Zum Inhalt der Seite

Primeval: New World Season II

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

[Folge 06] Kill Leeds

New Washington, Verbündete Staaten Nordamerikas – 2210
 

Evan Cross musste nicht Medizin studiert haben, um zu wissen, dass sein rechter Arm gebrochen war. Doch wer war daran schuld? Die Ironie des Schicksals? Dafür, dass er seinem Erzfeind den linken Arm geraubt hatte, verlor er nun womöglich seinen eigenen? Es spielte im Grunde keine Rolle. Selbst wenn das ganze Gebäude einstürzte, Evan war im Moment nur eine Sache wichtig.

Er hatte noch nie eine Pistole mit der linken Hand gehalten, doch er würde abdrücken wenn es unbedingt nötig war.

Und er wusste, dass es das war.

Der ehemalige Lieutenant war selbst voller Schweiß und die Panik hatte ihn gepackt. Evan Cross hatte alle Zeit der Welt ihm hinterher zu torkeln. Leeds konnte ohnehin nicht mehr entkommen, vor ihm erstreckte sich nun eine Wand. Sollte diese nicht auch automatisch einstürzen saß er in der Falle.

Leeds krumme Finger strichen an der Wand entlang, doch es gab kein Entkommen. Er drehte sich um und bedachte Evan eines diabolischen Lachens. Die Narbe an seiner linken Gesichtshälfte wirkte nicht mehr so bedrohlich und auch Leeds Augen hatten die Angriffslust einer Schlange verloren.

Evan stand dem sitzenden Leeds nun direkt gegenüber und schritt nach vorne.

Ohne irgendeine Gesichtsregung presste er den Lauf der Pistole auf Leeds Stirn.

Das Lachen des Einarmigen wurde immer schriller und ungläubiger.

„Na los, Cross! Worauf wartest du noch? Drück endlich ab.“, blaffte er Evan an.

Dieser schluckte und spürte, wie sein Finger am Abzug zitterte.

Es war so leicht und dann auch wieder nicht. Ein Tier zu erschießen war er gewohnt, aber einen Menschen?

Doch war Leeds überhaupt noch ein Mensch? Alles an ihm sprach eine andere Sprache. So einen Schmerz und so eine Verzweiflung hatte Evan noch nie in den Augen eines anderen gesehen.

„Stoppen Sie Leeds. Egal was Sie dafür tun müssen.“, erinnerte sich Evan an Halls letzte Worte an ihn.

„Leeds… darf nicht gewinnen.“, hallten immer noch Dylans Abschiedsworte in seinem Ohr.

„BRING ES ENDLICH ZU ENDE, CROSS!“, klang Leeds Schrei beinahe schon wie ein Wimmern.

Evan holte noch einmal tief Luft und dachte daran was dieser Mann ihm angetan hatte.

Dafür, dass er Hall erschoss, hätte er ihn am liebsten ins Gefängnis gebracht und den Schlüssel weggeworfen.

Aber dass… dass er auch noch Dylan getötet hatte, das war unverzeihlich gewesen.

Es war so, als würde sie Evans Hand führen und den Anzug um einiges leichter machen.

Evan sah Leeds noch einmal direkt in die Augen. Dann drückte er ab.
 

New Washington, Verbündete Staaten Nordamerikas - 2210 – 12 Stunden zuvor
 

Kahl und trist. Anders wäre der Raum kaum zu beschreiben gewesen. An den Wänden hingen keine Bilder oder Gemälde, in den Ecken standen keine Blumentöpfe und nicht einmal eine Deckenlampe existierte.

Einzig und allein dieser Tisch in der Mitte, zusammen mit dem Stuhl auf dem Evan Platz genommen hatte. Nein… angekettet wurde, also wohl der passendere Ausdruck.

Der Mann der sich ihnen als Matt Anderson vorgestellt hatte, hatte sie gebeten aufzustehen, jedoch nur, um ihnen danach Handschellen anzulegen.

Evan hatte hart protestiert als man ihn und Dylan trennte.

Anderson hatte Dylan in eine andere Richtung geführt, während Evan hierher gebracht wurde. Niemand hatte ihn angesprochen, ihn nach seinem Namen gefragt oder woher er kam. Er war in diesen dunklen Raum geführt und an den Stuhl gekettet worden.

Er hatte keine Ahnung wie es Dylan ging, oder wo sie überhaupt waren.

Dann war es endlich soweit.

Die Tür sprang auf und der Mann mit dem A.C.C Abzeichen trat ein.

In seiner rechten Hand hielt er ein Gerät und schloss mit der anderen die Tür.

Er schritt zu Evan und setzte sich ihm gegenüber.

Immer noch war das Bildnis einer Kerze das Einzige, das Licht spendete. Es war keine echte, eher ein Spielzeug, in dem sich Elektrizität zu befinden schien.

„Wo ist meine Freundin?“, wollte Evan ohne Umschweife erfahren.

Matt Anderson antwortete nicht gleich, sondern legte das Gerät auf dem Tisch.

Es bestand fast völlig aus Glas, nur an den Enden waren Teile von Metall zu sehen. Er tippte auf dem Glas herum und über dem Tisch erschien plötzlich eine Art Display in der Luft.

Evan beobachtete wie Anderson eine rote Taste berührte, daneben stand ‚Record’. Scheinbar sollte das Gespräch aufgenommen werden.

Der Mann gab noch weitere Befehle ein, doch Evan konnte nichts davon lesen. Bio-Daten wurden sichtbar, Evan erkannte anhand der Blutgruppe und anderen Dingen, dass es sich um ihn handeln musste. Wann hatte man Zeit gefunden ihn zu scannen? Und vor allem, was wollte man mit diesen Daten?

„Mister Anderson…“, begann Evan noch einmal, doch sein Gegenüber unterbrach ihn.

„Matt.“, korrigierte er.

Auch das war Evan recht, sofern er endlich eine Antwort erhielt.

„Matt. Geht es meiner Freundin gut?“, hakte er nach.

Matt nickte schnell um ihn zu beruhigen.

„Dylan Weir, habe ich recht? Tochter von Joseph und Sarah Weir. 28 Jahre alt. Und Sie sind Evan Cross, Eltern Augustus und Evelyn Cross, Alter 29. Frau, Brooke Cross, aber bereits verstorben.“, schien er scheinbar vom Display anzulesen.

Evan holte tief Luft.

„Sie scheinen sehr viel über uns zu wissen.“, sprach er das Offensichtliche aus.

Matt lächelte.

„Internet heißt das Zauberwort. Egal wie veraltet dieses Ding auch sein mag, aus keiner Quelle erhält man verlässlichere Informationen.“, erwiderte er.

Evan taxierte ihn mit seinen Augen, doch Matt war noch nicht fertig.

„Geburtstag 03.08.1984. Todestag ist der 01.12.2062. Dylan Weir. Geburtstag 09.03.1985. Todestag ist der 29.02.2013.“, las er weiter.

Evan unternahm einen Versuch sich von seinem Stuhl zu erheben, doch die Ketten ließen dies nicht zu.

„Das ist ein Monat nachdem wir ins Eozän aufgebrochen sind!“, brach es aus ihm heraus.

Matt strich sich übers Kinn und musterte ihn.

„Das Datum ist auch nicht sehr genau, vielleicht starb sie auch bereits etwas früher, hier ist lediglich der Tag der Beerdigung angeführt.“, antworte er, merkte jedoch schnell, dass er damit nichts zur Situation beitrug.

„Es tut mir leid, die meisten heutzutage wollen ihr Sterbedatum wissen, damit sie vorher noch persönliche Dinge klären können. Das war unbedacht von mir, tut mir leid.“

Matts Entschuldigung klang aufrichtig.

„Dylan… wie stirbt sie?“, fragte Evan atemlos.

Matt verfolgte weiterhin die Daten.

„Hier steht, dass sie bei einer Mission starb, aber nichts Genaueres. Evan Cross kam allein zurück und betrauert den Verlust seiner geschätzten Kollegin Dylan Weir.“, schien er den letzten Satz einfach nur abzulesen.

Dann hob er die Augenbrauen.

„Alle Achtung, Mr. Cross. Sie haben einen beeindruckenden Lebenslauf. Was Sie bis zum Jahre 2062 alles taten ist zwar nicht genau protokolliert, aber Sie werden der Wissenschaft noch große Dienste erweisen. Sie haben sicher Verständnis dafür, dass ich Ihnen keine Details nennen darf.“, berichtete er.

Evan sank in seinem Stuhl zusammen und betrachtete Matt stoisch.

„Wo bin ich?“, stellte er endlich die entscheidende Frage.

Matt faltete die Hände und tat ihm den Gefallen.

„Mister Cross, das heutige Datum ist der erste September 2210. Sie befinden sich in der staatlichen Behörde A.C.C, das so genannte Anomaly Control Center.“, klärte er auf.

Für Evan ergaben sich jedoch nur noch mehr Fragen.

„Aufgrund des Namens nehme ich an, dass Sie sich mit Anomalien beschäftigen?“, hakte er nach.

Matt schmunzelte und ein Lacher entfleuchte ihm.

„Erst letzte Woche habe ich den Hintern eines Megaraptors zurück in die Oberkreide verfrachtet.“, sagte er, ohne anzugeben.

„Also sind die Anomalien auch noch in der Zukunft aktiv.“, kombinierte er.

Matt nickte, ohne sein Schmunzeln zu unterbrechen.

„Ja, laut unseren Wissenschaftlern haben wir immer noch 50 Jahre bis zur nächsten Konvergenz. Vielleicht bin ich dann ein alter Mann, aber vermutlich weniger bei meinem Lebensstil.“

Evan runzelte die Stirn.

„Konvergenz?“, hakte er nach, da er das Wort in dem Zusammenhang noch nie gehört hatte.

Matt schien nachzudenken wie viel er Evan wirklich erzählen konnte.

„Alle paar Millionen Jahre beginnt die Zeit… nennen wir es sich zu kratzen. Entladungen überall auf der Welt treten auf, die so genannten Anomalien. Diese Entladungen dauern meist bis zu 500 Jahren, bis dann endlich eine Konvergenz eintritt. Überall auf diesem Planeten öffnen sich Anomalien, die letzte, finale Entladung vor dem Spannungswechsel. Sie müssen sich das Raum-Zeitgefüge wie einen gigantischen Generator vorstellen. Kein Generator läuft ohne Wartung, nur dass sich dieser von allein in Stand hält. Nach der Konvergenz kann die Zeit wieder ganz normal vorwärts fließen, wie das Messer nach einigen stürmischen Wellen. Angenommen die Konvergenz würde irgendwie nicht stattfinden oder unterbrochen werden, würde die Zeit massiv geschädigt. Der Entwicklungszyklus von Menschen oder Tiere würde sich beispielsweise beschleunigen und 10 Millionen Jahre würden zu 100 einfachen verkürzt werden. Reptilien könnten auch ohne Wärmebeteiligung in wenigen Jahrzehnten zu Dinosauriern heranwachsen und der Mensch könnte sogar aussterben. Kleinere, verbreitete Säugetiere wie Ratten oder Fledermäuse könnten einen Entwicklungsschub erhalten und zu Monstern werden.“, schloss Matt seinen Bericht.

„Das ist zumindest die Vermutung unserer Wissenschaftler. Aber keine Angst, Mutter Natur weiß was sie tut.“, beruhigte er Evan gleich darauf.

Dieser brauchte einige Zeit um die Informationen zu verarbeiten.

„Mit anderen Worten, Sie wissen alles von mir, richtig?“, hakte er nach.

Matt verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.

„Nur das Relevante. Ich kann zumindest nicht sagen wie Sie Ihren Kaffee trinken, ob Sie Slips oder Boxershorts tragen, oder auf welchen Typ Frau Sie stehen.“, ließ er verlauten, dass er keine privaten Daten über Evan besaß.

Dieser nickte beruhigt.

„Also Facebook gibt es in der Zukunft nicht mehr. Wenigstens das.“

Matt Anderson konnte nicht darüber lachen, wohl weil er in seiner Zeit keinen Bezug dazu hatte.

„Kommen wir zum Wichtigen, oder?“, verfinsterte sich Matts Miene von einem Moment auf den anderen.

Evan beugte sich zu ihm vor, er wusste was nun folgen würde.

„Der Name des Mannes der Ihren Kollegen erschossen hat lautet Ken Leeds. Ehemals Lieutenant des kanadischen Militärs.“, gab er an.

Matt wechselte das Bild im Display und suchte nach neuen Informationen.

„Ken Leeds verschwand am selben Tag, als die Regierungs-Behörde Project Magnet eine Mission ins Eozän startete. Seitdem gibt es keine weiteren Informationen über diesen Mann.“, sagte er.

Evans Mundwinkel zog sich nach oben und er starrte einer der kahlen Wände an.

„Weil die Zukunft dieses Mannes noch nicht geschrieben wurde. Wir haben Leeds ins Eozän verfolgt und dabei Leute verloren. Ich weiß nicht warum er dort war, doch wir verfolgten ihn in Ihre Zeit. Egal was Leeds hier vorhat, es kann nichts Gutes sein.“, erzählte Evan und beschrieb danach noch einmal detailliert die Ereignisse der letzten Stunden.

