozzo. „Fragen Sie Ihren Freund hier.“

„Das ist Teufelswerk!“ Sofort rückten die Wachen näher an Mulder heran, als dieser Anstalten machte den Raucher anzugreifen. Also beherrschte er sich mühsam. Hinter seinen Schläfen pochte es. „Das ist keine Wahrheit. Das ist Folter. All diese Menschen sind Versuchskaninchen, nichts weiter. Opfer ihres kranken Wahns.“

„Sie verstehen noch immer nicht.“ Bedauernd schüttelte der Raucher den Kopf, musterte sein Gegenüber wie ein unwissendes, dummes kleines Kind. „All die Jahre und Sie verstehen es immer noch nicht. Ich bin wirklich enttäuscht, Agent Mulder.“

„Sehen Sie sich doch nur einmal um! Was soll ich nicht verstanden haben? Das sie eine skrupellose Horde altersdebiler Männer sind die ohne Rücksicht auf die Allgemeinheit Theorien durchzusetzen versucht, die...“

„Sie vergessen sich, Agent Mulder. Bedenken Sie in was für einer Lage Sie sich befinden. Ich bin Ihr letzter Grashalm. Ihre letzte Hoffnung der Märtyrer zu werden der Sie sein wollen.“ Auf ein knappes Nicken hin bediente der Wissenschaftler zu seiner Linken eine kleine Fernbedienung und ein metallenes Knirschen hallte durch den Raum. Ein Bestandteil des Mosaik versank im Boden und gab den Weg für eine Konsole frei, die sich langsam aus dem Boden erhob. Auf der gläsernen Oberfläche ruhte eine lange Spritze, direkt daneben stand ein Fläschchen mit öligem schwarzen Inhalt. Mulder lief es kalt den Rücken hinab.

„Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie keine Wahl haben werden.“

DiNozzos leiser Kommentar ließ Mulder verärgert die Stirn runzeln und er schaute kurz zur Seite, wo der andere Agent reglos verharrte: „Es gibt immer eine Wahl, Agent DiNozzo. Immer.“ Damit stellte er sich trotzig dem Wissenschaftler entgegen, der soeben die Spritze mit der schwarzen Substanz aufzog. „Wenn Sie versuchen mir das dort zu injizieren, werden Sie sterben. Ich werde Sie töten, verlassen Sie sich darauf.“

Der Wissenschaftler schien tatsächlich für einen Moment verunsichert und hielt in seinem Tun inne, doch der Raucher lachte nur bellend in seinem Rücken. „Eine nette kleine Drohung, Agent Mulder, aber so wenig überzeugend. Sie werden nicht in der Lage sein Dr. Theobald zu töten. Sobald Sie den Virus in Ihrem Blut haben, werden Sie verstehen. Vertrauen Sie mir.“

„Ihnen vertrauen? Es wird der Tag kommen, an dem Sie über Ihre eigenen schlechten Scherze lachen werden.“ Es wollte ihm kaum mehr gelingen, die aufgsteigende Panik zu bändigen. Er wich vor dem Wissenschaftler zurück und erreichte damit nur, dass die ihn flankierenden Soldaten bis auf direkten Körperkontakt näherkamen.

„Sie werden Teil unseres Projekts werden. Teil unserer Streitmacht gegen die drohende feindliche Übernahme durch außerirdische Lebensformen. Sie werden Einblick in all die Dinge bekommen, die ich Ihnen unter anderen Umständen niemals zugänglich machen dürfte. Ein bisschen mehr Dankbarkeit wäre durchaus angebracht, Agent Mulder.“

„Das ist eine Lüge!“ Mulder brüllte sein Gegenüber in ohnmächtiger Wut an und riss seine Arme aus den Griffen der Soldaten frei, die versuchten ihn für die Verabreichung der Spritze zu fixieren. „Sie stellen keine Streitmacht gegen Aliens auf. Sie versuchen Ihre eigene Unfähigkeit zu vertuschen, Ihre eigenen Fehler ungeschehen zu machen. Ich weiß was hier läuft, machen Sie sich nichts vor.“ Wieder griffen die Wachen zu, bohrten schmerzhaft ihre Finger in seine Muskeln. So sehr er sich auch wehrte, er kam nicht noch einmal frei.

„Tatsächlich? Tun Sie das? Verzeihen Sie mir, wenn ich das bezweifle. Wie dem auch sei, Agent DiNozzo hat durchaus recht. Eine Wahl haben Sie nicht.“ Lächelnd führte er seine Zigarette an die Lippen.

Mulder fühlte wie Angst ihm die Kehle eng werden ließ. Der Wissenschaftler kam näher, so nahe dass er bereits dessen Schweiß riechen konnte, und schnippte gegen die Kanüle, als wäre es ein x-beliebiges Grippemedikament. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte der Agent jede einzelne Bewegung. „Tun Sie das nicht, Mann. Bitte.“

Ein teilnahmsloser Blick richtete sich auf Mulder. „Halten Sie still.“ Dann packte der Wissenschaftler Mulder rechten Arm, entblößte seine Schulter und setzte die feine Nadel auf die nackte Haut. Mulder konnte die zarte Kühle des Metalls in jedem Nerv seines Körpers spüren.

Dann fiel ein Schuss. Aus dem Augenwinkel konnte Mulder sehen, wie die Wache zu seiner Rechten getroffen zu Boden ging. Gleich darauf fiel ein zweiter Schuss und sandte den Soldaten zu seiner Linken zu Boden.

Für einen winzigen Augenblick schienen alle Anwesenden gelähmt zu sein von dem Schreck. Noch immer irritiert wich Mulder zurück, dabei schrammte die Spitze der Kanüle über seine Haut und dieser unerwartete Schmerz rüttelte ihn aus der Starre. Noch während er sich instinktiv duckte, fiel ein weiterer Schuss und dieses Mal sackte der Wissenschaftler getroffen in sich zusammen, brach in den Knien ein und landete unmittelbar vor Mulders Füßen.

Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte der FBI-Agent auf den Toten hinab. Ein roter Punkt zeigte die Stelle, an welcher die Kugel zwischen den Augen des Mannes in den Schädel eingedrungen war. Dunkles Blut begann sich unter der Leiche auszubreiten. Ein weiterer Schuss peitschte durch das losbrechende Chaos und Mulder sah zu, dass er von der freien Raumfläche herunterkam.

Nach wenigen Schritten jedoch wurde er von einer Druckwelle von den Füßen geholt. Ein vierter Schuss musste einen der unbeschrifteten Tanks an der Rückseite des Raumes getroffen haben. Von dort wuchs eine schwarze Rauchwolke zur Decke und das helle Glühen von Feuer blitzte zwischen den Rauchschwaden hindurch. Hustend drehte sich der FBI-Agent auf den Rücken und suchte nach dem Schützen. Sein Blick huschte durch den Raum, sah wie neue Soldaten durch eine der vielen Türen in den Raum strömten und entdeckte schließlich auf der Galerie die hinter dem Geländer zusammengekauerte Gestalt. Mündungsfeuer flammte auf und ein weiterer Soldat ging getroffen zu Boden.

Erleichterung ließ ihn schwindeln. Sie hatten es geschafft, Scully und Gibbs hatten sie gefunden. Seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als er durch den Rauch Scully auf sich zu kommen sah. Mühsam kam er wieder auf die Füße und lief ihr entgegen. Sie sah schrecklich aus, verhärmt, abgekämpft und müde. Ihr Gesicht war eine erschütternde Maske des Entsetzens. Offenbar waren ihre Stunden nicht viel ruhiger verlaufen als seine. Vollkommen außer Atem kam sie vor ihm zum Stehen und blickte ihn aus großen, grünen Augen an. Sie bebte am ganzen Körper.

Mit einiger Anstrengung bekam Scully ihre Atmung und ihre überbordenden Emotionen wieder in den Griff. Müdigkeit und Erschöpfung ließen ihr Nervenkostüm gefährlich dünn werden. Wie sie in den gerade zurückliegenden Sekunden nur allzu deutlich bemerkt hatte. Beinah hätte sie ihre Anwesenheit frühzeitig verraten. Als sie die Spritze gesehen hatte und gewahrte mit was der Wissenschaftler diese große Kanüle aufzog, war sie auf ihrem Posten auf der Galerie heftig zusammengezuckt, hatte gerade noch rechtzeitig den entsetzten Aufschrei zurückhalten können. In diesem kurzen Moment hätte sie alle Vorsicht fahren lassen, nur um zu verhindern, dass Mulder mit dem schwarzen Öl infiziert wurde und nur Gibbs eiserner Griff um ihren rechten Unterarm hatte das verhindert. Wie dankbar sie ihm jetzt dafür war, wo sie Mulder kurz und heftig in ihre Arme zog. Sie war bebend hinter dem Geländer in sich zusammengesunken, hatte sich gezwungen zu vertrauen. Einfach nur zu vertrauen.

Zu ihrer beider Glück schien zunächst niemand etwas von ihrem Zwiespalt mitbekommen zu haben. Niemand bis auf einen und Scully war es kalt das Rückgrat hinabgelaufen, als sie den Blick des Rauchers prüfend über die Galerie schweifen sah. Er nahm einen tiefen Zug aus seiner glimmenden Zigarette, die Augen schmal vor Misstrauen. Im Gegensatz zu Mulder und den Soldaten stand er nicht mit dem Rücken zu ihnen und musste die flüchtige Bewegung der FBI-Agentin wahrgenommen haben. Seine Aufmerksamkeit war geweckt.

Gibbs hatte ein dumpfes Grollen von sich gegeben. Der Raucher hatte sie entdeckt, keine Frage, aber mit der Spritze in den Händen des Wissenschaftlers war es ohnehin Zeit zu handeln. Langsam hatte sich der NCIS-Agent neben ihr aus seiner kauernden Haltung erhoben, das Gewehr im Anschlag. Dabei trafen sich seine blauen Augen mit dem wässrigen Blick des Rauchers. Sein Finger hatte gezuckt in dem Wunsch den Abzug zu betätigen und diesem Bastard den Schädel vom Rumpf zu holen. Doch Mulder war in genau diesem Moment laut geworden, versuchte der Klemme zu entwischen und wurde von den nebenstehenden Soldaten ergriffen und fixiert. Der Wissenschaftler hatte die wenigen Schritte bis unmittelbar vor ihren Partner gemacht, die fertige Spritze in der Hand.

Über das Gesicht des Rauchers hatte sich ein dämonisches Grinsen ausgebreitet, der Blick, den er dem Agent zukommen ließ eine Fratze aus subtiler Überlegenheit. Er wusste, wenn Gibbs sich dazu entschloss ihn zuerst zu erschießen, würde der zweite Schuss nicht mehr rechtzeitig kommen, um den Wissenschaftler an der Verabreichung des Mittels zu hindern. Scully wäre beinah das Herz in der Brust stehen geblieben, ebenso wie Gibbs zerrissen zwischen dem Wunsch diesen Mann zu töten und der Notwendigkeit den Wissenschaftler auszuschalten.

Achtlos hatte der Raucher seinen Zigarettenstummel zur Seite geschnippt, Gibbs demonstrativ den Rücken zugekehrt und war auf den Ausgang des Saales zugeschritten. Voller Zorn hatte Gibbs mit den Zähnen geknirscht, ohnmächtig gegenüber dieser Entscheidung. Dann war seine Waffe herumgeschwenkt, visierte das Ziel einen Herzschlag lang an und schoss.

Der Raucher war wieder einmal entkommen, aber Scully war dieser Umstand zumindest für den Moment herzlich egal und so schob sie die Erinnerung an diese vertane Chance beiseite. Forschend blickte sie ihrem Partner in die Augen, ängstlich nach einem Hinweis suchend, dass er bereits zuvor eine dieser Spritzen verabreicht bekommen hatte. Aber seine Augen waren klar, gleichwohl glasig auf Grund des wenigen Schlafs. Erleichterung spülte durch ihren Körper, so stark dass ihr körperlich übel wurde.

Hinter ihr erklang das helle Knirschen zerbrechenden Glases und Scully wirbelte alarmiert herum. Der verhüllte Fremde, der die ganze Zeit an Mulders Seite gestanden hatte, blickte auf die Überreste der Kanüle herab, die unter seinem Absatz in tausend kleine Scherben zersprungen war. Die schwarze Substanz floss träge über den glatten Boden, nur um wie von Geisterhand zwischen den Ritzen des Mosaik zu verschwinden. Der Fremde bebte, die Hände zu Fäusten geballt.