Matt veränderte das Display und ein Video wurde eingeblendet. Es zeigte einen abgesicherten Raum, der wie ein Labor wirkte.

Evan erkannte einen von Matts Kollegen, dann tauchte Leeds auf. Er schoss auf den Wachmann und schritt zu einem Tresor, wo er einen Code eintippte. Dieser sprang auf und Leeds holte etwas heraus, das Evan nicht genau erkennen konnte. Der Lieutenant steckte es ein und ergriff dann die Flucht.

„Das ist ein Überwachungsband, das vor einer Stunde aufgenommen wurde.“, berichtete Matt.

„Was hat er da gestohlen?“, wollte Evan von ihm wissen.

Matt dachte kurz nach, schloss dann aber wieder die Lippen.

„Tut mir leid, das kann ich Ihnen nicht sagen.“, entschuldigte er sich.

Evan schlug mit den Handflächen gegen die Tischkante.

„Hören Sie! Ich kann Ihnen vielleicht helfen Leeds zu finden. Ich kenne ihn und er könnte versuchen irgendwas in Ihrer Zeit anzustellen. Bitte vertrauen Sie mir!“, bat er eindringlich.

Matt dachte wieder nach und nickte schließlich.

„Also gut. Ich kann nur so viel sagen, dass es ein Prototyp war, seine Funktion ist geheim. Die Anomalie öffnete sich im Gang vor dem Labor und dieser Leeds schoss die Tür auf. Er tötete den Wachmann und stahl den Prototypen. Und jetzt wird es interessant. Wir konnten ihn nicht schnappen, weil er über einen geheimen Fluchtweg das Gebäude verlassen hat. Ein Fluchtweg für den man einen speziellen Ausweis braucht.“, ließ er die letzten Worte etwas auf Evan wirken.

Dieser musterte ihn unsicher.

„Und wem gehörte der Ausweis?“, wollte er in Erfahrung bringen.

Matt ließ seine Schultern sinken.

„Mir. Nachdem er hier fertig war, hat er mit meinem Ausweis die Sicherheitstür entriegelt und ist geflohen. Und wir haben nicht die geringste Spur von ihm. Und jetzt kommt der gruselige Teil. Ich trage meinen Ausweis nämlich noch bei mir.“

Evan verarbeitete das Gesagte und wand sich dann wieder Matt zu.

„Dafür gibt es nur zwei Möglichkeiten.“, begann er und Matt war gerne bereit sich seine Theorien anzuhören.

„Zuerst, Leeds hat es irgendwie geschafft Ihren Ausweis zu kopieren.“, stellte er in den Raum.

Matt schüttelte ohne nachzudenken den Kopf.

„Ausgeschlossen, sie bestehen aus einem Material, das man nicht duplizieren kann.“, verriet er.

Evan nickte und fuhr fort.

„Möglichkeit Nummer 2: Leeds konnte mit Ihrem Ausweis fliehen, weil er ihn noch gar nicht gestohlen hat, sondern dies erst wird. Deshalb haben Sie ihn zu diesem Zeitpunkt auch noch.“, glaube Evan den richtigen Schluss gezogen zu haben.

Matt grinste.

„Und genau deshalb hasse ich Zeitparadoxen so sehr.“
 

New Washington, Verbündete Staaten Nordamerikas - 2210
 

Matt Anderson verließ den Verhörraum mit gemischten Gefühlen. Verständlicherweise existierten keine Aufzeichnungen darüber, dass Evan Cross in die Zukunft gereist waren. Matt besaß die höchste Geheimhaltungsstufe, es war auszuschließen, dass man die Akte unterschlagen hatte.

Wie so oft betrat er Neuland, die Ereignisse um den Mann aus der Vergangenheit würden erst stattfinden und er würde somit Geschichte schreiben. Doch wie sah Matts Aufgabe in deren Verlauf aus? Aber nein, es war nicht nur Evan Cross allein, auch die Frau die mit ihm reiste spielte eine Rolle. Matt hatte sich die Daten noch einmal genauer angesehen, doch keine Informationen über Dylan Weirs weiteren Verbleib gefunden. Zumindest waren diese nicht eindeutig. Entweder war sie im Eozän gestorben, was ihre Anwesenheit im Jahre 2210 jedoch ausschloss, oder ihr Leben würde sich hier dem Ende neigen.

Der Verhörraum in dem die Frau bis jetzt gefangen gehalten wurde befand im selben Stockwerk und lediglich 5 Türen weiter.

Matt betrat ohne zu klopfen den Vorraum und seine Augen fingen das Geschehen auf.

Vor der Tür zum eigentlichen Zimmer, prangte ein Glasfenster in der Wand, das lediglich nur von außen zu sehen war. Befand man sich innerhalb des dunklen Raums, war es nicht zu erkennen. Das half dabei die Reaktion des Gefangenen zu beobachten, wenn sich dieser allein fühlte.

Das hatte Matt auch bei Evan getan um ihn besser einschätzen zu können. Fakt war jedoch, dass ihm das nicht zur Gänze gelungen war.

Durch das Fenster konnte er verfolgten wie Dylan Weir mit einem Mann redete und beinahe flehend wirkte.

Rauch schwebte Matt entgegen und er blickte zur Seite. Ein älterer Mann mit zurückgekämmten Haaren stand neben ihm und inspizierte ebenfalls das Treiben im Verhörraum.

„Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie einer der letzten 100 Menschen auf dem Planeten sind der noch raucht?“, meinte Matt amüsiert und der Mann seufzte.

Er drückte seine Zigarette aus und entsorgte sie im Mülleimer in der Ecke.

„Die Menschen werden immer Laster brauchen um fortbestehen zu können, Commander.“, rechtfertigte er sich.

Matt gab zu, dass er sich seinen Kommentar genauso gut hätte verkneifen können. Schließlich war er derjenige, der sich jeden Tag mindestens 3 Becher Kaffee zuführte. Davon abgesehen wollte er seinem Boss natürlich keine Vorschriften machen.

Director Julian Harrison war der Leiter des A.C.C und Matt Andersons direkter Vorgesetzter.

Der Commander hatte einen guten Bekannten verloren, doch Harrison war derjenige mit der Verantwortung. Wie gelang es einem Mann aus der Zukunft in eine gesicherte Regierungseinrichtung einzudringen, einen Mann zu erschießen und mit dem Prototyp einer geheimen Maschine zu fliehen? Und das ausgerechnet noch mit Matts Ausweis?

„Wieso hat das R-System zugelassen, dass dieser… Leeds? Dass er einfach so eindringen konnte?“, hakte Harrison nach.

Matt hasste es mit den Schultern zucken zu müssen und seinem Boss die Antwort schuldig zu bleiben.

„Womöglich hat er keinen Opener benutzt.“, spekulierte er.

Harrison schnaufte laut und war daran sich die nächste Zigarette anzuzünden.

„Eine Anomalie aus dem Eozän öffnet sich einfach so vor einem unserer Labore und eine Gruppe Menschen aus dem Jahr 2013 stattet uns einen Besuch ab?“

Es war ihm anzuhören wie skeptisch er diese Geschichte fand.

Matt räusperte sich.

„Ich glaube Evan Cross. Auch wenn er in seiner Zeit mit den Anomalien zu tun hat, besitzt er sicher keine Hintergedanken. Laut seiner Akte hat er sich nach dem Tod seiner Frau völlig ihrer Erforschung gewidmet.“, erzählte er.

Harrison strich sich nachdenklich übers Kinn.

„Matt, Sie wissen, dass ich meinen Sohn selbst an eines dieser Ungeheuer verloren habe. Wenn Cross also seine Frau zurückhaben wollen würde, könnte er nach einem Weg suchen die Anomalien zu kontrollieren.“, sagte er.

Matt schüttelte leicht den Kopf.

„Laut seiner Akte hatte er bereits die Gelegenheit dazu, hat aber darauf verzichtet. Wenn Sie mich fragen, zeigt das von wahrer Charakterstärke. Ich weiß nicht, ob ich genauso gehandelt hätte.“, beichtete er.

Doch damit schien er Harrison nicht vollends überzeugen zu können.

„Commander Winters ist bereits seit einer Stunde bei dieser Frau und diese spielt ebenfalls die Unschuldige.“, zeigte dieser auf das Fenster.

Matt musterte Dylan Weir, die Frau die laut seiner Akte eigentlich nicht mehr leben sollte. Sein Kollege Winters war Verhörspezialist, wenn er bisher nichts von der Frau erfahren hatte, dann war diese in der Tat unwissend.

„Haben Sie bereits eine Erklärung für die Sache mit dem Ausweis?“, stellte der Director nun die Frage, auf die Matt gehofft hatte sie aussitzen zu können. Dieser berichtete seinem Boss von Evans Theorien und Harrison nahm einen weiten Zug seiner Zigarette.

„Also haben wir ein weiteres Mysterium zu lösen.“, kombinierte er.

Matt nickte.

„Sir, ich schlage vor, wir beziehen Evan Cross und Dylan Weir mit ein. Sie kennen den Mann den wir verfolgen und können uns helfen ihn aufzuspüren.“, machte der Zoologe den Vorschlag.

Die Skepsis war Harrison anzusehen.

„Vertrauen Sie diesem Cross?“, wollte er wissen.

Matt presste kurz die Lippen zusammen.

„Sir, ich denke, dass es einen Grund gibt warum er und seine Kollegen hier sind. Und zwar weil sie hier sein sollen. Das hier, das Verhör, unser Gespräch ist vermutlich vorbestimmt und auch die Jagt nach diesem Verbrecher. Ich werde darauf achten, dass die beiden nicht zu viel aus unserer Zeit zu sehen bekommen um den Verlauf nicht zu sehr zu beschädigen.“, bot Matt an.

Harrison überlegte eine Weile, bevor er den Plan absegnete.

„Es ist verrückt. Wieso haben wir diesen verdammten Leeds noch nicht gefunden? Es kann für die Miliz doch nicht so schwer sein, nach einem Einarmigen zu fahnden.“, fluchte er.

Matt gab ihm recht. Aufgrund des ausgefeilten Überwachungssystems ihrer Zeit, war er es seltsam, dass kein Sonde Leeds bisher aufspüren konnte. Selbst Meldungen aus der Bevölkerung blieben bisher aus. Durch die Neurochirurgie der letzten Jahrzehnte war es ein Kinderspiel sich Körperteile eines Toten transplantieren zu lassen, jemand mit nur einem Arm würde unverzüglich auffallen. Allerdings besaß die Regierung auch Störsender, mit denen die Sonden abgelenkt werden konnten. Besaß dieser Leeds etwa so eine? Woher sollte er sie haben? Vermutlich von demselben Ort, wie auch Matts Ausweis.

Die Tür sprang auf und Commander Winters stand vor den beiden Männern.

„Ich denke sie sagt die Wahrheit.“, offenbarte er, auch wenn das für Matt keine große Überraschung war.

„Ich nehme sie mit.“, entschied der Zoologe.
 

New Washington, Verbündete Staaten Nordamerikas - 2210
 

Evan hatte aufgegeben die Versuche zu zählen, die er verbraucht hatte, um seine Fesseln zu lösen. Sie waren allesamt vergebens gewesen.

Es nagte an ihm. Er wusste weder wie es Dylan erging, noch was Leeds plante. Er hatte sie quer durch das Eozän gelockt, nur um dann durch eine Anomalie ins Jahre 2210 zu springen. Wozu das Ganze? Und was hatte er gestohlen?

Matt Anderson erwähnte eine Art Prototyp, doch welche Funktion besaß dieser?

Die Tür sprang erneut auf und die Person, über die er gerade nachgedacht hatte erschien mit einem sichtbaren Schlüssel in der Hand.

Mit schnell Schritten war der bei Evan angelangt und kniete sich hin.

„Kann ich Ihnen vertrauen?“, fragte er und sah zu ihm hoch.

Evan musterte ihn, ob Matt das auch ernst meinte und nickte dann.

„Ich bin nicht Ihr Feind.“, sagte er klar und deutlich.

Dies schienen die richtigen Worte gewesen zu sein, denn kurz darauf befreite Mann Evan von seinen Fesseln und den Handschellen.

„Fassen Sie hier nichts an und reden Sie nur mit mir.“, schärfte er dem Leiter von Cross-Photonics ein.

Evan versprach es ihm und rieb sich die Armgelenke. Matt war bereits wieder aufgestanden und marschierte Richtung Tür.

„Moment, was ist mit meiner Freundin?“, lief er ihm hinterher, auch wenn sich die Frage kurz darauf erübrigte.

Dylan Weir stand draußen im Vorzimmer und sah Evan froh und glücklich an.

Überschwänglich umarmte sie ihn und auch Evan war erleichtert, dass sie nun wieder zu zweit waren.

„Folgen Sie mir.“, bat sie Matt und Evan und Dylan hätten ohnehin nicht gewusst, was sie sonst tun sollten.

Draußen entriegelte Matt eine Tür mittels seines Ausweises und machte eine einladende Handbewegung.

Evan und Dylan fanden sich in einem breiten Korridor wieder und Matt schloss den Zugang hinter sich.

Die drei schritten voran und Dylan begutachtete die Aufschriften auf den Türen, die links und rechts des Korridors angereiht waren. Unter anderem fand sie ein Waffenlager, ein Forschungslabor und einige Büros wieder. Auf der letzten Tür des Ganges stand in großen Buchstaben ‚Tiersektor’.

Dylan konnte bei bestem Willen nur spekulieren was sich dahinter befand.

Die drei waren an einer Treppe angelangt und Matt schritt sie zielstrebig hinauf.

Evan und Dylan folgten ihm mit geringem Abstand.

Es waren etwa zwei Dutzend Stufen welche die drei erklommen und dann in der Pforte einer größeren Halle standen.

Auf den ersten Blick erinnerte es an das dritte Untergeschoss von Cross-Photonics. Männer und Frauen torkelten wie in einem Büro umher und andere gaben Daten in die zukünftigen Computer ein, wie bereits Matt einen verwendet hatte.

Dylan musste Evan erst anstupsen, damit diesem auffiel darauf sie gerade getreten waren. Sie befanden sich in etwa der Mitte der Halle. Direkt unter einer großen Glaskuppel, die der Sonne Zutritt verschaffte.

Evan sah zu seinen Schuhen und musterte das Symbol das auf den Boden gemahlen worden war. Es war identisch mit jenem, das Matt und die anderen Soldaten an ihrer Uniform trugen. Ein blauer Kreis mit den geschlungen Buchstaben A.C.C.

Das Anomaly Control Center, dachte Evan. Doch was genau wurde hier getan? War es nur eine etwas moderne Version von Cross-Photonics? Wohl kaum, immerhin besaßen Matt und seine Leute weitaus mehr Informationen über die Anomalien als Evan selbst. Vermutlich hatten sie bereits jedes kleinste Geheimnis der Zeitportale erforscht. Der Leiter von Cross-Photonics erinnerte sich an Connor Temple und seinen Partner. Sie waren Teil des A.R.C, des Anomaly Research Centers. War dies hier etwa ein moderner Ableger davon? Die zukünftige Version des ARCs?

Evan erinnerte sich an den Opener den Ken Leeds verwendet hatte und war sich sicher, dass dieser aus der Zeit stammen musste. Matts Leute waren somit im Stande Anomalien ohne Schwierigkeiten zu schließen und dem Namen nach auch zu öffnen. Leeds hatte das Gerät benutzt um ins Jahr 2210 zu gelangen und Evan und Dylan hatten ihn verfolgt. Danach hatte der Lieutenant eine weitere, hoch entwickelte Gerätschaft mitgehen lassen, über dessen Zweck sich Matt jedoch in Schweigen hielt.

Evan brennte darauf ihm Fragen zu stellen oder die Gerätschaften hier näher zu begutachten. Doch man würde ihn nicht lassen, schließlich wollte keiner eine Veränderung der Zeitlinie riskieren.

„Mister Cross, Miss Weir.“, trat nun ein Mann in schickem, weinroten Anzug an die drei heran.

Er reichte erst Dylan, dann Evan die Hand.

Neben ihm stand ein weiterer Mann mit auf dem Rücken verschränkten Armen, seine Uniform zeichnete ihn als Commander Winters aus. Der feine Mann musste sich jedoch erst einmal vorstellen, bevor Evan und Dylan erahnen konnten, bei wem es sich um ihn handelte.

„Mein Name ist Julian Harrison, ich bin der Leiter des A.C.C. Ich weiß nicht wie viel Ihnen Commander Anderson bereits anvertraut hat, aber ich bitte Sie die Umstände zu respektieren. Bitte fassen Sie hier nichts an und stellen Sie nur Fragen, die sich auf die aktuelle Thematik beziehen.“, bat er die beiden Zeitreisenden.

„Mit Thematik meinen Sie Ken Leeds, nehme ich an?“, erwiderte Dylan karg.

Harrison schluckte betroffen.

Evan konnte ihn verstehen. Wäre jemand bei Cross-Photonics eingebrochen, hätte einen seiner Leute getötet nur um Technologie zu stehlen, hätte er sich ebenfalls Vorwürfe gemacht.

„Wir haben die Akte dieses Ken Leeds, doch diese sagt nichts über dessen Persönlichkeit aus. Können Sie uns da weiterhelfen?“, bat Harrison eindringlich.

Dylan wollte etwas sagen, doch Evan kam ihr schließlich zu vor.

„Ken Leeds ist verrückt. Und wenn ich verrückt sage, dann meine ich gefährlich verrückt. Er ist wie eines dieser Tiere, das durch einen Gang durch eine Anomalie seinen natürlichen Lebensraum verliert. Leeds mag in unserer Zeit geboren worden sein, aber mehr auch nicht. Er ist nichts weiter als ein flennendes Kind in meinen Augen. Das Militär hat ihn degradiert weil er ohne die Konsequenzen zu bedenken einen Fehler begangen hat. Er handelt vorschnell und unüberlegt. Und wenn es schief geht versucht er die Situation zu seinen Gunsten zu drehen und andere dafür verantwortlich zu machen. Ich weiß nicht warum er in Ihre Zukunft gekommen ist, aber es dürfte eindeutig einen Plan haben. Die Tatsachen, dass er einen Opener aus Ihrer Zeit besitzt und eine Version des Ausweises Ihres Mitarbeiters legt den Schluss nahe, dass er einen Komplizen besitzt. Und zwar jemand aus Ihrer Zeit.“, erstattete er dem Director des A.C.C. Bericht.

Harrison starrte Evan kurz an und nickte dann Matt zu.

„Können Sie uns helfen diesen Mann aufzuspüren? Wenn er erst einmal in Gewahrsam ist, wird er uns mitteilen für wen er arbeitet und was diese Leute planen.“, wand sich Matt an die beiden.

Weder Evan, noch Dylan hatten irgendwelche Einwände. Sie empfanden es nicht nur als wichtig Leeds dingfest zu machen, sondern auch in ihre Zeit zurückzukehren.

Sie glaubten Matt auch dabei, dass dieser Leeds zum Reden bringen konnte. Sicher gab es irgendeine Technologie die den ehemaligen Lieutenant dazu zwingen konnte. Sie selbst konnten gerne darauf verzichten und waren froh, dass Matt sie nicht als Gefahr oder den Feind eingestuft hatte.

Harrison rief einem seiner Leute etwas zu und am Ende der Halle wurde ein großer aus Licht bestehender Bildschirm sichtbar.

Evan und Dylan betrachteten verschiedene Überwachungsaufnahmen.

„Wir haben Drohnen auf seine Fährte geschickt. Das sind kleine, insektenähnliche Computer die ungesehen Bildmaterial aufnehmen und übermitteln.“, erklärte ihnen Matt.

Harrison warf ihm einen strengen Blick zu und der Zoologe bereute seine lasche, aber kooperative Art schnell wieder.

„Jedenfalls können sie Leeds nicht finden.“, gab er an.

Evan nickte verstehend.

„Es gibt eine Kernfrage. Nachdem Leeds den Prototyp aus dem Safe gestohlen hat, hätte er den Opener benutzen können um eine Anomalie irgendwohin zu öffnen und sich in Sicherheit zu bringen. Aber nein, er geht das Risiko ein aus einer bewachten Regierungsbehörde zu fliehen, egal ob Ausweis oder nicht.“, sagte er an Matt gewand.

Die ACC-Mitarbeiter überlegen kurz und verstanden was Evan meinte.

Ken Leeds war in dieser Zeit noch nicht fertig. Seine Mission war es den Prototypen zu stehlen, doch das schien noch nicht alles zu sein. Würde er aus dem Jahr 2210 verschwinden, war es schwer ihn zu verfolgen.

Nein, seine Mission war eindeutig noch nicht zu Ende.
 

New Washington, Verbündete Staaten Nordamerikas - 2210
 

Mode mochte sich in der Zukunft geändert haben, die Art sie zu präsentieren jedoch nicht. Verdammt, welche Wunderpillen schluckten diese Amerikaner in der Zukunft?

Ken Leeds beobachtete die Leute von einer Parkbank aus, wie sie an ihm vorbeischlenderten. Es war ein absurder Anblick mitan zusehen, wie Frauen neben sich ihre Einkaufstasche trugen, beziehungsweise tragen ließen. Kleine in der Luft schwebende Roboter hielten die Taschen in der Luft und schleppten sie ihren Eigentümern hinterher. Leeds hätte es nicht gewundert, wenn es auch Roboter gab, die Hunde und Katzen Gassi geführt hätte.

Er blickte in den Himmel und runzelte die Stirn.

Wo verdammt waren die fliegenden Autos? Hatten die Leute in der Zukunft denn wirklich rein gar nichts von den Jetsons gelernt?

Leeds hatte keine Ahnung was sich in den Tanks der neuartigen Automobile befand, die sich auf den Straßen umherzwangen. Vielleicht Wasser, vielleicht Elektrizität, aber es konnte ihm auch egal sein.

Der Verkehr würde sich also verschlimmern. Leeds wusste nicht, wie es mit der Armut aussah, doch er besaß keine großen Hoffnungen. Er hatte bisher nur diesen einen Stadtteil bewundern dürfen und das hatte ihm gereicht. An der Arroganz und der Ignoranz der Menschen hatte sich nichts verändert, aber das kam ihm nur zu Gute. Niemand würdige den Mann aus der Vergangenheit eines Blickes. Leeds war natürlich aufgefallen, dass niemand hier im Rollstuhl unterwegs war, mit einem Körperteil zu wenig herumlief oder gar Pickel im Gesicht aufwies. Die Medizin mochte Fortschritte gemacht haben, doch das beeindruckte ihn wenig. Um nicht aufzufallen hatte er sich den Arm einer Schaufensterpuppe eines Modesalons geborgt und lief nun damit herum. Er hatte ihn schlichtweg an seinen Stumpf angebunden und war ohne aufzufallen weit gekommen. Niemand interessierte sich für ihn und das war gut so.

Es war ihm schwer gefallen sich zu orientieren, nachdem er die Wache erledigt und den Inhalt des Safes mitgenommen hatte. Der Ausweis den ihm Wells mitgab, hatte ihm zwar gute Dienste geleistet, aber was war danach? Leeds hatte sich in einer Seitengasse wieder gefunden und rannte einfach los um nicht verfolgt zu werden. Es war ein Überraschungsangriff gewesen und niemand hatte mit ihm gerechnet.

Leeds hatte versucht herauszufinden wo er sich befand, doch das gestaltete sich schwierig. Englisch war inzwischen eine Sprache unter vielen und die Karten die er sich klaute waren nicht eindeutig. Doch es spielte keine Rolle wohin er ging, er musste nur an ein sicheres Terminal gelangen.

Wells hatte ihm verraten, dass sich welche in staatlichen Einrichtungen wie Postämtern, Rathäusern und Polizeistationen befanden. Letzteres schloss Leeds aus, weshalb er sich entschied der Post einen Besuch abzustatten.

Ob sie in der Zukunft wohl noch Briefmarken verwendeten? Wohl kaum, aber Leeds beschloss sich wenigstens in dieser Angelegenheit überraschen zu lassen.

Der Mann der sich wie der berühmte englische Autor nannte, hatte ihm im Vorfeld nicht verraten wollen worum es sich um Phase 3 handelte.

Leeds hatte das respektiert, immerhin stand sehr viel auf dem Spiel.

Als Wells ihm dann erklärt hatte worum es ging, war er äußerst hellhörig geworden. Dabei hatte es für ihn keine Rolle gespielt, dass er derjenige war, der die Drecksarbeit erledigen musste. Wells hatte ihn nur angeheuert um sich nicht selbst die Finger schmutzig zu machen.

Leeds wusste, dass er ausgenutzt wurde und hasste diesen Gedanken. Doch solange er und Wells ein gemeinsames Ziel verfolgten, würde er seinen Stolz zurückstecken. Der Mann aus der Zukunft hatte ihn in den Zoo geschickt und ihm aufgetragen den Opener zu benutzen um ins Eozän zurückzureisen.

Leeds wusste nicht, ob es lediglich ein mit Menschen beladener Ort sein sollte um Verwirrung und Chaos zu stiften, oder ob die Position wirklich wichtig war.

Auf jedenfall war der erste Part des Plans ein Erfolg.

Leeds öffnete eine Anomalie und einige wilde Raubtiere aus dieser Zeit suchten ihren Weg ins Jahr 2013. Natürlich würden sowohl Evan Cross als auch Project Magnet sofort anrücken um gegen die Tiere anzugehen.

Leeds selbst verspürte in keinem Moment Gefahr. Wells hatte ihm die Brosche mitgegeben, die ihm ein temporäres Schutzschild liefern würde. Diese wurden im Jahr 2180 erfunden und dienten der Miliz sowie dem Militär in Schlachten.

Seine Abreise wurde etwas verzögert, als sich ein Andrewsarchus für ihn zu interessieren begann. Zwar konnte ihm dieser nichts angaben und ließ eine Weile von seinem Opfer ab, doch Leeds verlor dadurch Zeit. Das Militär war inzwischen angerückt und er musste einen der Corporals niederschlagen. Doch er konnte die Anomalie stabilisieren, was jedoch ungeahnte Folgen mit sich zog.

Sie war nun lange genug offen um es Evan Cross und Colonel Hall zu erlauben ihm zu folgen.