„Scully.“

Mit Mulders Hand auf der Schulter drehte sich die Agentin nur widerwillig zu ihrem Partner um. Etwas an dem Fremden zupfte an ihrer Erinnerung, aber sie konnte mit ihren sich überschlagenden Gedanken nicht bestimmen was es war. Sie gewahrte Gibbs, der soeben die Treppe der Galerie herab lief und zu ihnen kam, das Gewehr noch immer im Anschlag. Für den Moment blieben sie unbehelligt, doch hallende Schritte aus den offenen Gängen verrieten bereits das Näherkommen weiterer Truppen.

Zuerst hatte sich die Zeit so quälend langsam dahingezogen und Scully hatte geglaubt keinen Schritt weiter zu kommen. Dagegen waren ihr die letzten Minuten vorgekommen wie in einem Zeitraffer. Viel zu schnell und sie hatte den befremdlichen Eindruck, noch immer den Ereignissen hinterher zu hinken. Sie schauderte, als sie Gibbs taktisches Vorrücken beobachtete. In kürzester Zeit hatte er eine Handvoll Menschen getötet, präzise, mit beängstigender Genauigkeit. Ein absolut tödlicher Killer und Scully war sich nicht sicher, wie sie damit umgehen sollte. Er hatte ihren Partner gerettet, er hatte sie damit vermutlich alle gerettet, oder ihnen doch zumindest Zeit erkauft.

„Scully, bitte. Haben Sie das Gegenmittel?“

Die Dringlichkeit in Mulders Stimme riss sie aus den düsteren Grübeleien und sie wandte sich besorgt zu ihm. Hatte sie Anzeichen übersehen? War er doch infiziert worden? „Ich habe es hier, natürlich. Warum fragen Sie?“

Gibbs erschien an ihrer Seite. Das Gewehr ruhte locker in seinem Griff, deutete jedoch in unmissverständlicher Drohung auf einen Punkt zwischen Mulder und dem Fremden. „Wir haben nicht mehr viel Zeit bevor die ersten Patrouillen hier eintreffen. Wenn sie also ihr Wiedersehen ausgiebig zelebriert haben, würde ich dazu raten diesen Raum zu verlassen.“ Misstrauisch beäugte er den Fremden.

„Kein Grund zur Beunruhigung, Agent Gibbs. Ich werde niemandem ein Leid zufügen. Noch nicht jedenfalls.“ Der Fremde hob behutsam seine verknöcherten Hände und schlug die weite Kapuze zurück. Das hagere Gesicht mit den unnatürlichen, schwarzen Augen und den dunklen Venen dicht unter der Haut ließ Gibbs unwillkürlich einen Schritt zurücktreten. Seine Mine verschloss sich, konnte aber nicht vollständig die Erschütterung verbergen, die er angesichts der noch immer vorhandenen Vertrautheit in dem fremden Gesicht empfinden musste.

„Tony.“

„Gibbs. Ich hatte nicht gehofft dass ihr uns hier findet. Und noch weniger habe ich zu hoffen gewagt, dass ihr ein Gegenmittel für diesen Albtraum kennt.“ Hoffnungsvoll richtete sich sein undurchdringlicher Blick auf Scully. Seine Finger zuckten, als wolle er nach ihr greifen, doch er beherrschte sich.

Sie schluckte hart, bezwang ihren Schrecken den ihr der Anblick des NCIS-Agents bereitete. Wären sie später gekommen, hätte auch Mulder dieses Schicksal ereilen können. Gnade Gott dass dem nicht so war. Das Gegenmittel würde schon kaum für Tony und Kate reichen. Eine dritte Person hätten sie unmöglich damit behandeln können.

„Ich kann mir denken was Sie sich jetzt wünschen, Agent DiNozzo. Aber ich muss Sie bitten sich noch ein wenig zu gedulden. Wir befinden uns nach wie vor nicht auf sicherem Boden und müssen diesen Komplex noch immer verlassen. Wir müssen Miss Todd finden. Ich kann nicht garantieren dass ich Sie mit der Verabreichung des Mittels von den Füßen hole. Und dann wäre an eine Flucht nicht mehr zu denken.“ Ihr Augen wurden schmal, als sie ihr Gegenüber aufmerksam musterte. „Können Sie noch ein bisschen länger durchhalten, Agent?“

Seine Kiefer mahlten frustriert, aber er nickte. „Ich verstehe. Versprechen Sie mir nur, dass Sie mich nicht über die Klinge springen lassen, ok?“

„DiNozzo, niemand wird hier über die Klinge springen.“ Gibbs klang ernsthaft verärgert und die beiden ungleichen Männer starrten sich einen Herzschlag lang an. „Wir sind nicht hier hergekommen um deine oder Kates Leiche zu bergen. Man lässt niemanden zurück, hast du mich verstanden?“

„Verstanden Boss.“ Tony raffte sich sichtlich auf, sammelte seine verbliebene Entschlossenheit. „Dann folgt mir. Schnell. Wir holen Kate und dann nichts wie raus hier.“

Bevor sie den Saal verließen, tauschte Gibbs sein Maschinengewehr gegen die Einhandwaffe eines gefallenen Soldaten und auch die anderen bewaffneten sich mit fliegenden Fingern. In den schmalen Fluren des Komplexes würde ein sperriges Gewehr nur behindern, zumal es ihnen nur auf großen Distanzen einen Vorteil verschaffte. Hier, in dem Labyrinth aus Gängen und bei relativ dichtem Gefechtswechsel, würden die Einhandwaffen ihren Zweck besser erfüllen. Erst dann folgten sie DiNozzo hinaus.

Die Schritte der nachfolgenden Patrouillen waren bereits beunruhigend nahe gekommen, doch noch war keine Spur der feindlichen Soldaten zu sehen. Mit einem undefinierbaren Gefühl der Unwirklichkeit beobachtete Gibbs, wie Tony in einer sehr menschenuntypischen Geste den Kopf neigte, als würde er auf irgendetwas bestimmtes lauschen, ehe er sich für einen der dutzenden Gänge entschied, und der Senior-Agent knirschte voll mühsam gebändigtem Zorn mit den Zähnen. Was hatten diese Bastarde mit seinen Agents gemacht? Wie sehr er sich doch jetzt wünschte früher gehandelt zu haben und diese Geistergestalt von Krebskandidat erschossen zu haben. Aber geschehen war geschehen.

Wiedereinmal stahlen sie sich in aller Heimlichkeit von Gang zu Gang. Vermutlich würde sich keiner von ihnen in absehbarer Zeit wieder normal durch die Flure ihrer Dienststellen bewegen können... sofern sie denn in diese zurückkehrten. Auf ihrem ganzen Weg kamen sie an keinem einzigen Fenster vorbei und so häufig wie DiNozzo abrupt die Richtung wechselte, hatten die anderen schon sehr bald die Orientierung verloren. Es war gespenstisch, mit welcher Sensibilität der NCIS-Agent offenbar vorausahnte, wo ihnen feindliche Patrouillen begegnen würden. Er wechselte die Richtung ohne ersichtlichen Grund und meist gewahrte Gibbs erst dann die Schatten an den Wänden oder hörte Stimme und Schritte.

„Wie weit ist es noch?“ So sehr er es auch wollte, Gibbs konnte sein Misstrauen gegenüber dem so veränderten DiNozzo nicht gänzlich abstellen. Wenn er sie nun absichtlich in die Irre leitete...

„Wir sind da.“ Tonys verknöcherte Finger huschten über das digitale Ziffernschloss neben einer unscheinbaren Tür von vielen. Weshalb er den Code dafür besaß, konnte sich keiner von ihnen erklären und als habe der Agent die Gedanken seiner Begleiter erraten, gab er ihnen eine knappe Antwort, die keinen Zweifel daran ließ was es ihn gekostet hatte: „Ich habe sie in dem Glauben gelassen, dass sie mich bereits in einem solchen Grad beherrschen, dass sie mir keine Begrenzungen mehr auferlegen müssen. Sie davon zu überzeugen war schwierig... aber schließlich zahlt es sich nun aus.“ Der schwarze Film über seinen Augäpfeln waberte, dann drehte er sich wieder der Tür zu, die sich in diesem Moment mit einem leisen Zischen öffnete, so als herrsche in dem dahinter liegenden Raum ein anderer Druck, und ließ ihnen keinen weiteren Spielraum mehr für Spekulationen.

„Bitte erschreckt nicht, es geht ihr schlechter als mir.“

Trotz der Warnung ging der Anblick der zierlichen NCIS-Agentin allen bis ins Mark. Mulder stieß einen gemurmelten Fluch aus, während Gibbs in ohnmächtiger Wut die geballte Faust gegen die sich schließende Tür krachen ließ. Mit einem lauten Hallen fiel sie zurück ins Schloss. „Gott verfluche sie.“

Kate lag bis zum Hals in einem Bassin, dessen Inhalt wohl eher mit einer Art schmierigem Gel zu vergleichen war denn mit Wasser. Man hatte sie vollständig entkleidet und nichts verwehrte mehr den Blick auf die unzähligen Schläuche und Nadeln, welche von ihrem Körper ausgehend zu allerlei Gerätschaften führten. Tony hatte nicht untertrieben, es erging ihr ganz offensichtlich schlechter als ihm. Ihre Venen schimmerten schwarz unter ihrer pergamentdünnen Haut, ihre Knochen stachen dagegen deutlich hervor.

Scully beherrschte ihren Schrecken und die plötzlich auftretende Unsicherheit entschlossen. Sie trat an das Bassin heran und versenkte ihre Hände in der Flüssigkeit, um die Vitalfunktionen der Agentin zu prüfen. Ihre Finger glitten schnell und routiniert über ihren Körper. Die Flüssigkeit war angenehm warm, doch im Zusammenspiel mit der hier herrschenden Luftfeuchtigkeit trieb es Scully den Schweiß auf die Stirn.

Sie kämpfte mit ihren eigenen Erinnerungen, während sie die Agentin untersuchte und obwohl sie versuchte, diese Erinnerungen nie zu nah an sich heran zu lassen, stürzten diese Bilder hier und jetzt wie ein lebendig gewordener Nachtmahr über sie her und ließen sich nicht verdrängen. Wie sie selbst in einer ganz ähnlichen Situation gefangen gewesen war, ehe Mulder sie hatte befreien können. Nur dass sie selbst nicht in einer Forschungseinrichtung gewesen war, sondern tief unter dem arktischen Eis in einem Raumschiff. Sie schauderte. Nein, für ihren Geschmack lag all das noch viel zu nah in der Vergangenheit.

„Ihre Lebenszeichen sind vorhanden, aber sie ist schwach. Sehr schwach.“ Sie wechselte einen schnellen Blick mit Gibbs der deutlich machte, dass ein Tag Verspätung bereits zu spät gewesen wäre. Er bemühte sich sichtlich um Beherrschung, war aber schrecklich blass. Sah sie vielleicht auch so aus? Als habe sie soeben ihren eigenen Tod gesehen? Mit zitternden Fingern holte sie die Phiole mit dem Gegenmittel hervor, griff nach einer der noch verpackten Spritzen neben dem Bassin und zog sie mit konzentrierter Mine auf.

„Woher habt ihr es?“

Ein andern Mal, Tony. Du würdest uns diese Geschichte im Schnelldurchlauf eh nicht glauben.“ Gibbs grinste humorlos. Wäre er nicht bei all dem selbst anwesend gewesen, er würde nicht ein Wort dieser Geschichte glauben. Nicht einen Moment lang. Es bereitete ihm Übelkeit.

„Ich werde Agent Todd eine höhere Dosis verabreichen. Ich fürchte ansonsten wird sie nicht mehr ausreichend auf den Stoff reagieren.“ Scully drückte ihrem Partner die Phiole mit dem Rest des Mittels in die Hand, beugte sich über das Bassin und tauchte die zerbrechliche Spritze in die Flüssigkeit.

„Man hat sie darauf vorbereitet einen der genbehandelten Embryonen eingepflanzt zu bekommen.“, murmelte Tony leise, als Scully die Kanüle in die Halsbeuge der Agentin setzte und das Gegenmittel injizierte. „Ich hatte so sehr gehofft, dass ihr noch vorher hier herfinden würdet. Ich... ich wüsste nicht was ich sonst hätte tun können.“ Er trat neben die anderen an das Becken heran und blickte auf Kate hinab. Hoffend, bangend. Keiner von ihnen konnte sagen, was jetzt weiter geschah.

Es begann mit Krämpfen. Leichte Zuckungen zunächst, die sich jedoch rasant in heftige Muskelkontraktionen steigerten. Ein Schlauch riss, die gelartige Substanz schwappte über den Rand des Bassins. Dann schrillte der Alarm los.