Verdammt, die beiden waren wirklich hartnäckig, doch Leeds hatte es noch rechtzeitig auf die Spitze des Berges geschafft, dessen Koordination ihm Wells gegeben hatte.

An diesem Ort, zu dieser Zeit, also vor 56 Millionen Jahren, 3 Monaten, 2 Wochen, 4 Tagen und 9 Stunden würde sich automatisch eine Anomalie ins Jahr 2210 öffnen. Es war die einzige Möglichkeit gewesen ins Labor zu gelangen und das zu stehlen wonach es Wells gierte.

Dieser hatte ihm erklärt, warum es unmöglich war mittels des Openers direkt eine Anomalie in diese Epoche zu öffnen. Und zwar wegen dem so genannten R-System. Eine Funktion die das Anomaly Control Center mittels Satelliten im Orbit kreierte.

Diese sendeten Betawellen aus, was es unmöglich machte, dass sich künstliche Anomalien öffnen konnten. Mittels des Openers zu verschwinden war kein Problem, schließlich besaß die Regierung eine Sektion, die sich mit Zeitreisen befasste.

Das R-System diente dazu, dass niemand aus einer entfernteren Zukunft zurück in die Vergangenheit reisen konnte um sein eigenes Schicksal zu ändern. Deswegen war Leeds’ Umweg unvermeidlich gewesen. 10 Meilen durch die von Raubtieren beherrschte Steppe des frühen Eozäns zu latschen, während ihm seine Lieblingsfeinde folgten. Doch am Ende wurde er für diese Tortur sogar entlohnt. Er empfand Befriedigung dabei, Hall zu erschießen und dessen Gesichtsaudruck miterleben zu dürfen.

Doch er hasste den Gedanken, dass er so nahe am Ziel gewesen war, Evan Cross ebenfalls für immer unschädlich zu machen. Warum hatte ihm ausgerechnet dann die Munition ausgehen müssen?

Wollte das Schicksal noch nicht, dass Cross starb? Hatte es etwas Größeres mit ihm vor?

Jedenfalls wusste Leeds, dass er sich beeilen musste. Cross und die Polizei der Zukunft waren ihm bereits auf der Spur. Der zweite Teil seiner Aufgabe war schier einfach. So einfach, dass es bereits wieder lächerlich war.

Den Prototypen hatte er bereits fest in der Tasche. Er würde in einem Jahr zu einer wichtigen Waffe des A.C.C. werden, doch noch hatten sie keinen Schimmer davon was er alles anrichten konnte. Deshalb hatte Wells diesen besonderen Zeitpunkt gewählt.

Noch war er nicht stark bewacht, was sich 2211 jedoch geändert hätte. Den schwierigsten Teil hatte Leeds bereits hinter sich, was nun folgte war noch eine letzte E-Mail.

Zugegeben, Wells hatte ihm erklärt, dass es hier etwas Komplexer war eine zu schreiben, sofern man sich nicht mit der Technologie auskannte. Er hatte es dem ehemaligen Lieutenant bis ins Detail erklärt.

In dieser Zeit gab es überall Computer, auch wenn diese inzwischen nur noch Terminals genannt wurden. Doch es musste einer mit einer sicheren Leitung sein, da die Regierung über ein ausgefeiltes Überwachungsnetz verfügte, um Demonstranten, Rebellen oder Terroristen zu fassen. Nur in den staatlichen Gebäuden konnte er diese E-Mail verfassen und absenden, ohne dass man sie verfolgte. Wells hatte ihm nicht verraten an wen sie gehen sollte, alles was Leeds besaß war eine Nummer.

Er saß noch immer auf der Bank und starrte zu dem großen aus Licht bestehendem Bildschirm vor sich. Es war wohl die zukünftige Version einer Werbetafel, daran schien sich alles nichts verändert zu haben. Die Industrie unterjochte die Bevölkerung weiterhin, doch niemand der umhergehenden Leute schien darauf zu achten. Gerade wurde ein Spot für Laufschuhe gezeigt und Leeds musste lachen. Waren die Menschen sich wirklich nicht schon zu bequem zum Laufen?

Das Lachen blieb ihm in Halse stecken, als plötzlich ein Bild auf dem Monitor auftauchte. Es zeigte einen Mann mittleren Alters mit braunen Haaren und stark eingefallenem Gesicht. Leeds kannte diesen Mann sehr sehr gut, immerhin begrüßte er ihn jeden Tag im Spiegel.

Der ehemalige Lieutenant sah sich um und legte seinen gesunden Arm auf die Lehne der Bank, um sein Gesicht wenigstens etwas zu kaschieren.

Das Bild verkleinerte sich und ein weiterer Mann war zu sehen, diesmal wohl live.

Ein Name in gelben Buchstaben wurde eingeblendet, Director Harrison vom A.C.C.

Dieser wies die Bevölkerung kurz dazu auf, auf einen gefährlichen Kriminellen zu achten, die nur einen Arm besaß. Die Durchsage dauerte nicht lange, doch sie reichte um Leeds Nerven anzukauen.

Die Leute hier wussten jetzt wie er aussah, er musste sie dringend einen Hut, vielleicht auch einen falschen Bart besorgen, wenn er nicht auffallen wollte.

Sofern die Leute hier noch Wert darauf legten sich zu verkleiden.

Es war der Moment in dem Leeds aufstand. Es spürte förmlich wie sein Gehirn heißer wurde und ihm eine Idee zuflog.

Cross und die anderen würden alle Mittel einsetzen um ihn zu finden. Er musste sie also irgendwie von sich ablenken. Die vorhin im Zoo brauchte er etwas das sogar noch größere Priorität als er besaß.

Langsam schritt er zu der Mitte des Parks, der sich hinter ihm auftat zog den Opener aus der Tasche.

Die Andrewsarchus hatten letztes Mal hervorragende Arbeit geleistet, auch wenn einige Menschen ums Leben gekommen waren. Doch diesmal wussten seine Feinde, dass Leeds etwas plante. Er musste also etwas in diese Zeit bringen, gegen das die Andrewsarchus wie kleine, harmlose Chihuahua wirken ließ.

Wells hatte ihm genau erklärt wie er das Display bedienen musste um eine Zeitperiode auszuwählen. Und die Funktion um die Größe der Anomalie einzustellen. Wenn Leeds’ Ablenkung erfolgreich sein sollte, musste sie verdammt riesig sein. Zwar kostete dies den Opener viel Energie, aber der Benutzer war zuversichtlich, dass diese auch noch für seine Rückreise ausreichte. Leeds stellte die Anzeige auf 112 Millionen Jahre zurück.

Der Ort spielte keine Rolle, nur dass es etwas hindurch schaffte.

Wells hatte ihm verraten, dass dies in 80 bis 90 % der Fälle kein Problem war, da die Tiere ohnehin vom magnetischen Feld der Anomalien angelockt wurden.

Beeindruckt sah er dabei zu wie sich das elektromagnetische Feld öffnete und die Anomalie sich bald darauf mehrere Meter nach oben erstreckte.

„Werde erstmal damit fertig, Cross.“, funkelten Leeds’ Augen erwartend.
 

New Washington, Verbündete Staaten Nordamerikas - 2210, ACC-Gebäude
 

Evan und Dylan waren sich nicht sicher, wie vielversprechend Harrisons Durchsage wirklich war. Bis auf seinen fehlenden Arm stach Leeds nicht sonderlich hervor. Konnte er seine Verletzung irgendwie kaschieren, würden sich vielleicht nicht viele Leute melden. Commander Winters glaubte außerdem, dass Leeds von den Leuten aus ihrer Zeit einen Störsender bekommen hatte. Die fliegenden Augen, die Überwachungswerkzeuge dieser Zeit waren somit nutzlos.

Ja, Ken Leeds wusste was er tat, daran bestand kein Zweifel. Es wurde immer dringlicher ihn aufzuhalten.

Doch was war dazu notwenig?

Plötzlich erklang ein Alarm und rotes Licht pulsierte an der Decke. Es war derselbe Klang wie der, als Evan und Dylan die Anomalie aus dem Eozän verließen.

„Melde neue, einkommende Anomalie.“, sagte eine Stimme hinter der Gruppe.

Harrison fluchte.

„Ausgerechnet jetzt? Als ob wir nicht Ärger genug hätten. Legen Sie die Aufzeichnungen auf den Bildschirm.“, befahl er und die Angestellten des A.C.Cs handelten sofort.

Die Szenerie auf dem Monitor aus Licht änderte sich und einige Bilder wurden übertragen. Dylan glaubte die Innenstadt darin zu erkennen, sah aber nichts Verdächtiges.

Bis sich alles ändern sollte.

Eine Frau rannte mit wild umher fuchtelnden Armen am Bild vorbei, ihr Mund war geöffnet.

Das Video übertrug keinen Ton, doch Dylan konnte sich den Schrei der Frau vorstellen. Weitere Bilder wurden eingeblendet, sie zeigten zerstörte Fahrzeuge und Straßenlaternen. Wieder ein neues Bild offenbarte die Reste einer Parkbank und viele umgeknickte Bäume.

„Was kann so ein Chaos anrichten?“, fragte die Frau ungläubig.

Im nächsten Moment war eine Art Peitsche zu sehen, Evan identifizierte sie als den Schwanz eines Sauriers.

„Verdammt! Stellen Sie die Augen so ein, dass sie sich nur auf einen Punkt konzentrieren!“, wies Harrison seine Leute an.

Diese folgten und bald glichen sich die verschiedenen Bilder an. Mann eilte nach vor und streckte seine Finger aus. Mit ihnen zog er den Ausschnitt größer, damit alle das Geschehen mitverfolgen konnten.

Dylan drehte angewidert den Kopf weg, als die Überreste eines Menschen gestreamt wurden, der augenscheinlich geradezu zermatscht wurde. Nein, nicht zermatscht, sondern zertreten.

Das Wrack eines Autos flog umher und gigantische Beine wurden sichtbar. Graue, mit Schuppen behaftete Haut zeigte sich. Die Drohnen flogen weiter hoch und bald war die Fratze eines gigantischen Theropoden zu sehen. Aufgrund Vergleiche mit umstehenden Gebäuden schätzen ihn die Zuschauer auf mindestens 13 Meter. Der Saurier war eindeutig verwirrt und wusste nicht wo lang.

„Ohnein.“, entkam es Dylan als sie mitan sah wie eine Frau durchs Bild lief.

„Sie darf nicht weglaufen! Der Saurier wird sie auf der Stelle als Beute erkennen und…“

Dylan wünschte sich die Gelegenheit zu bekommen ihr das zu sagen. Doch selbst wenn, war es wenige Sekunden später vorbei.

Der Saurier wurde auf sie aufmerksam, ging in die Knie und verschlang die Beute mit einem Haps. Obwohl die Drohnen kein Audio-Signal wiedergaben, spürten die Zuschauer förmlich das grausige Brüllen des Ungetüms.

„Ich habe noch nie so eine Bestie gesehen. Was zum Teufel ist das bloß?“, schluckte Harrison.

Selbst Evan war starr vor Schreck. Die Echse hatte ihn einen Moment an den Albertosaurus erinnert, der ihm Brooke genommen hatte. Und die Frau, die gerade vor seinen Augen ihr Leben verlor, hätte sie sein können. Fakt war, dass die Menschen diesen Kreaturen hoffnungslos unterlegen waren.

„Das ist ein Tyrannotitan.“, teilte Matt allen Anwesenden mit.

Titan. Ja, diesen Namen hätte ihm Evan ebenfalls gegeben, wenn er an der Namensfindung beteiligt gewesen wäre.

„Er stammt aus der Unterkreide und dorthin wird die Anomalie auch führen, also etwa 125 Millionen Jahre in die Vergangenheit. Er ist etwas kleiner als sein Nachfahre, der Tyrannosaurus Rex, dafür aber wesentlich leichter, was ihn schneller macht als seinen Abkömmling.“, informierte sie der Zoologe was sie da vor sich hatten.

Dylan nickte verstehend. Es war die perfekte Tötungs – und Fressmaschine.

Auch Director Harrison schien wieder zu sich zu finden.

„Also gut, unsere andere Angelegenheit verschieben wir. Anderson, Winters, Sie stellen ein Team zusammen und schaffen das Ungeheuer in seine Zeit zurück. Ihnen stehen alle Mitteln zur Verfügung.“, befahl er und klatschte in die Hände.

Matt und Winters setzten sich in Bewegung.

„Wir werden auch gehen.“, entschied Evan und Harrison blickte ihn verdutzt an.

„Hören Sie, das Auftauchen dieses Riesen ist kein Zufall, glauben Sie mir! Das trägt eindeutig Leeds Handschrift. Er weiß, dass wir ihn verfolgen und will von sich ablenken.“, redete der Mann aus der Vergangenheit auf den der Zukunft ein.

Harrison überlegte kurz und stimmte dann zu.

Evan gab Dylan ein Zeichen und gemeinsam liefen sie los um Matt einzuholen. Die vier hopsten die Treppe hinunter und begaben sich in den Raum, auf dem Dylan vorhin die Aufschrift ‚Ausrüstung’ gelesen hatte.

„Also gut.“, begann Matt.

„Wir werden euch Schutzkleidung und Waffen mitgeben. Beides werdet ihr allerdings nicht brauchen, da ihr außerhalb der Gefahrenzone bleibt. Es dient nur für den Notfall. Mein Team schließt die Anomalie und danach suchen wir nach unserem Flüchtling.“, erklärte er den Plan

Weder Evan noch Dylan besaßen Einwände. Um ehrlich zu sein wollte keiner von ihnen diesem Ungeheuer auch nur zu nahe kommen. Sie hatten nicht wie durch ein Wunder eine Reise durchs Eozän überlebt um dann von einem Dinosaurier verspeist zu werden.

Nachdem Matt und Winters fertig angezogen waren, beobachtete Evan wie die beiden eine grüne Brosche auf ihrer Brust befestigten und aktivierten. Ein grelles Licht erschimmerte und Evan erinnerte sich sofort zurück. Leeds hatte das Gerät als ein temporäres Schutzschild beschrieben, durch das der Körper durch jegliche Verletzung verschont blieb.

„Also… nur für den Notfall, dürfen wir ebenfalls welche von den Dingern haben.“, bat Evan untertänlichst.

Matt räusperte sich und schüttelte den Kopf.

„Sorry, aber die Dinger sind enorm schwierig herzustellen. Wir haben nicht viele davon und ihr werdet sie bestimmt nicht brauchen.“, wehrte er ab.

Evan wusste nicht ob sein Gegenüber die Wahrheit sprach, oder einfach keine fremde Technologie aus den Händen geben wollte.

Er hatte Matts Gesichtsausdruck bemerkt als feststand, dass Leeds einen Opener besaß. Ganz zu schweigen von Matts Ausweis, durch den der Kriminelle erst fliehen konnte.

„So, jetzt werden Sie beide mal sehen wie Profis das machen.“, gab Winters an und zückte seine Waffe.

Sie bestand aus weißem, polymeren Metall und der Commander schien sie zu entsichern. Ein elektrischer Puls lud sich in ihr auf und zeigte, dass sie bereit war.

„Wir rücken aus.“, gab Matt nun den Befehl.

Evan sah zu Dylan und diese erkannten Besorgnis in dessen Augen.

„Bist du wirklich bereit?“, hakte er nach und Dylan lächelte.

„Für diese Frage dürfte es schon etwas zu spät sein, findest du nicht?“

Evan verzog keine Miene.

„Wir… könnten sie einfach bitten eine Anomalie in unsere Zeit zu öffnen. Dann wären wir vor dem Abendessen wieder zu Hause.“, meinte er und Dylan gab zu, dass dies verführerisch klang. Doch sie änderte ihre Meinung nicht.

„Leeds… darf nicht gewinnen.“, erwiderte sie schließlich und Evan kam nicht daran herum ihr recht zu geben. Jetzt wo sie diesen Kampf schon mal führten, würden sie ihn auch zu Ende bringen.
 

New Washington, Verbündete Staaten Nordamerikas - 2210, Innenstadt
 

„Kann das Ding nicht fliegen?“, beschwerte sich Evan, als sich auf der Straße vor ihnen eine Vielzahl an Autos auftat.

Verständlicherweise hatten die Insassen die Fahrzeuge bereits verlassen und waren vor dem Tyrannotitan geflohen.

Selbst Dylan kostete es ein Schmunzeln, dass die Verkehrsprobleme in der Zukunft noch immer nicht gelöst wurden.

„Uns bleibt keine Wahl, dir müssen aussteigen und den Rest zu Fuß zurücklegen.“, entschied Matt.

Er und Winters schlagen gleichzeitig Fahrer und Beifahrertür auf und sprangen ins Freie. Evan und Dylan taten es ihnen gleich und eine Spur weiter wo der nächste Van fuhr, eilten fünf schwer bewaffnete ACC-Mitarbeiter heraus.

„Der Tyrannotitan muss sich laut unseren Quellen in nördlicher Richtung befindet. Unsere Mission ist es ihn zu betäuben und zurück in die Anomalie zu befördern. Schwere Maschinen dafür wurden bereits angefordert.“, beschrieb Matt ihr Vorgehen. Doch für seine Männer schien dies Routine zu sein. Unter der Leitung der beiden Commander kämpften sie sich durch die umherstehenden Autos Richtung Norden.

Evan und Dylan taten es ihnen gleich und Matt bedachte sie eines strafenden Blickes.

„Habe ich Ihnen beiden nicht gesagt, dass Sie außerhalb der Gefahrenzone bleiben sollen?“

Evan legte eine unschuldige Miene auf.

„Sicher, aber Sie sagten selbst, dass wir es mit einem Titan zu tun haben. Bei seiner Größe brauchen Sie bestimmt jede Hilfe die Sie kriegen können.“

Matt ließ sich umstimmen und die Gruppe setzte ihren Weg fort.

Evan wusste weshalb Matt so vorsichtig war. Würden er und Dylan in dieser Periode sterben, würde das die Geschichte verändern. Sie würden nicht in ihre Zeit zurückkehren und Evan würde mit Hilfe von Cross-Photonics keine großartigen, wissenschaftlichen Errungenschaften präsentieren können. Ganz zu schweigen, dass auch Evan nicht die geringste Lust verspürte hier sein Leben zu lassen. Er wollte seine Familie und Freunde wiedersehen und… Ange. Noch immer gab es unausgesprochene Worte zwischen ihnen.

Doch vermutlich wollte seine Partnerin diese gar nicht hören. In den letzten Tagen hatte er immer wieder Versuche unternommen mit ihr zu reden, ohne überhaupt zu wissen was er genau sagen sollte. Daran hatte sich bis jetzt nichts geändert. Er wusste nur, dass er unbedingt zurück musste um dies zu tun.

Der Gruppe kam ein gehetzter Mann entgegen und wollte sich durchkämpfen.

Matt hingegen hielt ihn auf und unternahm einen Versuch ihn zu beruhigen.

„Dieses… dieses Monster!“, keuchte er abwesend.

„Sir! Sie müssen uns sagen so es sich befindet!“, versuchte Matt zu ihm durchzudringen.

Der Atem des Mannes raste und immer wieder zeigte er in nördlicher Richtung.

„Gleich… gleich dort vorne!“, presste er hervor und Matt ließ ihn ziehen.

Das darauf folgende Brüllen bestätigte die Aussage des Mannes. Der Tyrannotitan war nur noch wenige hundert Meter von ihnen entfernt.

„Was ist da vorne?“, erkundigte sich Dylan.

„Der Obama-Square, dort führt nur eine Straße hinein und hinaus. Wir können ihn einkesseln und ihn dann betäuben.“, verriet ihr Winters.

Evan und Dylan starrten ihn skeptisch an.

„Betäuben? Doch nicht etwa mit diesen einfachen Gewehren?“, hakte die letztere nach, die aufgrund ihres Berufes einige Erfahrung im Bereich der Wildtier-Betäubung aufweisen konnte.

Sowohl Winters als auch Matt grinsten sie an, scheinbar würden die Neuankömmlinge bald selbst erfahren wozu diese Waffen im Stande waren.

3 Minuten später war es dann auch soweit.

Riesig, so war der einzige Gedanke den die im Vergleich zu dem gigantischen Titanen kleinen Menschen fassen konnten. Der Großvater des T-Rex brüllte und es klang beinahe schon gequält. Menschen waren inzwischen keine mehr in der Nähe und der Tyrannotitan fühlte sich wie im Mäusekäfig. Die Straße vor ihm war zu eng, zwei Hochhäuser zierten den Platz. Er konnte zurück, doch noch kam er nicht auf diese Idee. Erbost schlug die Echse seinen Kopf gegen eine große Marmorstatue. Dieser zerbarst und die Trümmer stürzten zu Boden.

„Da wird sich der Denkmalschutz aber nicht freuen.“, kommentierte Matt.

„Und unser erster, schwarzer Präsident ebenfalls nicht, also legen wir endlich los.“, meinte Winters und gab seinen Leuten Handzeichen. Diese begannen sich aufzuteilen und nur Dylan und Evan blieben in Matts Nähe. Im Gegensatz zu den ACC-Mitarbeitern besaßen sie keine solche Brosche und würden keine unnötigen Risiken eingehen.

„Gleich zeige ich euch wie man das in unserer Zeit erledigt.“, verkündete Matt und hob das Gewehr.

Doch dem Tyrannotitan entging die Ankunft der Besucher keineswegs. Er brüllte und schwang seinen dicken Schwanz. Dieser peitschte einige Autos in die Höhe, welche sich willkürlich auf dem Platz verteilten. Einige der ACC-Mitarbeiter wurden getroffen, doch aufgrund der Broschen würden sie keine Verletzungen davon tragen.

„Auf mein Kommando feuert ihr auf die Beine!“, rief Matt seinen verbliebenen Leuten zu.

Diese nahmen den Befehl auf und warteten angespannt.

„3…2…“, zählte Matt, doch es sollte anders kommen.

Der Tyrannotitan wurde noch wütender und stapfte mit dem Fuß empört auf den Asphalt. Ein langer Riss zog sich quer über den Platz und Evan und Dylan mussten auf schmerzhafte Weise erfahren, dass es selbst hier noch einen Kanal unter den Straßen gab.

Der Platz drohte einzubrechen, die ACC-Mitarbeiter verloren ihre Stellung. Einer von ihnen feuerte, traf aber nur eine große Standuhr, anstatt die Echse.

„Evan!“, schrie Dylan als der Boden unter ihr wackelte. Dieser wollte nach der Hand der Freundin greifen, doch es war zu spät. Ihre Fingerspitzen berührten sich noch, dann sprang der Boden zwischen ihnen auf und Dylan wurde nach hinten geworfen. Evan wollte zu seiner Freundin eilen, doch eine breite Schlucht hatte sich zwischen ihnen aufgetan. Er dachte daran zu springen, doch er würde schlimme Verletzungen in Kauf nehmen.

„Gehen Sie da weg!“, hörte er eine Stimme hinter sich und erkannte Winters.

Evan wollte verneinen, doch Winters zeigte auf Matt, der noch auf Dylans Seite stand und ihr aufhalf.

„Ihrer Freundin geht es gut, wir brauchen einen sicheren Platz!“, redete der Commander auf ihn ein.

Evan nickte und ließ sich von Winters mitziehen. Dadurch entfernte er sich von Dylan, hoffte aber, dass sie nicht schwer verletzt war.
 

New Washington, Verbündete Staaten Nordamerikas - 2210, Innenstadt
 

„Ihr Knie.“, wies Matt Dylan auf die Verletzung hin.

Diese nickte, kämpfte sich aber wieder hoch.

„Ist nicht so schlimm.“, tat sie die Wunde ab und verschaffte sich einen Überblick. Sie hielt nach Evan Aussah und erkannte ihnen auf der anderen Seite der soeben gebildeten Schlucht. Sie hob ihre Hand zum Zeichen, dass es ihr gut ging und Evan tat es ihr gleich.

Dann wurde sie grob an den Schultern gepackt.

„Wir müssen hier weg, der Boden ist instabil geworden.“, warnte sie Matt.

Dylan sah auf den Asphalt, in dem sich immer neue Risse bildeten. Doch sie und Matt waren nicht diejenige die in Gefahr waren. Der Tyrannotitan befand sich auf der anderen Seite, zusammen mit Evan und Winters. Sie sorgte sich um ihren Freund, immerhin stand dieser ohne Schutz da.

„Keine Sorge, Winters ist ein erfahrener Soldat, er wird Cross beschützen.“, redete ihr Matt gut zu.

Dann wieder ein lautes Geräusch, doch diesmal nicht seitens des Tyrannotitans. Matt schien es nicht gehört zu haben, bildete sich Dylan das nur ein? Hatte sie einen Hörsturz erlitten?

Die Antwort lautete nein. Während der Tyrannotitan auf Evans Seite immer noch wütend brüllte und Autos wie Gänseblümchen zertrat, regte sich in dem Hochhaus links von ihm etwas.

„Verdammt! Sehen Sie doch nur!“, zeigte Dylan auf zwei Personen im Eingangsbereich des Gebäudes.

Matt versuchte ihrem Blick zu folgen und schluckte. Zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen kauerten hinter einer Glastür und starrten ins Freie. Dylan riss sich los und unternahm einige Schritte, bis Matt sie zurückriss.

„Sind Sie verrückt?“

Dylan schüttelte stur den Kopf.

„Wir müssen die Kinder retten und zwar schnell!“, sagte sie fordernd.

Damit war der Zoologe aber alles andere als einverstanden.

„Betäuben wir zuerst den Tyrannotitan, danach können wir die Kinder herausholen.“, schlug er vor.

Dylan musterte ihn einen Moment und Matt fragte sich ob ihm etwas entging. Er starrte noch einmal zu der Echse und schluckte.

„Genau.“, folgte Dylan seinem Gedankengang.

„Wenn wir ihn jetzt betäuben, fällt er und sein gigantischer Körper trifft vermutlich das Hochhaus. Die Kinder würden es nicht schaffen.“, schien sie die Situation richtig zu erkennen.

Matt musste ihr rechtgeben und überlegte angestrengt.