„Haltet sie fest! Sie verletzt sich sonst noch selbst.“

Zu dritt versuchten sie die zuckenden Gliedmaßen zu fassen zu bekommen, doch die kleine Agentin entwickelte in ihrer Agonie eine ungeahnte Kraft, dass sie nicht zu halten war. Mulder taumelte von einem unerwarteten Schlag ins Gesicht getroffen zurück und auch Scully musste von der um sich schlagenden Agentin zurücktreten. Nur Gibbs kämpfte verbissen weiter um Halt.

Noch mehr von dem Gel trat über den Rand des Beckens, als Tony kurzentschlossen zu Kate hineinsprang. Er schob sich hinter sie, hob sie aus der Flüssigkeit, an welcher sie bereits zu ersticken drohte, und umschlang sie mit seinen Armen. Tatsächlich verlieh ihm seine Andersartigkeit scheinbar die nötige Kraft sie zu bändigen.

Kates Augen sprangen auf, verschleiert von den selben schwarzen Schlieren wie bei Tony. Dann stieß sie einen furchterregenden, klagenden Schrei aus. Die schwarzen Venen unter ihrer Haut bewegten sich, als wären sie von einem eigenen Leben beseelt, drohten das dünne Gewebe zu zerreißen.

„Sch, Kate beruhige dich. Komm zu dir, beruhige dich.“ Tony hielt sie eisern an sich gepresst, ihren Kopf zwischen seinem Kopf und seiner Schulter festhaltend. Immer wieder sprach er leise auf sie ein. „Es wird alles gut, Kate. Beruhige dich.“ Über all dem heulte noch immer das nervenzerfressende Kreischen des Alarms.

Langsam, ganz langsam begannen die Krämpfe schließlich abzuebben. Kates Augen wurden klar, ihr Blick schien sich auf den sie umgebenden Raum fokussieren zu können, und endlich verschwanden auch die schwarzen Venen. Sie atmete schwer, ihre Augen zuckten unruhig zwischen Scully, Mulder und Gibbs umher. Dann versank sie in gnädiger Bewusstlosigkeit.

Der Alarm war für einen Moment das einzige Geräusch in dem Labor, zu erschüttert waren die Agents von den letzten Minuten. Und sie standen vor einem neuen Problem.

„Ich werde sie tragen.“ Mit einem kurzen, bedauernden Blick auf Mulder, der die Phiole noch immer in den Hände hielt, und einem Anflug seines sonst so allgegenwärtigen Lächelns, fügte DiNozzo hinzu: „Ich werde wohl noch ein bisschen auf meine eigene Freakshow verzichten müssen.“ Damit rückte er den erschlafften Körper Kates auf seinen Armen zurecht und stieg aus dem Bassin. Das Gel glitt in langen Fäden von ihnen herab, klebte ansonsten aber wie hartnäckiger Schleim und gestaltete das Tragen als schwierig.

„Agent DiNozzo, ich muss Sie warnen! Wenn wir noch länger zögern kann ich nicht garantieren...“

Agent Scully.“ Tony musterte sie aus seinen pechschwarzen Augen, was sie beinah zurückweichen ließ. Nicht ein Funken Emotion konnte man aus diesen Augen ablesen. „Das ist mir durchaus bewusst, aber haben Sie eine bessere Idee, wie wir Miss Todd sonst hier hinausbekommen sollen?“

Natürlich hatten sie das nicht. Die Zeit verrann in beängstigender Geschwindigkeit und raubte ihnen die Möglichkeiten. Jeden Augenblick konnten die ersten Such-Patrouillen hier erscheinen und ihr schwache Hoffnung zu entkommen wäre dahin. Es glich ohnehin einem Wunder, dass sie bisher so unbehelligt geblieben waren. Vielleicht hatte Gibbs Recht gehabt mit seiner Vermutung, dass diese Basis ein Risiko darstellte, eine Geheimoperation von brisanter Bedeutung, und dass aus diesem Grund nur wenig Personal eingestellt worden war, um ein versehentliches Bekanntwerden zu verhindern. Sie alle konnten nur darauf bauen. Hintereinander verließen sie das Labor und traten zurück in den hell erleuchteten Flur.
 

(Erlaubt an dieser Stelle eine Frage: Der Titel des Kapitels... soll der so bleiben? Oder wäre 'Grauen der Wissenschaft' vielleicht besser?)

Flammendes Inferno

Rufe schallten zu ihnen und der Alarm plärrte noch immer. Es war unmöglich zu sagen, aus welcher Richtung die Soldaten kommen würden und wie nahe sie den Agents bereits waren. Hastig blickten sie sich um. „DiNozzo? Auf dem schnellsten Weg hinaus aus diesem Komplex, haben wir uns verstanden?“ Gibbs blickte dem Jüngeren forschend in die schwarzen Augen und musste sich beherrschen, um nicht zu erschauern. „Los, gehen wir.“

Er wollte sich bereits in Bewegung setzen, als Scully ihn am Arm zurückhielt. „Wartet. Wo ist Mulder?“

Die Tür hinter ihnen war noch nicht wieder ins Schloss gefallen und so stieß Gibbs sie unsanft mit dem Fuß wieder auf. Seine Mine war grimmig und sprach Bände, was er von dem Verhalten des FBI-Agents hielt. „Mulder, bewegen Sie ihren Hintern hier raus und zwar zügig.“

„Ich komme nach. Geht nur, ich muss hier noch etwas erledigen.“

Gibbs schnaubte wütend. „Einen Dreck muss er.“ Er schlug die Labortür ganz auf und stürmte zurück in den kleinen Raum dahinter. „Agent Mulder, das war keine Bitte. Raus aus diesem Raum.“ Sein Blick huschte durch das schlecht erleuchtete Zimmer und fand den Agent im hinteren Teil an den Bedienungskonsolen der Geräte. „Zum Teufel mit Ihnen, was machen Sie da?“

Mulder schaute nicht einmal auf und hielt es offensichtlich auch nicht für notwendig, dem NCIS-Agent zu antworten. Seine Finger flogen über die Bedienelemente, doch Gibbs hatte den Eindruck, dass der andere nicht wirklich wusste was er da tat.

Mit schnellen Schritten überbrückte er die wenigen Meter zwischen sich und Mulder und drehte diesen an der Schulter zu sich herum. Ihre Gesichter waren nur weniger Zoll voneinander entfernt. „Für den Fall, dass Sie mich nicht deutlich genug verstanden haben, Agent Mulder: Ich sagte raus hier. Sofort.“

Unwirsch schüttelte Mulder die Hand ab und trat zurück. „Sie haben mir nichts zu befehlen, Agent Gibbs. Ich...“

Gibbs knurrte drohend. Dann packte er den Jüngeren und stieß ihn unmissverständlich in Richtung Tür. „Ich diskutiere nicht mit Ihnen, Agent Mulder. Nicht jetzt und nicht hier. Hinaus mit Ihnen.“

Wieder riss sich Mulder los und dieses Mal stieß er Gibbs hart von sich fort. „Verdammt, hören Sie doch auf mit dieser Scheiße, Gibbs. Ich kann hier nicht einfach heraus spazieren und so tun, als hätte ich nichts gesehen. Im Gegensatz zu Ihnen und Scully hege ich noch immer den Wunsch, die Pläne des Syndikats zu durchkreuzen.“ Blitzend starrten sich die beiden Männer an.

„Mulder, jetzt ist nicht der Richtige Zeitpunkt für diesen Kampf. Wir werden überhaupt nichts erreichen, wenn wir noch länger hier verweilen und darauf warten, dass die Soldaten uns finden.“ Gibbs Kiefer mahlten. „Wollen Sie das denn nicht verstehen?“

Fahrig strich sich Mulder durch das wirre Haar. Er musste sich beherrschen, jetzt war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um sich zu streiten. „Ok, hören Sie. Geben Sie mir ein paar Minuten, mehr will ich nicht. Nur ein paar Minuten. Wenn meine Vermutung richtig ist und das System, an dem Agent Todd angeschlossen war, ein in sich geschlossener Kreislauf ist, so könnten wir das gesamte Projekt von diesem Raum aus sabotieren.“ Flehend schaute der den Älteren an. „Bitte, nur ein paar Minuten.“

Seufzend schloss Gibbs die Augen. Sie wollten zu viel auf einmal und meist trieb einen dieser Umstand in eine aussichtslose Lage. Zu oft hatte er diese Erfahrung machen müssen. Noch hatten sie eine Chance zu entkommen. Eine geringe zwar, aber immerhin eine Chance. Wenn Mulder allerdings recht hatte mit seiner Behauptung... „Sie wissen, dass wir diese Minuten vielleicht nicht haben?“

Mulder nickte. „Ich weiß. Helfen Sie mir und wir sind schneller von hier verschwunden.“

Scully, die den Disput der beiden Männer in bangem Schweigen von der Tür aus verfolgt hatte, trat zu ihnen. „Was haben Sie vor?“

„Die Gasflaschen.“ Mulder schob sich an Gibbs vorbei zurück zu den Apparaturen an der Wand. Er löste mit groben Rütteln einige Abdeckplatten, hinter denen eine ganze Reihe unbeschrifteter Flaschen zum Vorschein kamen. „Ich habe keine Ahnung mit was sie gefüllt sind, aber sie sind auf jeden Fall an ein Kreislaufsystem angeschlossen. Sehen Sie.“ Er wies auf mehrere Schläuche, die zuvor sowohl mit Kate verbunden gewesen waren, als auch in der Wandverkleidung verschwanden.

„Aber wir haben nichts, womit wir es kontaminieren könnten.“ Scully blickte zweifelnd.

„Nein, aber vielleicht ist es brennbar.“ Mulders Blick flackerte zwischen seiner Partnerin und Gibbs hin und her. „Vielleicht reicht auch eine Verpuffung, die sich dann durch das geschlossene System ausbreitet. Ich weiß es nicht. Wir haben nichts, womit wir das Gas zum Verbrennen kriegen könnten.“

„Durch einen Kurzschluss.“ Gibbs runzelte nachdenklich die Stirn. „Wir lassen einen Teil des Gases austreten und verursachen dann einen Kurzschluss. Ist das Gas brennbar, sollte es für eine Entzündung ausreichen.“

„Und wie sollen wir das anstellen, ohne uns mit in die Luft zu sprengen?“ Scully war keinesfalls begeistert von dem Plan. Sie wollte ebenso sehr Schaden anrichten wie Mulder oder Gibbs, aber nicht um jeden Preis. „Wir bräuchten eine Art Fernzündung.“

„Sie haben doch mich.“

Die drei drehten sich überrascht zur Tür. Tony stand unter der Zarge, Kate locker in seinem Arm haltend, und blickte sie an. „Das Gas würde euch töten wenn ihr es nur einatmet. Ihr könnt es nicht gefahrlos ausströmen lassen. Mir wird es nichts anhaben können. Wenn ich die Wissenschaftler richtig verstanden habe, ist es ein Gas, das sich bei einem bestimmten Luft-Gas-Gemisch selbst entzündet. Ich brauche also nichts weiter zu tun, als die Verschlüsse der Gasflaschen zu lösen und den Raum anschließend zu verlassen. Der Rest kommt von ganz allein.“

Mulder schnaubte und wandte sich ab, für ihn klang das zu einfach. Aber Scully unterband seinen Protest, noch bevor er ihn äußern konnte. „Würde sich der Schaden nur auf diesen Raum begrenzen? Oder gibt es eine Chance, dass das gesamte Kreislaufsystem in Mitleidenschaft gezogen wird?“

„Wenn ich die Schläuche so von den Flaschen löse, dass das Gas nicht allein aus den Flaschen ausströmt sondern auch aus dem geschlossenen System selbst, müsste sich die Verpuffung durch die Schläuche hindurch weiterverlagern.“

Die drei wechselten einen schnellen Blick. Es war eine gute Chance und mehr, als sie für den Moment erwarten durften. Mit einem knappen Nicken erteilte Gibbs die Erlaubnis. „Tu was du kannst. Ich will keine Heldentaten, hast du mich verstanden? Du löst die Verbindungen und kommst anschließend wieder zu uns. Wir werden vor der Tür warten.“ Seine blauen Augen funkelten DiNozzo an, während er Kate von ihm entgegen nahm. „Keine Heldentaten.“

Hintereinander verließen sie den kleinen Raum und brachten einige Meter zwischen sich und die Tür. Keiner wollte Gefahr laufen, versehentlich doch etwas von dem ausströmenden Gas einzuatmen. Noch immer lag der Flur menschenleer da und lediglich Rufe aus weiter Ferne drangen zu ihnen. Mit ein bisschen mehr Glück würde ihnen die nötige Zeit gewährt werden.

Nur wenige Augenblicke später huschte DiNozzo mit katzenhafter Anmut aus dem Labor, aus dem jetzt ein unheilvolles Zischen zu vernehmen war, und schloss behutsam die Tür in seinem Rücken. Er wies die anderen still an, den Gang weiter hinunter zu gehen und nahm Gibbs gerade die Last von Kates reglosem Körper wieder ab, als die Tür des kleinen Raumes von einer gewaltigen Druckwelle nach außen aus den Angeln gesprengt wurde. Offenbar hatte Tony keinerlei Risiko eingehen wollen und das Gas schnell ausströmen lassen. Dass es so schnell zu einer Reaktion kommen würde, überraschte sie alle.

Instinktiv gingen die Agents in Deckung, doch außer dichtem Rauch drang nichts bis zu ihnen vor. Sie bedeckten ihre Atemwege mit Kleidung und wichen zurück. Feuerschein schimmerte durch die dichten Schwaden und wieder plärrte der Alarm los. Dicht gefolgt von einer weiteren Detonation und mehreren dumpfen Schlägen, die von weiter her zu kommen schienen. DiNozzo lächelte diabolisch. „Die Kettenreaktion hat angefangen. Wir sollten jetzt besser gehen.“

Tatsächlich waren schon die ersten schnellen Schritte zu hören, ob von Soldaten oder Löschtruppen konnte keiner sagen, und so liefen sie los, irrten suchend durch die verstörend gleichaussehende Etage. Schnell war die Luft geschwängert von beißendem Gestank und dichtem Rauch, die Flure hallten von dem ohrenbetäubenden Alarm und den gebrüllten Befehlen der sich sammelnden Soldaten wider. Schon bald mussten sie feststellen, dass offenbar mehr Personal aus dem großen Saal hier her abgezogen worden war, als sie gehofft hatten. Die Gefahr einer zufälligen Entdeckung stieg damit sprunghaft an. Und immer wieder erzitterte der Boden unter ihren Füßen von einer weiteren Detonation.

Als sie um die nächste Ecke bogen, stießen sie prompt mit einer Abordnung bestehend aus zwei Soldaten zusammen. Die Verblüffung stand ihnen offen ins Gesicht geschrieben und auch die Gefährten waren für einen Moment zu erschrocken, um sofort zu reagieren. Sie wichen zurück, unschlüssig ob sie diesen Moment der Verwirrung nutzen konnten. Es vergingen einige Herzschläge, in denen sich beide Parteien schweigend musterten. Verunsichert, misstrauisch. Dann versuchte einer der Soldaten sein Gewehr auf die Agents zu richten und Gibbs reagierte. Er hob seine Pistole und tötete die Soldaten kurzerhand mit zwei gezielten Kopfschüssen. Lautlos brachen sie vor seinen Füßen zusammen und die darauf herrschende Stille ließ Mulder und Scully schaudern.

Sie waren noch immer erstarrt von dem unerwarteten Zusammenstoß mit den feindlichen Soldaten und gleichzeitig entsetzt über das schnelle und kaltblütige Handeln des NCIS-Agents. Mulder schluckte trocken und blickte den Senior-Agent von der Seite her an.

Der erwiderte seinen Blick reglos. „Wir oder sie. Denken Sie immer daran, Agent Mulder. Das hier ist Krieg.“ Er stieg über die Leichen der Soldaten hinweg und folgte dem Flur weiter.

Sie versuchten ihr Glück schließlich über die Treppen. Natürlich eine sinnlose Hoffnung. Das Treppenhaus hallte stets wider von Schritten und Stimmen der Soldaten und Mulder zog sich hastig vom Geländer der Treppe zurück, als der Laser eines Präzisionsgewehrs durch den Mittelschacht zu ihnen herauf schwenkte. Doch zu spät. Unter ihnen brüllte jemand einen arabischen Fluch zu ihnen herauf, eine kurze Salve wurde abgefeuert und ließ den Putz an der Wand über ihren Köpfen ab platzen.

„Nach oben, schnell.“ Sie hasteten die Treppe hinauf, schlugen mal hier mal dort wahllos die Tür zu einer der Etagen und kauerten sich dann still in einer schmalen Nische zusammen. Die Waffen im Anschlag, beobachteten sie den Treppenabsatz vor sich, darauf gefasst die Soldaten zu erschießen sobald sie in Sicht kamen. Doch ihre List ging auf und ihre Verfolger verließen das Treppenhaus eine Etage unter ihnen in der Annahme, sie hätten sich in die Flure gerettet. Sie durften aufatmen, aber keiner wusste für wie lange.

Mulder ballte frustriert seine Hände und versuchte der wachsenden Enttäuschung Herr zu werden. „Überall sind Kameras, da ist es doch wirklich egal wohin wir fliehen. Früher oder später sitzen wir auf jeden Fall in der Falle.“ Er hatte Mühe klar zu denken, die aufkeimende Panik zu unterdrücken. Er wollte hier raus und in den Gesichtern der anderen konnte er ablesen, dass es ihnen nicht viel besser erging. Lange würden sie diesem Druck nicht mehr standhalten können.

„Tony.“ Gibbs zwang sich leise zu sprechen, dennoch schnitt seine raue Stimme scharf durch die vom Rauch gedämpfte Stille des Treppenhauses. Der Alarm klang fremd und fern. „Du bist der Einzige, der den Weg hinaus kennt. Bring uns endlich nach draußen.“

Tony hatte sich ein Stück abseits an die Wand gelehnt, Kates bewusstlose Gestalt wie ein Kuscheltier an sich gepresst, und zuerst machte es den Anschein, als habe er Gibbs Worte gar nicht gehört. Schweiß stand ihm auf der Stirn und er zitterte.

„DiNozzo, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um...“

Mulder unterbrach den drohenden Wutausbruch des Senior-Agents, indem er ihm behutsam die Hand auf den Arm legte und sich gleichzeitig einen bitterbösen Blick einhandelte. Ja, sie waren alle mit ihren Nerven am Ende, nicht nur er allein. „Er ist schon einmal so gewesen, Agent Gibbs. Als ich ihm hier das erste Mal begegnet bin. Uns läuft die Zeit schneller davon als Sie ahnen.“

Voller Grauen starrte Gibbs sein Gegenüber an. „Was...“

„Nach oben.“ Tony schier durch den Streit der beiden Männer seine Lethargie vorerst überwunden zu haben und unterbrach Gibbs mit brüchiger Stimme. Er sah noch immer erbärmlich aus. „Der Weg nach unten ist uns versperrt. Sie überwachen jeden nur möglichen Ausgang. Wir können nur noch nach oben.“

Sie sparten es sich zu fragen, woher er das mit den Ausgängen wissen wollte. Der Weg nach unten war ihnen so oder so verwehrt. Niemand würde mehr durch diese Flammenhölle entkommen.

Mulder versuchte vergeblich seine rasenden Gedanken zu bändigen. Aus dem Augenwinkel registrierte er, wie DiNozzo von einem weiteren Schütteln gepeinigt wurde. „Wohin führt uns der Weg nach oben?“

„Auf das Plateau. Der Forschungskomplex ist zu großen Teilen in das Bergmassiv hineingearbeitet worden. Dadurch ist ein Plateau entstanden. Wenn wir es bis zum Rand schaffen, könnte uns die Flucht gelingen.“

Es blieb keine Zeit länger darüber zu diskutieren, die Schritte auf der Treppe unter ihnen wurden bereits wieder lauter, und da DiNozzo offensichtlich immer stärker mit sich selbst ringen musste, fällte Gibbs an seiner statt die weitere Entscheidung: „Wir bleiben auf der Treppe. Bleibt dicht beisammen und versucht kein leichtes Ziel für ihre Visiereinrichtungen zu sein. Vorwärts.“

Sich dicht an der Außenmauer des Treppenhauses haltend, setzten sie den Aufstieg fort. Waren ihnen zuvor bereits die monotonen Gänge bedrückend vorgekommen, so wurde das stetige Hinauf zu einer wahren Marter. Die Stufen wuchsen mit jedem einzelnen Schritt, der Sauerstoff dagegen schien mit jedem zurückgelegten Höhenmeter weniger zu werden, der heiße Rauch kratzte noch zusätzlich in ihren Lungen. Schon bald rangen sie krampfhaft nach Luft und wurden langsamer.

DiNozzo verlor auf einem der Absätze schließlich das Gleichgewicht und brach in die Knie. Dabei stieß er einen Laut irgendwo zwischen Knurren und Fauchen aus.

„Scully!“

Die FBI-Agentin war bereits mit schnellen Schritten an die Seite des Jüngeren geeilt. Sie bedachte ihren Partner mit einem finsteren Blick, während sie die Vitalfunktionen DiNozzos überprüfte. Sein Puls flog dahin. Was zum Teufel dachte sich Mulder denn könne sie tun? Verabreichte sie Tony jetzt das Gegenmittel, wäre ihre Flucht damit auch jetzt und hier vorbei. Und nur weil sie im Moment nichts von ihren Verfolgern hörten, hieß das nicht , dass sie für längere Zeit in Sicherheit sein würden. So oder so mussten sie das Treppenhaus bald verlassen, wenn sie nicht alle eine Rauchvergiftung erleiden wollten.

Ihr Blick wanderte von Mulder zu Gibbs. Seine Mine blieb wie immer reglos, aber die stumme Frage in seinen Augen ließ ihr das Herz bluten. Sie war nicht Gott und wünschte sich doch nur, dass ihnen ein bisschen mehr Zeit blieb. Aber so wie die Dinge im Moment standen, verloren sie DiNozzo mit großer Wahrscheinlichkeit. Es brauchte keine Worte, Gibbs verstand sie auch so.

Um seine Fassung ringend schloss er die Augen. „Wir müssen weiter. Dana... gib ihm das Mittel, wir werden sie beide tragen.“

Ihre Augen wurden groß. „Jethro, ich...“ Sie hätte damit rechnen müssen. Gibbs war in dem Geist gedrillt, dass niemand zurück blieb. Es überstieg ihrer aller Kräfte, sie konnten unmöglich Kate und Tony hier heraustragen und dabei noch hoffen ihren Verfolgern zu entkommen. Aber die irrwitzig geringe Chance das Schicksal auf diese Weise auszutricksen, war immer noch besser als den Tod zu akzeptieren. Scully zauderte,

„Es ist nicht mehr weit.“ Zitternd vor Anstrengung schüttelte DiNozzo die Hand der FBI-Agentin ab und kämpfte sich zurück auf die Füße. Es war bewundernswert, mit welchem Willen er sein Leid ignorierte. „Sie werden mir das Zeug erst spritzen, wenn wir in Sicherheit sind, verstanden?“

Betreten erwiderte sie den Blick ihres Gegenübers. Es gab nichts, was Scully darauf hätte erwidern können. Die tiefe Entschlossenheit Tonys duldete keine Widerworte. Und so nickte sie stumm.

Noch ehe jemand Widerspruch erheben konnte, nahm DiNozzo das Treppensteigen wieder auf. Die noch verbleibenden Stufen zogen sich schier endlos dahin und Scully war bereit zu glauben, dass diese teuflische Treppe sie direkt in die Hölle führen würde, als sie schlussendlich das Ende der Treppe erreichten. Von hier aus führte eine Falltür in der Decke in die hoffentlich rettende Freiheit. Ein Schott, nur von Innen zu öffnen und aus gegossenem Stahl gefertigt. Mulder reckte sich und gemeinsam mit Gibbs versuchte er das schwere Rad des Verschlussmechanismus zu öffnen. Schweiß ließ ihren Griff trügerisch werden und Mulder fühlte Schwindel seinen Kopf umwölken, als er mit all seiner verbliebenen Kraft zog. Über ihren eigenen schweren Atem hinweg und DiNozzos leises Wimmern, waren schon wieder Schritte unter ihnen auf den Stufen zu hören. Stimmen riefen sich etwas in arabischer Sprache zu.