„Also gut, wir stellen es folgendermaßen an. Sie werden den Tyrannotitan ablenken, aufgrund der Schlucht ist es ihm ohnehin unmöglich auf unsere Seite zu kommen. Währendessen hole ich die Kinder raus und bringe sie in Sicherheit.“, entschied er.

Der Plan klang gut, doch Dylan hatte Einwände.

„Das klappt nicht, dazu tut mein Knie zu sehr weh. Ich unterdrücke den Schmerz und fliehe zusammen mit den Kindern in die Seitenstraße wohin der Fleischfresser uns nicht folgen kann. Würde ich ihn ablenken müsste ich schnell sein, weil er nach mir schnappen könnte. Das muss eine unverletzte Person übernehmen.“, erklärte sie.

Matt wurde ganz blass bei dem Gedanken, dass er den Köder für den Tyrannotitan spielen durfte. Zugegeben, diese Aufgabe konnte er kaum einer verletzten Frau zumuten, aber auch wenn er ein Gentleman war, wünschte er sich im Moment ein wenig weniger Testosteron im Körper zu haben.

„OK, so machen wir es.“, stimmte er zu und schnappte sein Funkgerät.

Währendessen hatten sich Evan und Winters in eine sichere Position gebracht und einen der ACC-Mitarbeiter der ein Auto abbekommen hatte geborgen.

Ungläubig hörte Evan mit was Dylan vorhatte und unternahm einen Versuch Winters das Funkgerät abzunehmen.

„Dylan, das ist zu gefährlich!“, warnte er, doch Winters schob ihn weg.

„Wir haben unsere eigenen Probleme, halten Sie einfach Sicherheitsabstand!“, schien er den Leiter von Cross-Photonics wie ein Hindernis zu anzusehen und behandelte ihn auch gleichermaßen. Evan schnaubte wütend. Immerhin hatten er und sein Team bereits Saurier gejagt als der Mann vor ihm noch nicht einmal geboren worden war. Zugegeben, vielleicht weniger effektiv, doch im Moment sah es auch nicht so aus als besäßen die Experten aus der Zukunft die Kontrolle über die vorherrschende Situation.

Matt befahl Winters noch nicht zu schießen, da der Tyrannotitan sonst gegen das Hochhaus krachen und es zum Einsturz bringen konnte. Er und Evan sollten ihn erst einmal nur ablenken, bis er und Dylan die Kinder aus der Gefahrenzone gebracht hätten.

Doch wie zum Teufel stellte sich dieser Kerl das vor? Wie sollten sie einen 13 Fuß großen Theropoden bitteschön ablenken? Ihm Witze erzählen? Fragen über seine Herkunft oder seine Lebensgeschichte stellen? Fakt war, dass der Tyrannotitan gefangen war. Aufgrund der Schlucht konnte er nicht einmal dahin zurück woher er gekommen war. Links erstreckten sich zwei Hochhäuser und rechts tat sich eine weite Bibliothek auf, wie Evan es erkennen konnte.

Er blickte auf die andere Seite und beobachtete wie Matt und Dylan in Richtung des Eingangs huschten. Evan und Winters schrieen laut, damit der Tyrannotitan auf sie aufmerksam wurde.

Ohne Erfolg.

Scheinbar waren die beiden zu klein und unbedeutend für den riesigen Titanen. Kurz später erkannten sie auch was sie falsch machten. Ihre Schreie unterschieden sich von der Lautstärke her kaum von wildem Hupen, dem der Saurier seit seiner Ankunft sicher ausgesetzt war. Matt hingegen machte es richtig und sprang auf der Stelle, während er gleichzeitig wie bei Dehnungsübungen die Arme auf und ab bewegte.

„Hier bin ich du Bestie!“, hörten sie in Rufen und Evan erkannte gleichzeitig wie Dylan im Eingang verschwand.

Es dauerte zu lange, so fand er. Die Kinder mussten verängstigt sein und obwohl Dylan eine Person war, zu der sie schnell Zugang finden würden, so verstrich einfach zu viel wertvolle Zeit.

„Scheisse!“, rief Winters und Evan blieb fast das Herz stehen als der Tyrannotitan sich hinhockte und über die Schlucht hinweg nach Matt zu schnappen versuchte.

Dieser war zum Glück sportlich und ließ sich zurückfallen. Das Einzige, das die großen Zähne verzerrten war Luft.

„Das war verdammt knapp.“, glaubte wohl Winters unnötig sagen zu müssen.

Evan atmete erleichtert auf als die Kinder aus dem Eingangsbereich schossen und nach links Richtung der schmalen Straße liefen. Sie waren in Sicherheit nur… wo war Dylan? Er bekam mit wie Matt etwas zugerufen wurde und er schnappte sich nun wirklich Winters Funkgerät.

„Was zum Teufel ist bei euch los?“, fragte er in strengem Ton.

Matt griff sich an die Brusttasche um sein eigenes Funkgerät zu aktivieren.

„Miss Weir braucht noch etwas, sie hat Schreie im ersten Stock gehört. Scheinbar kommt gerade eine alte Frau die Treppe herunter um die sie sich ebenfalls noch kümmern will.“, verriet er.

Evan glaubte sich verhört zu haben. Zum ersten Mal regte er sich unglaublich über Dylans Sanftmüdigkeit auf.

Der Tyrannotitan unternahm einen weiteren Versuch nach Matt zu schnappen, diesmal war es knapper. Der Zoologe ließ vor Schreck das Funkgerät fallen. Ihm blieb nichts anderes übrig als seine Position aufzugeben und zum Hochhaus wegzulaufen. Doch gerade das spornte den Tyrannotitan noch an und er erhob sich wieder. Matt hatte seine Jagdlust gesteigert und er unternahm einen Versuch über die Schlucht zu treten.

Er scheiterte und das mit fatalen Folgen.

Der riesige Theropode verlor das Gleichgewicht und prallte mit dem Unterleib gegen die Fassade des Hochhauses. Sämtliche Farbe wich aus Evans Gesicht.

„Weg hier!“, brüllte Winters und packte ihn an den Schultern.

Evan besaß nicht mehr genug Kraft um sich zur Wehr zu setzen.

Zuerst zersprangen die Fenster durch die gewaltige Wucht, dann brach überall der Beton. Die obersten drei Stockwerke des Wohnkomplexes stürzten nun ein, gewaltige Brocken regneten auf den Tyrannotitan herab, trafen seinen Schädel und begannen ihn unter sich zu begraben.

Genau wie Dylan Weir. Gigantische Staubmassen bildeten sich, die Sicht wurde immer schlechter und Evan wurde zusammen von Winters und den ACC-Mitarbeitern weggezerrt.

Aber das konnte einfach nicht sein? Was war mit Dylan passiert? Und hatte Matt es geschafft sich in Sicherheit zu bringen? Die Sicht lockerte sich kurz und Evan erkannte, dass auch das Erdgeschoss größtenteils eingestürzt war. Egal von welcher Seite aus man es betrachtete, kein Mensch konnte so einen Einsturz überleben. Dylan hatte der alten Frau helfen wollen und dafür mit dem Leben bezahlt. Immer mehr wurde evan bewusst, dass er seine Freundin nicht wiedersehen würde.

„Es tut mir leid.“, sagte Winters in einem mitleidigen Ton.

Evan spürte eine einzelne Träne seine Wange herablaufen.
 

New Washington, Verbündete Staaten Nordamerikas - 2210, Innenstadt
 

Einige Sekunden lang hatte er still beobachtet wie Winters sich um seine Leute kümmerte. Die Brosche eines der ACC-Mitarbeiter hatte ausgesetzt, als die Wucht eines Autos ihn traf. Ein Metallrohr steckte in seinem Becken und Winters unternahm sämtliche Anstrengungen um seinen Zustand zu stabilisieren. Herausziehen konnte er es unmöglich, sonst würde der Mann vermutlich verbluten. Er konnte die Wunde nur verbinden und mittels Funkgerät sofort ärztliche Hilfe anfordern.

Danach hörte Evan ihn immer wieder den Namen Matt ins Gerät rufen, doch scheinbar ohne jeglichen Erfolg. Winters fluchte und schleuderte das Funkgerät zu Boden. Er strich sich über die schweißnassen Haare und stapfte auf Evan zu.

Seine Augen verengten sich und dieser bemerkte, dass der Commander an ihn herunter sah.

„Ihr Arm.“, wies er Evan auf etwas hin. Dieser folgte nun dem Blick seines Beschützers und inspizierte sein rechtes Armgelenk. Die Ärmel war gerissen, aber kein Blut vorhanden. Dennoch schlugen sämtliche Versuche den Arm zu bewegen fehl. Überall um den Einsturtzort lagen verstreut Trümmer, eines davon musste Evan getroffen haben, ohne dass dieser es wahrgenommen hatte.

Selbst der Schmerz musste untergegangen sein.

Wenigstens der Körperliche.

Noch immer dachte er nur an Dylan und welches Opfer sie gebracht hatte. Erst Mac, jetzt Dylan. Dabei war es geradezu absurd in Anbetracht, dass er sie noch letzten Monat vor einem urzeitlichen Erreger hatte retten können.

Nein, falsch. Derjenige der seine Freundin retten konnte war Luke gewesen. Evan hatte nur nutzlos dagestanden und sich den Kopf über seine eigenen Unzulänglichkeiten zerbrochen. Genau wie heute. Diesmal war es ihm nicht gelungen Dylan zu retten. Auch wenn Luke sie genauso wenig hätte aufhalten können, rechtfertigte dies rein gar nichts.

„Ich versorge Ihren Arm. Er ist gebrochen oder ausgerenkt.“, meinte Winters und wollte nach seinem Arm greifen.

Doch Evan zuckte und wich zurück.

„Nicht nötig.“, versicherte er, erhielt aber nur einen verdutzen Blick.

Winters meinte, er solle sich nicht so anstellen, doch Evan warf ihm eine Beleidigung an den Kopf und torkelte nach hinten.

Weg hier! Weg hier, dachte er sich. Er wurde mit dieser Situation ohnehin nicht mehr fertig und wollte einfach nur abhauen. Dylan war fort und auch der Rest war ihm egal geworden. Leeds, Ange, Cross-Photonics und am allermeisten die verdammten Anomalien. Konnte sich die Natur nicht dazu entscheiden lieber mehr Tornados auf die Welt loszulassen anstatt dieser gefährlichen Zeitrisse?

Winters rief ihm etwas hinterher, doch Evan hörte nicht auf ihn. Er bekam nur noch mit wie es dem ACC-Mitarbeiter schlechter ging und der Commander erneut zu ihm eilte.

Sollte er nur, Evan selbst war kaum wichtig. Verletzt oder nicht, anderen ging es wesentlich schlimmer. Er rannte blindlings voran, es spielte keine Rolle in welche Richtung er lief oder wo er ankam. Wahrscheinlich war es ohnehin die Hölle und Drake, Mac und Dylan würden über ihn richten. Er konnte sich sogar Hall als Henker vorstellen der ihm zuflüsterte, dass es ja so kommen musste bei seinem Verhalten. Kurz bevor er die Axt schwang und den Todeskandidaten köpfte.

Evan brach mittels seines losen Arms den Rückspiegel eines Wagens ab und spürte das erste Mal den Schmerz. Er hatte ihn verdient, auch wenn er nichts im Vergleich dessen war, was seine Freunde wegen ihm hatten erdulden müssen. Alles um ihn herum fühlte sich unwirklich an, Zeiten die sich ineinander überlappten. Urplötzlich war er nicht mehr in der Zukunft, sondern der Vergangenheit. Er fand sich in der Kreidezeit wieder, neben ihm stand der Albertosaurus der ihm Brooke genommen hatte und brüllte ihn schadenfroh an.

Dann fand er sich plötzlich im Silur wieder, überall um ihn herum herrschte trockene, fahle Wüste. Der Boden unter ihm gab nach und er stürzte in ein tiefes Loch. Dort wartete bereits der Brontoskorpio, der ihm auch beinahe Toby genommen hätte auf ihn und drehte sich ein paar Mal im Kreis. Es war beinahe so, als würde er ein Tänzchen aufführen, nur um Evan zu verspotten. Im nächsten Moment fand er sich im dritten Untergeschoss von Cross-Photonics wieder und stand seiner Frau gegenüber. Brooke lächelte ihn verliebt an, bis der Albertosaurus hinter ihr eifersüchtig wurde und beschloss ebenfalls ein Stück von ihr abhaben zu wollen.

Ein sehr großes Stück.

Evan wurde panisch, drehte sich um und wollte fliehen, kollidierte jedoch mit einer anderen Person.

Vor ihm stand Mac Rendell, ein Teil seiner Uniform glich der des ARCs, der andere der des kanadischen Militärs. Seine rechte Gesichtshälfte war blutverschmiert, er erinnerte beinahe an diesen einen Schurken aus Batman.

„Mac!“, keuchte Evan aufgeregt.

„Bist du gekommen um mich zu retten?“, sah er in seinem Freund die letzte Hoffnung.

Mac betrachtete ihn spöttisch und ungläubig.