Widerstrebend gab das Schloss endlich nach und die kleine Gruppe kletterte hastig ins Freie, hinaus aus dem tödlichen Labyrinth und hinein in die sengende Hitze des späten Nachmittags. Ächzend von der Anstrengung sackten sie neben der Falltür zu Boden und versuchten schwer aneinander gelehnt zu Atem zu kommen. War in den klimatisierten Fluren der Sauerstoff auf Grund des sich ausbreitenden Rauchs weniger geworden, so schien ihnen die Sonne hier draußen gnadenlos jedes noch so kleine Sauerstoffmolekül streitig machen zu wollen. Scully hustete krampfhaft, Mulder kauerte zusammengekrümmt an ihrer Seite und kämpfte mit heftigem Schwindel. Sie waren schon ein elendiger Haufen.

„Wir könnten einfach hier sitzen bleiben und jeden erschießen, der seinen Kopf durch dieses Schott reckt.“, murmelte Mulder verdrossen und Gibbs bedachte ihn mit einem grimmigen Lächeln. Das würde ihm durchaus gefallen, sie aber auf lange Sicht kaum retten. Er hustete bellend.

Das Plateau flirrte in der Hitze des Nachmittags und machte es schwer, die tatsächlichen Ausmaße der Ebene zu erkennen. Sie wirkte so schon ernüchternd weitläufig. Den Rand des Plateaus erreichen. Es klang simpel, würde es wohl aber kaum werden. Der Regen war abgezogen, offenbar hatten sie sich für längere Zeit in dem Komplex aufgehalten als erwartet, und ließ eine unerträgliche Schwüle zurück.

DiNozzo schrie auf. Ein Laut, der nichts menschliches mehr in sich barg und den anderen bis ins Mark drang. Er krümmte sich, warf sich in den Staub und wälzte sich hilflos in einem Schmerz, der für Außenstehende nicht nachvollziehbar war. Ein innerer Schmerz, als würde sein tiefstes Selbst zerfasern.

„Tony.“ Vergessen war die gähnende Erschöpfung. Scully war schneller bei ihm als sie ihren zerschlagenen Gliedern zugetraut hätte. Er schlug ihre helfenden Hände zur Seite, blind für alles was um ihn herum geschah. Wieder stieß er einen Schrei aus, dessen Echo weit über die Ebene hallte und Scully blickte hilflos zu Mulder und Gibbs.

Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie alle waren am absoluten Ende ihrer Kräfte, doch keiner von ihnen wollte die verzweifelte Hoffnung auf eine erfolgreiche Flucht aufgeben, noch DiNozzo dem sicheren Tod überantworten. Aber beides erfüllen zu können erschien in genau diesem Augenblick nicht sehr wahrscheinlich.

Mulder fluchte leise und zwang seine unsteten Gedanken zurück auf den Punkt ihrer Misere. Womöglich konnten sie den Entschluss, Tony das Gegenmittel zu verabreichen, nicht mehr viel länger herauszögern. So sehr er sich selbst auch dagegen sperren mochte. Daher mussten sie sich jetzt entscheiden was sie tun wollten. Hier sitzen bleiben konnten sie jedenfalls nicht. „Ich dränge wirklich nur ungern, aber wenn wir das wirklich machen wollen, sollten wir es jetzt gleich tun.“ Er wies auf einen Punkt südlich von ihnen und Gibbs und Scully folgten seinem Blick.

Von Süden näherte sich der erste Trupp feindlicher Soldaten, die Nachmittagssonne im Rücken. Noch waren sie nur als schwarze Schatten zu erkennen, doch sie rückten zügig vor.

„Wir haben keinen Ort, an dem wir uns verstecken können, keine Richtung in die wir uns nach Hilfe wenden könnten. Wir könnten tagelang durch diese Wüste fliehen und doch nirgends ankommen.“ Es war keine Mutlosigkeit als vielmehr verbitterte Frustration, die Mulder damit zum Ausdruck brachte und den anderen war die niederschmetternde Wahrheit dieser Worte nur allzu deutlich bewusst. Sie blickten sich um. Aus Richtung Osten näherte sich ein weiterer Trupp und durch die Windstille klang Hundegebell zu ihnen. Gibbs schloss in einem Anflug aus Verzweiflung die Augen. Hunden würden sie niemals entkommen können.

In diesem Moment erwachte DiNozzo plötzlich aus seiner lethargischen Starre und nahm ihnen ein Mal mehr die Entscheidung ab. Er sprang auf die Füße und hetzte davon, als sei der Teufel selbst hinter ihm her, nicht als habe er gerade eben noch unter starken Schmerzen gelitten. In einer unerwarteten Geschwindigkeit spurtete er in Richtung Westen, fort von den näher kommenden Soldaten auf das Ende des Plateaus zu.

Zu überrumpelt von der plötzlichen Genesung des NCIS-Agents, starrten die anderen der sich entfernenden Gestalt hinterher. Erst nach einigen Herzschlägen schüttelten sie die Überraschung ab. Mulder legte sich ohne großes Federlesen die noch immer besinnungslose Kate über die Schultern, sie war erschreckend leicht, und nebeneinander machten sie sich an die Verfolgung DiNozzos. Zu riskieren ihn jetzt zu verlieren, war für keinen von ihnen eine Option.

Trotzdem schrumpfte ihr Vorsprung zu den Verfolgern mit beängstigender Geschwindigkeit. Schon wurden die ersten Schüsse auf sie abgefeuert, schlugen allerdings noch in einiger Entfernung von ihnen in den steinernen Boden, von welchem sie unter viel Staub als heulende Querschläger abgewiesen wurden. Der größere Grund zur Sorge waren die Hunde. Diese näherten sich ihrer Beute in tödlichem Schweigen, ihre schlanken Körper flogen schattengleich über die Ebene und nur das Trommeln ihrer Pfoten verriet ihr Näherkommen.

Als Scully einen Blick über ihre Schulter riskierte, waren zwei der muskulösen Tiere ihnen dicht auf den Fersen und so drehte sie sich noch im Laufen um, hob ihre Pistole und feuerte auf das vorderste Tier. Vier, fünf Mal schlugen die Geschosse in den Körper, doch der Hund strauchelte nicht einmal. Mit unverminderter Geschwindigkeit setzte er seine Verfolgung fort und Scully schrie auf vor Verwunderung und Entsetzen.

„Der Kopf. Blas ihm den Schädel weg.“

Gibbs Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihr. Drei weitere Schüsse gab sie auf das mittlerweile beängstigend nahe gekommene Tier ab und endlich wankte es. Es stolperte über seine eigenen Pfoten und brach schließlich zusammen, blieb in einer sich schnell ausbreitenden Lache aus Blut liegen. Ohne zu zögern schoss sie weiter auf den zweiten Hund, bis der Schlagbolzen ihrer Pistole ins Leere ging. Schaudernd starrte sie auf die entblößten Fänge. Sie hatte ihm nichts mehr entgegen zu setzen. Bevor sie nachladen konnte, würde das Tier über ihr sein.

Neben ihr sank Gibbs auf ein Knie, die eigene Waffe ruhig in Anschlag bringend, während der Hund geifernd näher kam. Ein einzelner Schuss fiel und das Tier ging sich überschlagend zu Boden, wo es zuckend verendete. Keine fünf Schritte vor ihnen. „Spare deine Munition. Wenn du sie aus dem Lauf heraus nicht treffen kannst, lass es.“

Scully lud mit zitternden Fingern ein neues Magazin in ihre Waffe. Dabei verfiel sie bereits wieder in einen humpelnden Trab. Sie war so schrecklich erschöpft, ihr tat jeder Muskel, jeder Knochen in ihrem Körper weh. Wie konnte Gibbs da von ihr verlangen präzise zu schießen? Verbissen blickte sie zu dem NCIS-Agent, der sich noch immer an ihrer Seite hielt.

Seine blauen Augen erwiderten ihren Blick mit strenger Unbarmherzigkeit. „Dana, wir haben zu wenig Munition. Wir dürfen sie auf diese Weise nicht einfach verschwenden. Ziele beim nächsten Versuch genauer und wir können uns länger verteidigen.“

Verdrossen schaute sie weg. Sie verstand die Notwendigkeit dieser Aufforderung und wusste insgeheim auch, dass Gibbs diese Worte nicht als persönliche Beleidigung gemeint hatte. Aber er war für derartige Feuergefechte ausgebildet worden und verfügte offensichtlich zusätzlich noch über eine traumwandlerische Zielsicherheit. Sie nicht.

Direkt vor ihnen warf sich Mulder plötzlich zu Boden, als ein Kugelhagel ganz in ihrer Nähe einschlug und auch Gibbs und Scully gingen neben ihm in Deckung. DiNozzo lag unweit von ihnen am Boden und für einen kurzen Moment schloss sich eine kalte Faust um Gibbs Herz. Doch der Jüngere lebte noch, war nur von neuem in Krämpfe verfallen.

„Ich kann nicht mehr weiter.“ Scully kauerte zitternd zwischen Mulder und Gibbs. Ihr Atem kam in rasselnden Stößen. Ein Blick auf Mulder zeigte, dass auch er nicht mehr in der Verfassung war, weite Strecken zurück zu legen. Unter Schmutz und Schweiß war sein Gesicht von der Anstrengung gerötet. Er schüttelte nur schwach den Kopf, als Gibbs ihn forschend ansah. Ihre Flucht kam hier und jetzt endgültig zu ihrem Ende.

Ein weiterer Geschosshagel ging in ihrer unmittelbaren Nähe nieder und dieses Mal erwiderte Gibbs das Feuer. Mulder schloss sich an und auch wenn es sie auf Dauer nicht retten würde, sie zwangen die vorderste Linie der Soldaten zumindest ein Stück weit zurück. Splitter und Sand spritzen auf, reizten ihre Atemwege und Augen. Aber sie blieben unverletzt.

In einer kurzen Feuerpause, in welcher die Agents ihre verbliebene Munition untereinander aufteilten, hob Scully plötzlich alarmiert den Kopf. „Was ist das?“ Konzentriert versuchte sie über den Lärm der feindlichen Schusswaffen hinweg zu hören. Da war das Geräusch wieder. Ein dumpfes Dröhnen das beständig lauter wurde. Der besorgte Blick, den Gibbs gen Himmel warf, bestätigte ihr, dass sie sich nicht verhört hatte.

„Dort.“ Gibbs folgte dem ausgestreckten Arm Mulders. Im Gegenlicht der tiefstehenden Sonne nur schwer zu erkennen, näherten sich fünf Flugobjekte ihrer Position. Sie flogen tief. Und schnell. Ihre Formation verriet, dass sie keinesfalls unerfahrene Flieger waren.

In letzter Sekunde

(Ich Depp hab glatt ne Szene vergessen und musste das letzte Kapitel jetzt teilen. Sorry...)
 

„Das sind Helikopter.“ Zu dem erstickenden Gefühl der Hilflosigkeit kam der fast übermächtige Drang wegzulaufen. Gegen Hubschrauber konnten sie nicht bestehen, sie konnten nicht entkommen. Gibbs fluchte laut.

Zeitgleich kamen Rufe in den Reihen der Soldaten auf. Hektische, panische Rufe und die Agents stellten verwundert fest, dass Unruhe in die vormals disziplinierte Vorgehensweise der Truppen kam. Ihr Vorrücken geriet ins Stocken, einige zeigten mit ausgestreckten Armen auf die herannahenden Helikopter, andere gaben sinnlose Feuersalven in den Himmel ab.

„Scheinbar sind es nicht ihre Leute, die diese Helikopter fliegen.“ Scully erhob sich in ihrem Erstaunen leicht aus ihrer Deckung, um einen besseren Blick auf die Soldaten zu erhaschen. Da erklang direkt über ihnen ein infernalisches Heulen, gefolgt von dem tödlichen Staccato eines Maschinengewehrs. Gestein und Sand spritze in einer schnurgeraden Linie auf, die zielgerichtet auf die feindlichen Truppen zuraste. Sie verfehlte diese nur um wenige Meter und machte damit deutlich, dass es sich um eine sehr ernst gemeinte Warnung handelte.

Scully schrie auf und warf sich zurück auf den Boden, als der Schatten eines Helikopters unerwartet über ihren Köpfen hinweg jagte und sie in einen Wirbel aus Staub und Sand hüllte. Eben noch waren sie weit fort erschienen, wie hatten sie diese Entfernung so schnell überbrücken können? Aus dem Augenwinkel sah sie eine zweite Maschine in einem mörderischen Bogen beidrehen, das Licht der langsam untergehenden Sonne schimmerte dumpf auf nachtschwarzer Lackierung. Dann eröffnete auch dieser Helikopter das Feuer auf die feindlichen Truppen. Die letzten verbliebenen Hunde, die nur noch wenige hundert Schritt von den Agents entfernt gewesen waren, stoben in blinder Panik davon.