„Dich retten? Warum sollte ich das tun? Wegen dir hat das doch alles erst angefangen. Gebe es dich nicht, wäre Brooke nicht gestorben und ich hätte dich nicht retten müssen. Aber du stehst wohl förmlich darauf meine Leiche immer wieder in eine Kühltruhe zu stopfen, was? Das hier ist für Dylan!“, drehte Mac den verwirrten Evan um und stieß ihn direkt ins Maul des Albertosaurus.

„Na also, das hätte ich schon von Anfang an tun sollen.“, hörte Evan seinen besten Freund noch sagen, bevor ihn die riesigen Zähne des Sauriers zermalten.

Im nächsten Moment spürte er harte Ohrfeigen gegen seine Wange und die zarte Stimme einer Frau.

„Mister! Mister, Sie dürfen jetzt nicht ohnmächtig werden!“, redete sie auf ihn ein und Evan unternahm einen neuerlichen Versuch wieder Herr seiner Sinne zu werden. Er lag auf dem Rücken, die Sonne brannte auf ihn herab. Anhand des wohl inzwischen noch mehr abgenommenen Ozonlochs musste er wieder im Jahr 2210 sein. Eine Frau in rotem Kleid hatte sich über ihn gebeugt und versuchte ihm zu helfen. Evan spürte den rauen Beton unter sich, er musste also mitten auf der Straße liegen.

„Geht es Ihnen gut?“, fragte die Frau besorgt und Evan unternahm einen Versuch sich aufzusetzen.

„Ja… ja.“, brachte er lediglich heraus, doch die Frau schien das anders zu sein.

„Nein, Sie sind definitiv nicht in Ordnung! Ihr Arm hängt von Ihnen weg und Sie bluten aus dem Ohr.“, machte sie ihn darauf aufmerksam.

Evan zeigte sich deshalb aber nicht schockiert, sondern nahm es einfach zur Kenntnis. Eine Kopfverletzung also, das ergab Sinn. Oder?

„Sie dürfen jetzt nicht das Bewusstsein verlieren, ich brauche Sie!“, klang die Stimme der nun flehend.

Evan musterte sie, auch wenn seine Sicht etwas verschwommen war.

„Da war vorhin dieser seltsame Mann in meiner Filiale und hat mich mit dieser seltsam aussehenden Waffe bedroht. Ich glaube man nennt sie Pistole, mein Großvater hat sie gesammelt. Und dann dieser laute Krach zwei Straßen weiter und der Staub am Himmel. Sie sind doch von der Miliz, oder? Sie müssen mir helfen!“, bettelte die Frau.

Evan sah neben sich und erkannte, dass er immer noch das Schockgewehr in der linken Hand hielt, das Matt ihm gereicht hatte. Was hatte diese Frau da gerade gesagt? Seltsame Waffe? Pistole? Moment, kannte er nicht jemanden der noch vor wenigen Stunden eine auf ihn gerichtet hatte?

Evan wurde von einem Moment auf den anderen hellwach, als stünde sein Körper unter Drogen. Zugegeben, Adrenalin war ja auch eine. Er packte die Frau an den Schultern und fragte wo sie jene Person gesehen habe. Diese zeigte einige Meter entfernt auf ein Gebäude auf dem Evan den großen Schriftzug ‚Post’ erkennen konnte.

„Verschwinden Sie von hier!“, blaffte er die Dame unfreundlich an und stand auf, auch wenn sich seine Beine wacklig anfühlten. Seine Retterin wagte es nicht ihm zu widersprechen und setzte ihren Weg in die entgegengesetzte Richtung fort.

Evan selbst setzte einen Schritt nach dem anderen an und war bald vor der Postfiliale angekommen. Im selben Moment wurde die Tür aufgeschlagen und Ken Leeds hopste freudig und vergnügt ins Freie.

Erst als er ein paar Stufen hinter sich hatte, verdüsterte sich seine Miene und seine Pupillen weiteten sich.

„Cross?!“, schien er seiner Wahrnehmung nicht ganz zu trauen.

Dann geschah alles blitzschnell. Leeds griff an seinen Gürtel um nach der Pistole zu greifen. Doch Evan hatte das Gewehr bereits in der Hand und als Leeds die Waffe endlich erhoben hatte, schoss er. Ein Impuls löste sich aus dem Lauf und Leeds Pistole wurde aus dessen Hand geschleudert. Sie flog mehrere Meter über den Boden und der ehemalige Lieutenant kam in Bedrängnis. Er wog einen Moment seine Optionen ab. Nach der Pistole hechten oder die Flucht ergreifen. Nein, die erste Möglichkeit war ausgeschlossen, Evan war jederzeit bereit zu feuern. So sehr Leeds Weglaufen auch verabscheute, die Mission durfte nicht fehlschlagen. Neben sich erblickte er einen Blumentopf auf dem Sockel des Filialeingangs und warf ihn Evan entgegen. Dieser traf den Kopf des Bewaffneten und er torkelte mit einem Aufschrei zurück. Auch wenn er nur Sekunden gewann, nutzte Leeds die Gelegenheit zur Flucht. Er bog um eine Ecke und Evan schoss ein zweites Mal. Dieses traf der Impuls ein Zufahrtsschild und warf es um. Er ließ das Gewehr fallen, alles wozu es im Stande war, war es Lebewesen zu betäuben. Evan hingegen hatte nicht die geringste Intention Leeds diese Gnade zu erweisen. Er schritt zu der Pistole und hob sie auf. Nachdem er das Magazin kontrollierte, stelle er erleichtert fest, dass Leeds seit dem letzten Mal nachgeladne hatte. Sein Arm und sein Kopf bereiteten ihm höllische Schmerzen, aber dennoch lief er los. Er bog um die Ecke und rannte die Straße entlang. Leeds hatte mindestens 10 Meter Vorsprung und bog um eine weitere Ecke.

Evan blieb ihm dicht auf den Fersen und fand sich kurz darauf vor einer Absperrung wider. Leeds musste darüber gesprungen und das Gebäude direkt dahinter betreten haben. Scheinbar handelte es sich um ein Lager, in dem zusätzlich gerade gebaut wurde.

Es war leicht Leeds hier zu finden, das Echo seines Keuchens und Schnaufens hallte von den Wänden wider. Evan durchquerte den Eingangsbereich und stieg über einige Bretter, die unter seinem Gewicht laut knarrten. An deren Ende war er vor einem Durchgang angelangt, der in eine weite Halle führte. Evan durchschritt ihn und richtete die Pistole in die Luft. Das Echo des Schusses hallte von den Wänden ab und ließ Leeds, der sich in der Mitte des Raumes befand erzittern. Der zum Feind gewordene Freund drehte sich um und schluckte. Er hob seine rechte Hand und hielt sie Evan offen entgegen, als Zeichen, dass dieser inne halten sollte.

„Lass es sein, Cross, es hat doch ohnehin keinen Sinn! Erinnerst du dich nicht an mein Schutzschild?“, spielte er plötzlich den Überlegenen.

Evan schmatzte vergnüglich und richtete die Waffe auf ihn.

„Netter Versuch, aber ich habe das mit dem temporär schon mitbekommen. Diese Broschen sind nur schwer herzustellen, weil sie zu viel Energie schlucken. Da du vor mir weggerannt bist, dürfte deine inzwischen nutzlos geworden sein.“, teilte er Leeds seine Vermutung mit.

Dessen schnell einfallende Miene verriet, dass Evan ins Schwarze getroffen hatte.

„Wir beide haben alles verloren und selbst auch selbst daran schuld, weißt du Leeds?“, sprach Evan in einer gefühllosen und kaltherzigen Stimme, wie es sein Gegenüber nie von ihm erwartet hätte.

„Warte! Ich habe einige Informationen und werde sie dir mitteilen wenn du mich leben lässt.“, startete Leeds den nächsten Versuch, nachdem Evan erneut einige Schritte näher gekommen war.

Dieser zeigte sich unbeeindruckt.

„Ich habe auch eine Information für dich. Und zwar scheisse ich auf deine tollen Pläne, sie interessieren mich nicht!“, fauchte er wütend.

Leeds taumelte einige Schritte rückwärts und befand sich immer noch in einer Abwehrhaltung.

„Jetzt bleib doch rational! Wenn du mich abknallst, dann hast du gar nichts davon!“, unternahm er einen weiteren Versuch den Namen der ihn bedrohte zu überzeugen. Gut, die Sache mit der Rache ließ der Gepeinigte verständlicherweise aus.

„Komm schon, du bist doch selbst angeschlagen und gehörst in ein Krankenhaus! Lass uns das alles in Ruhe bereden, am besten bei einer Kanne heißen Kaffee.“, brabbelte der ehemalige Lieutenant weiter und fiel vor Panik auf die Knie.

Evan Cross musste nicht Medizin studiert haben, um zu wissen, dass sein rechter Arm gebrochen war. Doch wer war dann schuld? Die Ironie des Schicksals? Dafür, dass er seinem Erzfeind den linken Arm geraubt hatte, verlor er nun womöglich seinen eigenen? Es spielte im Grunde keine Rolle. Selbst wenn das ganze Gebäude einstürzte, Evan war im Moment nur eine Sache wichtig.

Er hatte noch nie eine Pistole mit der linken Hand gehalten, doch er würde abdrücken wenn es unbedingt nötig war.

Und er wusste, dass es das war.

Der ehemalige Lieutenant war selbst voller Schweiß und die Panik hatte ihn gepackt. Evan Cross hatte alle Zeit der Welt ihm hinterher zu torkeln. Leeds konnte ohnehin nicht mehr entkommen, vor ihm erstreckte sich nun eine Wand. Sollte diese nicht auch automatisch einstürzen saß er in der Falle.

Leeds’ krumme Finger strichen an der Wand entlang, doch es gab kein Entkommen. Er drehte sich um und bedachte Evan eines diabolischen Lachens. Die Narbe an seiner linken Gesichtshälfte wirkte nicht mehr so bedrohlich und auch Leeds’ Augen hatten die Angriffslust einer Schlange verloren.

Evan stand dem sitzenden Leeds nun direkt gegenüber und schritt nach vorne.

Ohne irgendeine Gesichtsregung presste er den Lauf der Pistole auf Leeds Stirn.

Das Lachen des Einarmigen wurde immer schriller und ungläubiger.

„Na los, Cross! Worauf wartest du noch? Drück endlich ab.“, blaffte er Evan an.

Dieser schluckte und spürte, wie ein Finger am Abzug zitterte.

Es war so leicht und dann auch wieder nicht. Ein Tier zu erschießen war er gewohnt, aber einen Menschen?

Doch war Leeds überhaupt noch ein Mensch? Alles an ihm sprach eine andere Sprache. So einen Schmerz und so eine Verzweiflung hatte Evan noch nie in den Augen eines anderen gesehen.

„Stoppen Sie Leeds. Egal was Sie dafür tun müssen.“, erinnerte sich Evan an Halls letzte Worte an ihn.

„Leeds… darf nicht gewinnen.“, hallten immer noch Dylans Abschiedsworte in seinem Ohr.

„BRING ES ENDLICH ZU ENDE, CROSS!“, klang Leeds Schrei beinahe schon wie ein Wimmern.

Evan holte noch einmal tief Luft und dachte daran was dieser Mann ihm angetan hatte.

Dafür, dass er Hall erschoss, hätte er ihn am liebsten ins Gefängnis gebracht und den Schlüssel weggeworfen.

Aber dass… dass er auch noch Dylan getötet hatte, das war unverzeihlich gewesen.

Es war so, als würde sie Evans Hand führen und den Anzug um einiges leichter machen.

Evan sah Leeds noch einmal direkt in die Augen. Dann drückte er ab.

„Ahhhh!“, kreischte Leeds fasste sich an sein linkes Ohr.

Die Kugel war wenige Zentimeter davon in die Wand eingeschlagen und hatte bei Leeds vermutlich zu einem Hörsturz geführt. Als Evan die Pistole wieder sank, bedachte ihn Leeds eines verwirrten Blickes.

„Ich bin nicht wie du.“, sagte er ihm ins Gesicht, auch wenn er nicht sicher war, ob Leeds ihn nach der Penetration seines Ohres überhaupt verstand.

Evan wollte noch etwas sagen, doch da vernahm er Stimmen ganz in der Nähe.

„Evan! Evan, bist du hier irgendwo?“, hallten die Rufe in den weitläufigen Räumen wider.

Die Stimme war weiblich und Evan konnte sie schwören sie schon irgendwo einmal gehört zu haben. Er drehte sich um und versuchte die Richtung einzuordnen.

Wie unter Feuer riss er die Augen auf als er sie einer Person zuordnete, die ihm viel bedeutet hatte.

Dylan Weir.

„Dylan? Aber… das ist unmöglich.“, murmelte er und glaubte nun endgültig den Sinn für die Realität verloren zu haben.

„Hey Cross!“, lallte Leeds vor ihm und Evan drehte ihm wieder das Gesicht zu.

Im nächsten Moment verspürte er einen Stich in seiner Hüfte. Er sah an sich herab und versuchte den kleinen Gegenstand zu identifizieren, den sein ärgster Feind gerade in ihn gerammt hatte.

„Ein Schraubenzieher?“, fragte er perplex.

„Soll sich noch einer darüber beschweren, wenn Handwerker ständig ihr Werkzeug liegen lassen.“, witzelte er und stand auf.