Scullys Augen waren groß wie Untertassen, als sie den Apache beobachtete, wie er dicht über dem Boden auf die Linie der Soldaten zuflog, einen tödlichen Schwarm seiner Maschinengewehrgeschosse vor sich ausbreitend, und dann im scheinbar letzten Augenblick in einem schwindelerregenden Manöver abdrehte. Vereinzelte Geschosse der Bodentruppen trafen den Hubschrauber, doch ihre Wirkung verpuffte harmlos auf der Panzerung.

Sie erwachte erst aus ihrer Erstarrung, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte und Mulder sie auf drei weitere Helikopter in ihrem Rücken aufmerksam machte. Sie bemerkte, dass Gibbs bereits auf den Beinen war und sie heftig gestikulierend dazu aufforderte, ihm zu folgen. Um sie herum herrschte ein unfasslicher Lärm und so war eine Verständigung über diese Entfernung nicht möglich.

Der NCIS-Agent war gerade bei DiNozzo angekommen und wuchtete ihn auf die Füße, als sie erneut beschossen wurden. Blindlinks erwiderten sie das Feuer, bis der Schatten eines Helikopters über sie hinweg strich und das feindliche Feuer mit seiner übermächtigen Bewaffnung zum Schweigen brachte. Ihnen wurde klar, dass sie trotz des unverhofften Schutzes aus der Luft noch immer nicht in Sicherheit und gefährlich verletzlich auf der offenen Ebene waren.

Als Mulder und Scully endlich bei Gibbs ankamen, zog er sie kurzerhand dicht zu sich heran. Die Zusammenarbeit mit einer Staffel der Rettungsflieger unter feindlichem Beschuss erforderte äußerste Disziplin und absolutes Gehorsam. Die FBI-Agents hatten keine Ahnung auf was es ankam. Wollten sie überleben mussten sie ohne Wenn und Aber seinen Anweisungen folge leisten. Es war eine Chance, mit welcher keiner von ihnen gerechnet hatte. Nicht zu rechnen gewagt hatte und Gibbs würde nicht zulassen, dass jetzt, so dicht vor ihrer Rettung, noch etwas schief ging und sie womöglich noch einen von ihnen an den Feind verloren, allein aus Unwissenheit.

„Wir bringen Kate und Tony zum Medevac-Helikopter, damit er aus der Gefahrenzone verschwinden kann, verstanden? Nur die beiden gehen an Bord. Wir steigen auf einen der anderen Helikopter.“ Forschend schaute er ihnen in die Gesichter, in denen Angst und Verwirrung standen. Aber auch Entschlossenheit und Erleichterung. Sie schienen verstanden zu haben, was er von ihnen verlangte. Es war nie leicht in einer solchen Situation den Kopf klar zu halten und nicht daran zu verzweifeln, dass man die erste sichere Zuflucht nicht für sich in Anspruch nehmen konnte. „Wir werden die ganze Zeit über von den Apache gedeckt sein, aber verlasst euch nicht blind darauf. Zögert nicht, lasst euch nicht aufhalten. Wir können es schaffen. Also los jetzt.“

Sie sahen, wie der Medevac-Helikopter bereits herumschwenkte und an Höhe verlor. Seine Heckklappe öffnete sich, bereit die beiden Patienten in Empfang zu nehmen. Lange würde er in dieser Position nicht verharren können, da er ein lächerlich einfaches Ziel für die feindlichen Schützen bot.

Es war Eile geboten und so ignorierten die Agents die Schmerzen und die nagende Erschöpfung, die sie an den Boden zu ketten schienen, und rannten los. Scully übernahm den kaum noch ansprechbaren DiNozzo, während Mulder und Gibbs Kates reglosen Körper trugen. Der Weg war nicht allzu weit, doch die Rotoren des Helikopters wirbelten den Sand in einer dichten Wolke auf und machten ihnen das Atmen schwer, Windböen zerrten an ihnen und ließen sie straucheln. Kalte Angst pulsierte durch ihre Venen und ließ kaum einen anderen Gedanken zu als den des unmittelbar vor ihnen liegenden Weges. Um sie herum erklang das Rattern der Maschinengewehre, die Schreie der Soldaten und das Heulen der Flugmaschinen.

Mit einem Mal erzitterte der Boden unter einem ohrenbetäubenden Donnern und drohte ihnen das Gleichgewicht zu entreißen. Gleich darauf zuckte zu ihrer Linken ein greller Lichtblitz auf und wieder röhrte das Donnern.

„Was ist das?“ Scully konnte ihre Panik nur mühsam bezwingen. Sie war stehen geblieben und blickte mit schreckensstarren Augen zurück.

„Luftabwehr. Los weiter, wir müssen uns beeilen.“ Gibbs knirschte mit den Zähnen. Das war nicht gut. Gar nicht gut. Wer hätte ahnen können, dass diese Bastarde noch zusätzlich über eine derartige Abwehr verfügten?

Dann hatten sie den Helikopter erreicht und starke Hände nahmen Kate entgegen. DiNozzo, der es nicht mehr aus eigener Kraft auf die Laderampe schaffte, wurde an den Armen gepackt und angehoben, als wäre er nicht viel schwerer als ein Kind.

Scully kramte hektisch die Phiole mit dem Gegenmittel aus ihrer Tasche und drückte sie dem Soldaten in die Hand, als dieser sich schon wieder in den Helikopter zurückziehen wollte. Wild blickte sie ihm in die Augen. „Geben Sie ihm alles davon, direkt in die Blutbahn. Sofort! Und passen Sie verdammt noch mal gut darauf auf.“

Der verwunderte Soldat nickte, drehte das filigrane Fläschchen kurz in seinen Fingern und zog sich dann zurück. Der Hubschrauber stieg bereits wieder auf, schloss seine Heckklappe und gewann an Geschwindigkeit. Sie konnten nichts mehr tun, von jetzt an lag das Schicksal der beiden NCIS-Agents in den Händen der Militär-Ärzte und Scully konnte nur beten, dass ihre Anweisung befolgt wurde. Voller Sorge sahen sie der sich entfernenden Maschine hinterher. Eine Garantie, dass DiNozzos Organismus noch auf das Gegenmittel reagierte, gab es nicht und so blieb ihnen nur das bange Gefühl der Unwissenheit.

Jäh wurden sie in die Wirklichkeit des Jetzt und Hier zurückgerissen, als unmittelbar in ihrer Nähe das Geschoss eines Granatwerfers detonierte. Die Druckwelle holte Mulder von den Füßen und ließ die anderen taumeln. Gleich darauf erschütterte eine weitere Explosion die Erde.

„Lauft! Los lauft!“ Gibbs half dem FBI-Agent beim Aufstehen und trieb sie an, ihre Stellung, welche durch die Helikopter nicht mehr gesichert werden konnte, aufzugeben. Seine blauen Augen zuckten unruhig über das staubbedeckte Plateau. „Bleibt in Bewegung, sie werden uns einen neuen Korridor schaffen müssen.“

Blanke Angst trieb sie vorwärts. Jeder von ihnen spürte die Erschöpfung und die Schmerzen klar umrissen in seinem Geist, deutlicher als je zuvor. Gleichzeitig schienen sie abgesondert zu sein, fremd und ausgegrenzt von der Angst, als gehörten sie nicht wirklich dazu. Es war eine befremdliche Wahrnehmung, zumindest für die beiden kriegsunerfahrenen FBI-Agents.

Die Luft war geschwängert mit Staub und Rauch und verschleierte jede Bewegung auf der Ebene in absurder Weise. Die Sonne machte diesen Schleier durch ihre schräg einfallenden Strahlen zu einer wahren Barriere und nur das blitzende Mündungsfeuer verriet die Position der feindlichen Soldaten am Boden und der Helikopter am Himmel. Diese verwirbelten den Staub in undurchdringliche Windhosen, die einem jegliche Orientierung nahmen. Das Dröhnen ihrer Rotoren so nah über ihren Köpfen verursachte ein beklemmendes Gefühl der Unwirklichkeit. Wie sollten die Piloten in diesem Amargeddon erkennen, wer Freund und wer Feind war?

Plötzlich mischte sich unter den infernalischen Lärm ein tiefes, durchdringendes Grollen. Es war mehr zu spüren als zu hören und vibrierte durch die Füße der Fliehenden. Es steigerte sich zu einem lauten Brüllen, als unweit von ihnen eine unterirdische Detonation den Boden aufkrümmte bis er platzte wie eine überreife Frucht und eine Feuersäule gen Himmel spie. Gesteinsbrocken schleuderten als tödliche Geschosse davon und verursachten tiefe Krater, wo sie zurück auf die Erde stürzten. Instinktiv duckten sich Mulder, Scully und Gibbs, versuchten sich so klein wie möglich zu machen, um nicht von einem verirrten Stein getroffen zu werden. Anders als ihre Verfolger hatten sie mit dieser Taktik auch Glück, in deren Reihen gleich mehrere Soldaten getroffen zu Boden sanken.

Wo die Detonation den Erdboden aufgerissen hatte, brach immer mehr der Untergrund ein und fiel in die Tiefe. Heißer, tiefschwarzer Rauch quoll hervor und noch immer nahm das Grollen nicht ab. Die Erde zitterte unter ihren Füßen, als würde sie Höllenqualen leiden.

Scully schrie entsetzt auf, als sich der Staub überraschend vor ihnen teilte, auseinander stob als besitze er ein Eigenleben und einen der Helikopter ausspie. Dicht über den Boden flog er dahin, direkt durch die aufsteigende Feuersäule hindurch und auf sie und ihre Gefährten zu und Scully war überzeugt, dass sie in den nächsten Sekunden wie eine Briefmarke an der gepanzerten Verkleidung der Maschine heften würde. Doch die Nase des Helikopters hob sich mit einem ohrenbetäubenden Heulen und der gedrungene Rumpf schwenkte herum, wandte den Agents seine Flanke zu und damit die geöffnete Schiebetür. Rufe drangen zu ihnen und Scully rannte los, auf die helfend ausgestreckten Hände zu.

Um sie herum starb der Forschungskomplex, langsam aber unaufhaltsam. Immer weitere Risse taten sich in der Erde auf, vergrößerten sich zu gähnenden Löchern die nur darauf lauerten, dass man einen falschen Schritt tat. Sie mussten fort.

In ihrem Rücken erklang das wütende Staccato der Maschinengewehre, sie sah die Soldaten im Helikopter das feindliche Feuer erwidern, hörte das Pfeifen von Querschlägern und Geschossen, die allzu dicht an ihrem Kopf vorbei folgen. Angst war alles beherrschend, Flucht das einzige was noch zählte. Sie hörte Mulder an ihrer Seite gequält aufheulen, als ein Mal mehr das Geschoss eines Granatwerfers in ihrer Nähe barst und die Splitter in sein linkes Bein eindrangen. Trotzdem erreichten sie gemeinsam den Hubschrauber und Scully spürte, wie Gibbs sie anhob und den Händen der Soldaten entgegen reichte. Jemand wollte sie weiter zerren, hinein in das Innere der Maschine, aber Scully riss sich herrisch los, drehte sich zurück zur Tür. „Mulder!“

Sie sah ihren Partner springen, nach der Kante des Einstiegs greifen und gleich mehrere Soldaten packten ihn und zogen ihn hinein, ehe er ein zu leichtes Ziel für die feindlichen Truppen werden konnte. Staubig wie ein Brotteig nach dem Mehlbad wankte er zu ihr, kämpfte um sein Gleichgewicht und Scully packte ihn, klammerte sich an ihn, als wäre er der letzte Anker für ihren entsetzten Geist. Sie hörte sich schluchzen.

Über die Schulter Mulders hinweg konnte sie die beiden Apaches sehen, wie sie als bedrohliche Wächter den Rettungshubschrauber flankierten und unablässig ihr Sperrfeuer aussandten. Fauchend jagte eine Abwehrrakete davon und ließ nur wenige Herzschläge später eines der Luftabwehrgeschütze in einem Funkenregen vergehen. Dennoch schlugen immer wieder Geschosse auf die Panzerung ihrer Maschine, sie konnte die näherrückenden Truppen jetzt deutlich erkennen. Ihre Zeit wurde knapp.

Der Soldat an der Einstiegsklappe drehte sich in diesem Moment um und beugte sich zu dem Piloten des Rettungsfliegers. „Sir, wir können die Stellung nicht mehr länger halten. Wir müssen verschwinden.“

Mulder und Scully tauschten einen schnellen, erschütterten Blick und Mulder packte den Soldaten unsanft an der Schulter. Der Blick seiner müden, geröteten Augen war wild, fast schon wahnsinnig. „Agent Gibbs ist noch da draußen. Wir werden nicht abdrehen, ehe er nicht an Bord ist.“

Der Soldat wollte schon widersprechen, da streckte sich der NCIS-Agent mit einem verzweifelten Sprung nach dem Helikopter. Er bekam den Rand der Einstiegsklappe zu fassen, aber seine schweißnassen Finger rutschen gefährlich. Er musste kämpfen um nicht wieder abzustürzen, als sich unerwartet ein beißender Schmerz in seine rechte Schulter bohrte und seinen Arm bis hinauf in die Finger taub werden ließ. Er heulte auf, verlor den festen Griff und zappelte verbissen, um nicht vollends den Halt zu verlieren, als der Helikopter beidrehte und an Höhe gewann. Wenn er jetzt stürzte, würde er den Aufprall am Boden nicht überleben.

Wutentbrannt stieß Mulder den vor ihm stehenden Soldaten zu Seite. „Ihr Bastarde.“ Die empörten Ausrufe der Marines um sich herum ignorierend, warf er sich flach auf den schwankenden Boden des Helikopters, griff mit beiden Händen hinaus und verhinderte so gerade noch rechtzeitig, dass Gibbs Finger von dem Metall der Ladekante abrutschten. Eisern hielt er den Agent fest, frei über dem immer weiter unter ihnen abfallenden Boden. Seine Muskeln protestierten mit beißendem Schmerz ob dieser unerwarteten Belastung.

Dann endlich kamen ihm die anderen zur Hilfe. Sie packten Gibbs und zerrten ihn zusammen mit Mulder in den Schutz des Hubschraubers. Hinter ihnen wurde die Schiebetür zugeworfen und sperrte den Lärm des Feuergefechts aus. Keuchend vor Erschöpfung blieb Gibbs liegen wo er war und suchte geistesgegenwärtig nach Halt, wohl wissend dass sie noch immer nicht außer Gefahr waren.

Keinen Herzschlag später hörte er die Motoren kreischen, ein Soldat bellte ihnen zu, dass sie sich festhalten sollten, dann bäumte sich der Helikopter auch schon auf und zirkelte in einem übelkeiterregenden Manöver zur Seite. Gleich darauf sackte der Boden unter ihnen weg. Sie hielten sich fest wo sie nur konnten, aber ihnen fehlte die Kraft und so wurden sie trotz aller Vorsicht schmerzhaft umhergestoßen.

„Gott, bitte lass es vorbei sein.“ Scully krallte sich mit blutigen Fingern in das Gepäcknetz neben ihrem Kopf und presste die geschlossenen Augen gegen ihren Arm. Ihr war speiübel und das Kreischen des Motors, das Heulen der Rotoren und Geschrei der Soldaten machten sie halb wahnsinnig. Sie würde nie wieder eine Nacht ruhig durchschlafen, dessen war sie sich sicher.

Dann endlich hörte das Dröhnen der gegen die Panzerung schlagenden Geschosse auf, der Helikopter wurde ruhiger und pendelte sich schließlich in gerader Flugbahn ein. „Wir haben die Luftabwehr durchbrochen.“

Noch nie zuvor hatten Worte eine so große Erleichterung bedeutet wie in diesem Moment. Sie konnten aufatmen. Endlich aufatmen und die Agents tauschten ein müdes, aber glückliches Lächeln. Sie waren tatsächlich entkommen.

Zwar schien an Ruhe vorerst nicht zu denken zu sein, sie alle waren aufgeputscht vom Adrenalin der Flucht und der Angst. Die Verletzungen bereiteten ihnen Schmerzen und die Sorge um DiNozzo und Kate war kaum zu ertragen. Doch als sie endlich einen von dem Rest der Soldaten abgesonderten Platz für sich gefunden hatten, forderte die Erschöpfung ihren Tribut. Kraftlos ließen sie sich auf dem blanken Boden nieder, kaum mehr in der Lage auf den eigenen Beinen zu stehen. Jetzt endlich konnten sie dieser Schwäche nachgeben und rasten. Es war vorbei.

Scully schaute aus dem kleinen Fenster an ihrer Seite und beobachtete abwesend die tief unter ihnen vorbeihuschenden Wellen des arabischen Meeres. Schneller als sie zu hoffen gewagt hatte, war das Festland hinter ihnen zurückgefallen und für den Moment schien es, als existiere nur sie und der endlose Ozean. Es war ein friedlicher Gedanke nach all den Tagen und Wochen entsetzlichen Unfriedens. Sie seufzte leise. Die Stille um sieh herum wirkte befremdlich nach dem unfasslichen Lärm ihrer Flucht. Noch immer war sie angespannt bis in die Haarwurzeln und nur langsam entspannten sich ihre Muskeln, gestatteten ihrem Geist Ruhe zu finden. Ruhe, die Raum für weitere, wandernde Gedanken ließ.

Schon bald würden sie an Bord der USS Ronald Reagan abgesetzt werden, wie einer der Soldaten hatte verlauten lassen, und amerikanischen Boden unter den Füßen haben. Mulder und Gibbs würde geholfen werden und auch Tony und Kate würden eine bessere ärztliche Versorgung genießen können als in dem Medevac-Helikopter. Scully war guter Dinge, dass keiner von ihnen bleibende Schäden zurückbehalten würde und das allein sollte schon ein Grund zur Freude sein. Doch sie empfand keine Freude. Sie kehrten nach Hause zurück und das wieder einmal mit leeren Händen. Sie mussten im Gegenteil sogar dankbar sein, dass sie keine Verluste erlitten hatten.

Scully rieb sich die müden Augen. Sie war so schrecklich erschöpft und doch konnte sie ihren Geist nicht davon abhalten, über zukünftige Probleme nachzusinnen. Es war frustrierend. Mittlerweile dürfte auch das FBI von ihrer außerplanmäßigen Aktivität Kenntnis haben und sie konnte sich schon jetzt bildhaft das Zusammentreffen mit Director Skinner ausmalen. Die Konsequenzen für sie und Mulder waren nicht abzusehen. Trennen konnte man sie ja schließlich nicht mehr.

Vielmehr jedoch nagte der noch frische Frust an ihr, dass das Syndikat zum wiederholten Mal gewonnen hatte. Dass der Krebskandidat noch immer lebend auf dieser Erde wandelte. Dass sie nichts hatten ändern können. Gar nichts.

Natürlich, sie könnten eine zweite Expedition losschicken um ihre Berichte über eine geheime Forschungseinrichtung in den Bergen Pakistans zu beweisen... nur war sich Scully sicher, dass diese Expedition nichts finden würde. Möglicherweise stünde der Komplex sogar noch, sofern er nicht von dem durch sie verursachten Feuer vernichtet worden war. Aber das Beweismaterial - Proben, Versuchsobjekte, schriftliche Dokumente über die Forschungen - würden unlängst beseitigt worden sein. So lief es schließlich jedes Mal.

Sie riss den Blick von diesen düsteren Gedanken und dem tröstlichen Blau der Wellen los und schaute statt dessen hinüber zu Gibbs. Er saß ihr und Mulder schräg gegenüber, den rechten Arm notdürftig versorgt in einer Schlinge, und starrte mit versteinerter Mine hinaus. Offenbar wurde auch sein Geist von nagenden Fragen und Zweifeln heimgesucht wie der ihre und gönnte ihm den dringend notwendigen Frieden nicht. Was würde er tun? Jetzt, nachdem er von der Niederträchtigkeit des Syndikats erfahren hatte.

Im Grunde war das keine Frage, die sie stellen musste. Sie kannte die Antwort darauf bereits. Gibbs hatte keinen Hehl daraus gemacht. Das Syndikat hatte sich einen neuen Feind geschaffen. Einen zielstrebigen, erbitterten Feind der tödlicher sein konnte als sie vielleicht bislang ahnten. Und er würde weniger leicht zu manipulieren sein als Mulder es war.

Als habe er ihren Blick gespürt, schaute er zu ihr. Ein schwaches Lächeln huschte über seine Züge, bedauernd, fast schon ein bisschen melancholisch. Die Unruhe und Sorge, die von Scully abstrahlte, war für ihn deutlich wahrzunehmen und auch wenn sie bislang nicht mit ihm darüber hatte sprechen wollen, wusste er was sie neben all den vordringlichen Sorgen bedrückte. Und was ihn bedrückte.

Sein Blick wanderte von Scully zu Mulder, der über seinen Schmerz an der Seite seiner Partnerin eingeschlafen war und jetzt friedlich atmete. Er hatte sich zusammengekauert und war gegen sie gesunken, lehnte an ihrer Schulter und Scully hatte trostspendend einen Arm um ihn gelegt. Abwesend streichelte sie dabei seine Schulter. Es war ein friedlicher Anblick, der mehr sagte als tausend Worte. Ein Anblick, der Gibbs Herz schmerzhaft zusammenzog und ihm eines deutlich vor Augen führte.

Diese beiden Menschen waren mehr als nur Partner. Viel mehr. Sie verband etwas, das er kaum noch für möglich gehalten hatte und das stärker war als jede körperliche oder geistige Zuneigung zweier Individuen. Beinah war es schon unheimlich. Wie konnte er dazwischen stehen und ernsthaft glauben, dass Scully ihn als Mann an ihrer Seite akzeptieren würde? Sie hatte auf ihn reagiert, hatte seine offene Zuneigung freudig willkommen geheißen. Aber er täuschte sich wenn er wirklich glaubte, dass dies Mulder ersetzen würde. Oder er auch nur einen Platz neben ihm einnehmen könnte.

Er hielt Scullys Blick einen Moment mit seinen blauen Augen gefangen. Sah sie erschauern und erstaunt die Augenbraue heben. So wie sie es oft tat. Sie hatte nicht erwartet, dass der NCIS-Agent überhaupt so behutsam sein konnte. Sie so sanft und liebevoll ansehen konnte. Und mit so viel schmerzhafter Zuneigung. Er nickte nur schwach, dann wandte er sich ab und schaute zurück durch das Fenster. Er hatte sie freigegeben.

Scully schluckte, erschüttert und gerührt zugleich. Sie wusste nicht, was sie empfinden sollte. Ihre Emotionen lagen ohnehin blank und so traten ihr Tränen in die Augen. Zitternd atmete sie ein.

Mulder murmelte irgendetwas an ihrer Brust, schlang seinen Arm fester um ihre Mitte und lenkte sie ab, erlaubte ihr, ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten. Dankbar schmunzelte sie auf ihn herab und strich behutsam ein paar widerspenstige Strähnen aus seiner Stirn, dann wühlte sie ihre Nase in sein dichtes Haar und schloss die schmerzenden Augen. Washington konnte kommen. Sie und Mulder hatten schon schlimmeres durchgestanden.
 

„Sir, sie sind außer Reichweite.“

Schnaubend stieß der Angesprochene den heißen Dampf seiner Zigarette aus. Ein deutliches Zeichen der Missbilligung in der sonst reglosen Gestalt des Rauchers. In seinem Rücken plärrte das unerträgliche Durcheinander der verschiedensten Alarme, irgendwo brannten Kabel und Qualm stieg auf, beißender Gestank breitete sich aus. Männer liefen umher und riefen sich etwas zu. Doch er blieb an dem großen Fenster des Kontrollraumes stehen und blickte durch Feuer und Rauch dem Geschwader der Rettungsflieger hinterher. Frustriert. Wütend.

Apaches. Man hatte es wirklich gewagt ihn mit amerikanischen Black Hawks anzugreifen. Dieser Verrat schnitt tiefer als der Verlust der Bundesagenten. Sie hatten schweren Schaden angerichtet. Die Luftabwehr war ursprünglich dazu errichtet worden, pakistanische Rebellen abzuwehren. Nicht aber die Macht des amerikanischen Militärs. Es würde dauern, bis der Schaden an der Forschungsstation behoben sein würde. Wenn man sie denn beheben würde.

„Machen sie meine Maschine abreisefertig. Ich will in zehn Minuten abfliegen.“

Perplex starrte der Soldat den Rücken des Mannes an. „Sir, ich denke nicht...“

„Tun Sie, um was ich Sie bitte, Gefreiter.“ Kalt musterte der Raucher den jungen Mann. „Zehn Minuten.“ Er ließ die nicht einmal zur Hälfte gerauchte Zigarette fallen und verließ den Kontrollraum. Bevor er in seinen Helikopter stieg, musste er erst noch etwas anderes erledigen.

Epilog

„Ist Ihnen überhaupt bewusst, in was für eine Situation Sie mich mit diesem kopflosen Handeln gebracht haben?“ In seiner Rage hatte sich Assistant Director Skinner von seinem Stuhl erhoben. Die Hände auf die polierte Tischplatte gestützt, funkelte er die beiden Agents vor sich finster an. „Haben Sie eine Ahnung, was das jetzt für Sie bedeutet? Man hat Sie nicht ohne Grund in getrennte Bereiche versetzt und wenn es jemals eine Chance gegeben haben sollte, dass man Ihnen eine erneute Zusammenarbeit gestattet, so haben Sie diese hiermit zunichte gemacht.“

„Sir, unser Handeln war nicht kopflos.“ Mulder bemühte sich zu einem ruhigen, gefassten Tonfall. Innerlich schwelte sein Zorn allerdings bereits heftig. „Was hätten wir denn tun sollen? Sie kennen diese miesen Machenschaften mittlerweile doch selbst zu genüge.“

„Selbstverständlich tue ich das, Agent Mulder. Halten Sie mir nicht einen Spiegel vor, in welchen Sie selbst nicht zu blicken bereit sind.“ Er musterte Mulder mit harten Augen. „Ja, ich habe am eigenen Leib erleben müssen, zu welchen Dingen dieses Syndikat fähig ist und gerade deshalb dürfen wir uns nicht so leichtfertig mit ihnen anlegen. Sie haben nichts, keine Beweise. Wieder einmal. Wie soll ich sie beide da vor den Anschuldigen schützen, die jetzt unweigerlich auf uns zukommen werden?“

Darauf wussten sie keine Antwort. Aber zumindest Mulder war das auch herzlich egal. Beweise hatten nie zu ihren entlastenden Momenten gezählt, selbst wenn sie welche vorweisen konnten.

„Sie wollen nicht, das wir ein Team nach Pakistan entsenden, um nach dieser Forschungseinrichtung zu suchen. Und Sie haben keinen Beweis, dass die USS SeaCrawler diesen vermeindlichen Virus an Bord transportiert hat.“ Er warf die Hände in die Luft und wandte sich von Mulder und Scully ab, um aus dem Fenster zu blicken.

„Sir, selbst wenn wir eine Expedition ausschicken würden, um nach Pakistan zu reisen, sie würden nichts mehr finden. Ich bin überzeugt, dass das Syndikat schon jetzt all seine Spuren verwischt hat.“ Scully versuchte es mit Diplomatie. Sie konnte nachvollziehen, weshalb Skinner so tief enttäuscht war, nach allem was er für sie und Mulder schon riskiert hatte. Aber sie hatten wirklich keine andere Wahl gehabt. „Als wir herausfanden, dass die SeaCrawler mit dem Virus beladen wurde und die Fässer dazu fehlten, mussten wir handeln.“

„Und Sie konnten die Gefahr abwenden? Weil die Fracht nicht auf der SeaCrawler war, welche in Tennessee aufgetaucht ist, sondern auf der SeaCrawler, die irgendwo im Arabischen Meer in einer Zeitschleife gefangen ist?“ Seine Worte ließen keinen Zweifel, was er von dieser Erklärung hielt. „Wollen Sie das allen Ernstes in ihren Ermittlungsbericht schreiben, Agent Scully? Das Wrack in Tennessee ist ohne jeden Zweifel der Kreuzer USS SeaCrawler. Wie soll das Kriegsschiff an zwei Orten gleichzeitig existieren?“

Mulder wollte bereits zu einer Erklärung ansetzen, doch Skinner hob nur abwehrend die Hand. Er wollte es nicht hören. Er hatte deutlich genug gemacht, was er mit seinen Worten meinte. Niemand würde ihnen glauben und es würde so gut wie unmöglich sein, die X-Akten in Zukunft wieder zu öffnen. Er strich sich über das wenige Haar und seufzte. „Was haben Sie sich dabei nur gedacht?“

Noch ehe einer der beiden Agents antworten konnte, ging die Tür zu Skinners Büro auf und Gibbs betrat den Raum in Begleitung eines Mannes, dem Mulder und Scully schon häufig in den Gängen des FBI-Gebäudes begegnet waren. Nur nie im Zusammenhang mit dem NCIS. Verblüfft sahen sie Gibbs an, doch der richtete seine ganze Aufmerksamkeit ungeteilt auf Skinner.

„Agent Fornell, was soll diese Störung?“ Der Assistant Director sah alles andere als erfreut aus.

„Director Skinner, Agent Mulder, Agent Scully. Ich hoffe wir sind noch rechtzeitig zu dieser Besprechung gestoßen, bevor sich unsere beiden Agents hier um Kopf und Kragen reden konnten.“ Er lächelte gestelzt. „Darf ich Ihnen Special Agent Gibbs vorstellen? Er ist vom NCIS.“

Skinner beäugte die beiden Männer misstrauisch. „Was hat der NCIS hier zu suchen?“

„Ich bin derjenige, der die Agents Scully und Mulder zu einem meiner Fälle hinzugezogen hat. Es wäre mir unangenehm, wenn ihnen daraus jetzt ein Nachteil entstünde. Tobias hier hat mir berichtet, dass es Probleme geben könnte.“ Gibbs zuckte nicht einmal mit der Wimper. Das bedrohliche Auftreten Skinners schien ihn in keiner Weise zu beeindrucken. „Ich fragte Agent Fornell zu Beginn meiner Ermittlungen, ob es beim FBI Leute gäbe, die sich mit unerklärlichen Phänomenen auskennen. Er nannte mir die Agents Mulder und Scully und so habe ich sie angefordert. Ich bedaure, wenn Sie nicht darüber informiert wurden.“ Sein Blick glitt tadelnd zu Fornell, der auch den Anstand besaß und leicht errötete.

„Verzeihen Sie, Sir. Offenbar ist da etwas auf dem Dienstweg verloren gegangen. Wird nicht wieder vorkommen.“

Skinner runzelte nachdenklich die Stirn, während Mulder und Scully nur sprachlos daneben sitzen und sich wundern konnten. Was geschah hier gerade? Allen Anwesenden war bewusst, dass Gibbs und Fornell logen dass sich die Balken bogen. Nicht einmal achtzig Prozent von dem, was sie hier als Wahrheit hinstellten, entsprach dieser auch. Aber sie eröffneten dem Assistant Director mit dieser Darstellung einen Weg, der für alle Beteiligten zu einem glimpflichen Ende führen konnte. Was hatte Fornell bloß angestellt, dass Gibbs ihn zu einem solchen Gefallen bringen konnte?

Mulder starrte den NCIS-Agent mit unverhohlener Verblüffung an. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass Gibbs ihm zur Seite stehen würde. Ihn aus der Patsche ziehen würde, nach allem was zwischen ihnen vorgefallen war.

Die Blicke der beiden Männer trafen sich und Mulder musste sich beherrschen, um nicht unter der kalten Härte in den Augen des Senior-Agents zusammenzuzucken. Nein, er half ihm nicht seiner selbst Willen aus der Klemme. Es war die Revenge für die Hilfe bei Tony und Kates Rettung. Und um Scullys Willen. Er stand ihr zur Seite, nicht ihm. Zerknirscht neigte er den Kopf und signalisierte so, dass er verstanden hatte. Gibbs entließ ihn aus seinem Blick.

„Wenn Sie gegen jemanden Sanktionen erheben müssen, tun Sie das bei mir. Agent Mulder und Agent Scully trifft keine Schuld. Sie haben dem NCIS geholfen und es würde unseren Behörden nicht gut tun, wenn wir über so etwas in Streit gerieten.“

Langsam setzte sich Skinner, hinter seiner Stirn arbeitete es sichtlich und für einige Herzschläge zog sich die Zeit in zäher Langsamkeit dahin, während die Anwesenden auf eine Entscheidung des Assistant Directors warteten. Als er das Schweigen endlich brach, schwang in seiner Stimme keine Spur der zuvor gezeigten Verunsicherung mit. „Ich denke, dass ich in diesem Fall davon absehen kann, Maßnahmen gegen Mulder und Scully zu ergreifen. Was Sie betrifft, Agent Gibbs...“, er musterte den Agent eingehend. Wer war dieser Mann? „Wie Sie bereits sagten, Sie sind Angehöriger einer anderen Bundesbehörde. Da sind mir die Hände gebunden.“

Gibbs nickte. „Dann ist ja alles geklärt.“

„So ist es.“ Skinner entließ Mulder, Scully und Fornell mit einer knappen Geste und sah ihnen nach, wie sie gemeinsam mit Gibbs das Büro verließen. Dann stand er auf und trat an sein Fenster.
 

„Was war das gerade da drinnen?“ Sie hatten die Außentreppe des FBI-Gebäudes erreicht und es war an der Zeit sich endgültig voneinander zu verabschieden. Fornell hatte sie zuvor mit einem süffisanten Grinsen verlassen und Kate und Tony warteten mit einem schwarzen Dodge Charger auf Gibbs. Sie winkten zu Mulder und Scully hinauf.

Gibbs wandte sich noch einmal zu den beiden FBI-Agents um, eine Augenbraue skeptisch hochgezogen. „Was denn? Seid ihr etwa nicht zufrieden mit unserer kleinen Darbietung?“

Beiden fiel darauf keine passende Antwort ein. Bislang hatten sie Gibbs nie in einer solch gelösten Stimmung kennengelernt und es traf sie vollkommen unerwartet. Zumal er eben gerade im Büro von Skinner noch eine vollkommen andere Ausstrahlung gehabt hatte. Jetzt schien er wie ausgewechselt. Sie blickten ihn mit stummer Verwirrung an und Gibbs lachte bellend.

„Ihr solltet euch im Spiegel sehen.“ Er zog Scully in eine kurze, innige Umarmung, hauchte ihr einen Kuss auf den Scheitel und sprang dann leichtfüßig die Treppen hinunter. „Solltet ihr in Zukunft wieder einmal mit diesem Krebskandidat aneinander geraten, ihr kennt meine Nummer.“ Er umrundete den Charger, bedachte Tony mit einer unsanften Kopfnuss, als dieser sich auf den Fahrersitz setzen wollte, und nahm selbst hinter dem Steuer platz. „Wir werden diesem Bastard noch das Handwerk legen.“

Schulter an Schulter blickten Mulder und Scully dem Senior-Agent nach, einen Arm zum Gruß erhoben und noch immer perplex und berührt zugleich. Dann schoss der Charger mit aufheulendem Motor die Straße in Richtung Washington Square davon.
 

Am Fenster seines Büros verschränkte Skinner mit einem leisen Lächeln die Arme vor seiner Brust. Was für ein seltsames Ermittlerteam.



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Kommentare zu dieser Fanfic (37)
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Von: abgemeldet
2011-11-25T10:30:22+00:00 25.11.2011 11:30
oh ach du scheisse
ich hab zufällig diene fanfic gefunden .... omfggggg warum erst jetzt
ich hab gerade 2 kapitel gelesen ..... bin total sprachlos
wie wenn ich ein buch lesen würde
extrem professionelle wortwahl und wahnsinn.... ich liebe beide serien und kann mir das soooo gut vorstelln wie das zusammen harmoniert wow
bin begeistert am lesen ^^
du bringst die charaktäre so perfect und echt rüber echt wahnsinn..... will ne episode davon sehn *grins ^^
werd weiter lesen schwärm
oh und tony: " meine schöhnheit hahahhaha" voll perfect voll perfect wahnsinn
Von:  fahnm
2011-11-11T20:58:13+00:00 11.11.2011 21:58
Hammer Kapi^^
Freue mich aufs nächste kapi^^
Von:  fahnm
2011-11-09T22:01:25+00:00 09.11.2011 23:01
Der Schluss gefiel mir am besten.
Schade das es schon vorbei ist.^^
Von:  fahnm
2011-10-19T21:01:27+00:00 19.10.2011 23:01
Klasse Kapi^^
Von:  fahnm
2011-10-08T19:03:28+00:00 08.10.2011 21:03
Super Kapi^^
Von:  fahnm
2011-08-29T20:00:31+00:00 29.08.2011 22:00
Super Kapi^^
Von:  fahnm
2011-08-17T18:58:08+00:00 17.08.2011 20:58
Hammer Kapi^^
Von:  fahnm
2011-08-11T19:14:25+00:00 11.08.2011 21:14
Hammer Kapi^^
Von:  fahnm
2011-05-02T00:16:09+00:00 02.05.2011 02:16
Klasse Kapi^^
Von:  fahnm
2011-03-27T23:18:39+00:00 28.03.2011 01:18
Super Kapi^^


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