Evan verlor den Orientierungssinn und fiel zu Boden. Er wagte es nicht den Schraubenzieher aus seinem Körper zu ziehen, zu schlimm konnten die Konsequenzen sein.

Ken Leeds holte tief Luft und zog den Opener aus seiner Tasche.

„Scheinbar sterbe ich heute doch noch nicht.“, kommentierte er, während er Daten in das Gerät eingab.

Bald darauf richtete er sie nach vorne und eine Anomalie tat sich auf.

Leeds wand sich noch einmal Evan zu und grinste ihn an.

„Das nächste Mal wenn wir uns sehen, wird es in einer vollkommen neuen Welt sein.“, versprach er und verließ dieses Jahrhundert. Evan bot alle verbleibenden Kräfte auf um ihm durch die Anomalie zu folgen, doch so schnell wie er sie geöffnet hatte, schien Leeds sie auf der anderen Seite auch wieder zu schließen.

Das Licht erlosch und Evan ließ sich zurückfallen. Er spürte inzwischen keinen Schmerz mehr, sein Körper fühlte sich wie ein einziger, großer Fleischbrocken an.

„Evan!“

Schon wieder diese Stimme. Dylan musste ihm aus dem Himmel her rufen, anders konnte er es sich nicht erklären. Aber warum eigentlich der Himmel? Diesen hatte Evan doch alles andere als verdient, oder?

Während seine Sicht endgültig verschwamm, erkannte er drei Schatten über sich. Von der Größe her mussten zwei davon Männer sein. Und der dritte?

Der dritte legte seine Hände auf Evans Wangen und flehte ihn an durchzuhalten.

„Du… du bist da.“, flüsterte er Dylan zu.

Diese nickte mit Tränen in den Augen.

„Ja ich bin da! Und ich werde dich auch nicht mehr alleine lassen, versprochen.“, flüsterte sie zurück.
 

New Washington, Verbündete Staaten Nordamerikas - 2210, 2 Tage später
 

Dylan empfand es als unverantwortlich, dass Evan bereits wieder Dehnübungen vollzog, auch wenn es nur dazu diente um anzugeben. Sie boxte ihn leicht gegen die Schulter, doch ihr Freund stieß einen gepeinigten Schrei aus.

„Tu… tut mir leid.“, entschuldigte sich Dylan sofort.

Evan prustete nur los und enttarnte somit den Scherz.

Dylan seufzte und verdrehte die Augen.

„Mit dir macht man wirklich was mit.“, klang sie inzwischen recht genervt.

Evan zog sein Hemd ein Stück hoch und betrachtete die Stelle, wo Leeds noch vor zwei Tagen einen Schraubenzieher versenkt hatte.

„Verdammt! Ich sehe nicht einmal eine Narbe.“, konnte er seinen eigenen Augen nicht trauen.

„Laser-Technologie.“, sagte eine näher kommende Stimme.

Er und Dylan drehten sich um und erkannten Matt und Harrison, die gerade die Operationszentrale betraten.

Vor allem Evan hob erstaunt die Augenbrauen.

„Matt, was ist mit Ihrem Gesicht?“, hakte er nach, als er die vielen Kratzer und Abschürfungen auf der Haut des Zoologen wahrnahm.

Matt zeigte sich ertappt.

„Das ist nichts weiter. Ich habe es nur noch nicht geschafft beim Doc vorbeizuschauen. Die Bergungs – und Räumarbeiten zu überwachen hat jede Minute meiner Zeit beansprucht.“, gab er zu.

Evan reichte ihm nun die Hand, die noch vor kurzer Zeit gebrochen war.

Die beiden Männer starrten sich einen Moment lang an und schüttelten sie sich dann gegenseitig.

„Ich danke Ihnen, Matt. Das meine ich ernst. Ohne Sie wäre Dylan jetzt tot, das werde ich Ihnen nie vergessen.“, sagte Evan und seinem gegenüber war klar wie aufrichtig und ernst er es meinte.

„Es ist mein Job Menschen zu beschützen.“, erwiderte Matt und Evan fiel auf, dass es dem Commander sogar etwas gefiel als Held gefeiert zu werden. Evan selbst konnte es ihm nicht verdenken und gönnte es ihm sogar.

Matt Anderson hatte sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, als er Dylan seine Brosche überließ, damit diese gefahrlos die Kinder aus dem Gebäude retten konnte. Sich selbst vor dem Tyrannotitan zum Hampelmann zu machen und zu riskieren, dass dessen scharfes Gebiss einen auch wirklich erreichen konnte war mehr als mutig. Waghalsig. Verrückt. Heldenhaft.

Nachdem der Wohnkomplex begann einzustützen, warf sich Matt hinter die Überreste der Obama-Statue und wartete ab. Er stülpte sich den Kragen seines Hemdes über Mund und Nase und kehrte in den Gefahrenbereich zurück.

Er hatte bereits befürchtet Dylan aus einem Berg von Geröll und Beton befreien zu müssen, doch Fehlanzeige.

Als der Tyrannotitan gegen das Gebäude geprallt war, stürzte es nach vorne ein und sorgte für ein steiniges Grab für den Saurier. Das Erdgeschoss war zwar ziemlich verwüstet und der Boden des ersten Stockwerks war heruntergekommen, doch mittels des Schutzschildes war Dylan unverletzt geblieben. Die Trümmer hatten sie zwar immer wieder zu Boden gedrückt, doch die Frau hielt solange durch, bis von oben nichts mehr herab kam. Und mehr noch. Als die ersten Trümmer vielen, hatte sie die ältere Dame zu Boden gestoßen und sich mit ganzer Länge über sie geworfen. Diese verfügte zwar über kein Schutzschild, überlebte dank Dylans Hilfe aber dennoch. Deren Brosche hatte kurz nach dem Einsturz den Geist aufgegeben, Matt erklärte ihr noch vor Ort, dass sie sehr viel Energie beanspruchten. Die ältere Frau wurde ins Krankenhaus gebracht und das Areal weiträumig abgesperrt.

Matts Gesicht und Hände sahen zwar nun aus, als hätte ihn eine räudige Katze angefallen, doch er bereute nichts.

Evan zog Matt zur Seite.

„Stand in der Akte nicht, Dylan wäre während einer Mission gestorben und etwa einen Monat später beerdigt worden?“, flüsterte er ihm zu.

Matt nickte betroffen.

„Ja, deshalb dachte ich mir, wenn sie nicht im Eozän starb, dann in unserer Zeit. Darum dachte ich schon vorher daran ihr im richtigen Moment meine Brosche anzuvertrauen.“, verriet er.

Evan blickte ihn unsicher an.

„Aber damit haben Sie die Vergangenheit verändert und das nur für ein einziges Leben.“, erinnerte er.

Matt legte nun verschwörerisch einen Finger auf seine Lippen und beobachtete aus den Augenwinkeln Harrison.

„Wenn Sie nichts verraten, werde ich es auch nicht. Und die Zeit tut uns ohnehin schon so viel an. Damit will ich nicht sagen, dass es in Ordnung ist sie nach unserem Belieben zu verändern, aber doch das einzelne Leben durchaus wichtig sind und es sich lohnt sich nicht immer an die Regeln zu halten.“, gab er seine Meinung wieder.

Evan verstand nur zu gut was der Mann da von sich gab.

Auch war in Versuchung geraten durch die Anomalie ins Jahr 2006 Brooke zu retten. Er hatte sich schließlich dagegen entschieden weil er glaubte andere Menschen mit Hilfe von Cross-Photonics retten zu können. Lange stand für ihn danach fest, dass es vielen besser ergangen wäre, insbesondere Mac. Und wahrscheinlich wäre Leeds nicht zu einem Soziopathen mutiert.

Doch was wäre mit Dylan passiert? Ohne Evan wäre es sehr gut möglich gewesen, dass der Utahraptor nicht nur Drake, sondern auch sie geholt hätte. Hatte er also tatsächlich… etwas richtig gemacht? Evan wusste es nicht genau, doch das momentane Gefühl wollte er noch eine Weile in sich behalten. Dylan war nicht wegen ihm gestorben und er empfand unendliche Erleichterung.

„Tja, dieser Leeds ist dann wohl entkommen.“, klang Julian Harrisons Bemerkung geradezu anklagend.

Evan nickte.

„Tut mir leid. Ich hätte ihn töten sollen als ich die Gelegenheit dazu hatte, aber ich konnte es nicht. Weil ich wieder einmal zu schwach war, kann Leeds mit der Technologie nun alles Mögliche anstellen.“, gab er sich geknickt.

Dylan verneinte augenblicklich.

„Du bist nicht schwach, ganz und gar nicht. Wenn du so geworden wärst wie Leeds, dann hätte er am Ende gewonnen.“, stand für sie fest.

Evan dachte daran, dass sein Erzfeind das vermutlich immer noch konnte. Dieser hatte ihm geschworen, dass sich beide in einer neuen Welt wieder finden würden. Wäre die Zeitlinie erneut verändert, wenn Evan und Dylan nach Hause kamen? Er betete dafür, dass dies nicht der Fall war.

„Wir halten ihn in unserer Zeit auf. Versprochen.“, sagte er an Matt und Harrison gewand.

Die beiden Männer nickten zustimmend, keiner von ihnen schien Zweifel zu besitzen.

Winters kam nun die Treppe hoch und hielt das Gerät in Händen, auf das sich Evan und Dylan im Moment am meisten freuten.

Ein Opener.

„Wo darf es hingehen?“, fragte der Commander und die beiden Fremden in dieser Zeit antworteten beinahe zeitgleich.

Sie wünschten sich nichts lieber als an den Zeitpunkt ihrer Abreise zurückzukehren, am besten direkt vor das Cross-Photonics Gebäude.

Winters tat nichts lieber als ihnen diesen Wunsch zu erfüllen und bald öffnete sich die Anomalie in der Mitte der Halle, direkt auf dem ACC-Symbol und unterhalb der Kuppel. Ein paar Hände wurden geschüttelt und Evan und Dylan mussten versprechen mit niemanden in der Vergangenheit über das Gesehene zu sprechen.

„Viel Glück.“, wünschte er Matt Anderson.

Dieser lächelte und stemmte die Hände in die Hüften.

„Klar, ich kümmere mich weiter um das Saurier-Problem. Wer weiß, vielleicht erledige ich nächstes ja einen richtigen T-Rex.“, machte er einen Spruch, wobei er es sich in der Realität natürlich nicht wünschte. Die beiden Besucher wollten gerade die Anomalie betreten, als Winter ihnen den Opener reichte.

Evan starrte seine Gastgeber erstaunt an.

„Euer Gegner besitzt ebenfalls mindestens einen davon. Es ist also nur fair, wenn ihr auch einen benutzt.“, meinte Matt dazu.

Evan und Dylan war ihre Skepsis deutlich anzusehen.

„Ist das wirklich in Ordnung?“, hakte letztere nach.

Doch selbst Harrison gab ihnen sein Einverständnis.

„Das ist eine einmalige Notsituation. Aber bitte benutzen Sie ihn weise und vorsichtig. Und um Himmels Willen, lassen Sie sich das Teil hier bloß nicht klauen.“

Evan schwor, dass sie dieses Geschenk weder aus den Augen lassen, noch jemanden davon erzählen würden. Die Zeit sollte nicht noch mehr beschädigt werden.

Dann sahen beide wieder nach vorne und durchschritten die Anomalie.

Winters holte einen zweiten Opener hervor und schloss sie.

Für kurze Zeit war es still in der großen Operationszentrale.

Harrison befeuchtete seine Lippen und blickte zu Matt.

„Ich hoffe Sie haben nicht wieder einmal über die Strenge geschlagen.“, spielte er auf Matts Laschheit an.

Dessen Miene wurde nun ernster.

„Nein, um davon abzulenken habe ich Evan Cross sogar belogen.“, gestand er.

Harrison hob die Augenbrauen und wartete darauf, dass Matt von alleine fortfuhr.

„Zum einen erzählte ich ihm, dass er in der Zukunft noch Großartiges leisten würde. Das war die erste Lüge. Und zum zweiten… habe ich sie vertauscht.“, wurde er konkreter.

Sein Vorgesetzter schien ihm jedoch nicht ganz folgen zu können.

„Vertauscht? Was denn?“

Matt sah kurz zu Boden und sprach weiter.

„Die Sterbedaten. Ich sagte ihm, sein Todestag wäre der 01.12.2062.“, erwiderte er.

Nun mischte sich Winters ein.

„Halt! Als ich Miss Weirs Akte studierte, war dieses Datum bei ihr eingetragen.“, fiel es ihm wieder ein.

Matt nickte.

„Ja, Dylan Weir sollte ursprünglich nicht in dieser Zeitperiode sterben. Es war vorbestimmt, dass ich ihr meine Brosche leihe und sie heil wieder nach Hause kommt.“, sorgte er für Klarheit.

Während Winters betroffen wirkte, fuhr Harrison für ihn fort.

„Mit anderen Worten, der 29.02.2013, also ein Monat nach dem Zeitpunkt zu dem wir sie zurückgeschickt haben…“

Matt unterbrach ihn um es selbst auszusprechen.

„Ja, Sie haben recht. Das ist der Tag, an dem Evan Cross sterben wird.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück